Gemeindetagsprotokoll vom 4. November 1936

15. Sitzung. Niederschrift über die 15. Sitzung des Gemeindetages der Stadt Steyr am Mittwoch, den 4. November 1936 um 20 Uhr im Gemeindetagssitzungssaale im Rathaus. Anwesend: Vorsitzender Burgermeister Dr. Josef Walk. Die Gemeinderäte: Dr. Doppler Fritz, Fleischmann Franz, Ing. Grundmüller Oskar, Hofer Albert, Hübl Josef, Nawratil Eugen, Dr. Mayr Anton, Paulmayr Franz, Rossner Karl, Schwarzlmüller Felix, Steinkellner Julius, Voglsam Josef, Wünsch Otto. Entschuldigt abwesend: G.R. Peter Hambrusch, G.R. Ignaz Kammerhofer, G.R. Dechant Alois Schliessleder, G.R. Franz Trauner und G.R. Anton Weindl. Tagesordnung: 1.) Ankauf des Fischhubergutes. 2.) Wahl in den Verwaltungsausschuss der Sparkasse Steyr. 3.) Parzellierung des Werndlparkes. 4.) Einhebung einer Umlage für die Pfarrkirche Gleink in der Ortschaft Stein. 5.) Fürsorgerekurse. 6.) Berfcht über die Sanierungsmassnahmen. Der Bürgermeister begrüsst die Erschienenen, stellt die Beschlussfähigkeit fest und geht in die Tagesordnung ein.

Zu Punkt 1.) Der Burgermeister berichtet: Es kam zu meiner Kenntnis, dass der Eigentümer des Fischhubergutes Herr Franz Schlossgangl die Absicht habe, sein Anwesen zu verkaufen. Meine grundsätzliche Auffassung ist es, dass die Gemeinde jeden Grund, der kommunal von Interesse sein kann, auch allenfalls unter Opfern zu erwerben verpflichtet sei. Dass dies in den letzten Jahrzehnten nicht geschehen ist, hat umfangreiche, in der Zwischenzeit zum Verkauf gelangte Grundstücke den Bodenspekulanten zugetrieben und dadurch diese Grundstücke so verteuert, dass für einen Arbeiter in der Regel der Ankauf nicht in Frage kommen konnte. Nun erscheint es mir aber als ganz wesentlich für eine bessere Zukunft der Arbeiterstadt Steyr, dass die Arbeiterschaft der Steyr-Werke, die immer nur eine Saison- und Konjunktursbeschäftigung haben wird, durch eigenen Grund und Boden krisenfester wird. Um dies aber fördern zu können, muss möglichst viel und möglichst billiger Grund der Arbeiterschaft angeboten werden. Da durch die Erwerbung eines grossen Grundkomplexes gleichzeitig auch die übrigen als Siedlungsgelände für Arbeiter in Frage kommenden Grundstücke einen gewissen Preissturz, der im Interesse der Gemeindepolitik gelegen ist, erfahren würden, erschien es mir richtig, das Fischhubergut unter allen Umständen zu erwerben. Ich ersuchte den in der Siedlung Schlusselhof hochverdienten Herrn Heumann, als Vermittler im Namen der Gemeinde zu fungieren. Dieser kam der ihm gestellten Aufgabe ganz hervorragend nach. So gelang es, das Gut in einem Ausmasse von rund 35 Joch um einen Kaufpreis von 66.500 S erwerben zu können. Mehr als die Hälfte der Liegenschaft kommt sofort als Baugrund in Frage. Zur Liegenschaft gehört auch das gesamte mit Rücksicht auf die unmittelbar vorhergegangene Ernte ziemlich grosse Inventar im Werte von ca.11.000 S. Selbstverständlich kommt eine auch nur zeitweilige Wirtschaftsführung nicht in Frage. Im Gegenteil, es muss raschestens an den Abverkauf des Inventars und des Gutes geschritten werden. Es

