Niederschrift über die 23. Sitzung des Gemeindetages der Stadt Steyr am Freitag, den 7. Mai 1937 Um 18 Uhr 30 Min. im Gemeindetagssitzungssaale im Rathaus. Anwesend: Vorsitzender Bürgermeister Dr. Josef Walk. Die Mitglieder: Paulmayr Franz Dr. Doppler Fritz Rossner Karl Ing. Grundmüller Oskar Schliessleder Alois Hambrusch Peter Heindl Otto Hofer Albert Trauner Franz Hübl Josef Voglsam Josef Kammerhofer Ignaz Weindl Anton Nawratil Eugen Dr. Mayr Anton ferner die mit Erlass der o.ö. Landeshauptmannschaft vom 7. Mai 1937, Zl. II 1110/1, vom Landeshauptmann für Oberösterreich zu Mitgliedern des Gemeindetages ernannten Personen Gruber August Haslinger Karl Hikade Wilhelm Mayrhofer Franz Probst Christian Smeykal Karl Wipplinger Johann Entschuldigt abwesend war Johann Klaushofer. Vom Magistrate: Kanzleioffizial Maria Egelseer als Schriftführerin. Tagesordnung: Beschlussfassung über eine Abänderung der Steuerreform. Der Bürgermeister eröffnet um 18 Uhr 15 Minuten die Sitzung, begrüsst die vollzählig erschienenen Gemeinderäte, sowie den Referenten der Stadt Steyr Landesstatthalter Heinrich Wenninger, der zu dieser Sitzung erschienen war, um die Angelobung der neuen Gemeindetagsmitglieder vorzunehmen.
Der Bürgermeister bittet den Herrn Landesstatthalter, den Dank der Stadt dafür entgegenzunehmen, dass er sich trotz grösster Schwierigkeiten und Widerstände stets in äusserst sachlicher und objektiver Weise für die Stadt Steyr eingesetzt habe und wo immer es ging, der Stadt in ihren Nöten mit Rat und Tat behilflich war. Der Bürgermeister gibt bekannt, dass er nun nach langen Verhandlungen in der Lage ist, die Ergänzung des Gemeind etages vorzunehmen. Es ist der Wunsch der o.ö. Landesregierung, dem Berufsstand „Industrie" die Bedeutung zukommen zu lassen, die durch die Struktur der Stadt gegeben ist. Dem Berufsstand "Industrie" werden statt bisher 9 Mandate 11 Mandate übertragen. Dies ist möglich, weil - wie eine Ueberprüfung der berufsständischen Gliederung der Bevölkerung ergeben hat - die Berufsstände „Freie Berufe" und "Kreditwesen" eine untergeordnete Rolle einnehmen und deshalb diesen beiden Berufsständen je ein Mandat entzogen werden kann. Der Gemeindetag setzt sich zusammen aus 21 Vertretern der Berufsstände u.zw.: Industrie 11, Gewerbe 4, Handel 2, Oeffentlicher Dienst 2, Freie Berufe und Kreditwesen 1, Landwirtschaft 1. Ausserdem gehören dem Gemeindetag an je ein Vertreter der Kirche, des Schul-,Erziehungs- und Volksbildungswesens und der Wissenschaft und Kunst, sodass der Gemeindetag 24 Mitglieder zählt. Der Burgermeister führt weiters aus, dass nur Herren neu bestellt wurden, die von der Werksgemeinschaft, aus den Kreisen der Arbeiterschaft und von der Vaterländischen Front vorgeschlagen wurden. Der Herr Landeshauptmann und der Herr Landesstatthalter haben durch die unveränderte Annahme dieses Vorschlages sicherlich getragen den Wünschen der Arbeiterschaft weitgehendst Rechnung/und er möchte auch für dieses Entgegenkommen hier offiziell den herzlichsten Dank sagen. Der Bürgermeister verliest nun den Erlass der o.ö. Landeshauptmannschaft vom 7. Mai 1937, Zl. II 1110/1 (h.ä. Zl.19/Präs.1937), der im folgenden wiedergegeben wird:
"In Abänderung des h.ä. Erlasses vom 11. November 1934, Zl. II 1510/92, bezw. der in der Folge ergangenen Erlässe und in teilweiser Ergänzung derselben wird der Gemeindetag der Stadt Steyr nach erfolgter Einholung der im § 39, Abs. 2, des Verfassungsübergangsgesetzes 1934 vorgesehenen gutächtlichen Aeusserungen und Vorschlägen und nach Anhörung der übrigen Mitglieder der Landesregierung ergänzt, bezw. neu gebildet. Nachstehende Personen werden zu Mitgliedern des Gemeindetages ernannt: 1.) als Vertreter der katholischen Kirche: Hochwürden Herr Dechant Schliessleder Alois; 2.) als Vertreter des Schul-, Erziehungs- und Volksbildungswesens: Herr Hauptschuldirektor Franz Trauner; 3.) als Vertreter der Wissenschaft und Kunst: Herr Professor Dr. Fritz Doppler; 4.) als Vertreter der Berufsstände in der Gemeinde: a) fur die Land- und Forstwirtschaft: Herr Anton Weindl, Landwirt, Wolfernstrasse 10; b) für Industrie und Bergbau: Herr Dr. Anton Mayr, prakt. Arzt, Tomitzstrasse 5, Karl Rossner, Direktor, Bahnhofstrasse 24, Josef Hübl, Beamter, Bahnhofstrasse 26, August Gruber, Schlosser, Mitteregasse 14, Karl Haslinger, Hilfsarbeiter, Zieglergasse 6, Willibald Hikade, Anreisser, Werndlgasse 14, Johann Klaushofer, Schlosser, Schubertstrasse 6, Christian Probst, Maschinenarbeiter, Traungauerstrasse 11, Karl Smeykal, Elektriker, Badgasse 7, Johann Wipplinger, Werkschlosser, Ennsleitenstr.14, Eugen Nawratil, Dreher, Neustrasse 5, c) für das Gewerbe: Herr Ing. Oskar Grundmüller, Direktor, Stadtplatz 31, Peter Hambrusch, Büchsenmacher, Grünmarkt 7, Josef Voglsam, Schuhmacher, Berggasse 42, Franz Maierhofer, Schmiedgehilfe, Wieserfeldplatz 10, d) fur dem Handel und Verkehr: Herr Albert Hofer, Eisenhändler, Stadtplatz 6, Ignaz Kammerhofer, Kaufmann, Grünmarkt 19, e) für Geld-, Kredit- u. Versicherungswesen und Freie Berufe: Herr Franz Paulmayr, Bankbeamter, Stelzhamerstrasse 7,
f) für den Oeffentlichen Dienst: Herr Otto Heindl, Postinspektor, Samberggasse 23, Dr. Josef Walk, Beamter, Redtenbachergasse 9. Nachstehende Personen werden für den Fall eines Abganges oder einer zeitweiligen Verhinderung eines Mitgliedes des Gemeindetages je nach dem Berufsstande als Ersatzmänner berufen: zu a): Herr Franz Schützenhofer, Landwirt, Steinerstrasse 8, zu b): Herr Franz Kohlross, Magazineur, Ennsleitenstrasse 5, Herr Johann Piberhofer, Schlosser, Mitteregasse 16, zu c) Herr Karl Greger, Schneidermeister, Herbert Hooverstr.7 Herr Hans Pollak, Fleischhauermeister, Steyr, Stadtplatz 28, zu d): Herr Wolfgang Heinzl, Kaufmann, Wieserfeldplatz 26, Herr Ferdinand Reotter, Kaufmann, Stadtplatz 19, zu e): Herr Dr. Karl Barchetti, prakt. Arzt, Berggasse 50, zu f):Herr Leopold Wurzer, Amtssekretär, Blümelhuberstrasse 7. Hievon sind die Neuernannten zu verständigen." Hierauf ersucht der Bürgermeister den Landesstatthalter einige Worte an die versammelten Gemeindetagsmitglieder zu richten: Der Herr Landesstatthalter führt aus: "Meine Herren! Ich möchte zunächst dem Herrn Bürgermeister danken fur die freundlichen Worte, die er mir gewidmet hat. Ich habe mich bemüht, dem Herrn Bürgermeister in seinen Bestrebungen zu helfen und zu unterstützen und wenn es uns gelungen ist, gemeinsam in diesen drei Jahren doch gewisse Erfolge zu erzielen, so freut es mich um der Stadt Steyr wegen ganz besonders. Meine sehr geehrten Herren! Es hat der Herr Bürgermeister in langen Ausführungen geschildert, wie der Gemeindetag in seiner Mitgliederzahl zusammengeschrumpft ist und wir haben uns mit der Frage eingehend befasst, ihn wieder auf die volle Höhe zu bringen. Es ist auf die Dauer ein unmöglicher Zustand, wenn der Gemeindetag nur aus einem Bruchteil zusammengesetzt ist. Die Hauptsache ist, dass wir nun soweit sind, um den Gemeindetag konstituieren zu können.
