Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1889

4 terrscher angeboren sein müssen, und aiser Franz Josef wurde auch zum Herrscher erzogen. Widmen wir deshalb seiner Erziehung einige kurze Betrachtungen. Es war am Vormittag des 18. August 1830, als 101 Kanonenschüsse den Wienern die Geburt eines kaiserlichen Prinzen verkündeten. Der zweite Sohn des Kaisers Franz I. — Erzherzog FranzKarl — hatte sich 1824 mit Sophie, der Tochter des Baiernkönigs Maximilian, vermalt, und diese Ehe wurde au dem denkwürdigen Tage mit dem zukünftigen Herrscher über die österreichische Monarchie gesegnet. Bei aller Liebe, welche die hohen Eltern ihrem Sohne entgegenbrachten, war die Erziehung doch eine sehr strenge. Es galten die Erziehungsmaßregeln, welche schon Kaiser Josef II. aufgestellt hatte, und bei welchen das Hauptprincip galt, daß ein Thronfolger gerathen müsse. Demgemäß wurde dahin gewirkt, im gekräftigten Körper eine starke Seele zu schaffen. Eine fast spartanische Lebensweise wurde eingeführt und das Kind des einfachsten Bürgers konnte mehr die heiteren Freuden der Jugend genießen, wie der kaiserliche Prinz. Die Leitung der Erziehung wurde in die Hände des Grafen Bombelles gelegt, für die einzelnen Fächer functionirten Graf Coronini-Cronberg, Oberst von Hauslab und der spätere Cardinal Rauscher. Der junge Prinz hatte viel zu lernen, vor Allem französisch und die Landessprachen: italienisch, ungarisch, czechisch und polnisch. Das Sprachentalent der Habsburger bewährte sich auch bei dem zukünftigeu Kaiser. Er beherrscht diese Sprachen und sogar die einzelnen Idiome vollkommen. Der Sprosse eines Kaiserhauses hat sich eine Summe von Wissen anzueignen wie selten ein anderer Jüngling. Glücklicher Weise besaß Erzherzog Franz Josef ganz außergewöhnliche Anlagen. Scharfer Verstand paarte sich mit Lernbegierde, und bei einer gewissenhaften Zeiteintheilung war cs sogar möglich, den Sinn des jungen Prinzen für die Kunst zu fördern. Er offenbarte unter der Leitung von I. N. Geiger ein entschiedenes Talent für Zeichnung und Composition, und wir sind in der glücklichen Lage, zwei seiner Handzeichnungen, die er als 15jähriger junger Mann aus einer Reise durch Dalmatien entworfen, unseren Lesern vorführen zu können*). Seine militärische Ausbildung erhielt der Prinz durch den Oberst und späteren Feldzeugmeister Hauslab, einen ebenso hochgebildeten wie liberal denkenden Officier. Er mußte den Dienst bei allen Waffengattungen so zu sagen von der Pike an erlernen. Es lag aber nicht in der Absicht, einen Soldatenkaiser in ihm zu erziehen. Naturgeschichte, Chemie, Physik, Technologie und sogar Waaren- kunde wurden in den Bereich seines Wissens einbezogen. Da der zukünftige Kaiser aber vor allem die Verwaltung des Staates innehaben mußte, so wurde bereits 1846 mit den juridisch-politischen Studien begonnen und Ende 1847 legte der junge Prinz die Richteramtsprüfung mit glänzendem Erfolg ab. Die Behand- lung der Staatsgeschäfte studirte er io der Hof- und Staatskanzlei. Aus dieser kurzen Schilderung dürfte wohl hervorgehen, daß die Jugend unseres Kaisers all' jene leichtlebigen Freuden, die sich andere Jünglinge er'" lauben dürfen, nicht aufkommen ließ' Obwohl Niemand in den letzten Studien" jähren voraussehen konnte, daß er schon so früh zum Herrscheramt berufen sein würde, so wurden doch alle Vorbereitungen dazu gewissermaßen instinctiv getroffen, und diese weise Fürsorge erhielt ihr^ Rechtfertigung durch die denkwürdigen Ereignisse des Jahres 1848 nur zu schnell' Erzherzog Franz Josef wurde öd' politischen Schwüle, welche in den April" tagen dieses verhängnißvollen Jahres in *) In der Hoflithographie von Reifen stein & Uhl in Wien ist das vollständige Albu^ dieser Handzeichmmgeil erschienen und empfehle^ wir dasselbe unseren Lesern. Wien herrschte, entrückt und in das Lager Radetzky's nach Italien gesandt. Der große Feldherr empfing ihn gerade wcht allzufreundlich, denn die Verantwortung für ein so kostbares Leben lastete schwer auf ihm. Der junge Prinz lleß sich aber nicht abweisen und empfing, wie wir schon oben berichtet, bei Santa 7-ucia die Feuertaufe. An der Seite seines erlauchten Oheims, des Erzherzogs Erzherzog Franz Josef bei St. Lutia. , deckst, wohnte er im heftigsten Geschütz- leuer der Schlacht bei und zuckte nicht, eine Kanonenkugel auf kurze Distanz ^ ihm einschlug. Dem alten Helden n'^ ^er diese Todesverachtung gar m > - genehm, und er sandte den Prinzen . ft einer Cavalleriedivision zur Sicherung ^eg Operationslinie vom Schlachtfeld Ät Innsbruck, wohin sich Kaiser Ferdinand vor der Revolution geflüchtet 5 hatte, setzte der Erzherzog seine Studien fort. Schon damals war die Rede von einer Abdankung und zwar sollte dieselbe am 18. August, dem 18. Lebensjahre des Erzherzogs Franz Josef, welches nach den Hausgesetzen auch die Großjährigkeit in sich schloß, zu dessen Gunsten erfolgen. Fürst Windischgrätz hielt die Zeit noch nicht für reif dazu, aber Fürst Felix- Schwarzenberg, der im October mit der Bildung eines neuen Cabinets betraut wurde, bereitete das große Ereigniß, das am 2. December eintrat, vor. Der junge Prinz hatte selbst noch keine bestimmte Ahnung davon; denn seine Lehrer hatten ihn nach Olmütz begleitet, und als an diesem für die Geschichte der österreichischen Monarchie so denkwürdigen Tage die Mitglieder des allerhöchsten Kaiserhauses und alle Großwürdenträger zu früher Morgenstunde in

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