Gemeinderatsprotokoll vom 18. Juli 1931

Niedersohrift über die 3. ordentliche Sitzung des Gemeinderates der autonomen Stadt Steyr, am Samstag, den 18. Juli 1931, Tagesordnung. 1.) Bericht des Bürgermeisters. Stadtrat. Referent Stadtrat Karl Klement: 2.) Verlegung des Spanferkelmarktes. Finanz- und Rechtsausschuss. Referent Gemeinderat Franz Tribrunner: 3.) Ermächtigungsbeschluss für den Bürgermeister während der Gemeinderatsferien. 4.) Bildung der Geschworenen-Kommission. Referent Gemeinderat Josef Kirchberger: 5.) Statutenänderung. Referent Gemeinderat Alois Huemer: 6.) Abgaben-Rekurse. Referent Bürgermeister Franz Sichlrader: 7.) Rechnungsabschluss pro 1930. Vertrauliche Sitzung.

Anwesende: Vorsitzender Bürgermeister Franz Sichlrader, die Bürgermeister-Stellvertreter Anton Azwanger und Rudolf Marktschläger, die Stadträte: Klement Karl, Roithner Hans, Schlossgangl Leopold, die Gemeinderäte: Berger Rudolf Leitzinger Karl Peyrer-Angermann Dr. Breitler Leopold Dr. Sieberer Michael Chalupka Elise Schickl Friedrich Daspelgruber Josef Schöner Johann Firbas August Schrangl Franz Grafleitner Josef Schwitzer Erna Grossauer Willibald Hamberger Josef Steiner Florian Tribrunner Franz Hofmann Julius Voglsam Josef Huemer Alois Weindl Anton Kirchberger Josef Witzany Hans. Kolaritsch Josef Vom Magistrate: Magistrats-Direktor Dr. Ferdinand Häuslmayr, als Schriftführer: Kanzleidirektor Karl Kapinus. Der Vorsitzende Bürgermeister Franz Sichlrader eröffnet um 16 Uhr 10 die Sitzung mit der Konstatierung der Beschlussfähigkeit. Als entschuldigt gelten die Stadträte Dressl August, Dr. Schneeweiss Rudolf und Ferdinand Knabl und der Gemeinderat Johann Steiner. Der Bürgermeister gibt bekannt, dass über besonderen Wunsch der Punkt 2 behufs späterer Behandlung vertagt und Punkt 6, da noch nicht spruchreif, zurückgestellt wird. Als Niederschriftsprüfer werden die Gemeinderäte Josef Daspelgruber und August Firbas bestimmt. Gemeinderat Josef Kolaritsch wünscht zur Tagesordnung zu sprechen, was vom Vorsitzenden als nach der Geschäftsordnung unzulässig bezeichnet wird.

Mitteilungen des Bürgermeisters. Punkt 1.) Liegen nicht vor. Punkt 2.)Verlegung des Spanferkelmarktes. Entfällt. Finanz- und Rechtsausschuss. Referent G.R. Franz Tribrunner: Punkt 3.) Ermächtigungsbeschluss für den Bürgermeister während der Gemeinderatsferien. Zl.3780/31 Der Referent beantragt wie alljährlich: Der Bürgermeister wird zur ex präsidio Erledigung dringender Angelegenheiten während der Gemeinderatsferien ermächtigt. Durch diese Ermächtigung wird der Gemeinderatsbeschluss vom 12. März 1926, Zl. 5953 betreffend Bestellung des Ersparungskomitees (Stadtrat) nicht berührt. Ohne Debatte angenommen. Punkt 4.) Bildung der Geschworenen-Kommission. Zl.637/31 Der Referent beantragt: Der Gemeinderat entsende in die Kommission zur Anlegung der Geschworenen- und Schöffenliste für das Jahr 1932 nachstehende Frauen und Herren: 1. Von der sozialdemokratischen Partei: Karl Klement, Christine Dedic und Dr. Rudolf Schneeweiss. 2. Von der christlichsozialen Partei: Irene Patek und Josef Voglsam. 3. Von der grossdeutschen Partei: Johann Wolfartsberger. Ohne Debatte angenommen. Punkt 5.) Statutenänderung. Zl. 144/Präs.Der Referent Gemeinderat Josef Kirchberger beantragt nach kurzer Begründung: Der Gemeinderat beantragt die Gesetzwerdung folgenden Gesetzentwurfes: Gesetz vom! womit das Gesetz vom 18.März 1930, L.G. u. V.Bl. Nr.13

(Gemeindestatut der Stadt Steyr) abgeändert wird. Der o.ö. Landtag hat beschlossen: Art. I Der erste Satz des § 15 hat zu lauten: Die Mitglieder des Gemeinderates werden auf sechs Jahre gewählt, Art. II Die Bestimmung dieses Gesetzes findet bereits Anwendung auf den am 19. April 1931 gewählten Gemeinderat. Einstimmig angenommen. Punkt 6.) Abgaben-Rekurse. Entfällt. Referent Bürgermeister Franz Sichlrader: Punkt 7.) Rechnungsabschluss pro 1930. Den Vorsitz übernimmt Bürgermeister-Stellvertreter Anton Azwanger und erteilt dem Referenten das Wort. Zl. 2671/31 Der Bürgermeister berichtet als Finanz-Referent folgendes: Meine Damen und Herren ! So wie im Vorjahr, ist Ihnen auch heuer ein Auszug aus der Jahresrechnung pro 1930 zugestellt worden. Der Originalrechnungsabschluss war durch 14 Tage und zwar vom 2. bis 16.Mai 1931 im Stadtrechnungsamt zur öffentlichen Einsicht aufgelegen, Erinnerungen dagegen wurden nicht erhoben. Die stichprobenweise, ziffernmässige Ueberprüfung der Hauptbücher und sonstigen, mit der Gebarung in Zusammenhang stehenden Belege etz., wurde am 5. Juni l.J. durch die gemeinderätlichen Kassenkommissäre, Stadtrat Karl Dedic und Stadtrat Ferdinand Knabl vorgenommen. Der Referent verliest das aufgenommene Protokoll hierüber. Noch eines möchte ich einleitend erwähnen: Es ist vermutlich das letztemal, dass Sie den Rechnungs-

