Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1889

60 dieser armen Ortsbewohner zu sein, wohlan, ich halte mein Gelübde! Das Scheiden von dieser Welt ist nicht so schrecklich als Manche glauben, und mit dem Gedanken an den Tod bin ich seit langer Zeit vertraut, ich sterbe gern! Sind nicht große Männer Roms und Griechenlands freudig in den Tod gegangen, um wie viel mehr müssen dies Christen thun, die der Gedanke an den Gott der Gnade über die Schwelle des Lebens geleitet!" Am anderen Morgen ließ Pater Paulus den General noch uni eine Gnnst bitten; er wollte noch einmal das Hospital besuchen, in welchem viele Verwundete lagen. Der General bewilligte ihm sein Verlangen und der Pater ließ sich in die Krankenzimmer führen, wo die Armen lagen, deren er sich stets so hilfreich angenommen hatte. Er untersuchte noch Wunden, legte Verbände an und dachte eine Stunde vor seinem Tode nur an das Heil und die Heilung Anderer. Als sie ihn hinausführteu vor das Allerlei KurzweiL (Aus einem Verhöre.) Auditor: „Infanterist Mayer, Sie wollen also die Uhr nicht kennen, welche in Ihrem Koffer gefunden wurde? Diese hier." — Mayer: „Nein." — Auditor: „Pro- foß! Führen Sie den Kerl wieder in den Arrest, bis er mürbe wird! — (Ani nächsten Tage.) Auditor: „Na kennen. Sie vielleicht jetzt die Uhr, Mayer?" — Mayer: „Ja wohl, Herr Auditor!" — Auditor (heiter): „Na also, das ist gescheit, daß Sie sich endlich besonnen haben!" — Mayer: „Ja, Herr Auditor, warum sollt' ich die Uhr nicht kennen? Der Auditor hat sie mir ja erst gestern gezeigt." Dorf, war sein Gang ruhig uud sicher, und er hielt eine schöne Rose in der Hand. „Ich habe immer diese Königin der Blumen geliebt", sagte er zu mir, „der Geist des Herrn, der sich offenbart in des Meeres unermeßlichen Tiefen, wie in des Hochgebirges schauerlichen Felsklüften, mit welchem süßen balsamischen Duft, mit welch anmuthiger Lieblichkeit hat er auch diese Blume ausgestattet! Lasset uns preisen den Herrn in allen seinen Werken! Nie war mein Vertrauen in seine Güte größer als jetzt.". Die französischen Schützen hatten gut getroffen, weinend und jammernd knieten Männer uin den Leichnam des theuersten Freundes. Abends begruben sie ihn. Zn seiner ewigen Ruhestätte hatte mau seiuen Lieblingsplatz gewühlt, und er, der für die, Missethat eines Andern gestorben war, der mit seinem Leben das Leben seiner Beichtkinder erkaufte, ruht nun unter den schönen Rosen, die er so sehr geliebt hatte. (Die neue Sprache.) „Was is denn dös für a Sprach', von der jetzt so viel g'red't wird, dös Volapük?" — „Dös is ane, wozu mer erst d'Leut suchen muß, dö s' redeu, wissen S', a neu erfundene." — „Jesses und Josef! Wo mer in Oesterreich, a siebazehu Sprachen hab'n, erfind't Aner noch ane dazu! Polizei!" * (Der sch taue W aröier.) Der Barbier Schlaumai.er erzählt seiuen Kunden immer die fürchterlichsten Schaudergeschichten, daß ihnen die Haare zu Berge stehen — dann kann er dieselben nämlich noch einmal so gut schneideu. Genrebild. (Nachdruck verboten.) Seite man immer das weingesegnete Un- garland betritt — Man wird bald genug auf einzelne Truppen lenes räthselhaftenNomadenvolkes stoßem von dem die Zigeunermutter in Wolfs „Preciosa" mit pathetischen Worten sagt: „Wir von afrikanischem Stamme, Mit prophetischem Geist begabt Die Zigeuner machen sich mit ver- einzelten Ausnahmen unter magyarischer Selbstherrlichkeit jetzt so wenig oder noch weniger als früher irgendwo seßhaft, Und die Grenznachbarn dieses Staates ~7 namentlich die Steiermärker — haben nicht wenig unter ihren Raubzügen zu leiden. Denn sie sind bei weitem nicht das harmlose Wandervolk, als welches Hinter dichtem Gebüsch an einem der sanften Abhänge eines Grenzgebirges, Reffen Rücken mit dichtem Wald bedeckt 'st kauern zwei solch' brauner Gesellen. Die Beine nach orientalischem Brauch unterschlagen, schauen sie träumerisch in die weite, von Flüssen durchschnittene Ebene hinaus und wieder hinab auf das freundliche Dörfchen zu ihren Füßen mit feinen wohnlichen, zwischen Weinhecken hervorlugenden Häusern. Der Zigeuner ist von Natur, wie die meisten Orientalen, ernst und schweigsam; nur der Wein macht ihn beredt ?der die List, wenn er in die Gewalt feiner Bedränger, Gendarmen oder Panduren, fällt. „Die Dirnen bleiben heute über die Zeit weg, Marzi", sagte der Aeltere „-------,.. ------------ —.. .,. ..... ^v,^. phlegmatisch; „es wird bald Abend. Einer j für uns, das Wild auch zu spärlich in von euch Burschen muß also hinab ins Dorf nachsehen, was sie zurückhält; am Ende ist ihnen gar ein Unglück zugestoßen." „Ist Gilly dabei?" fragte Marzi auffahrend, „so will ich selbst hinab!" „Gilly ist nicht dabei; dein Bräutlein hat sich auf den steinigen Wegen die Fußsohlen wundgelaufen und kann darum das Lager uicht verlassen." „Ei so mag ein Anderer auf die Kuudschaft gehen", sagte Marzi und streckte sich lässig wieder ins Gras. Der Alte that einen gellenden Pfiff, auf welchen ein halb erwachsenerZigeuner- bursche herbeigerannt kam, dem das Hemd in Fetzen vom Leibe hing; seine Unaussprechlichen, die ihm kaum über die Knie hinablangten, waren über und über mit lehmiger Erde beschmiert; er war hinter dem Hang auf dem Bauche herumgerutscht und hatte auf Feldmäuse Jagd gemacht. Ihm wurde der Auftrag, ins Dorf zu gehen und die Dirnen heimzuholen. Marzi langte indeß eine kleine Tabakpfeife aus rothem Thou hervor und klopfte die Asche auf seinem Knie aus. „In einer Stunde", hob die Alte mit listigem Grinsen zu Marzi gewendet wieder an, „ziehen wir mit Geige und Cymbal zur Schänke. Einiges Geld werden wir wohl einnehmen von den Gästen. Wenn. die Bauern die Musik hören, .werden sie ihre Häuser verlassen, währendem könnt ihr Anderen euch in ihre Höfe schleichen und mitnehmen, was des Wegtragens werth ist. Wir haben schon lange keinen ordentlichen Fang mehr- gemacht. Das Wildern ist kein Geschäft

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