Gemeindetagsprotokoll vom 7. Dezember 1935

7. Sitzung. Niederschrift über die ausserordentliche Sitzung des Gemeindetages der Stadt Steyr am Freitag, den 7. Dezember 1935 um 20 Uhr im Gemeinderatssitzungsaale im Rathause. Anwesend: Vorsitzender Bürgermeister Dr. Josef Walk, Bürgermeister-Stellvertreter Alois Janak, Die Gemeinderäte: Hambrusch Peter, Ing. Grundmüller Oskar, Hübl Josef Hofer Albert, Nawratil Eugen, Kammerhofer Ignaz, Paulmayr Franz, Dr. Mayr Anton, Schwarzlmüller Felix, Schliessleder Alois, Trauner Franz, Steinkellner Julius, Wabitsch Ludwig, Voglsam Josef, Wünsch Otto. Weindl Anton, Entschuldigt abwesend waren: Stadtrat Gustav Hack, G.R. Dr. Fritz Doppler, G.R. Franz Fleischmann, G.R. Johann Köttenstorfer, G.R. Karl Rossner, G.R. Trupp Emmerich, Tagesordnung: Auflassung des Kreisgerichtes Steyr, Stellungnahme hiezu. Der Bürgermeister begrüsst die Erschienenen und geht in die Tagesordnung ein. Er führt aus: Das Kreisgericht Steyr sei ein letzter Ausdruck der ehemaligen Grösse und Bedeutung Steyrs im staatlichen Leben. Durch eine Auflassung des Kreisgerichtes

werde gewissermassen die historische Bedeutung der Stadt einer Liquidation zugeführt. Steyr erleide dadurch in seinem gesellschaftlichen und kulturellen Leben eine schwere Einbusse. Für die ohnedies wirtschaftlich schwer ringende Stadt bedeutet dies aber eine unerträgliche weitere Schwächung. Wenn es bisher nur mit Hilfe des Staates möglich gewesen sei, die Abwanderung der Industrie zu verhindern, müssten sich nach der unerwarteten nunmehrigen Einstellung der Verantwortlichen des Staates für die Zukunft Steyrs die schwersten Befürchtungen ergeben. Die Gemeindeverwaltung könne nur dadurch ihren Kampf um die Sanierung des Gemeindehaushaltes führen, weil sie glaubte, auf die Hilfe des Staates rechnen zu können. Die Auflassung des Kreisgerichtes bedeute aber auch in dieser Hinsicht einen ungeheuren Schlag gegen die Gemeindeverwaltung, sodass wohl das gesamte Sanierungswerk als gefährdet angesehen werden müsse. Es sei nicht zu verstehen, dass wegen eines Betrages von S 50.000.- (rund 2 Promill des verbleibenden Gebarungsabganges des Bundes) eine ehrlich ringende Stadt so brüskiert werde. Die Gemeindeverwaltung glaube, dass sie durch ihren energischen Willen, in Steyr Ordnung zu machen, weit mehr als S 50.000.- der öffentlichen Finanzwirtschaft erspare. Gott sei Dank, habe sich der Stadt Steyr in ihrem traurigen Kampfe der getreue Eckehart des Landes Oberösterreich, Herr Landeshauptmann Dr. Gleissner, an die Seite gestellt. Der Herr Landeshauptmann habe sofort telephonisch mit Wien und Steyr die Verbindung aufgenommen und bemühe sich unter Hinweis auf die wirtschaftliche Situation der Stadt und die finanzielle Lage der Gemeinde, die Auflassung rückgängig zu machen. Der Herr Landeshauptmann sei auch sofort persönlich in Wien bei den massgebenden Stellen vorstellig geworden. Er sei so gut in der Sache informiert und verfolge die Angelegenheit mit einer derartigen Liebe und Sorge, dass eine bessere Vertretung der Interessen der Stadt Steyr nicht mehr möglich sei. Der Herr Landeshauptmann habe sogar vorgeschlagen, die Ersparnis durch