abschluss in dieser Form vorgelegt erhalten. Sie wissen, dass wir ab 1. Jänner 1931 ein neues Haushaltsschema eingeführt haben. Der Abschluss pro 1931 wird daher bereits in dieser Form erfolgen. Um aber die separate Drucklegung des Abschlusses zu ersparen, wird wahrscheinlich der Voranschlag pro 1933 und der Abschluss pro 1931 in einem Exemplar im Herbst 1932 vorgelegt werden. Selbstredend werde ich als Finanzreferent in diesem Fall sogleich nach Fertigstellung des Originalrechnungsabschlusses 1931 die Hauptziffern auszugsweise zur Kenntnis bringen. Nun zum Rechnungsabschluss selbst: Da die wirksamen Einnahmen 1930 S 2,925.288.43 und die wirksamen Ausgaben 1930 S 3,455.898.03 betragen, ergibt sich mit Ende 1930 ein Gebarungsabgang von S 530.609.59 Der im ursprünglichen Voranschlag mit S 276.400.- vorgesehene Abgang hat sich im Laufe des Jahres um S 254.209.59 erhöht; er konnte durch Kreditoperationen (Verwendung der anfänglichen Bar Bestände, Konto-Korrentkredite. Verkauf von Wertpapieren, Verwendung eines Teiles des Krankenhauskaufschillings etz.) nur zum Teil gedeckt werden. Der ungedeckte Rest des Abganges drückt sich in Form nicht gezahlter Rechnungsschulden am 31. Dezember 1930 aus, die S 312.115.61 betragen haben. In der Sitzung vom 20. Dezember 1930 hat der Gemeinderat unter eingehender Begründung Nachtragskredite im Ausmasse von S 1,016.300 beschlossen. Nachdem bei einzelnen Verwaltungszweigen weitere Ueberschreitungen im Gesamtbetrage von S 90.406.98 vorgekommen sind, will ich bei den Ausgaben die einzelnen Verwaltungsrubriken noch einmal genauer besprechen.

I. Gemeindevermögen. Voranschlagsziffer für Zinsen- u. Schuldendienst S 343.500.- Erfolg 1930 S 1.014.688.12 Ueberschreitung S 671.188.12 Durch Nachtragskredite sind gedeckt S 665.000.- Die Gesamtüberschreitung ist begründet durch: 1. Verwendung des grössten Teiles des Kaufschillings für das Krankenhaus zu Darlehensrückzahlungen. Zur Gänze wurden rückgezahlt 3 kleine Darlehen und der KontoKorrentkredit für das Krankenhaus bei der Sparkasse; ferner die Darlehen bei der Reformbau-Gesellschaft in Wien, sowie die Schulden an das Land Oberösterreich aus dem Titel "Rückständige Landesfondsanteile an Lohnabgabe". Auch wurde ein Betrag von S 200.000.- über die normale Rückzahlungsrate am Sammelkredit bei der o.ö. Landeshypothekenanstalt in Linz abgestattet. 2. Verwendung von Kaufschillingen für an Private verkaufte Baugründe zur Kapitalsabstattung auf dem Sammelkredit bei der o.ö. Landeshypothekenanstalt in Linz. Der Prozentsatz des Zinsen- und Schuldenabstattungsdienstes 1930 ist wegen der Verwendung obiger Kaufschillinge naturgemäss ein sehr hoher: Er beträgt 29 ½ % der wirksamen Gesamtausgaben. II. Gebäude- und Grundbesitz. Voranschlagsziffer 1930 S 54.784.- Erfolg 1930 S 78.895.53 Ueberschreitung S 24.111.53 Durch Nachtragskredite sind gedeckt S 20.000.- Die Gesamtüberschreitung dieser Verwaltungsrubrik ist begründet: Bei "Gebäudeerhaltung Adaptierung u. Einrichtung" (+16.093.31) durch die notwendig gewordene Dachstuhlreparatur im Schloss Engelsegg per ca. S 7.000.- und durch ebenfalls unaufschiebbar gewordene Gebäudereparaturen und Ofensetzungen bei verschiedenen Wohn- und Amtsgebäuden. Durch erhöhten Mietzins werden Teile dieser

