Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1889

12 13 Um die Interessen des Handels und der Industrie zu fördern, wurden mit beinahe sämmtlichen europäischen Staaten neue Handelsverträge geschlossen, öffentliche Waarenhäuser errichtet und allen Anstalten, welche Creditgeschäfte betreiben, Begünstigungen eingeräumt. Aber auch die politische Lage sollte gefestigt und namentlich der deutsche Bund reformirt werden. Die süddeutschen Staaten neigten von jeher sich Oesterreich zu. Um nun diese Frage zu lösen, lud unser Kaiser die sämmtlichen deutschen Fürsten im Jahre 1863 zu einem Congreß nach Frankfurt a. M. ein. Alle erschienen, nur — der König von Preußen nicht. An seiner hartnäckigen Weigerung, Deutschland in friedlicher und gesetzlicher Weise zu einigen, scheiterten auch alle von den Fürsten bereits genehmigten Reformpläne. Immer war es unser erhabener Monarch, der in seinen Bestrebungen den Frieden zu erhalten und seine Staaten zur volkswirthschaftlichen Entwicklung gelangen zu lassen, auf Widerstand stieß und der seine edlen Absichten verkannt und mit Undank gelohnt sah. Man sah schon damals einem Zusammenstoß mit Preußen entgegen, derselbe wurde aber noch durch die schles- wig-holstein'sche Frage aufgehalten. König Christian IX. hatte bei seinem Regierungsantritte Schleswig vollständig Dänemark einverleibt. Das ganze deutsche Volk protestirte gegen diesen Gewaltact und Preußen begünstigte diese nationale Begeisterung, die zur Einheit jedoch unter Preußens Vorherrschaft führen sollte. Es hielt aber hiezu noch nicht die Zeit gekommen und machte Oesterreich den Vorschlag, gemeinschaftlich mit Ausschluß der übrigen deutschen Staaten die Rechte des deutschen Bundes zu wahren. Unser Kaiser ging in seiner Großherzigkeit auch darauf ein, obwohl er damals Preußen hätte ganz isoliren können. Die österreichischen Truppen unter Gablenz bedeckten sich bei Jagel, Oeversee, Veile mit Ruhm, die junge österreichische Flotte imponirte unter Tegetthof bei Helgoland den Dänen, aber Preußen wußte diese Thaten zu verkleinern und während unser Kaiser nur bemüht war, die Rechte und Erbansprüche des Herzogs von Augustenburg zu wahren, und den Standpunkt festhielt, daß die beiden Herzogthümer nicht den Siegern gehören sollten, war Preußen keineswegs gewillt das eroberte Land herauszugeben und benutzte schließlich diese Gelegenheit, um Oesterreich gänzlich aus Deutschland zu verdrängen. In aller Stille hatte es sich an Italien einen Bundesgenossen versichert und Frankreich und Rußland, die heimlichen Gegner Oesterreichs, zur Neutralität bestimmt. Nachdem Preußen nunmehr seine Rüstungen vollendet hatte, trat es An- , fangs 1866 offenbar feindselig gegen Oesterreich auf. Obwohl unser Kaiser noch am 8. April erklärt hatte, daß ihm jedes offensive Vorgehen fern liege, gelang es Bismarck doch, seinen König zum Krieg zu bestimmen. Da Italien eine gewaltige Armee aufgestellt hatte, so waren auch wir zur Bewachung unserer Südgrenze gezwungen. Preußen hatte dadurch seine Absicht: unsere Streitkräfte theilen zu müssen, erreicht, und da unser Kaiser noch bis zum letzten Augenblicke nicht glauben konnte und wollte, daß der frühere Alliirte alle bestehenden Verträge brechen und eine Invasion unternehmen würde, so wurde nur eine ungenügende Armee im Norden aufgestellt. Trotzdem dieser Krieg in Preußen selbst höchst unpopulär war, trotzdem sämmtliche Bundesarmeecorps mobili- sirten -und sich Oesterreich anschlossen, bewährte sich doch die preußische Heeresorganisation anfs glänzendste. Nachdem die Truppen einnial im Felde standen, schlugen sie sich auch aufs tapferste, und unsere braven Soldaten konnten gegen die Uebermacht und unter einer nicht einheitlichen Führung nichts ansrichten. Während der italienische Feldzug durch Erzherzog Albrecht in der Schlacht bei- Custozza in einem Tag beendet war, während Tegetthoff die italienische Flotte Kaiserin Maria Theresia-Denkmal. ^i Lissa theils vernichtete, theils zerstreute, folgte im Norden eine Niederlage der andern. Mit blutendem Herzen gab unser Kaiser trotz seiner Siege Venetien an Italien preis, mit blutendem Herzen schloß er am 23. August mit Preußen und am 3. October mit Italien den Frieden. Oesterreich gab seine Stellung in Deutschland und Italien auf, und nachdem diese Conflicte für immer beseitigt waren, so konnte unser Kaiser nun auch sein begonnenes Reformwerk und die Wiederherstellung des inneren Friedens wieder aufnehmen. Mit Aus-

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