Gemeinderatsprotokoll vom 21. Dezember 1929

Niederschrift über die 15. ordentliche Sitzung des Gemeinderates der autonomen Stadt Steyr am Samstag, den 21. Dezember 1929. Tagesordnung. 1.) Bericht des Bürgermeisters. Stadtrat. Referent Bürgermeister Sichlrader: 2.) Verkauf des allg. öffentl.Krankenhauses und des St. AnnaSpitales in Steyr an das Land Oberösterreich. Finanz- und Rechtsausschuss. Referent Bürgermeister Sichlrader: 3.) Rechnungsabschluss pro 1928. 4.) Voranschlag pro 1930. Anwesende: Vorsitzender Bürgermeister Franz Sichlrader die Bürgermeister-Stellvertreter Julius Russmann und Dr. Hubert Messenböck, die Stadträte: Dedic Karl, Dressl August, Roithner Hans, Klement Karl, Marktschläger Rudolf, Schlossgangl Leopold und Dr. Rudolf Schneeweiss, die Gemeinderäte: Baumgartner Hans Leitzinger Karl Futterer Franz Voglsam Josef Fridrich Leopold Mitschko Martin Gaiblinger Leopold Patek Irene Hambrusch Peter Dr. Peyrer-Angermann

Huber Franz Pfaff Johann Hamberger Josef Schrangl Franz Kirchberger Josef Schwandtner Anton Chalupka Elise Schwitzer Erna Knabl Ferdinand Steiner Florian Knogler Richard Witzany Hans Vom Magistrate: Magistrats-Direktor Dr. Ferdinand Häuslmayr als Schriftführerin: Kanzleioffizialin Hermine Linhart, Bürgermeister Sichlrader eröffnet um 3 Uhr 10 Minuten die Sitzung, begrüsst die Erschienenen, konstatiert die Beschlussfähigkeit und teilt mit, dass die Gemeinderäte Franz Tribrunner, Josef Weiguny und Josef Arzt entschuldig sind. Als Niederschriftsprüfer werden die Gemeinderäte Hans Baumgartner und Hans Witzany berufen. Punkt 1.) Bericht des Bürgermeisters entfällt. Bürgermeister-Stellv. Russmann übernimmt den Vorsitz. Stadtrat. Referent Bürgermeister Franz Sichlrader. Punkt 2. Verkauf des allg. öffentl. Krankenhauses und des St. Anna-Spitales in Steyr an das Land Oberösterreich. Zl. 14474/29 Der Referent führt im Wesentlichen folgendes aus: Unter den Sanierungsmassnahmen, die der Gemeinderat am 29. Dezember 1928 beschlossen hatte, befand sich auch der Antrag auf Verkauf des öffentlichen Krankenhauses an das Land Oberösterreich. Es ist dies der einzige Punkt des Sanierungsprogrammes von grösserer Bedeutung, der nunmehr durchgeführt werden kann, während alle grösseren Vorschläge, soweit sie in die Kompetenz des Bundes gehören, noch der Erledigung harren.

Dies ist vor allem der Initiative des Herrn Landeshauptmannes Dr. Schlegel zu danken, der, wie ich schon wiederholt in öffentlicher Sitzung betont habe, das Schicksal dieser Stadt mit aufrichtigem Interesse verfolgt; ich wünschte nur, dass auch die anderen öffentlichen Faktoren das gleiche Verständnis für die Lage der Stadt aufbrächten. Immerhin aber muss ich offen gestehen, dass ich den Antrag auf Verkauf des Krankenhauses, den uns die Not aufzwingt, nicht mit Freude stellen kann, weil dieser Antrag dafür Zeugnis gibt, dass wir die Sanierung der Finanzen nicht mit den normalen Mitteln = wie Erhöhung von Steuern, weiteren Sparmassnahmen u.dgl. durchführen können, sondern dass wir zu ausserordentlichen Massnahmen zu greifen gezwungen sind. Ich halte es für unnotwendig, die besonderen Ursachen dieses Schrittes zu begründen. Ich brauche ja nur auf die allgemeine Lage der Stadt hinweisen. Es ist bekannt, dass auf Grund des Krankenanstaltengesetzes vom 15. Juli 1920 die Kosten eines öffentlichen Krankenhauses zu Lasten des Bundes und Landes gehen, dass die Gemeinde nur die Betriebsvorschüsse aufzubringen hat, die ihr nach Ueberprüfung des Rechnungsabschlusses wieder refundiert werden, ebenso ist Land und Bund verpflichtet, die Personalkosten zu tragen. In dieser Hinsicht werden uns also keine besonderen Lasten abgenommen. Nun wird aber schon seit Jahren mit einer Novellierung des Krankenanstaltengesetzes gerechnet, die natürlich nur zu Ungunsten der Gemeinde ausfallen kann. Neue Lasten aber können Wir unter den gegebenen Verhältnissen nicht mehr tragen. Dazu kommt aber noch etwas anderes und das scheint mir vom Standpunkt des öffentlichen Wohles das Wichtigste zu sein: Wenn uns auch derzeit durch die Führung des Krankenhauses keine besonderen Lasten aufgebürdet sind, en den so notwendigen Ausbau können wir unter keinen Umständen senken. Die Vorsorge für die Zukunft also, dass unser Spital en den modernen Errungenschaften auf dem Gebiete der Medizin