Mehrausgaben allerdings wieder hereingebracht. Bei "Steuern, Umlagen, Abgaben etz." (+1.297.02) infolge Erhöhung der Zinsgroschensteuer und nachträglicher Vorschreibung verschiedener steuerämtlicher Gebühren und Verträge etz. Bei Versicherungen (+ 1.107.90) infolge Neuanfallens von Prämien bei der "Donau" und Tragung von Prämien für verpachtet gewesene Objekte wegen Auflösung des Pachtvertrages. Bei „Gebäude- und Grundankauf" (+5.000.-) infolge Ankaufes eines Schweinestalles beim Versorgungsheim I anlässlich des Krankenhausverkaufes. III. Marktwesen, Gefälle u. nutzbare Rechte. Voranschlagsziffer S 6.797.86 Erfolg 1930 S 8.368.34 Ueberschreitung S 1.570.48 Durch Nachtragskredite sind gedeckt S 1.300.- Die Ueberschreitungen sind begründet infolge Anschaffung neuer Schragen für den Wochenmarkt und durch nachträgliche Vorschreibung der Rentensteuer für den Jagdpachtschilling pro 1926-1929. IV. Gemeindeverwaltung. Voranschlagsziffer S 733.778.33 Erfolg S 613.173.33 Netto-Minderverbrauch S 110.605Das Mindererfordernis bei „Gehälter der städtischen Angestellten" ist auf die Verbundlichung der Polizeb (1.VII.1930), bei „Arbeitsamt" auf die direkte Bestreitung des Sacherfordernisses seit 1.1.1930 durch die Industrielle Bezirkskommission zurückzuführen. Durch dieses Mindererfordernis sind sämtliche, innerhalb dieses Verwaltungszweiges vorgekommenen Ueberschreitungen ausgeglichen. Ich nenne nur die wichtigsten: Die Ueberschreitung bei „Ruhe- und Versorgungsgenüsse“ (+7.014.70 ) ist begründet durch Pensionierungen zweier nicht übernommener Beamten anlässlich der Verbundlichung der Polizei.

Begründung sonstiger Ueberschreitungen: "Sozialversicherungsbeiträge u. städt. Krankenfürsorge" (+9.095.25). Wegen Erhöhung der Versicherungsbeiträge für Vertragsangestellte und erhöhter Inanspruchnahme der städt. Krankenfürsorge. „Gebühren für besondere Dienstleistungen" (+3.519.08) wegen Mehrdienstleistung von Beamten des Rechnungsamtes anlässlich grosser statistischer Arbeiten für den Städtebund und Zahlungen von aussertourlichen Remunerationen für Mehrdienstleistung an mehrere Beamte (Polizeiamt, Fürsorgeamt etz.). "Reiseauslagen" (+4.802.85) wegen mit der Finanzlage der Stadtgemeinde (Verbundlichung der Polizei, Verkauf von Gemeindegut, Brückeninstandsetzung u.s. w.) zusammenhängender häufiger Interventionen bei verschiedenen Zentralstellen. "Vertreterauslagen" (+6.452.14) wegen nachträglicher Vorschreibung von Rechtsanwaltsgebühren. "Kanzleiauslagen" (+4.307.19) wegen Ankaufes zweier Schreibmaschinen und Ergänzung der aufgebrauchten Kanzleivorräte. "Post- Telegraph- u. Telephonauslagen" (+3.372.70) wegen unvermuteter Erhöhung der Freimachungsgebühr, sowie durch notwenadige interurbane Gespräche im Zusammenhang mit der Finanzlage der Gemeinde. "Reinigung" (+513.20) wegen Ueberganges von der Oelung zur Fussbodenglänzung infolge Legung von Dauerböden in verschiedenen Kanzleien. "Einrichtung" (+4.199.67) wegen notwendig gewordener Nachschaffung von Einrichtung, hauptsächlich aus den Beständen der liquidierten "Geste". "Wahlen" (+6.318.83) wegen vorzeitiger Nationalratswahlen.

V. Sicherheitswesen. Voranschlagsziffer S 288.787.48 Erfolg 1930 S 522.471.33 Ueberschreitung S 225.673.87 Durch Nachtragskredit sind S 315.000.- gedeckt. Die Ueberschreitungen sind zurückzuführen: Bei "Wachdienst" (+213.449.55) auf die anlässlich der Verbundlichung der Sicherheitswache ausbezahlten Abfertigungen, erhöhte Mietzinse für Polizeilokale in nicht gemeindeeigenen Gebäuden, sowie erhöhte Beheizungs-, Beleuchtungs- u. Adaptierungskosten. Bei "Herberge" (+6.708.01) auf unerwartet hohe Inanspruchnahme des Institutes. Bei "Feuerlöschwesen"(+774.75) auf Uebernahme von Versicherungsleistungen für eine neue Feuerleiter und Uebernahme der Verzinsung eines von der freiw. Feuerwehr bei der Sparkasse Steyr aufgenommenen Darlehens. Bei "Stadtbeleuchtung" beträgt die Ueberschreitung S 6.383.82; sie ist begründet durch erhöhten Stromverbrauch wegen Aufstellung verschiedener Lichtmasten, vor allem aber durch Zahlung der 1. Rate für die Anschaffung automatischer Schaltuhren. Diese Anschaffung war notwendig, da die Bundespolizei den von der städt. Sicherheitswache versehenen Schaltdienst nicht übernahm. VII. Oeffentliche Arbeiten. Voranschlagsziffer S 220.782.95 Erfolg 1930 S 306.401.10 Ueberschreitung S 85.618.15 Durch Nachtragskredit sind gedeckt S 32.000.- Nicht in's Gewicht fallende Ersparungen bei Auto- und Pferdefuhrwerk stehen Ueberschreitungen fast bei allen übrigen Zweigen dieser Verwaltungsrubrik gegenüber. Es war nicht möglich, sich im Rahmen der enorm gedrosselten Kredite zu halten.

