Gemeindetagsprotokoll vom 5. Juni 1934

Verhandlungsschrift über die Sitzung des Beirates des Regierungskommissärs der Stadt Steyr, am Dienstag,den 5.Juni 1934, um 1h Uhr. Anwesend: Vorsitzender: Regierungskommissär Dr. Florian Hirtmayr, Mitglieder: Stadtrat Gustav Hack, Peter Hambrusch, Alois Janak, Ignaz Kammerhofer, Dr. Karl Lorenz, Stefam Ramoult, Dr. Josef Walk. Schriftführer: Magistrats-Sekretär Dr. Leopold Kühberger. Tagesordnung. 1.) Beglaubigung der Verhandlungsschrift der letzten Sitzung. 2.) Bericht des Stadtrates Dr. Josef Walk über die Finanzlage der Stadtgemeinde Steyr. 3.) Allfälliges. Der Vorsitzende eröffnet um 14 Uhr die Sitzung und teilt zu Punkt 1.) der Tagesordnung mit, dass die Verhandlungsschrift über die Beiratssitzung vom 29. Mai 1934 von den Stadträten Janak und Dr. Lorenz überprüft worden ist und - da kein Einwand erhoben wurden - als beglaubigt gilt. Zu Punkt 2.) der Tagesordnung stellt der Referent zunächst fest, dass am 1. Juni 1934 an die Angestellten des Magistrates keine Zahlung geleistet werden konnte und zur Auszahlung eines Viertels der Gehälter bei der Sparkasse Steyr ein kurzfristiges Darlehen von S 15.000.- aufgenommen werden musste.

Um wenigstens die laufenden Geschäfte führen zu können, werden im Juni noch weitere S 20.000.- und im Juli S 30.000.- benötigt. Hierauf zeigt der Referent an der Entwicklung der Passiven seit dem Jahre 1924 und der noch vorhandenen Aktiven die Vermögenslage der Stadt auf, wonach zwar buchmässig ein Reinvermögen von S 1,057.565.- ausgewiesen wird, jedoch infolge vermutlich zu hoher Bewertung des Realbesitzes die Stadtgemeinde schon am 12. Februar 1934 überschuldet gewesen sein dürfte. Aus der Tatsache, dass der derzeitigen Gemeindeverwaltung jene Kredite, die die frühere Gemeindeverwaltung hatte, nämlich S 40.000.- Konkokorrentkredit bei der Spar- und Kreditkasse, S 17.000.- Darlehen vom Reichsverband der Gemeindeangestellten in Wien und S 8.000.- Darlehen von der Gewerkschaft der Magistratsangestellten, nicht mehr zur Verfügung stehen, wird es verständlich, dass auch die Zahlungsfähigkeitider Stadtgemeinde die denkbar schlechteste ist. Der Referent beleuchtet sodann an Hand der Ziffern des Voranschlages 1934 und der Vorjahre, sowie der Berichte des Rechnungshofes über die Gebarungsüberprüfung der Jahre 1929 bis einschliesslich 1932 die eigentliche Ursache der schlechten Finanzlage der Stadt, wobei er die Kapitel "parlehensaufnahmen, Industrie. gründungen. Personaletat und Fürsorge" besonders eingehend behandelt. Er erwähnt weiters. dass die Stevr-Werke im Jahre 1929 noch S 21.000.000.- jährlich für Löhne und Gehälter ausgezahlt haben, während im Jahre 1932 nur mehr 5 1/2 Millionen Schilling ausgezahlt worden sind. Es fehlen somit in der Stadt S 15.000.000.- Einkommen, welche natürlich durch die Arbeitslosenunterstützungen im Betrage von ungefähr 5 - 6 Millionen Schilling jährlich nicht ausgeglichen werden können. Der Referent ist der Meinung, dass es bei einem unbedeckten Abgange von S 550.000.- ausgeschlossen ist, durch Ersparungen allein zu einem ordentlichen Haushalte zu kommen. Es sei aber auchbei der bestehenden Ueberschuldung und Kreditunfähigkeit der Stadtgemeinde unmöglich, diesen Abgang durch