stets Anteil hat, lässt uns die letzten Bedenken überwinden, dieses kostbare Gemeindegut aus unserem Besitze zu geben. Ich glaube, dass ich in diesem Zusammenhange die Hoffnung aussprechen darf, dass die Landesverwaltung den Bedürfnissen der Stadt und ihrer Umgebung in wohlwollendster Weise Rechnung tragen wird. Wenn ich noch auf die Entlastung des Zinsendienstes hinweise, die uns durch Rückzahlung von Darlehen zu gute kommt, so kann ich wohl mit gutem Gewissen sagen, dass wir alle Momente in Erwägung gezogen haben, die den Verkauf rechtfertigen. Ich möchte jedoch bei diesem Anlasse ausdrücklich betonen, dass die Entlastung nicht allzu gross ist, weil wir unter den zurückzuzahlenden Schulden eine unverzinsliche Schuldpost von rund 300.000 S an das Land selbst haben. Bevor ich dem Gemeinderat die notwendigen Anträge unterbreite, möchte ich noch kurz einen historischen Rückblick halten. Das neue Krankenhaus wurde im Kriege erbaut und im Herbst 1916 seiner Bestimmung zugeführt. Das alte St.Anna Spital musste, da sich das neue Spital als zu klein erwies, weiter aufrecht erhalten bleiben. Damals krassierte in Steyr der Typhus, dem der erste Primarius des neuen Spitales, Dr. Storch zum Opfer fiel. Seit dem Jahre 1917 wird unser Spital von Primarius Dr. Oser in vorbildlichster und mustergiltigster Weise geleitet, der unterstützt durch die aufopfernde Mitarbeit des Assistenten Dr. Essen, der Sekundarärzte und der Pflegerinnen im Vereine mit der Verwaltung unter Leitung des Verwalters Andel mit dem gesamten Anstaltspersonal den Ruf des städtischen Krankenhauses in ganz hervorragendem Masse gehoben und das Vertrauen der Bevölkerung erworben hat. Dr. Oser, auf der Höhe wissenschaftlicher Leistung stehend, ist wahrhaftig dem Wahlspruch seines grossen Lehrers Eiselsberg: Saluti aegrorum treu geblieben. Es wäre eine Unterlassungssünde, wenn ich nicht auch des Sanitätsreferenten der Landesregierung, des Landesrates Hafner