lässt sich jedenfalls erkennen, dass die Gemeinde bei der Parzellierung und dem Verkauf einen nicht unbedeutenden Gewinn erzielen kann, der dazu zu verwenden ist, dass das Gelände ohne sonstige Gemeindebeiträge kommunal aufgeschlossen wird. Es war taktisch notwendig, den Ankauf in aller Stille und mit besonderer Raschheit durchzuführen. Es wurde von verschiedenen Seiten auf den Verkäufer Einfluss genommen und auch tatsächlich erreicht, dass dieser vom Verkaufe zurücktrat. Es gelang aber dennoch, den Kaufvertrag und seine grundbücherliche Durchführung ohne jedewede Erhöhung des Kaufschillings durchzudrücken. Fur den 30. September 1936 habe ich eine ausserordentliche Gemeindetagssitzung einberufen. Da nur 9 Gemeinderäte der Einladung Folge leisteten, war diese Sitzung nicht beschlussfähig. Es erübrigte demnach nichts anderes, als durch Einberufung einer neuen Sitzung den Abschluss des Kaufvertrages schwer zu gefährden oder aber, dass ich auf eigene Verantwortung und mit der im Stadtrechte vorgesehenen Haftung den Ankauf durchführte. Ich entschloss mich, diesen Weg zu gehen und war davon überzeugt, dass mir der Gemeindetag nachträglich die Zustimmung nicht versagen wird. Ich konnte umsomehr darauf rechnen, als von den Steyrer Grundspekulanten der Ankauf als unerhört günstig bezeichnet wurde. Schliesslich soll auch nicht ausseracht gelassen werden, dass die Arbeiterschaft von Steyr den Ankauf äusserst günstig beurteilt. G.R. Albert Hofer stellt den Antrag, dem Ankauf des Fischhubergutes zum Kaufpreise von 66.500 S unter gleichzeitiger Aufnahme eines entsprechenden Ueberbrückungskredites zur Parzellierung für Arbeitersiedlungen zuzustimmen. Der Antrag wird ohne jede Debatte einstimmig angenommen. Zu Punkt 2.) Der Burgermeister berichtet über die Situation, die sich seit dem 12. Februar 1934 fur die Gemeinde hinsichtlich ihrer Vertretung bei der Sparkasse in Steyr ergeben hat. Er benutzt hiezu den Akt, Zl. 5476/1936. Er verliest das Schreiben der Sparkasse in

in Steyr vom 8. Oktober 1936, das den Wahlvorschlag fur die neun vom Gemeindetag zu wählenden Verwaltungsausschussmitglieder beinhaltet. Der Wahlvorschlag der Sparkasse enthält im Sinne der Satzungen 18 Kandidaten, von denen 4 auf den Berufsstand "Handel", 8 auf den Berufsstand "Gewerbe" und 6 auf die übrigen Berufsstände entfallen. Es entwickelt sich eine rege Debatte, an der sich die Gemeinderäte Rossner, Fleischmann, Hofer, Dr. Doppler, Steinkellner Hübl und Dr. Mayr beteiligen. In der Debatte kommt zum Ausdruck, dass es sich die Gemeindeverwaltung gut überlegen müsse, ob überhaupt die Gemeinde Steyr weiterhin als Garantiegemeinde der Sparkasse verbleiben soll. Der Bürgermeister erklärt den ganzen Punkt der Tagesordnung fur streng vertraulich. Die Debatte wird schliesslich vom Bürgermeister in ihrem wesentlichen Sinne dahin dargestellt, dass sich als Auffassung des Gemeindetages ergebe, es solle die Wahl in den Verwaltungsausschuss der Sparkasse vorgenommen werden, womit aber nicht gesagt sei, dass die Gemeinde die Absicht habe, auch weiterhin Garantiegemeinde der Sparkasse zu verbleiben. Der Bürgermeister habe vielmehr die entsprechenden Gutachten einzuholen und Berichte abzugeben, worüber der Finanzausschuss ehestmöglich zu beraten hat. Der Finanzausschuss hat, wenn möglich in der nächsten Gemeindetagssirzung, einen diesbezüglichen Antrag einzubringen. G.R. Dr. Doppler übernimmt diese vom Bürgermeister gegebene zusammenfassende Darstellung als Antrag, der einstimmig angenommen wird. Der Bürgermeister leitet nunmehr die Wahl ein. Ueber Antrag des G.R. Dr. Doppler wird die Wahl geheim mit Stimmzettel durchgeführt. Zu den einzelnen Personen wird kein Antrag gestellt und auch von einer Debatte Abstand genommen. Die Wahl der Vertreter aus dem Berufsstand "Handel" ergibt folgendes Ergebnis: Reitter 11, Stadler 9, Heinzl 2 und Knabl 2 Stimmen. Es erscheinen somit die Herren Reitter und Stadler gewählt.