Durch die eigenartige wirtschaftliche Struktur dieser Stadt, die von einem einzigen Unternehmen abhängt, das sich vollkommen umstellen musste, das gar nicht mehr die Möglichkeit hat, wieder so beschäftigen zu können, wie es früher der Fall gewesen ist, hat der Gemeindetag der Stadt Steyr in seiner Gesamtheit grössere und schwerere Aufgaben zu lösen, als der Gemeindetag vieler anderer Städte und Orte. Es wäre überflüssig näher darauf einzugehen, welch andere Ursachen noch mitgespielt haben, die diese Stadt auf den Tiefstand gebracht haben. Der Stadt Steyr wieder aufwärts zu helfen, ist die Aufgabe des Gemeindetages. Dafür zu sorgen, dass die schönste Stadt Oesterreichs, die eine ruhmvolle Vergangenheit hat, wieder den Platz einnimmt, der ihr gebührt. Wenn es auch ganz selbstverständlich ist, dass jeder Gemeinderat die Interessen seines eigenen Berufsstandes vertreten wird, möchte ich Ihnen, meine Herren, doch eindringlichst ans Herz legen, immer daran zu denken, dass Sie hier in diesem Saale auch als Vertreter der ganzen Stadt sitzen. Mögen Sie sich von diesem Verantwortungsgefühl nicht nur in Ihrem eigenen Berufsstande, sondern zum Wohle der ganzen Stadt leiten lassen. Das Gelöbnis, das die neugewählten Herren abzulegen haben, sieht vor, dass die Tätigkeit der Gemeindetagsmitglieder im Rahmen und auf der Grundlage unserer Verfassung aufgebaut ist und es ist Pflicht jedes einzelnen Gemeindetagsmitgliedes, in diesem Sinne stets zu wirken und ihr Amt zu vertreten. Wenn ich an die neuen Gemeindetagsmitglieder noch ein Wort richten darf, so möchte ich den Herren aus dem Arbeiterstande sagen: Die Landesregierung bemüht sich, der Arbeiterschaft ihre Geltung wieder zu verschaffen und den Arbeitern in allen ihren berechtigten Forderungen auf soziale Gerechtigkeit zu entsprechen und wenn es irgendwie möglich ist, Arbeit zu schaffen und die
vielen Arbeitslosen und Ausgesteuerten im Lande wieder in Arbeit und Verdienst zu bringen. Diese Bestrebungen werden überall, auch vom Herrn Bürgermeister und von der Bevölkerung unterstützt werden. Ich bitte nun den Herrn Burgermeister, das Gelöbnis zu verlesen." Nach Verlesung des Gelöbnisses durch den Bürgermeister leisten die neuen Gemeindetagsmitglieder in die Hand des Landesstatthalters das Gelöbnis. Der neue Gemeindetag ist somit konstituiert. Der Burgermeister erklärt, dass die Wahl des BürgermeisterStellvertreters erst erfolgen wird, sobald die Mitglieder des Gemeindetages durch gegenseitige Zusammenarbeit in die Lage versetzt werden, die ihnen richtig erscheinende Wahl durchzuführen. Der Bürgermeister geht nun in die Tagesordnung ein und führt aus: Der Gemeindetag hat in seiner Sitzung vom 1. März 1937 eine Steuerreform beschlossen, die die Versäumnisse der letzten Jahrzehnte nachholen, bezw. die Grundlage für eine bessere Zukunft abgeben soll. Ueber Wunsch des Finanzministeriums und des Rechnungshofes soll der § 146 dieser Steuerreform abgeändert werden und zwar soll der Absatz (1) des § 146 lauten: „Die jährliche Kommunalabgabe dient, soweit ihr Ertrag nicht zur Herstellung des Gleichgewichtes im Gemeindehaushalte erforderlich ist, zur Deckung des jährlichen Erfordernisses......", Der Bürgermeister verweist darauf, dass diese Bestimmung eine Selbstverständlichkeit sei, da die Stadtgemeinde durch grösste Sparsamkeit für einen ausgeglichenen Haushalt sorgen und alles daransetzen wird, den normalen Haushalt ohne die Einnahmen aus der Kommunalabgabe auszugleichen. Es ist aber vom Standpunkt der Kontrolle aus wichtig, wenn die Gemeinde alljährlich bei Einhebung der Kommunalabgabe überlegen muss, ob wirklich grösste Sparsamkeit im Haushalte geübt wird und ob die Kommunalabgabe dem gedachten Zweck