gedächte, der die Ausgestaltung des Spitales stets mit grösstem Interesse verfolgt und wir wollen nur hoffen, dass Landesrat Hafner auch in Zukunft der Referent des "Landesspitales" Steyr bleibe. Ich glaube der Zustimmung aller sicher zu sein, wenn ich den genannten Faktoren in der öffentlichen Sitzung den wärmsten Dank des Gemeinderates und der gesamten Bevölkerung zum Ausdruck bringe. Wenn ich auch noch den Beamten der Landesregierung, die die Kontrolle über die Verwaltung des Krankenhauses besorgten und die immer für alle Anregungen volles Verständnis zeigten, den besten Dank ausspreche, so glaube ich niemanden vergessen zu haben, der Anspruch auf unsere Anerkennung erworben hat. Der Referent stellt folgenden Antrag: In Durchführung des Gemeinderatsbeschlusses vom 29.Dezember 1928, Zl. 23.709 werden folgende Anträge gestellt: I. Der Gemeinderat genehmige nachstehenden Kaufvertrag: 1.) Die Stadtgemeinde Steyr verkauft und übergibt an das Land Oberösterreich die Liegenschaften "Allgemeines öffentliches Krankenhaus in Steyr", C.Nr. 605 in Aichet, E.Zl.1255 Grundbuch Steyr mit Ausnahme der durch Unterteilung gebildeten Teilparzellen 726/3 und 727/2, ferner die auf den Namen des „Milden Versorgungsfonds" vorgetragene Liegenschaft E.Zl.1068, Grundbuch Steyr mit dem gesamten Inventar und Zubehör wie es liegt und steht, um den beiderseits vereinbarten Kaufpreis von 750.000 S (siebenhundertfünfzigtausend Schilling), um welchen das Land Oberösterreich die angeführten Liegenschaften kauft und in sein Eigentum übernimmt. 2.) Die Berichtigung des Kaufpreises von 750.000 Schilling wird nachstehend ausgewiesen: a) Die Stadtgemeinde Steyr schuldet dem Lande Oberösterreich an Lohnabgabe den Betrag von S 303.241.96

welcher Betrag auf den Kaufschilling hiemit verrechnet wird, b) Der Käufer ist verpflichtet, den Kaufschillingsbetrag von S 200.000.- für Rechnung der Verkäuferin an die oberösterreichische Landeshypothekenanstalt in Linz zur teilweisen Tilgung des Kontokorrentkredites Nr. 2110 sofort zu überweisen. c) Den Kaufschillingsrest von S 246.758,04 hat der Käufer nach Fertigung dieses Vertrages in Barem bezahlt, weshalb diese Zahlung per Kontraktum hiemit quittiert wird. 3.) d) Die physische Uebergabe bezw. Uebernahme des Kaufobjektes ist mit Fertigung dieses Vertrages erfolgt. Hinsichtlich der Steuern, Lasten und Abgaben hat der 1. Jänner 1930 als Verrechnungstag zu gelten. 4.) Für eine bestimmte Beschaffenheit oder ein bestimmtes Ausmass des Kaufobjektes leistet die Verkäuferin keine Gewähr. Dieselbe haftet jedoch - abgesehen von der auf der Liegenschaft E.Z1.1068 Grundbuch Steyr in C Postzahl 3 zu Gunsten des St. Anna Benefiziums haftenden Servitutes, welche von dem Käufer zur weiteren Duldung übernommen wird - für die Lastenfreiheit des Kaufobjkktes und ist verpflichtet, etwa hervorkommende Lasten innerhalb 60 Tagen zur Löschung zu bringen und den Käufer schadlos zu halten. 5.) Beide Teile verzichten auf das Recht, diesen Vertrag wegen Verletzung über die Hälfte des wahren Wertes anzufechten. 6.) Die mit der Errichtung und grundbücherlichen Durchführung dieses Vertrages verbundenen Kosten und Gebühren, sowie die Uebertragungsgebühr samt allen Zuschlägen hat der Käufer allein zu tragen. 7.) Der Käufer bezw.dessen Rechtsnachfolger sind über jederzeitiges Verlangen der Verkäuferin verpflichtet, von den zur Liegenschaft E.Zl. 1068 Grundbuch Steyr gehörigen Parzellen

