Gemeinderatsprotokoll vom 29. Dezember 1931

dass die Bevölkerung von Steyr für die vorhandenen Existenzmöglichkeiten um 6 oder 8000 Menschen zu gross ist. Und diese bedauernswerten Mitbürger hätten dann wohl kein stärkeres Interesse, als diese Stadt der Armut zu verlassen, um sich anderswo eine menschenwürdige Existenz zu erringen. Wir müssen im Interesse der Stadt hoffen, dass es niemals so weit kommt. Aber gerade wegen dieser Sorgen und Nöte dürfen wir nicht versäumen, alle Möglichkeiten einer wirtschaftlichen Belebung unserer Stadt aufzuspüren und auszunützen. Ich denke da in erster Linie an den Fremdenverkehr, der für unsere Stadt eine viel grössere Bedeutung hat, als man auf den ersten Blick meinen möchte. Wenn uns auch keine Mittel zur Fremdenverkehrsförderung zur Verfügung stehen, so wird sich doch bei vorhandenem Interesse und mit einiger Tatkraft mancher Erfolg erzielen lassen. In gleicher Weise wären Bestrebungen, die der Stadt Steyr verloren gegangenen Absatzgebiete zurückzugewinnen, durch eine kluge und ausdauernde Strassen- und Verkehrsförderung zu unterstützen. Es werden manche Fragen laut werden, ob es zu dieser katastrophalen Entwicklung der Gemeindefinanzen kommen musste. Es ist sicher, dass die Situation rosiger wäre, wenn in der Vergangenheit die trotz aller ernsten und eindringlichen Mahnungen gemachten Fehler unterblieben wären und wenn in den letzten 7 oder 8 Jahren vom heutigen Sparwillen etwas vorweg genommen worden wäre. Meine Fraktion verzichtet angesichts der ernsten Lage auf eine Ausnützung dieser Tatsachen. Wir müssen alle den Blick nach vorne richten, wenn wir die Stadt über Wasser halten wollen; auch die schärfste Kritik würde ja keinen verlorenen Schilling zurückbringen. Wir haben auch Stimmen gehört, die der Meinung sind, dass der Gemeinderat unter den gegebenen Umständen seine Mandate zurücklegen und einem Regierungskommissär Platz machen soll. Wir haben diese Sache reiflich erwogen und sind zu dem Schluss gekommen, dass der Regierungskommissär nichts anderes tun könnte, als durch schärfste Sparmassnahmen den Gemeindehaushalt ins Gleichgewicht zu bringen; und der Gemeinderat ist heute daran, die gleichen Massnahmen zu beschliessen. Wir halten es für besser, diese schmerzliche Operation selbst durchzuführen, als uns einem Fremden, der unsere Verhältnisse nicht kennt, und auch gebotene Rücksichten nicht üben würde, anzuvertrauen.

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