Für Obdachlose ist in unserer Stadt überhaupt nicht vorgesorgt, ausser man nennt ein bescheidenes Kämmerlein im Altersheim in der Sierningerstrasse, das mit seinen zwei Betten der Beherbergung dient, Obdachlosenfürsorge. Die Verelendung hat in Steyr entsetzlich weite Kreise erfasst. Es sind in der Stadt rund 1100 Personen ohne jedes Einkommen. Davon sind ca. 400 Familienerhalter. Diese Opfer der Krise sehen in der Fürsorge der Gemeinde und bekommen soweit sie ledig sind pro Woche drei Schilling, auf den Tag gerechnet, macht das 42 Groschen. Verheiratete und Familienversorger erhalten je nach Kopfzahl 4 - 8 Schilling, auf den Tag gerechnet, nicht einmal 30 Groschen. Wir alle wiesen, dass das keine Unterstützungen, sondern eher ein Hohn auf die Not sind. Doch kann die Gemeinde nicht mehr geben. Es ist nicht zu verwundern, dass unter solchen Umständen die Geiseln aller Krankheiten, die in der Not in Fülle keimen, Tausende und Tausende schlagen. Genau 50 % aller Auslagen des Kapitels X - Gesundheitswesen - fordern die Kosten für Tuberkulosenfürsorge. Die Tbc ist der Würger der Kinder und der Jugend! Ueberall nistet sie sich ein, in der Lunge, den Knochen, im Kehlkopf, fast 90 % der Kinder in Steyr sind schwer unterernährt, damit natürlich wohl disponiert für alle Krankheiten. Dass in Steyr hunderte von Kindern leben - man muss sich wundern, dass sie noch leben - die nur einmal des Tages leeren Tee als einziges Essen haben, ist leider ebenso wahr, wie es hunderte Kinder gibt, die keine eigene Schlafstelle haben, Kinder gibt, die die Schule nicht besuchen können, weil sie keine Kleider haben, hunderte Kinder gibt, die bloss einen Wunsch haben: wenn sie schon den Magen nicht satt haben können, wenigstens Wärme zu haben und denen das Schulzimmer deshalb in erster Linie der geheizte Raum ist und als Stätte der Bildung erst viel viel später rangiert. Es gibt in dieser Stadt Menschen, die tagelang im Bette bleiben müssen, weil sie ohne Heizmaterial sind, weder warme Kleider noch Schuhe haben. Es gibt in Steyr Familien mit Kindern, deren einzige Nahrung seit Monaten dünne Wassersuppen sind, weil sie sich nicht einmal Kartoffeln kaufen können. Von Brot und Milch
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