58 59 lichste ans Erden sei der Friede, in dessen Schatten das Gute gedeihe. Mehr als einmal schlich ich herbei, wenn der alternde Mönch so sprach und die dunklen Kinderaugen wißbegierig und aufmerksam auf ihn gerichtet waren, und wahrlich, ich habe aus dem, was Pater Paulus jenen Knaben lehrte und ihnen erzählte, mehr gelernt, als aus vielen Büchern. Er gewann mich bald lieb, denn er erkannte wohl, daß auch ich den Krieg beklage und die heillose Eroberungssucht hasse. Eiust sägte er zu mir: „Napoleon will wie weiland Karl der Große am Ebro und an der Elbe herrschen, er will, wie dieser, ein Weltreich errichten, aber der Herr der Heerschaaren wird seine Entwürfe durchkreuzen." Das waren prophetische Worte, wie die Geschichte der letzten Jahre lehrt. Oft lustwandelte er mit mir in den Gängen des Klostergartens und sprach von der Menschen Thun und Treiben und von den verschiedenen Völkern der Erde und ihren religiösen Ansichten und Bekenntnissen. Nie habe ich einen Mann sanfteren Gemüthes und so heiteren Geistes geund Vorbild sehen; fest überzeugt von seinem Glauben, war er voll Milde, Wohlwollen und Duldsamkeit gegen andere Konfessionen. „Der Himmel hat ein weites Thor, nur für Tyrannen und Menschenquäler ist es zu eng," pflegte er lächelnd zu sageu. Die Geschichte alter und neuer Zeit hatte er durchforscht und daran seinen Blick geübt und erweitert."Vor Allem aber liebte er Naturkunde, und von Jugend auf hatte er sich mit Arzneiwissenschaft beschäftigt, und es hierin zu schönen Kenntnissen gebracht. „Das ist nichts Seltenes," sagte er zu mir; „unter den Mitgliedern unseres Ordens befanden sich und befinden sich noch immer tüchtige Mediciner, und schon das Kloster auf Montecassino in Spanien hatte heilkundige Mönche aufzuweisen. Jedes unserer Klöster soll sich durch Wohlthätigkeit und Werke der Liebe auszeichnen, der Armen und Bedrängten sich annehmen. Der Arbeit sind täglich sieben Stunden gewidmet — der heilige Benedict wollte nur thätige, keuntniß- reiche Männer großziehen — und einer unserer ältesten Mönche schrieb einen geschätzten Kommentar zu Virgils herrlichem Gedicht über deu Laudbau. Denn auch Schreibstift und Tafel zählen zu den an Jeden auszutheilenden Gegenständen, und die Bestimmung, daß in jedem unserer Klöster eine Bibliothek sich befinde und während der Fastenzeit dieHandschriften zum Lesen vertheilt werden sollen, zeigte den Weg zu wissenschaftlicher Beschäftigung. Durch diese für Moutecassino entworfene Regel hat der heilige Benedict die Grundlage für das Klosterwesen des Abendlandes aufgestellt und einen Orden gestiftet, der mit unglaublicher Schuelligkeit über ganz Europa sich ausbreitete; er ist das Muster der nachherigen mittelalterlichen Orden geworden. Jedes Kloster, in welchen des Stifters Geist waltete, war eine Schule der Tugend, der Frömmigkeit und des Fleißes, eine Quelle irdischen und geistigen Segens nicht nur für die nächste Umgebung, sondern auch für weitere Kreise. Hier wurden der Kirche die würdigsten Oberhirten erzogen, aus den in der heiligen Schrift wie in dem kanonischen Recht wohlbewanderten Mönchen ergänzte sich der Episkopat, und treffliche Seelsorger und begeisterte Sendboten des christlichen Glaubens sandte derOrden zu fernen Völkerschaften, die noch im Dunkel des Heidenthums wandelten." Pater Paulus' einzige Erholung war die Pflege der Blumen im Klostergarten. Er hatte daselbst einen herrlichen Rosenflor, und meine Soldaten, die ihn liebgewonnen halten, pflegten und hüteten ihm die Rosen wie einen heiligen Schatz. „Im Hohenliede schon", sagte, er, »wird die.Rose gepriesen, die arabischen und persischen Dichter haben sie verherrlicht, die Troubadours und Spaniens Lyriker haben der Rose liebliche und anmuthige Dichtungen gewidmet." Nach einigen Wochen erhielt ich den Befehl, das Dorf zu verlassen. Thränen standen mir in den Augen, als ich von dem würdigen Manne Abschied nahm. Zum Andenken gab er mir eine seiner schönsten Rosen. Auch vonmeinenSol- daten nahm er freundlich Abschied uud als wir um die Ecke des Waldweges bogen, hörten wir noch seine ~ kräftige Stimme: „Lebt wohl,lebt wohl, brave MänUer!" Einige Wochen später brachte mich eine Friedensmission wieder in jenes Dorf, in dem Pater Paulus weilte. Jetzt jedoch lag eine starke Truppen- abtheilung dort mit einem französischen Brigadeqeueral an der SpitzeIch eilte in das Kloster, um Pater Paulus herzlich die- Hand ju drucken. Aber wie schrecklich war ich überrascht, als ich hörte, er sei gefangen genommen, in Fesseln gelegt worden und solle mit Dagesanbruch erschossen werden. Em französischer Soldat sei erschlagen auf- gefunden worden und erbittert über diese That, die man den Ortsbewohnern gnt bewachten Klosterzelle saß der vortreffliche Mann in Haft. Als er mich eintreten sah, war er sichtlich erfreut und reichte mir lächelnd die Hand. Da ich mit Bitten in ihn dringen wollte, sein unglückseliges Geständniß zurückzunehmen, antwortete er ruhig: „Ein Opfer muß fallen und ist nicht ein unschuldiges Opfer besser, als wenn der General Väter und Mütter erschießen ">e;e -vyar, oie oen äju»vuvv*;»K.« läßt, die wohl ebenso unschuldig sind, ^schrieb, hatte der französische Generals als ich? Ich habe mir gelobt, der Freund geschworen, wenn nicht binnen drei Stunden der Thäter selbst sich stellt, sollen drei Männer nnd drei Weiber des Ortes durch das Los ausgeschieden und erschossen werden. Da hatte Pater Paulus sich selbst als Thäter angegeben. Ich eilte zu dem General und bat ihn, keinen Unschuldigen hinrichten zu lassen, „denn dieser Mönch", rief ich aus, „ist der rechtschaffenste, edelste Mann, den ich kenne." Er hörte mich ruhig au uud erwiderte dann: „Und hätte mein Busenfreund sich als Thäter gestellt, und wäre ich von seiner Unschuld noch so sehr überzeugt, ich müßte ihn dennoch erschießen lassen. Auge um Auge, Rache um Rache ist das Losungswort iin Kriege. Wir müssen Exempel statuiren. Seit ich dieses Dorf besetzt halte, sind mir fünf meiner Leute auf räth- selhafte Weise verschwunden. Da wäre Milde Thorheit! Pater Paulus stirbt oder statt seiner muß das Loos über sechs Menschenleben entscheiden." In einer einsamen, von Soldaten
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