88 Steyr große Aufregung in den fortschrittlich gesinnten Kreisen der Bevölkerung. Während die clericale Partei, wie überall, so auch in Stehr mit allen möglichen Mitteln Unterschriften für den Liechtenstein'schen Antrag zu sammeln bemüht war, beschloß der Fortschrittsverein in Steyr in seiner General-Ver- s a m m l u n g a m 30. Jänner einstimmig eine Resolution, in der er gegen den Liechtenstein'schen Sch ulgesetz- Entwurf auf das Entschiedeilste protestirte und die Erwartung anssprach, daß die deutschliberalen Abgeordneten diesen Antrag nöthigen- falls mit den äußersten parlamentarischen Mitteln bekämpfen werden. Auch der Gemeinderath von Steyr nahm entschieden Stellung gegen den L i e ch t e n st e i n's dj e n S ch u l- antrag, indem er in einer eigens hiezu am 2. Febr. einberufenen außerordentlichen Gemeinderaths-Sitzung die Tendenzen des Antrages brandmarkte und mit 14 gegen 3 Stimmen den Beschluß faßte, eine Petition an das hohe Abgeordnetenhaus zu richteu, in welcher auf die Gefahren, die der Liechten- stein'sche Schulantrag birgt, hingewiesen und die Bitte ausgedrückt wird, daß das hohe Abgeordnetenhaus den gemeinschädlichen Antrag ablehnen möge. Zugleich wird in dieser Petition die Erwartung ausgesprochen, daß die deutschen Abgeordneten des Reichsrathes eiu- müthig den Antrag mit allen zu Gebote stehenden Mitteln bekämpfen werden. Nach laugen schwierigen und Sachkenntuiß wie Energie in gleicher Weise erforderlichen Berhaudluugen und Vorarbeiten wurde aul 18. Februar dem Oberingenieur Herrn Josef Ritter von Wenn sch die Concession zum Bane und Betriebe ei uer schmaU spnrigen Bahn von Steyr nach Unter- Grünbnrg mit dem Rechte ertheilt, diese Bahnlinie streckenweise weiter, eventuell bis Klans fortzusetzen, wenn die Beschaffung des erforderlichen Baucapitales gesichert ist. Die Spurweite wurde mit OM Metern und die Länge im Ganzen mit 41-5 Kilometern bestimmt, wovon jedoch auf die zunächst und unbedingt herzustellende Strecke Steyr-Unter- Grünburg 19^Iilometer entfallen. Die effec- tiven Baukosten der Strecke von Stehr (Garsten) nach Unter-Grünburg wurden mit demMaximal- betrage von 750.000 fl. inclusive der Fahr- betriebsmittel, und mit 38.460 fl. per Kilometer bemessen. Für die eventuell weiter zu baueudeu Strecken wurden die Baukosten in: Maximalbetrage von 37.140 fl. per Kilometer festgesetzt und bestimmt, daß das Baucapital durch die Begebung von Actien einer zu bildenden Actien- Gesellschaft zum Neunwerthe ausschließlich durch die Interessenten selbst beschafft werden undPrio- ritätsactien vollständig ausgeschlossen sein sollen. Durch die Ertheilung der Coucession wurde das Project der Steyrthalbahn zur That und erst von nun ab konnten die zum Beginne des Baues nothwendigen Vorarbeiten in Angriff genommen werden. Das in Oesterreich-Ungarn noch neue Shstem der Schmalspurbahnen und eine mächtige nnd rührige Concurrenz benachbarter Städte und entgegenstehender Interessen hatten es trotz des bereits vollständig gezeichneten Baucapitales des ersten Bauloses noch immer zweifelhaft erscheinen lassen, ob die Concession ertheilt werden würde. Die erwähnten Umstände verschuldeten es auch zumeist, daß die Coucession so spät ertheilt und die eigentlichen Vorbereitungen zum Baue, wie die Fertigstellung der Detailpläne für die Begehungs- Commissiottett ttttd die Modalitäten der Bau- vergebnng bedeutend verzögert wurde», denn bevor die Concession nicht herabgelangt