836/5 und 665/5 den zur Erweiterung des Annaberges unbedingt erforderlichen Grundstreifen unentgeltlich und lastenfrei an die Verkäuferin abzutreten. Diese Verpflichtung ist als Reallast auf dem Kaufobjekte einzuverleiben. 8.) Der Käufer räumt der Verkäuferin das Recht ein, Wasser aus der im allgemeinen öffentlichen Krankenhaus gelegenen Entnahmestelle (Schachtbrunnen mit elektrisch betriebenem Pumpwerk im Krankenhausgarten) für den Komplex des städtischen Versorgungsheimes Sierningerstrasse Nr.150 in Steyr und Steinfeldstrasse Nr. 3 ferner für die beiden Wohnhäuser (altes und neues Schererhaus C.Nr. 157, Sierningerstrasse Nr. 117) endlich für die auf der G.P. 740/1 stehenden Wohnbaracken für die Dauer der Benützung dieser Baracken zu Wohnzwecken zu beziehen, soweit dadurch die Versorgung des Krankenhauses mit Wasser nicht gefährdet wird. Diese Servitut ist auf der Liegenschaft E.Zl. 1255 Grundbuch Steyr als dem dienenden Gute zu Gunsten der angeführten Liegenschaft einzuverleiben. Der Käufer ist berechtigt, für das zu entnehmende Wasser einen Wasserzins zu begehren, für welchen jedoch kein höherer Tarif in Anwendung gebracht werden darf, als der deweils für die städtischen Wasserwerke Zwischenbrücken und Schlüsselhof geltende Tarif. Andere Verpflichtungen bestehen für die servitutsberechtigten Liegenschaften nicht. 9.) Der Käufer räumt der Verkäuferin das Recht des Wiederkaufes (Vorkaufsrecht) des Kaufobjektes derart ein, dass der Käufer verpflichtet ist, innerhalb 30 Tagen nach geschehener Anbietung zu dem Anbot Stellung zu nehmen, widrigens dasselbe als abgelehnt anzusehen ist. 10.) Beide Teile erteilen die Bewilligung, dass auf Grund dieses Vertrages a) bei der Liegenschaft E.Zl. 1255 G.P. 726/1 und 727 in die Parzellen 726/1, 726/3m 727 in 727/1 und 727/2 untergeteilt, die Teilparzellen 726/3 und 727/2 lastenfrei abgeschrieben und in

eine neue Einlage unter Uebertragung des Eigentumsrechtes für die Stadtgemeinde Steyr übertragen; b) auf die Liegenschaften E.Zl. 1257 und 1068 G.B. Steyr das Eigentumsrecht für das Land Oberösterreich einverleibt, c) auf die Liegenschaft E.Zl. 1255 G.B.Steyr die Dienstbarkeit des Wasserbezugsrechtes gemäss Punkt 8 dieses Vertrages zu Gunsten der Liegenschaften einverleibt, d) auf die Liegenschaft E.Zl. 1068 G.B. Steyr die Reallast zur Verpflichtung der Abtretung des zur Strassenerweiterung (Annaberg) unbedingt erforderlichen Grundes der G.P. 836/5 und 665/5, e) auf die Liegenschaft E.Zl. 1255 und 1068 das Wiederverkaufsrecht (Vorkaufsrecht) zu Gunsten der Stadtgemeinde Steyr einverleibt werde. Zum Zwecke der Gebührenbemessung wird angegeben, dass beide Kaufobjekte öffentlichen humanitären Zwecken dienen, da sich auf demselben das allgemeine öffentliche Krankenhaus und das St. Anna-Spital befinden und dass der Käufer beide Objekte auch weiterhin für denselben Zweck verwenden wird. II. Das Land Oberösterreich verpflichtet sich, die pragmatischen Angestellten Primarius Dr. Erich Oser, Assistenzarzt Dr. Hans Essen, Verwalter Hans Andel, Verwaltungsoberkommissar Alois Egelseer, Rechnungsrevident Karl Bachmayr, die KanzleiOffizialinnen Marie Volbert und Rosa Gammer, die Torwarte Gustav Mayrhofer und Josef Tunko in das pragmatische definitive Dienstverhältnis des Landes, die Vertragsangestellten Sekundarärzte Dr. Adolf Zwirner und Dr. Albert Faltlhansl, die Hebamme Anna Eibl und den Maschinisten Eduard Lind in das Vertragsverhältnis, die nach dem Kollektivvertrag Angestellten unter den jetzigen Anstellungsbedingungen und das Pflegepersonal auf Grund des bestehenden Vertrages zu übernehmen; ebenso über-