Kreditoperationen zu beseitigen. Ebenso könne ein solcher Abgang nicht durch Einnahmeerhöhungen und Ersparungen ausgeglichen werden, obwohl die Möglichkeit zur Erzielung höherer Einnahmen gegeben wäre und die Angestellten einer solchen Stadt unter keinen Umständen besser gestellt sein dürften, als die des Bundes. Man könne jedoch nur dann von der Bevölkerung und den Angestellten weitere drückende Opfer fordern, wenn der Beirat die moralische Gewähr bieten könne, dass diese Opfer zu einer tatsächlichen Sanierung des Gemeindehaushaltes führen. Diese Gewähr könne aber nur dann gegeben werden, wenn es gelinge. von der Zinsenlast im Betrage von jährlich S 275.000.- mindestens für die nächsten 10 Jahre gänzlich befreit zu werden. Es sei möglich, die Einnahmen um ca. S 200.000.- zu erhöhen und den restlichen unbedeckten Abgang einzusparen. Sollte es aber mit Hilfe von Land und Bund nicht gelingen, den vorgezeigten Weg zu gehen, dann dürfe man auch vor der unvermeidlichen letzten Folge, dem Konkurse der Stadtgemeinde. nicht zurückschrecken. In der Wechselrede erklärt Stadtrat Hack, dass seiner Meinung nach Land und Bund schon aus politischen Gründen das grösste Interesse haben müsste, den Konkurs der Stadtgemeinde Steyr zu vermeiden, und dass er daher mit Recht glaube, dass diese Stellen der Stadt alle ihr mögliche Hilfe angedeihen lassen werden. umsomehr, als die derzeitige Gemeindeverwaltung vollej Vertrauen aller Regierungsstellen geniesst. Der Vorsitzende bemerkt hiezu, dass vom Lande eine materielle Hilfe nicht zu erwarten sei, dass aber zweifellos der Landeshauptmann mit seiner ganzen Ferson für die Stadt Steyr und ihre Bedürfnisse bei der Landesregierung eintreten wird. Der Referent erklärt schliesslich, wenn Bund und Land nicht imstande seien, es der Gemeindeverwaltung zu ermöglichen, den aufgezeigten Weg zu gehen, dann müsse der gesamte Beirat seine Mandate zurücklegen und der Regierungskommissär die

weiteren Massnahmen durchführen. Im übrigen werde er dem Beirate in der nächsten Sitzung konkrete Anträge zur Beschlussfassung vorlegen. Unter Allfälliges bringt der Vorsitzende zur Kenntnis, dass er der städt. Feuerwehr den Stadtplatz zur Abhaltung eines Sommernachtsfestes überlassen habe, dass aber eine gleichartige Bewilligung keinem anderen Vereine oder Körperschaft gewährt werden könne. Stadtrat Dr. Lorenz ersucht für das Bundes-Realgymnasium um Ueberlassung des Sportplatzes bei der Industriehalle an allen Nachmittagen der Woche mit Ausnahme am Samstag, Belassung der bisherigen Räume in der Steyrdorfschule und Beistellung besserer Kohle für die nächste Heizperiode. Referent Stadtrat Dr. Walk beantragt das Ansuchen der Spar- und Konsumgenossenschaft um Befreiung von der Mietzinshellerabgabe auf 30 Jahre abzuweisen, jedoch für die Nachzahlung von ca. S 12.000.- die Abstattung in Monatsraten von 500 bis 1000 S zu bewilligen. Dieser Antrag wird einstimmig zum Beschlusse erhoben. Die nächste Sitzung wird für Donnerstag, den 7. Juni 1934 um 14 Uhr festgesetzt. Der Vorsitzende schliesst um 18 Uhr 30 Minuten die Sitzung. Die Stadträte: Der Vorsitzende:

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