Die "Strassenerhaltung" zwang uns, für den verkauften und unzulänglichen alten Steinbrecher einen neuen zu kaufen; die damit in Zusammenhang stehenden Löhne an neu eingestellte Arbeiter, ferner notwendige Nachschaffungen von Gerassol und Ankauf von Pechschotter bedingen die Ueberschreitung von S 19.872.14. Der Mehrverbrauch bei "Strassenreinigung" (+3.197.05) ist auf die Neubereifung des Sprengautos und Mehrverbrauch von Benzin infolge intensiveren Bespritzung der Strassen zurückzuführen. Die Verbundlichung der Durchzugsstrasse hatte die Reparatur der Neutorbrücke zur Bedingung. Die Ueberschreitung bei "Brückenerhaltung" (S 30.982.88) ist vor allem auf diesen Umstand zurückzuführen. Wegen Parzellierungen verschiedener Baugründe und Vermessung der Ennsleitenstiege ist die Rubrik "Allgemeiner Vermessungsdienst" um S 1.314.38 höher beansprucht worden. Der Ankauf eines grossen Postens Benzin, Lagermaterials, Maschinen aus den Beständen der liquidierten Betriebe "Geste" verursachte den Mehrverbrauch bei "Städtischer Bauhof" (+15.147.16). VII. Gesundheitswesen. Voranschlagsziffer S 34.090.57 Erfolg 1930 S 34.103.47 Ueberschreitung S 12.90 VIII. Kultus, Unterricht, Kunst u. Wissenschaft. Voranschlagsziffer S 140.162.74 Erfolg 1930 S 185.435.61 Ueberschreitung S 45.278.87 Durch Nachtragskredit sind gedeckt S 33.000.- Dass mit den bewilligten Voranschlagskosten das Auslangen kaum gefunden würde, war dem Gemeinderate ja seinerzeit schon klar. Eine Bundessubvention ermöglichte dann zwar verschiedene Mehrausgaben bei Gebäudeerhaltung und Einrichtung der Realschule. Die sonstigen Ueberschreitungen waren unvermeidlich. Lehrbehelfe,

Armenlehrmittel etz. mussten in dem äusserstnotwendigen Ausmass nachgeschafft und die Schuleinrichtung repariert und ergänzt werden. Der Handelsschulbetrieb erforderte den Ankauf mehrerer Schreibmaschinen zum Ausbau der Abendkurse und schliesslich waren wegen Wiederaufhebung der vom Bundespolizeikommissariate verhängten Theatersperre Elektroinstallationen im Stadttheater unvermeidlich. IX. Finanzwesen. Voranschlagsziffer S 286.947.97 Erfolg 1930 S 247.026,09 Minderausgabe S 39.921.88 Innerhalb dieser Verwaltungsrubrik ist die Post "Kosten der Umlagen u. Abgabeneinhebung" um S 525.83 überschritten, was auf die Erhöhung des Pauschales an den Hausbesitzerverein zurückzuführen ist. Der Nettominderverbrauch dieser Rubrik ergibt sich zwangsläufig aus dem Mindereingang an Lohnabgabe, sodass der hier in Ausgabe aufscheinende Landesfondsanteil entsprechend geringer ist. X. Fürsorgewesen: Voranschlagsziffer S 385.784.45 Erfolg 1930 S 380.802.37 Minderausgaben S 4.982.08 Bei diesen Minderausgaben handelt es sich aber nicht etwa um Ersparungen im strengen Sinne des Wortes. Im Voranschlag war ein Reservebetrag für Unterstützungen für aus der Kleinrentnerfürsorge ausscheidende sogenannte Quasi-Kleinrentner eingesetzt. Dieser Betrag ist nur zu einem geringen Teil, der 25 % GemeindeBeitrag zum staatlichen Kleinrentnerfonds jedoch gar nicht beansprucht worden. Bei Ausschaltung genannter Beträge von zusammen S 28.111.44 macht die effektive Ueberschreitung des Kapitels Fürsorgewesen" S 23.129.36 aus. Ueberschritten sind die präliminierten Kredite bei folgenden Zweigen:

„Erziehungsbeiträge" mehr um S 9.307.28 "Momentane Aushilfen" mehr um S 315.38 "Produktive Arbeitslosenfürsorge mehr um S 4.691.63 „Kranken- und Irrenverpflegskosten" mehr um S 14.716.90 „Arbeitslosenfürsorge" S 533.96 "Städtisches Jugendamt" S 558.52 Eine Begründung erübrigt sich bei der Not, die in Steyr herrscht. Die Arbeit, die das Fürsorgeamt zu bewältigen hatte war eine enorme und ist erstaunlich, dass die vorgekommenen Ueberschreitungen nicht noch grösser sind. Die Verwaltung der Fürsorgeanstalten hat sogar nicht unwesentliche Ersparungen erzielt. XI. Verschiedenes. Voranschlagsziffer S 11.273.67 Erfolg 1930 S 64.532.73 Ueberschreitung S 53.259.06 Durch Nachtragskredit sind gedeckt: S 50.000.- Die Ueberschreitungen sind auf Auslagen für die 1930 durchgeführte Aemterreorganisation, sowie auf Abfertigungen und Leistungen für die mit 31. Juli 1930 liquidierten „Geste"-Betriebe zurückzuführen. Das Kapitel XII. Kreditoperationen hat auf die wirksame Gebarung keinen Einfluss, es erübrigen sich daher irgendwelche Erläuterungen: Das wäre das Wichtigste, was zu den Ausgaben des Jahres 1930 zu sagen war. Die wirksamen Einnahmen haben 1930 S 2,925.288.43 betragen. Einen Vergleich mit dem Voranschlag will ich nur beim wichtigsten Kapitel ziehen, nämlich beim Finanzwesen.