nimmt das "Landeskrankenhaus" die Bezahlung der Pensionistinnen Marie Storch, Auguste Klötz und Therese Gmeinleitner. III. Die von der Stadtgemeinde Steyr für das Krankenhaus geleisteten Vorschüsse im Betrage von S 80.190,- abzüglich einer für das auf Parzelle Nr.738 E.Zl. 1061, Katastralgemeinde Steyr errichtete Objekt vereinbarten Aufwandsvergütung von S 5.000.- (somit'S 75.190.-) werden nach Vertragsunterfertigung in Barem der Gemeinde übermittelt. IV. Der Gemeinderat, der wahrlich nicht mit leichtem Herzen wertvolles Gemeindegut veräussert, anerkennt dankbarst die grossen Verdienste des Herrn Landeshauptmannes Dr. Schlegel, der als Chef der Landesverwaltung die schweren Sorgen von Steyr stets mit gerechtem Sinne gewürdigt hat und dessen Einsicht es zu verdanken ist, dass die Verländerung des städtischen Spitales im Interesse der Stadtfinanzen zustande gekommen ist. Der Gemeinderat ist der Ueberzeugung, dass der Chef des Landes, der nunmehr auch Chef des neuen "Landeskrankenhauses Steyr" wird. der Ausgestaltung des Krankenhauses auch in Hinkunft mit wohlwollendem Verständnis gegenüberstehen und den berechtigten Wünschen der Bevölkerung entsprechen wird, ein Grund, der dem Gemeinderat den verantwortungsvollen Beschluss, das Krankenhaus, das bisher ein Stolz der Gemeinde war, zu veräussern, wesentlich erleichtert. V. Der Gemeinderat spricht den besonderen Dank dem Landessanitätsreferenten Landesrat Hafner aus, der als warmer Anwalt der Interessen von Steyr auch ein treuer Sachverwalter der In¬ teressen des Krankenhauses gewesen ist und stellt an dis Landesverwaltung das höfliche Ersuchen, Landesrat Hafner auch in Hinkunft als Referenten des Landeskrankenhauses von Steyr bestellen zu wollen.

VI. Der Gemeinderat spricht dem ärztlichen Leiter Primarius Dr. Erich Oser für seine hervorragende und vorbildliche Arbeit vereint mit wahrem sozialen Empfinden den wärmsten Dank für die der Gemeinde geleisteten Dienste aus, der gleiche Dank gebührt dem treuen Mitarbeiter Assistenten Dr. Hans Essen, die grösste Anerkennung zollt der Gemeinderat den Sekundarärzten, den Pflegerinnen, dem Verwalter Hans Andel mit seinen Mitarbeitern und dem gesamten Krankenhauspersonal. Der Gemeinderat und mit ihm die gesamte Bevölkerung wird die unter schwierigsten Verhältnissen geleisteten Dienste, insbesondere des Chefs der Anstalt, in dankbarster Erinnerung behalten. Der Gemeinderat gibt dem Wunsche Ausdruck, dass die im Dienste der Stadtgemeinde mit vollem Recht erworbene Anerkennung auch volle Würdigung der Landesverwaltung finden möge. Gemeinderat Futterer betont nachdrücklich, dass er nicht für den Verkauf stimmen könne, da eine besondere Entlastung für die Finanzen nicht zu erwarten sei und der Verkauf eigentlich nur in der Voraussicht erfolge, dass das Krankenanstaltengesetz geändert werden könnte. Im übrigen bedeutet der Verkauf des Krankenhauses wieder nur das Aufgeben eines Stückes Autonomie. Der Antrag wird mit allen gegen eine Stimme angenommen.

Finanz- und Rechtsausschuss. Berichterstatter Bürgermeister Franz Sichlrader. Punkt 3.) Rechnungsabschluss pro 1928. Zl. 13933/29 Der Referent führt im Gegenstande folgendes aus: Seit dem Jahre 1918 wurde dem Gemeinderate anlässlich der Beschlussfassung über die Jahresrechnung lediglich ein einseitiger Auszug aus der Hauptzusammenstellung vorgelegt. Für die heutige Sitzung habe ich einen richtiggehenden Abschluss verfassen lassen, der zwar auch nur einen Auszug darstellt, jedoch über sämtliche Rubriken der Stadtkasse und der von ihr dotierten Fonde, das sind "Armeninstitut" und "Milder Versorgungsfonds" bis ins kleinste Detail Rechenschaft gibt. Da der gedruckte Abschluss auch Erklärungen hinsichtlich der wichtigsten Kapitel sowohl bei Einnahmen wie Ausgaben enthält, kann ich mich kurz fassen und möchte erläuternd folgenderbemerken: In der Präliminarberatung vom 16.Dezember 1927 war der Voranschlag pro 1928 mit einer Erfordernisziffer von S 2,971.350.- bewilligt worden. Vergleicht man diesen Betrag mit den tatsächlichen wirksamen Ausgaben für das Jahr 1928, das sind S 2,955.515.04 so ergibt sich die Tatsache, dass es dem Ersparungskomitee (Stadtrat) durch strikteste Einhaltung der im Voranschlag fixierten Ersparungsmasshahmen (Drosselungen) gelungen ist, mit dem Erfordernisbetrag nicht nur das Auslangen zu finden, Sondern noch um S 15.804.96 weniger auszugeben. Auf diese Art wurde der präliminierte Abgang von S 917.270.- um die Ersparungen von S 15.804.96 auf S 931.465.04 vermindert.