war, konnte mit all" diesen Aufgaben nicht begonnen werden. Am 20, Februar Mittags .12 Uhr brannte das bekannte „Schoiberwirthshans" am Damberge zum größten Theile ab. Das Feuer war am Dachboden ausgebrochen und von der 17jährigen Franziska Ratzinger gelegt worden. Die jugendliche Brandlegerin hatte sich mehrere Diebstähle zu Schulden kommen lassen und die Pächterin des Wirthshauses, Frau Cäcilia Nöbauer, hatte ihr mit der Anzeige der Diebstähle gedroht. Aus Rache dafür entzündete sie ein Bündel Stroh/ warf dasselbe in einen am Boden befindlichen Heuhanfen nnd floh. Sie wurde jedoch bald zu Stande gebracht und gestand ihr Verbrechen ein. Der Besitzer des Wirthshauses, David Beinhackl, war zivar versichert, erlitt aber dennoch einen bedeutenden Schaden. Auch die Pächter, die Eheleute Nöbauer, wurden stark geschädigt, doch bethätigte sich der Wohlthätigkeitssinn der Steyrer Bevölkerung, indem durch Sammlungen der Sectiou Steyr des Deutschen und Oesterreichischen Alpenvereines und dnrch Veranstaltung von Unterhaltungen zu Gunsteu der Beschädigten ein großer Theil des Schadens gnt gemacht wurde. Die Brand- legeriu Franziska Ratzinger wurde vom Schwurgerichte zu zehn Jahren schweren Kerkers ver- urtheilt. In der Sitzung deS JnteressentenanS- schusses am 5, März legte Herr Dr. Fra n 3 Anger mann seine Stelle als Mitglied des Jnteressenten-Ausschusses nieder und wurde au seiner Stelle Herr Graf Joses Lamberg -cooptirt. Herr Oberingenieur Josef Ritter von Weuusch hatte das Detail- project für die ersten fünf Kilometer noch vor Ertheilung der Concession auf sein eigenes Risico ausgearbeitet und dasselbe an die Regierung zur Prüfung und Anordnung der Begehungs-Commission eiugesendet. Der In- teressenten-Attsschuß beschloß daraufhin, die erste Rate der Subscriptiou einzuheben und als Endtermin für die Einzahlung den 31. Mürz scstzusctzen. Herr Al fred Wolfram wurde als Cassler angestellt. Behufs leichterer und beschleunigter Erledigung der nun dringender werdenden Geschäfte wurde aus dem Interessenten - Ausschüsse ein Executiv - Comite von nenn Mitgliedern gewählt und Zwar die Herren: Dr. Carl Harant, Fritz Hahnel, Dr. Johann Hochhäuser, Carl Holub, Josef Graf Lamb erg, Leopold Putz, ^osef Reder (Garsten), Carl S t e i n d l und Josef Ritter von Wenusch, welches Executw- Comite Herrn Dr. Carl Harant zum Vorsitzenden und Herrn Fritz Hähnel zum Schriftführer erwählte. ,. Der G ew erb ev er ein für den ^n- bustrie bezirk Steyr hatte sich m seiner Monatsversammlung am 27.^ Februar der Petition des niederösterreichischen Gewerbe- dereines gegen den Liech teufte in- Antrag angeschlossen. Am 10. März fand nn Kasino eine sehr zahlreich besuchte Arbeiter- Versammlung statt, welche ebenfalls eine geharnischte Resolution gegen den Liechtenstein'schen Schulantrag beschloß. Illi verflossenen Jahre war von den Ge- meinderäthen Herr Josef Peyrl (3. Wahlkörper) gestorben, Herr Adolf Sey schab (2. Wahlkörper) war nach Wien versetzt worden und die Herren kais.Rath Georg Pointner und W i th e l m Kl e i n (1. Wahlkörper) hatten ihre Stellen niedergelegt, so daß für diese Gellleinderäthe Ersatz-Wahlen vorzunehmen waren. Außerdem lief die Mandatsdauer fol- gelider Gemeinderäthe ab: Im 1. Wahlkörper der Herren: Joh. Berger, Friedr. Brandl, Dr. Johann Hochhäuser, Anton Landsiedl und Leopold Putz; im dritten Wahlkörper der Herren Franz Breselmayr und Franz Tomi tz. Am 12., 14. und 16. März fallden mm die