Es wurden erzielt: Bei „Lohnabgabe“ S 632.017.79 also weniger um S 117.982.21 Bei "Stromabgabe" S 15.938.11 also weniger um S 61.89 Bei "Zuschlag zu den Immobiliargebühren" S 9.155.73 also weniger um S 10.844.27 Bei "Abgabe auf den Ver- brauch von Gas S 10.191.- also weniger um S 9.809.- Bei "Lustbarkeitssteuer" S 37.157.03 also weniger um S 2.842.77 Bei „Hundesteuer“ S 13.722.60 also weniger um S 2.377.40 Bei "Mahn- u.Exekutionsgeb. S 721.24 also weniger um S 1.248.76 Bei „Strafverfahrenskosten" S 77.80 also weniger um S 172.20 Bei "Landeszweckabgabe" S 38.508.- also weniger um S 11.492.- Bei „Gemeindeanteil an der Jagdabgabe" also weniger um S 150.- Insgesamt sind genannte Abgaben und Gebühren um S 156,880.70 vermindert eingegangen, was, vor allem bei der Lohnabgabe, in der Arbeitskrise der Steyr-Werke und der allgemeinen wirtschaftlichen Depression seine Hauptursachen hat. Bei einzelnen anderen Abgaben,, so vor, allem bei Realsteuern, bei der Wohnabgabe, Kraftwagenabgabe, den Abgabenertragsanteilen vom Bund, der Verwaltungsabgabe etz. sind gegenüber dem Voranschlag Mehrerträge von zusammen S 59.269.73 zu verzeichnen. Im Hinblick auf die Mindereingänge von S 156.880.70 betragen die Nettomindereinnahmen beim Finanzwesen immer noch S 97.610.97 Dies wären die wichtigsten Daten aus dem Rechnungsabschluss. Hat das vorangegangene Jahr 1929 mit einem, wenn auch bescheidenen Ueberschuss abgeschlossen, so ist das Ergebnis 1930 ein Gebarungsabgang von fast S 531.000.-, obwohl das Merkmal des abgelaufenen Verwaltungsjahres die teilweise Verwirklichung des Sanierungsprogrammes ist: Das Krankenhaus wurde verkauft. Die Sicherheitswache wurde verbundlicht. Die Durchzugstrasse vom Bund übernommen.

Keine dieser drei verwirklichten Sanierungsmassnahmen hat für das Jahr 1930 eine namhafte Entlastung in der Gebarung bringen können. Denn der Erlös für das Krankenhaus wurde fast zur Gänze zu Schuldenabstattungen werwendet; im Zinsendienst ist allerdings eine kleine Erleichterung eingetreten. Auch die Wacheverbundlichung, die uns eine jährliche Ersparnis von etwa S 225.000.- bringt, hat sich 1930 wegen der notwendigen Abfertigungen noch nicht auswirken können. Und schliesslich: Die Verbundlichung der Durchzugsstrasse hatte die Instandsetzung zweier Brücken zur Bedingung, von denen die Neutorbrücke noch im vergangenen Jahr zum grössten Teil instand gesetzt wurde. Der auf den Bund entfallende 58 %ige Rückersatz wird bestenfalls im August 1931 einlangen. Und so haben wir das Jahr 1930 recht ungünstig beschliessen müssen, denn wir nahmen mit ins neue Jahr eine Rechnungsschuld an die Geschäftswelt von über S 300.000.-. Dabei wissen Sie, sehr geehrte Damen und Herren, aus den Verhandlungen über den Voranschlag für dieses Jahr, dass mit einem grossen Abgang auch ohne die Belastung durch das Vorjahr zu rechnen war. Soweit wir die Gebarung dieses Jahres schon überblicken können, erweist es sich, dass viele Einnahmen bereits hinter den an sich schon geringeren Vorjahrsziffern zurückbleiben, vor allem die Einnahmen aus dem Finanzausgleich, auf den wir als Industriegemeinde die letzte Hoffnung setzen konnten. Sind doch während der ersten fünf Monate 1931 an Abgabenertragsanteilen um S 27.892.- weniger eingegangen als in der gleichen Zeitperiode des Vorjahres, obwohl wir nach Berechnungen des Städtebundes mit einem Plus von S 40.000.- hätten rechnen können. Eine geradezu trostlose Situation, auf die aufmerksam zu machen ich mich anlässlich der Beratung dieses Rechnungsabschlusses verpflichtet fühle. Ich stelle namens des Finanz- und Rechtsausschusses folgen Antrag:

Antrag: 1.) Die vom Finanzreferenten gelegentlich der Präliminarberatung pro 1930 angekündigten und im Rechnungsabschluss durchgeführten Kreditübertragungen werden analog dem Vorjahr genehmigt. 2.) Es ergeben sich sonach, unbeschadet der mit Gemeinderatsbeschluss vom 20.XII.1930, Zl. 6040/30 genehmigten Nachtragskredite, folgende Ueberschreitungen bei einzelnen Verwaltungsrubriken, für die Bewilligungen von Nachtragskrediten durch den Gemeinderat nicht vorliegen. Rubrik I Gemeindevermögen S 6.188.12 Rubrik II Gebäude- und Grundbesitz S 4.111.53 Rubrik III Marktwesen, Gefälle etz. S 270.48 Rubrik V Sicherheitswesen S 10.673.87 Rubrik VI Oeffentliche Arbeiten S 53.618.15 Rubrik VII Gesundheitswesen S 12.90 Rubrik VIII Kultus, Unterricht etz. S 12.272.87 Rubrik XI Verschiedenes S 3.259.06 Summe der Ueberschreitungen S 90.406.98 Diese Ueberschreitungen sind auf Minderausgaben zu verweisen. 3.) Die vom Stadtrechnungsamte vorgelegten und von der gemeinderätlichen Ueberprüfungskommission am 5.6.1931 überprüften Rechnungsabschlüsse über die Einnahmen und Ausgaben der Stadtkasse Steyr für das Jahr 1930 werden genehmigt und das Vermögensinventar der Stadtkasse, sowie der von ihr verwalteten Fonds und Stiftungen zur Kenntnis genommen. Anschliessend daran bringt Bürgermeister Sichlrader noch einen Bericht über die Gebarung der Gemeindefinanzen im ersten Halbjahr 1931. Im Voranschlag 1931 sind die Ausgaben mit insgesamt S 2,354.100.- eingesetzt. Es entfallen daher auf das erste Halb-

