Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1889

62 63 der Gegend, zudem geht unser Pulver zu Ende. Eine gute Mahlzeit müssen wir aber doch haben an deinem Hochzeitstage, Marzi!" „Ei, das will ich meinen", versetzte dieser mit der Zunge schnalzend, wobei seine großen weißen Zähne zum Vorschein kamen. „Der Wald ist gut für uns zum Versteck, unsere Jagd aber wollen wir in den Höfen der Bauern halten, diese ist ausgiebiger und weniger müh- und gefahrvoll. Es sind schöne Dörfer in dieser Gegend, die Bauern wohlhabend, ihre Scheunen und Ställe gefüllt. Hier, können wir einige Zeit verweilen und guter Dinge sein, nicht wahr, Vater Dobos?" Der Angeredete erwiderte nichts, sondern reckte lauschend den Kops vorwärts; sein geübtes Ohr vernahm das Geräusch nahender Schritte, bald wurden hastig die Zweige• des Gebüsches auseinander gebogen und der vorhin abgeschickte Bursche stürzte fast athemlos dem Alten entgegen. „Dirnen find zurück", berichtete er, von Angst und Athemnoth beklommen, „aber in Begleitung von zwei Panduren, die unserLager nach gestohlenen Sachen durchsuchen und uns von hier vertreiben wollen. Man wartet auf euch, Vater Dobos!" Dieser erhob sich zähneknirschend, um dem Burschen zu folgen. Marzi raffte sich nun gleichfalls vom Boden anf, ballte fluchend die Fäuste, focht kampflustig damit iu der Luft herum und stieg grollend seinen eiligeren Genossen nach den Abhang hinunter. Sie fanden das Lager in voller Anf- regung und Angst vor den gefürchteten Panduren. Die nackten Kinder hatten sich eiligst in dem mit bunten Fetzen bedeckte» Wagen oder unter demselben verkrochen, die nothdürftig verhüllten Weiber umschwirrten kreischend die Großmutter, die, auf einem Baumstamme sitzend, die Hände auf einen Krückenstock stützte und mit müden Augen vor sich hinstarrte. Dahinter standen einige Männer der Bande, Hämmer, Aexte und Knüttel in den Händen, bereit, einen etwaigen Angriff abzuwehren. Dobos trat in den Kreis neben die Alte, in demüthiger Haltung den breit- krämpigen Hut iu deu Händen drehend. „Der nächste Tag darf euch nicht mehr an diesem Orte finden", herrschte der eine Pandur die Zigeuner an, „und laßt euch nicht wieder in unserem Co- mitate blicken, wenn ihr nicht wie Hunde ausgepeitscht werden wollt. Vor allem aber liefert sogleich das gestohlene Gut aus!" „Wir stehlen nicht, Herr!" bemerkte Dobos unterwürfig; „was wir haben, ist alles redlich erworben durch unserer Hände Arbeit und durch unsere Fertigkeit in allerlei Dingen. Wenn es der Herr befiehlt, so werden wir auch weiter ziehen, doch bitten wir um Aufschub. Weit zerstreut sind unsere Kinder in den Dörfern unten; nicht in wenig Stunden kann ich sie um mich versammeln. In zwei Tagen!" „Was zwei Tage? Nicht zweiStundeN länger dürft ihr bleiben! Drum macht hurtig! Die verlaufene Brut wird sich wohl finden und wir werden ihr auf die Beine helfen, verlaßt euch drauf!" wetterte der andere Pandur, drohend seinen Fokos*) schwingend. *) Fokus: Ein klcines Streitbeil. „Wenn's denn sein muß", versetzte Dobos in immer gleichruhiger Ergebenheit, „so wollen wir morgen unserLager an einem anderen Ort aufschlagen." „Genug, ihr habt's gehört, jetzt trollt euch; wir wollen den Wald rein haben von euch Gesindel, bevor die Nacht hereinbricht!" „Ich weiß", wagte Dobos, der sich nicht beirren ließ, zu bemerken, „der Obergespan ist ein gestrenger Mann; doch ihr meint es besser mit Armen und Nothdürftigen, drum seid barmherzig mit uns und der Herrgott wird es auch mit euch sein. Ihr braucht ja nur zu sagen: wir wären schon fort, ihr hättet Uns nicht mehr hier getroffen...." „Verflucht sollst du sein, elender Zigeuner, Mit deinem ganzen Gezücht, daß du es wagst, uns zu Lüge und Treulosigkeit verleiten zu Mollen! Beim heiligen Stefan, meinem Na- Menspatron, wenn ihr such nicht eilends packt, soll euch mein Hund die Wege weisen!" Der gewaltige Äolfshnnd, der dem Pandur zu Füßen lag, spitzte die Ohren und richtete sich in seiner- ganzen Größe auf, als ob er die Worte seines Herrn verstanden hätte. „Wagt's nicht, uns anzutasten, ihr könntet es bereuen!" rief Marzi, trotzig einen Prügel schwingend. „Tollkopf", zürnte Dobos mit finsterem Blick anf jenen; „leg' dich auf's Ohr und schlaf' deinen Rausch aus; zur Strafe, daß du dich im Trinken über- Uommen, sollst du die ganze Woche keinen tropfen Wein erhalten!" Der Zurechtgewiesene, welchem auch die Großmutter mit dem Krückenstock in der zitternden Hand drohte, zog sich scheu in deu Hintergrund zurück. Dobos aber fuhr, gegen die Panduren gewendet, begütigend fort: „Lasset die kecke Rede des Burschen uns nicht entgelten, ihr Herren! Sein Gehirn ist befangen von den Geistern des Weines, den er im Uebermaß genossen!" „Und den ihr aus irgend einem Keller gestohlen habt, ihr Halunken!" „Nicht doch, ihr Herren, er ist redlich verdient. Ihr wißt ja, daß wir, im Besitze von allerhand Künsten und Heilkräften sind, welche wir der Natur auf unseren Zügen abge- lauscht zu Nutz und Frommen von Mensch und Thier. — Heda, Janos, schaff' "das Fäßchen Villanyer zur Stelle, und ihr, Hanni und Mari anka, bringt die gebrateneHammels- keule, Käse, Brod und Gläserherbei, dieHerren Panduren werden hungrig und durstig sein — und müde wohl auch, drum setzt euch hier auf diese 'Rasenbank; Tische und Stühle sind bei den Kindern der Natur—wie wir — überflüssig Gerüth!" Dem Befehl des alten Dobos wurde von den Beauftragten unverweilt entsprochen und die beiden Zigeunermädchen — die völlige Verkörperung der wilden Schönheit ihres Stammes — credenzten ihren Verfolgern, nach Weiberart zimperlich davon nippend, das köstliche Rebenblut. War es der ruhig-freundliche Ton der Einladung des alten Dobos, der Anblick der schmucken Dirnen oder das Bedürfniß nach Erholung — gleichviel, die grimmen Wächter des Gesetzes ließen sich die Bewirthung gefallen. „Roroiutots, der Obergespan selbst

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