Gemeindetagsprotokoll vom 27. Juli 1934

Verhandlungsschrift über die Sitzung des Beirates des Regierungskommissärs der Stadt Steyr, am Freitag, den 27. Juli 1934 um 14 Uhr 30 Min. Anwesend: Vorsitzender: Regierungskommissär Dr. Florian Hirtmayr, Mitglieder: Stadtrat Gustav Hack, Peter Hambrusch, Alois Janak, Ignaz Kammerhofer, Stefan Ramoult, Dr. Josef Walk. Vor der Sitzung findet eine Trauerkundgebung für den toten Bundeskanzler Dr. Dollfuss statt. Der Regierungskommissär hält folgende Trauerrede, die die Anwesenden stehend anhören: "Mit tiefer Erschütterung, Schmerz und Empörung haben wir die schreckliche Nachricht von der Ermordung unseres Bundeskanzlers Dr. Dollfuss durch eine Bande von Aufrührern vernommen. Sein Verlust trifft Oesterreich auf das Schwerste. Er besass eine allgemein anerkannte hohe staatsmännische Begabung, genoss Ansehen und Vertrauen bei den auswärtigen Staaten und hat dieses Ansehen und Vertrauen für Oesterreich fruchtbar gemacht, für Oesterreich, dem er mit heisser Liebe diente, für dessen Freiheit und wirtschaftlichen Aufstieg er unermüdlich arbeitete und kämpfte. Gott allein weiss, welch ungeheure Arbeit Dollfuss als Bundeskanzler geleistet hat. Vom frühen Morgen bis zum späten Abend war er unermüdlich tätig, Tag für Tag. Wer das Glück hatte ihn zu kennen, rühmte an ihm sein gewinnendes Wesen, seine Liebenswürdigkeit und schlichte Bescheidenheit und dieser liebenswürdige, gute und edle Mann wurde von den National- sozialisten tödlich gehasst, weil er unserem Oesterreich seine Freiheit und Unabhängigkeit gewahrt hat, weil er nicht zugelassen hat, dass auch Oesterreich - für dessen Denken und Fühlen sie gar kein Verständnis haben - von Preussen regiert und kommandiert wird.

Im Kampfe für Oesterreich ist Dr. Dollfuss gefallen. Sein Andenken bleibt uns heilig, wir ehren es am besten, wenn wir seinen Ideen zum Sieg verhelfen. Wir wollen unser Oesterreich ebenso lieben wie er es geliebt hat, wir wollen auf dem Posten auf dem wir stehen mitarbeiten am Neubau eines selbstständigen, christlichen, deutschen und sozialen Ständestaates Oesterreich." Eine Weile verharren die Mitglieder der Sitzung zum Zeichen der Trauer in Schweigen. Dann eröffnet der Regierungskommissär die Geschäftssitzung und bringt folgende neu angefallenen Geschäftsstücke zur Kenntnis oder stellt sie zur Beratung: Die Zuschrift der o.öst. Landeshauptmannschaft vom 18.Juli 1934 A - Zl. 706/6, betreffend die Instandsetzung des Gebäudes der Bezirkshauptmannschaft Steyr Land (Zur Kenntnis genommen). Die Eingabe des Landesverbandes der oberösterr. Papierhändler, betreffend die Beschaffung des Schreib- und Zeichenmateriales für arme Schulkinder bei den heimischen Geschäftsleuten (Zur Kenntnis genommen). Genehmigung der Kosten von S 496.-- davon Barauslagen S 266.-- für einen Einbau im Keller des Rathauses auf dem Ennskai zur Durchführung der Fleisch-Ueberbeschau (Kosten werden genehmigt). Ueberlassung des Obstes aus dem Garten der Schrader-Liegenschaft an den Oberkommissär Stepanek und die Magistratsbeamtenswitwe Winkler gegen Zahlung von zusammen S 30.- (Wird genehmigt). Ansuchen des bundesstaatlichen Volksbildungsreferates Wien I., Herrengasse 23, um Förderung der ständigen Wanderoper durch Beistellung eines Theatersaales und Beschaffung einer billigen Unterkunft für 40 Personen (Beschluss: Präsidium soll Verhandlungen führen). Ing. Franz Gary, Architekt in Linz, bietet seine Dienste an für eine Stadtrandsiedlungsaktion des Magistrates. (Vorgeschlagene Erledigung: die Frage ist in Steyr derzeit nicht aktuell). Seitens der Stadtgemeinde Steyr werden als Beisitzer der

Mietkommission entsendet: Alois Janak, Stadtrat in Steyr, Gleinkergasse 2 Emanuel Ulrich, Kleinrentner in Steyr, Sierningerstrasse 88 Ferdinand Schmiedinger, Altersrentner Steyr, Wieserfeldpl.4. Das Kommando der aufgebotenen Schutzkorpsmänner bittet mit Rücksicht auf die Armut der Eingerückten und ihre geringe Besoldung von 50 g, dass die Stadtgemeinde ihnen wöchentlich einen gewissen Betrag zum Ankauf von Zigaretten spenden möge. Nach Beratung. Beschluss: an Stadtrat Hambrusch werden zum Ankauf von Zigaretten für die aufgebotenen Schutzkorpsmänner Samstag den 28. Juli 1934 S 100.-, jeden folgenden Samstag aber bis auf weiteres je S 60.- ausbezahlt. Generaloberin der barmherzigen Schwestern in Wien ersucht von der Herabsetzung der monatlichen Entlohnung der Schwestern im städt. Versorgungsheim in Steyr Abstand zu nehmen (Wird zur Kenntnis genommen). Die Sitzung wird geschlossen. Die Stadträte: Der Vorsitzende:

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