Gemeinderathswahlen statt und ergaben folgendes Resultat: Im dritten Wahlkörper wurden von 391 stimmberechtigten Wählern 322 Stimmen abgegeben. Gewählt wurden die Candidaten der Fortschrittspartei für eine dreijährige Mandatsdauer: Herr Franz Tom itz mit 171 und Herr Alois Stierhofer jun. mit 166Stimmen, und für eine zweijährige Mandatsdauer Herr Franz Ploberger mit 165 Stimmen. Im zw ert en Wahlkörper betheiligten sich von 567 Wahlberechtigten 417 an der Wahl. Gewählt wurden für eine einjährige Mandatsdauer gleichfalls die Calldidaten der Fortschrittsp artei, die Herren: Dr. Alois Kurz mit 413 und Carl Auböck mit 266 Stimmen. Im ersten Wahlkörper erschienen von 537 Wahlberechtigten 433 bei der Wahl und wurden auch in diesem Wahlkörper sämmtliche Candidaten der Fortschrittspartei gewählt und zwar für eine dreijährige Mandatsdauer die Herren: Johann Verger mit 274, Dr. Johann Hoch Hans er Mit 421, Anton Landsiedl mit 273, Leopold 89 Putz mit 300 uud Herr Johann Scholz mit 246 Stimmen. Für die zweijährige Mandatsdauer Herr Franz L a n g mit 276 Stimmell. Der Herr Bürgermeister kais. Rath Georg Pointner verabschiedete sich in der Sitzung am 24. März vom Gemeinderathe, bei welcher Gelegenheit der Letztere den Dank für die ersprießliche und segensreiche Wirksamkeit des Herrn Bürgermeisters und das Bedallern über den Rücktritt desselben ausdrückte. Am 25. März fand die constituirende Gemeinderaths-Sitzung statt, in welcher von 23 abgegebenen Stimmen Herr Johann Berger mit 20 Stimmen zum Bürgermeister der Stadt Steyr gewählt würde. Zum Vicebürgermeister wurde Herr Leopold Putz wiedergewählt. > Am 26. März wurde die am 18. Februar von Sr. Majestät dem Kaiser sanctionirte Concessions-Urkunde der Steyrthalbahn verlautbart, und am 3L März wurde die Gemeinde-Vorstehung davon verständigt, daß der Kriegsminister den Bau einer Jäger-Caserne bewilligt und die diesbezüglichen Pläne genehmigt habe. In der Plenarversammlung des Interessenten - Ausschusses der Steyrthalbahn am 3. April theilte der Vorstand des Executiv- Comitä's mit, daß die vorderhand zum Bahnbetriebe nothwendigen drei Locomotiven nach den Plänen des Herrn Oberingenieurs Josef Ritter von Wenusch bei der Firma Kraus und Comp. in Linz um den Preis von je 13.000 fl. bestellt wurden. In derselben Sitzung wurde der Statuten-Entwurf der laut der Concessionsurkunde zu errichtenden A c t i e n- Gesellschaft, welcher von einem eigenen Comite ausgearbeitet worden war, angenommen und dessen Vorlage bei der hohen Regierung beschlossen. In der Station Ernsthofen fand am Ostermontage ein Zusammenstoß des Abendpersonenzuges mit einem^Lckflzuge statt, welch' Letzterer so lang war, daß die letzten Waggons noch am Hauptgeleise standen, während der übrige Theil des Zuges am Nebengeleise stand. Der Personenzug fuhr nun in die am Hauptgeleise stehenden Waggons des Lastzuges, wodurch die Maschine des Personenzuges und die letzten Waggons des Lastzuges beschädigt, von den Passagieren jedoch Niemand verletzt wurde. Am Ostermontage wurde der Regenschirm-Fabrikant Herr Anton Urban im 70. Lebensjahre zu Grabe getragen, ein Meister in der Behandlung von Flöte und Clarinette. Er hatte sich um die Veredlung der Jnstrn- mental-Musik sowol in der Kirchen- als Concertmusik in Steyr große Verdienste erworben und sich von den kleinsten Anfängen als Geschäftsmann einen allgemein geachteten, weit über die
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