(Arbeitsbeschaffung) zugeführt werden kann. Das Finanzministerium und der Rechnungshof haben ausdrücklich erklärt, dass sie zur gegenwärtigen Gemeindeverwaltung restloses Vertrauen haben, dass sie es aber doch für wünschenswert erachten, wenn einer zukünftigen Gemeindeverwaltung, die weniger auf Ordnung und Sparsamkeit bedacht wäre, doch alljährlich eine Gewissenserforschung aufgenötigt werde, darüber, ob wirklich ein Teil der Kommunalabgabe für andere Zwecke als für Arbeitsbeschaffung verwendet werden müsse. Es wird aber auch der Bevölkerung ein weit grösseres Kontrollrecht in der Gemeindeverwaltung eingeräumt als es bisher der Fall war. Die o.ö. Landesregierung hätte das Recht, eine Aenderung in der Steuerreform auch ohne Gemeindetagsbeschluss vorzunehmen. Die Landesregierung will aber unter allen Umständen die Autorität der Stadt Steyr wahren und deshalb wird der Gemeindetag heute noch einmal mit der Steuerreformvorlage befasst. Der Landesstatthalter betont, dass es auch der Wunsch der o.ö. Landesregierung sei, dass der Gemeindetag dieser Aenderung des § 146 zustimme. Der Bürgermeister eröffnet die Debatte: Gemeinderat Anton Weindl richtet an den Landesstatthalter das Ersuchen, er möchte dahin wirken, dass künftighin seitens des Landes die Abgabenertragsanteile nicht mehr gekürzt werden. Der Landesstatthalter erklärt im Namen der Landesregierung, dass in keiner Weise die Absicht bestehe, die Erträgnisse der Stadtgemeinde weiterhin zu schmälern. Der Bürgermeister ersucht sodann den Landesstatthalter, es möge in den Motivenbericht zur Steuerreform aufgenommen werden, dass der Gemeindetag der Stadt Steyr und der Bürgermeister den Willen haben, den Haushalt der Stadt in Ordnung zu bringen, sparsamst zu wirtschaften und das gesamte Erträgnis der Kommunalabgabe der Arbeitsbeschaffung zuzuwenden. Die derzeitige
Gemeindeverwaltung, die bereit ist, so grosse Opfer im Interesse der Stadt zu bringen, glaubt mit Fug und Recht von den späteren Generationen in der Gemeindeverwaltung erwarten zu können, dass sie ihre Gemeindepolitik auf den gleichen Grundsätzen absoluter Sparsamkeit und möglichst grosser Kommunalbetätigung aufbauen werden. G.R. Johann Wipplinger richtet an den Bürgermeister die Bitte, von der Einhebung der Fleischverbrauchsabgabe und der Mietaufwandabgabe bei Arbeitslosen und Ausgesteuerten Abstand zu nehmen, da sie fur diese Kreise untragbar wären. Der Bürgermeister betont, dass es selbstverständlich sei, dass diese Abgaben für die Arbeiterschaft erträglich gemacht werden. Nachdem der Bürgermeister nocheinmal betonte, dass er alles daransetzen werde, dass die Kommunalabgabe restlos dem bestimmten Zweck zugeführt werde, bringt er den Antrag auf Annahme der Abänderung des § 146 zur Abstimmung. Der Antrag wird einstimmig angenommen. Nachdem sich niemand mehr zum Worte meldet, schliesst der Burgermeister mit Dankesworten an den Landesstatthalter die Sitzung um 20 Uhr 30 Minuten. Der Burgermeister: Die Niederschriftsprüfer:
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