Die Wahl aus dem Berufsstand "Gewerbe" ergibt für Kammerhofer 9, fur Schartinger, Klinglmayr, Döberl und Pichler je 6, für Greger 4 und fur Pollak 3 Stimmen. Die G.R. Rossner und Fleischmann haben nicht mitgestimmt. Es erscheint somit Johann Kammerhofer gewählt. Fur die drei weiteren Vertreter ist ein zweiter Wahlgang notwendig. Hiebei erhalten Schartinger 8, Pichler und Klinglmayr je 7 und Döberl 5 Stimmen. Somit treten aus dem zweiten Wahlgang die Herren Schartinger, Pichler und Klinglmayr als gewählt hervor. Die Wahl aus den übrigen Berufsständen ergibt für Ing. Heindl 10, Magister Schaden 8, Dr. Breitler 7, Bayer und Petuelli je 4 und Obergottsberger 3 Stimmen, sodass die Herren Ing. Heindl, Magister Schaden und Dr. Breitler als gewählt erscheinen. Der Burgermeister ersucht den Gemeindetag noch, aus den 9 gewählten Mitgliedern des Verwaltungsausschusses 3 zu wählen, die er dann als Wunsch des Gemeindetages dem Verwaltungsausschuss der Sparkasse zur Wahl in das Direktorium der Sparkasse vorschlagen werde. Die Wahl wird ebenfalls ohne Debatte geheim mit Stimmzettel durchgeführt. Es ergeben sich fur Ing. Heindl 10, Kammerhofer 12 und Stadler 7 Stimmen, während auf Reitter 4, auf Schaden, Klinglmayr und Dr. Breitler dagegen je eine Stimme entfallen. Fur das Direktorium wünscht somit der Gemeindetag ausser dem Bürgermeister, der satzungsgemäss dem Direktorium angehört, die Herren Ing. Heindl, Kammerhofer und Stadler. G.R. Paulmayr hat an der Abstimmung nicht teilgenommen, da er als Bankbeamter es für unvereinbar hält, in Angelegenheiten seines Konkurrenzunternehmens zu stimmen. Zu Punkt 3.) Der Bürgermeister berichtet darüber, dass sich der Bauausschuss in seiner gestrigen Sitzung mit dem Ansuchen mehrere Bewerber um Ueberlassung von Grundstücken aus dem Leopold Werndl Park befasst habe. Der Bürgermeister habe diesen Beratungen als Grundsatz vorangestellt, dass die Gemeinde allen Realbesitz, der kommunal uninteressant sei, zu veräussern, dagegen Realbesitz, der von kom-

munalem Interesse sei oder später werde, zu behalten, bezw. zu erwerben habe. Der Bauausschuss habe sich dieser Meinung angeschlossen und die Ansicht vertreten, dass der Leopold Werndl Park von kommunaler Bedeutung sei. Daher habe sich der Bauausschuss nicht dazu entschliessen können, im Gemeindetag den Antrag auf Parzellierung des Leopold Werndl Parkes einzubringen. Der Bürgermeister regt an, den Punkt von der Tagesordnung abzusetzen. Der Gemeindetag pflichtet dieser Anregung einhellig bei. Zu Punkt 4.) Der Bürgermeister berichtet, dass an der Pfarrkirche Gleink grössere Reparaturen vorgenommen worden seien, für die die Bedeckung fehlt. Er verweist auf den Akt Zl. 4139/36 und die im Gegenstande vorliegende Eingabe des Gemeindeamtes Gleink vom 22. November 1935. Der Bürgermeister macht darauf aufmerksam, dass das fur die Einhebung der Pfarrumlage erforderliche gesetzliche Verfahren nicht abgeführt wurde, da das Gemeindeamt Gleink und das Pfarramt Gleink ebenso wie die Bezirkshauptmannschaft Steyr ausdrücklich darum ersucht haben. Es sei wohl nicht zu befürchten, dass sich aus diesem Verfahrensmangel irgendwelche Konsequenzen ergeben würden. Immerhin aber müsse damit gerechnet werden, dass im Falle einer Beschwerde der heutige Beschluss zurückzuziehen und vor einer neuerlichen Beschlussfassung das entsprechende Verfahren abzuführen wäre. G.R. Franz Paulmayr stellt den Antrag, die Einhebung einer Pfarrumlage im Sinne des Amtsberichtes das Gefällsamtes vom 27. Oktober 1936, Zl. 1139/36, zu bewilligen. Der Antrag wird einstimmig angenommen. Zu Punkt 5.) Nachstehende Fürsorgerekurse werden im Sinne der Amtsanträge erledigt:

Hobecker Katharina,Erziehungsbeitrag-Berufung, Rohlik Johann, Erziehungsbeitrag-Berufung, Weber Josef, Erziehungsbeitrag-Berufung, Haghofer Anna, Erhaltungsbeitrag-Berufung, Radlgruber Anna, Erhaltungsbeitrag-Berufung, Kastner Karl, Schuhansuchen-Berufung, Moisl Marie, Schuhansuchen-Berufung, Zu Punkt 6.) Der Bürgermeister berichtet über den Stand der Sanierungsmassnahmen. Das Sanierungsprogramm umfasse 6 wesentliche Abschnitte, die ein unteilbares Ganzes darstellen, sodass auch nicht einer dieser Abschnitte zur Durchführung gelangen, bezw. in Kraft bleiben soll, wenn nicht alle 6 in ihrer Gänze wirksam werden. Die 6 Abschnitte sind: Regelung der beim Bund aushaftenden Schulden (Abschreibung von 570.000 S, Umwandlung verzinslicher Darlehen in unverzinsliche, Abstattung in zehn Jahresraten); Regelung der beim Lande aushaftenden Schulden (Abschreibung von rund 400.000 S, Abstattung in zehn Jahresraten); Uebernahme der Ausfallshaftung fur die allfällige Differenz zwischen Lohnabgabe und Fürsorgeaufwand durch das Land Oberösterreich gegen Einräumung gewisser Kontrollbefugnisse über die Finanzen der Stadtgemeinde an das Land Oberösterreich; die Personalreform, wie sie bereits durchgeführt ist; Durchfuhrung aller jener Massnahmen, die geeignet sind, die Verwaltung der Stadtgemeinde möglichst billig zu gestalten und das vorhandene Gemeindevermögen möglichst günstig zu verwerten; endlich die Steuerreform, die in schlechten Jahren die Mittel liefern soll, die die Gemeinde befähigen, ihren laufenden Verbindlichkeiten nachzukommen, die aber in halbwegs normalen Jahren die Gemeinde in die Lage versetzen soll, die Versäumnisse, die in den letzten Jahrzehnten auf kommunalem Gebiete vorgekommen sind, schön langsam aufzuholen. Der Bürgermeister erklärt, dass es ihm sehr wohl bekannt sei, wie sehr gerade die bürgerlichen Kreise von Steyr über die beabsichtigte Steuerreform in Aufregung geraten sind.

Schliesslich dürfe man aber nicht übersehen, dass die Steuerreform nicht notwendig wäre, wenn die bürgerlichen Kreise von Steyr, denen Jahrzehntelang die Geschicke der Stadt anvertraut waren und die hiebei unbeschränkte politische und finanzielle Möglichkeiten hatten, ihre Verantwortung gegenuber der Gemeinde richtig getragen und nicht restlos versagt hätten. Den bürgerlichen Kreisen von Steyr muss es zum Vorwurf gemacht werden, dass der Stadtplatz in zwei Abschnitten erst in den Jahren 1911 und 1928 gepflastert wurde, dass der Grünmarkt erst 1936 gepflastert wurde, dass Pfarrberg, Michaelerberg,Sierningerstrasse, Damberggasse und andere für die Stadt ungemein bedeutungsvolle Strassenzüge bis heute nicht gepflastert sind, dass es in Steyr keine Wasserleitung, keine Kanalisation, kein Schlachthaus, keine Leichenhalle gibt, dass keine Gehsteige errichtet wurden und dass hundert andere schwere Versäumnisse begangen wurden. Den bürgerlichen Kreisen von Steyr ist es auch zu danken, dass die Stadtgemeinde bei Gas und Strom einer Linzer Gesellschaft ausgeliefert ist und dass die beträchtlichen Gewinne, die aus diesen Monopolunternehmen fliessen könnten, der Stadtgemeinde nicht zukommen. Wären die eben aufgezeigten kommunalen Einrichtungen von der bürgerlichen Majorität Steyrs rechtzeitig, das heisst in den Zeiten gewaltigen Wohlstandes, wie er in Steyr jahrzehntelang zu finden war, durchgeführt worden, würde der Gemeinde, abgesehen davon, dass sie in den jetzigen Notzeiten hiefür nicht noch Gelder aufbringen musste, sogar eine ganz beträchtliche Summe aus diesen kommunalen Einrichtungen zufliessen. Wenn es somit erwiesen ist, dass die Notwendigkeit der Steuerreform lediglich durch die Indolenz der Steyrer Bürgerschaft gegeben ist, dann sei es begreiflich, dass er sich absolut nicht um die Kritik aus Steyrer Bürgerkreisen kümmere und dass er ihnen jede Berechtigung für eine Kritik an der Gemeindeverwaltung abspreche.

Der Gemeindetag nimmt die Ausführungen des Bürgermeisters zustimmend zur Kenntnis. Der Bürgermeister beantwortet noch einige in Strassenangelegenheiten gestellte Anfragen. Schluss der Sitzung 23 Uhr. Der Bürgermeister: Die Niederschriftsprüfer:

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