jahr 1931 an Ausgaben S 1,177.050.- An Einnahmen wurden im Voranschlag 1931 mit S 1,966.800.- gerechnet, so dass auf das erste Halbjahr 1931 an Einnahmen 983.400.- entfallen. Somit würde der präliminierte Abgang für das erste Halbjahr S 193.650.- betragen. Der Betrag von S 72.300.- wegen Verbundlichung der Polizei wurde unberücksichtigt gelassen.. Tatsächlich sind mit 30.Juni 1931 laut Kreditverbrauchsevidenz zu verzeichnen: Ausgaben (abzüglich der Kreditbewegung) S 1,383.913.24 Im Bauamt zur Ueberprüfung erliegende, in der Kreditverbrauchsevidenz nicht enthaltene Rechnungen ca. 2.700.- S 1,386.613.34 Die Einnahmen des ersten Halbjahres 1931 (abzüglich der Kreditbewegung u. Rückersätze) betrugen S 1,342.913.11 Der Abgang des ersten Halbjahres 1931 beträgt somit rund S 43.700.- Bei den Einnahmen ist auch der erste Teil des Kaufschillings für die Fachschule per S 150.000.- enthalten, der pro 1931 nicht präliminiert wurde, da der Eingang noch im Jahre 1930 zu erwarten war. Von diesem Betrag wurden zur ausserordentlichen Darlehensabstattung an die o.ö. Landeshypothekenstalt verwendet S 30.000.- sodass ein Betrag von S 120.000.- für die laufende Gebarung Verwendung fand.

Zwecks Errechnung des voraussichtlichen Abganges für das zweite Halbjahr 1931 ist zu berücksichtigen: Einnahmen: Die Einnahmen im ersten Halbjahr betrugen S 1,342.913.- abzüglich im 2.Halbj. entfallende Einnahmen S 428.500.- S 914.413.- zuzüglich im 2. Halbjahr zu erwartende Einnahmen S 53.000.- vermutliche Einnahmen im 2.Halbjahr S 967.413.- Ausgaben: Die Ausgaben im 1.Halbjahr betrugen S 1,386,613.- abzüglich im 1.Halbjahr getätigte Ausgaben S 237.198.- S 1,149.415.- zuzüglich im 2. Halbjahr zu tätigende Ausgaben 110.000.- vermutliche Ausgaben im 2.Halbjahr S 1,259.415.- Errechnung des Abganges pro 1931. Ausgaben: 1. Halbjahr S 1,386.613,- 2. Halbjahr S 1,259.415.- S 2,646.028.- Einnahmen: 1. Halbjahr S 1,342.913.- 2. Halbjahr S 967.413.- S 2,310.326.- Abgang: S 335.702.- Unter Berücksichtigung des für die laufende Gebarung verwendeten Teiles der 1. Kaufschillingsrate für die Fachschule per S 120.000.- würde der Abgang pro 1931 tatsächlich S 455.700.- betragen. Da die Fürsorgeausgaben bereits im ersten Halbjahr den Voranschlag um ca. S 29.700.- überschritten haben, wird sich dieser Betrag jedenfalls im II.Halbjahr infolge der Wirtschaftskrise bedeutend erhöhen. Die Einnahmen und Abgaben (Fürsorgeabgabe, Mietzinsabgabe, Lustbarkeitsabgabe etz.) dürften vermutlich im II. Halbjahr hinter den Einnahmen des I. Halbjahres bedeutend zurückbleiben, doch lassen sich hier Ziffern im Vorhinein auch nicht annähernd

feststellen, da diese Eingänge hauptsächlich von der künftigen Entwicklung der Steyr-Werke abhängen. Jedenfalls wird sich daher obiger errechneter Abgang wesentlich erhöhen. Einschaltend gibt der Referent Vergleichsziffern mit den Fürsorgeausgaben des I. Halbjahres 1929 - 1930 - 1931 bekannt, die fast durchwegs ein enormes Ansteigen des Erfordernisses ersehen lassen. Wenn die Fürsorgeausgaben trotz der stetig wachsenden Verelendung der Bevölkerung durch die lange Krise noch nicht übermässig gegenüber den Vorjahren gestiegen sind, so ist dies darauf zurückzuführen, dass bei der Bewilligung von Unterstützungen äusserst rigoros vorgegangen wird und die Höhe derselben stets gedrosselt wird. Die Stadtgemeinde Steyr zahlt heute momentane Aushilfen in der Höhe von 1 - 2 S und regelmässige Erhaltungsbeiträge von monatlich S 4.- bis S 5.-. Auf die Dauer wird dieser in Oesterreich einzig dastehende Unterstützungsbetrag jedoch nicht so niedrig bemessen werden können. Für die allernotwandigsten Adaptierungs- und Einrichtungsarbeiten für die Schulen während der Ferien wurden am 1. Juli 1931 S 82.000.- angefordert. Da im Voranschlag 1931 nur S 12.000.- vorgesehen wurden, können auch diese im Interesse der Aufrechterhaltung des Schulbetriebes so dringenden Arbeiten nicht zur Gänze durchgeführt werden. Abgabenerträgnis 1929 - 1931. Die Auswirkung der Wirtschaftskrise auf die Einnahmen der Gemeinde zeigt sich deutlich bei einem Vergleich der Erträgnisse aus Abgaben. Nachstehende Aufstellung weist die tatsächlichen Einnahmen der Jahre 1929-1930 sowie die vermutlichen Eingänge im Jahre 1931 bei gleichbleibender Konjunktur aus.