eine Gebühr für Auszeichnungen und eine Reduzierung der Bezüge der Funktionäre zu erreichen, um so die beiden Kreisgerichte bestehen lassen zu können. Dem Herrn Landeshauptmanne sei der Dank der Stadt Steyr sicher. In der eingehenden Wechselrede ergriffen die Herren Vize-Bürgermeister Janak, Stadträte Hofer und Paulmayr und Gemeinderäte Ing. Grundmüller, Kammerhofer, Dr. Mayr, Dechant Schliessleder, Steinkellner, Trauner und Weindl das Wort. Es wurde den Herren Staatsräten Födermayr und Dr. Funder für ihr Eintreten für die Stadt Steyr der Dank ausgesprochen. Es wurden hiebei alle Argumente vorgebracht, die gegen die Auflassung des Kreisgerichtes sprechen. Insbesonders verwies Ing. Grundmüller darauf, dass der Stand der Rechtsanwälte und deren Angestellte dadurch auf das allerschwerste betroffen werde. Die beabsichtigte Massnahme stelle einen groben Undank der Stadt und der Gemeindeverwaltung gegenüber dar, der Stadt, die Jahrhunderte lang dem Vaterlande in allen Belangen, auch in finanziellen, eine treue Stütze gewesen sei, und der Gemeindeverwaltung, die auf alle Popularität verzichte, nur um der Stadt zu helfen. Handelsgremium und Bezirksverband der Gewerbegenossenschaften haben ebenso wie die Rechtsanwaltschaft gegen die Auflassung ihre Entrüstung und Verbitterung zum Ausdruck gebracht. Wenn bei den Reisegebühren zwei Millionen Schilling eingespart werden können, könnte es wohl auch für die Einsparung der bei Steyr angeblich ersparten S 50.000.- eine andere Ersparungsmöglichkeit geben. Wenn man betone, dass das Kreisgericht Steyr nicht voll ausgenützt sei, brauche man nur die Gerichtsbezirke St. Peter und Haag dem Kreisgerichte Steyr zuteilen und werde dadurch nicht nur der Stadt Steyr, sondern auch den Bewohnern dieser Gerichtsbezirke einen grossen Gefallen erweisen. Schwer geschädigt seien auch die Bewohner des Enns- und Steyrtales, bei denen es sich fast durchwegs um sogenannte kleine Leute handle. Es sei geradezu eine Groteske, dass man der früheren Gemeindeverwaltung, die nichts

getan habe, um Steyr vor dem Untergange zu bewahren, doch so weit entgegengekommen sei, dass der Kampf um das Kreisgericht seit 1922 zu Gunsten der Stadt entschieden worden sei, während die neue Gemeindeverwaltung, die die Folgen der früheren Sünden zu tragen habe, kein Entgegenkommen finden soll. Nach zusammenfassenden Erklärungen des Bürgermeisters beantragte Stadtrat Paulmayr eine Resolution, derzufolge der Gemeindetag die weitere Durchführung des Sanierungswerkes für untragbar halte, wenn die Bevölkerung durch die Auflassung des Kreisgerichtes in ihrer Wirtschaft und die Stadt in ihrem Rufe und ihrem Range so schwer getroffen werde. Der Gemeindetag nahm diese Resolution einstimmig an. Der Bürgermeister gab noch bekannt, dass in der grossen Konvertierung bei der Landeshypothekenanstalt und der Kommunalkreditans. des Landes Oberösterreich heute die Abrechnung eingelangt sei, aus der sich neben einer ausserordentlichen Schuldenverminderung durch Kursgewinn per S 165.000.- auch eine jährliche Budgetentlastung per rund S 10.000.- ergebe, obwohl von nun an sämtliche Darlehen nicht nur verzinst, sondern auch amortisiert würden, während dies bisher bei zwei Krediten im Gesamtausmasse von rund S 663,000.- nicht der Fall war. Schluss der Sitzung 21 Uhr 145. Der Vorsitzende:

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