1929 1930 1931 Realabgaben S 340.868.- S 337.199.- S 316.440.- Wohnabgabe S 4.200.- S 7.759.- S 3.138.- Lohnabgabe S 753.701.- S 474.791.- S 451.212.- Stromabgabe S 11.970.- S 15.938.- S 16.340.- Konzessionsabgabe S 11.237.- S 12.973.- S 12.973.- Kraftwagenabgabe S 35.202.- S 38.475.- S 13.314.- Pferdesteuer S 4.998.- S 4.195.- S 3.021.- Ankündigungsabgabe S 13.043.- S 12.077.- S 17.384.- Gasabgabe S 20.708.- S 10.191.- S 10.056.- Hockersteuer S 5.671.- S 5.253.- S 675.- Lustbarkeitssteuer S 39.602.- S 37.157.- S 33.770.- Verbrauchsabgabe S 4.797.- S 4.812.- S 4.678.- Hundesteuer S 16.092.- S 13.723.- S 12.273.- Jagdabgabe S 24.- S 150.- S 90.- Abgabenertragsanteile S 579.571.- S 498.621.- S 526.856.- S 1,841.684.- S 1,471.314.- S 1,422.220. Hiezu wird bemerkt: Die Erhöhung der Ankündigungsabgabe im Jahre 1931 ist begründet durch das Stattfinden von 2 Wahlen in diesem Jahre (Landtags- und Gemeinderatswahlen im Frühjahr und Wahl des Bundespräsidenten im Herbst). Die Erhöhung der Ertragsanteile an Bundesabgaben im Jahre 1931 beträgt voraussichtlich S 30.235.-, sie wurde jedoch bei lnkrafttreten der letzten Abgabenteilung mit S 94.000.- errechnet. Zu dieser Differenz von rund S 64.000.- kommt noch der Entfall der Kraftwagenabgabe von rund S 20.000.- sodass die Stadtgemeinde Steyr um S 84.000.- weniger Einnahmen hat, als bei der Abgabenteilung berechtigt angenommen werden konnte. Dagegen ist an neuer Belastung für die Stadtgemeinde erwachsen der jährliche Beitrag zur Kleinrentnerfürsorge per S 20.000.- der für die Jahre 1930 und 1931 von den Bundesabgabenertragsanteilen

mit zusammen S 40.000.- im heurigen Jahre in Abzug gebracht wird. Die fünf grössten Betriebe Steyrs hatten im Juni des entsprechenden Jahres folgende lohnabgabepflichtige Belegschaft: 1929 1930 1931 6510 2879 2467 Schuldenstand pro 30. Juni 1931. 1.) Darlehensschulden S 2,717.286.- 2.) Schwebende Geschäftsschulden (einschliess- lich Land Oberösterreich u. Bundeskanzleramt) S 398.148.- 3.) Vorübergehende Kro.Krt. Schulden bei Banken etz: S 103.797.- zusammen S 3,218.329.- Die infolge Verbundlichung der Polizei zu zahlende Kopfquote sowie der Mietzins für die Polizeikaserne betragen jährlich ca. S 72.900.-. Um diesen Betrag erhöhen sich die Passiven der Gemeinde automatisch jedes Jahr, ohne dass hiefür irgend welche kommunale Tätigkeit entfaltet werden könnte. Trotz rigoroser Drosselung jeder Ausgabe hat sich der Schuldenstand der Stadtgemeinde gegenüber Jahresbeginn um ca. 250.000.- erhöht, obwohl aus ausserordentlichen Einnahmen Dar lehensrückzahlungen geleistet wurden. Dieses Anwachsen des Schuldenstandes hat nebst der Verbundlichung der Polizei die Auswirkung des präliminierten Abganges zur Ursache und drückt sich in der Erhöhung der Geschäftsschulden und der Aufnahme vorübergehender Kto.Krt. Kredite bei Banken zwecks Leistung gesetzlicher Zahlungen (Gehälter etz.) aus. Aus dieser Halbjahresbilanz geht also hervor: Rückgang fast aller Abgaben, wollständige Wirkungslosigkeit des Finanzausgleiches. Da unser Abgang ein reiner Geldabgang ist, so ist die weitere Folge die nunmehr mit aller Vehemenz eintretende Illiquidität. Wir sind kaum mehr imstande, die Gehälter auszuzahlen, die Rechnungen häufen sich, es fehlt einfach das Geld. Das ist ein Zustand, der natürlich auf die Dauer unhaltbar ist. Ich weiss wahrhaftig nicht, wie oft ich in diesem Saale schon auf diese

Gefahren aufmerksam gemacht habe. Ich habe im April dieses Jahres einen eingehenden Bericht an die Landes- und Bundesregierung abgeschickt, indem alle unsere Forderungen und Vorschläge niedergelegt wurden. Auf diesen Bericht habe ich von der Landesregierung die Antwort erhalten, dass sie die Eingabe an die zuständigen Ministerien weitergegeben habe. Nun steht das Finanzministerium auf den Standpunkt, dass die von uns in der Finanzverfassung begründete Sonderbehandlung bei der gegenwärtigen budgetären Lage des Bundes in absehbarer Zeit unter keinen Umständen in Betracht komme. Was den Ausgleichsfonds anlangt, so hat die Landesregierung eröffnet, dass diese Frage der Beschlussfassung des Landtages überlassen bleibe. Wir sind also innerhalb des letzten Jahres um keinen Schritt weiter gekommen. Das Finanzministerium scheint sich über den Ernst der Lage in dieser Stadt keineswegs im Klaren zu sein. Ich habe in der letzten Zeit beim Bundeskanzler die furchtbare Lage von Steyr geschildert, ohne Erfolg. Ich weiss nur, dass der gegenwärtige Zeitpunkt sicherlich sehr ungünstig ist, für unsere Stadt ausserordentliche Massnahmen zu erwirken. Ich sage mir aber, dass der Staat, der sich verpflichtet fühlt, den Zusammenbruch von privatkapitalistischen Unternehmungen durch Leistung von unerhörten Summen zu verhindern, einer Gemeinde, die mitten in einem solchen Zusammenbruch ist, mindestens ebenso helfend beispringen muss, noch dazu, wo diese Gemeinde nicht etwa aus Leichtsinn in diese Lage versetzt wurde, sondern durch die furchtbare Dauerarbeitslosigkeit in einem noch nie dagewesenen Umfang. Wir dürfen uns auch nicht verhehlen, dass der kommende Winter an unser Armenbudget ganz besondere Anforderungen stellen wird, wir müssen uns aber darüber klar sein, dass man die verzwifelten Menschen in dieser Stadt nicht mehr lange mit Worten trösten kann, wir müssen also in irgend einer Form den Kampf gegen den Hunger aufnehmen.

Wir wollen daher nur mehr einige Zeit vorübergehen lassen, damit wir vielleicht ein klareres Bild über die Wirtschaftslage im Allgemeinen haben, mit Beginn der nächsten Session, also anfangs September werden wir neuerlich an die Regierungsstellen herantreten müssen, um dann in ultimativer Form unsere Forderungen zu stellen. Während der Gemeinderatsferien werden noch ganz konkrete Vorschläge ausgearbeitet werden, die wir im Herbst der Landes- und Bundesregierung überreichen wollen. In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, dass wir mit unseren Angestellten in Verhandlung stehen, um die wenigen Begünstigungen, die sie in besoldungsrechtlicher Hinsicht gegenüber den Bundesangestellten noch haben, abzubaue Wir sehen also, dass eine ungeheure Verantwortung auf uns lastet: Die kommunale Technik ruht seit Jahren, die öffentlichen Gebäude und Strassen gehen dem Verfall entgegen, die Liquidität unserer Mittel ist aufs äusserste gefährdet, die bitterste Not pocht an die Türen der meisten Menschen dieser Stadt, die uns schliesslich und endlich für etwaige Folgen verantwortlich machen werden, wenn sie nicht endlich einmal Taten sehen. Bitte diesen Bericht zur Kenntnis nehmen zu wollen. (Bravorufe). Bürgermeister-Stellvertreter Azwanger stellt den Antrag des Referenten zur Debatte. Bürgermeister-Stellvertreter Marktschläger möchte nicht auf die Ziffern des Rechnungsabschlusses eingehen und meint, dass von einer kommunalen Tätigkeit nicht gesprochen werden kann, die Not der Stadt Steyr ist eben die Not der Gemeinde, diese ist nicht in der Lage, neue Einnahmen zu schaffen, andere Möglichkeit hat die Gemeinde kaum, es erübrigt sich nichts, als dass alle Faktoren bei Bund und Land einwirken, dass die Regierung helfend eingreife, wenn dies aber nicht geschieht, steht die Stadt Steyr unmittelbar vor dem Zusammenbruche. Seine Fraktion werde für den Rechnungsabschluss stimmen, er wünscht bloss Ersparungen im

Verwaltungsdienste, die sonach für andere Zwecke zur Verfügung stehen sollen, wobei er auf die Schulschande in Steyr besonders verweist. Stadtrat Leopold Schlossgangl greift einzelne Posten heraus, die Ueberschreitungen aufweisen und glaubt, dass diese nicht notwendig seien. Gemeinderat Josef Kolaritsch beanstandet die Ausgabe von 440.000 S für die Polizei und eine Post von 600 S für Aufwendungen bei Kirchengebäuden. Er verlangt Bundes- oder Landeshilfe um der grossen Not in Steyr zu steuern. Insbesondere als Vorsorge für den Winter müsse sich die Gemeinde kümmern, denn die Arbeitslosen können nicht zum Land oder Bund gehen. G.R. Franz Tribrunner erklärt namens der sozialdemokratischen. Fraktion für den Antrag zu stimmen. G.R. Willibald Grossauer erklärt namens der kommunistischen Fraktion gegen den Antrag betr. Rechnungsabschluss zu stimmen. Bürgermeister Sichlrader gibt im Schlussworte über die Anfragen Schlossgangl und Kolaritsch detaillierte Aufklärungen und bittet um Annahme des vorgelegten Antrages. Bei der hierauf erfolgenden Abstimmung ergibt sich die Annahme des Antrages mit allen gegen 2 Stimmen (Kommunisten). Damit ist die öffentliche Sitzung am Ende und BürgermeisterStellv. Azwanger dankt den Mitgliedern des Gemeinderates und der Presse für die umfassenden Arbeiten und wünscht allen frohe Ferien. Der Vorsitzende: Der Schriftführer: Die Ueberprüfer;,

Niederschrift über die vertrauliche Sitzung des Gemeinderates der Stadt Steyr am 18. Juli 1931. Referent Bürgermeister -Stellv. Anton Azwanger: Punkt 1.) Fürsorgerekurs. Bürgermeister Sichlrader erteilt dem Referenten das Wort und dieser beantragt: Zl. 3865/31 Schaffelner Kurt, Erziehungsbeitrag. Dem Rekurse wird stattgegeben und ein monatlicher Erziehungsbeitrag von S 10.- ab 1. Juni 1931 bis 30. Juni 1932 bewilligt. Ohne Debatte angenommen. Schluss der Sitzung: 18 Uhr 30. Der Vorsitzende: Die Ueberprüfer: Der Schriftführer:

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