Bei den Einnahmen, besonders an Steuern und Abgaben gilt pro 1928, das für Steyr immer schon das Massgebende war: sie sind vom Betrieb der Steyr-Werke abhängig. Und es kann gesagt werden, dass die Hochkonjunktur durch Massenproduktion der Type XII des Steyrwagens den Gemeindehaushalt durch Mehreingänge an Lohnabgabe und Abgabenertragsanteilen vom Bund (hier wirkt sich die erhöhte Abzugseinkommensteuer und Warenumsatzsteuer aus) günstig beeinflusst hat. Auch eine Reihe von anderen Abgaben sind erhöht eingegangen. So sind insgesamt bei Abgaben folgende Mehrerträgnisse zu verzeichnen: Bei Mietzinsabgabe S 9.891.89 Wohnabgabe 4.895.51 Lohnabgabe 357.718.01 Stromabgabe 6.028.77 Kraftwagenabgabe 7.374.85 Pferdesteuer 259.80 Zuschlag zum staatlichen Gebührenäquiv. 4.724.73 Zuschlag zu den staatlichen Liegen- schaftsgebühren 11.736.45 Abgabenertragsanteile vom Bund. 167.117.- Hockersteuer 833.92 Lustbarkeitsabgabe 7.858.47 10 %ige Luxusabgabe auf Speisen und Getränke in Nachtlokalen 284.55 Hundesteuer 416.90 Gemeindeanteil an der Jagdabgabe 45.13 Bei städtischen Abgaben ist also allein ein Bruttomehreingang pro 1928 von. S 582.185.98 zu verzeichnen. Alle übrigen Verwaltungsrubriken ergeben an Mehrertrag gegenüber der Annahme im Voranschlag S 84.314.05 sodass sich die Einnahmegebarung um ....... S 666.500.03

günstiger gestaltet hat, als angenommen werden konnte. Der präliminierte Abgang per S 947.270.- hat sich somit vermindert: 1. durch Drosselung beim Erfordernis um. S 15.804.96 2. durch Mehreinnahmen S 666.500.03 S 682.304.99 Am Ende des Gebarungsjahres 1928 ist somit ein tatsächlicher Gebarungsabgang von S 264.965.01 vorhanden. Dieser Abgang war im ersten Halbjahr 1928 wenig fühlbar; die Stadtgemeinde behalf sich mit demselben Mittel, mit dem sie schon seit Oktober 1926 arbeitete: sie führte die Landesfondsanteile an Lohnabgabe nicht ab. Für das Jahr 1928 (bis Juni) macht das allein einen Betrag von S 88.000.- aus. Als dann die Landesregierung verfügte, dass die Steyr-Werke und einige andere Firmen die Landesfondsanteile direkt ans Land abzuführen hätten, musste die Stadtkasse, was die Liquidität betrifft, in Schwierigkeiten kommen. Alle Reserven wurden herangezogen und die letzten Reste aus dem Dollarerlöskonto abgehoben. Trotzdem verblieben mit Ende des Verwaltungsjahres an die 41.000 S unbezahlter Geschäftsrechnungen, die ins nächste Verwaltungsjahr mitgeschleppt werden müssen. Die Schuld an Lohnabgabe ans Lang betrug mit Ende Juni 1928 insgesamt rund S 303.000.-; nebenbei bemerkt, wird dieser Tage diese Post aus den Büchern verschwinden, denn sie wird aus dem Erlös des Krankenhauses getilgt werden. Was die wirksame Gebarung der einzelnen Verwaltungsrubriken betrifft, ergibt sich folgendes Gesamtbild bei den Einnahmen:

Erfolg 1928 Voranschlag 1928 I Gemeindevermögen S 33.159.69 S 39.120.- II. Gebäude-und Grundbesitz S 89.691.26 S 65.900.- III. Marktwesen, Gefälle etz. S 32.301.84 S 25.000.- IV Gemeindeverwaltung S 108.201.93 S 105.940.- V. Sicherheitswesen S 14.052.96 S 19.050.- VI. Oeffentliche Arbeiten S 161.338.59 S 128.500.- VII: Gesundheitswesen S 33.720.35 S 27.500.- VIII. Kultus, Unterricht, Kunst und Wissenschaft S 25.958.41 S 25.020.- IX. Militärangelegenheiten S 205.57 S 450.- X. Fürsorgewesen S 28.650.61 S 28.000.- XI. Verschiedenes S 15.855.63 S 100.- XII. Gemeindebesteuerung S 2,147.443.19 S 1,559.500.- Summe S 2,690.580.03 S 2,024.080.- Die Gesamteinnahmen sind daher günstiger um S 666.500.03 Die wirksamen Ausgaben gestalten sich folgendermassen: I. Gemeindevermögen S 490.296.32 S 402.120.- II. Gebäude- u.Grundbesitz S 88.673.46 S 91.470.- III. Marktwesen, Gefälle etz. S 7.213.16 S 14.460.- IV. Gemeindeverwaltung S 513.283.06 S 512.670.- V. Sicherheitswesen S 414.621.15 S 425.080.- VI. Oeffentliche Arbeiten 482.442.31 S 508.820.- VII. Gesundheitswesen S 31.367.41 S 31.160.- VIII. Kultus, Unterricht, Kunst und Wissenschaft S 156.058.91 S 165.600.- IX. Militärangelegenheiten S 3.121.71 S 3.000.- X. Fürsorgewesen S 397.605.80 S 185.390.- XI. Verschiedenes S 30.657.62 S 28.280.- XII. Gemeindebesteuerung S 340.201.13 S 303.300.- Summe S 2,955.545.04 S 2,971.350.-

Wie schon erwähnt, ist ein Minderaufwand von S 15.804.96 festzustellen. Eine drückende Ausgabenpost im Haushalt der Gemeinde Steyr bildet der Zinsendienst an den Gemeindeschulden. Er kommt in der Rubrik I Gemeindevermögen zum Ausdruck. Die Verzinsung und Amortisation betrug pro 1928 S 188.889.93, d.s. fast 17 % der Gesamtausgaben. Allerdings eind unter Kapitalsrückzahlung die mit Inflationsdarlehen kompensierte Nachzahlung an Abgabenertragsanteilen pro 1927 per S 31.456.- und der zur Darlehensabstattung verwendete Reingewinn bei der Reformbau & Co. per S 3.918.46 enthalten. Die Personallasten sind aus einer Tabelle ersichtlich, die dem Rechnungsabschluss angeschlossen wurde. Sie betragen (Gehälter und Pensionen) insgesamt S 848.835.94 (hievon S 171.322.50 Pensionen) d.s. 28.7% der Gesamtauslagen. An Löhnen für die gesamten städtischen Arbeiter wurden S 199.016.11 verbraucht. Die eigentliche kommunale Tätigkeit der Gemeinde Steyr spiegelt sich hauptsächlich auf der Rubrik "Oeffentliche Arbeiten" wider. Ein Blick auf den Abschluss ergibt, dass hier die Dinge im Argen liegen. Mit Ausnahme der Reparatur der Unteren Ennsbrücke (S 51.000.- ) und der Neuanschaffung eines Autosprengwagens konnten mangels jeglicher Mittel weder die Neutorbrücke noch die Gsangbrücke instand gesetzt, noch andere seit Jahren immer wieder zurückgestellten Arbeiten durchgeführt werden. Die Mittel für obige beiden Ausgaben wurden durch Drosselungen bei anderen Posten dieser Rubrik erzielt, von der Aufnahme eines Darlehens wurde trotz Ermächtigungsbeschluss des Gemeinderates Abstand genommen.

Auch die Verwaltungsrubrik "Fürsorgewesen "bietet das gleiche trostlose Bild: Minderausgaben, obwohl ein erhöhter Kredit die Not der leidenden Bevölkerung Steyrs kaum lindern könnte. Die Ausgaben für die Fürsorge betragen S 397.605.80, d.s. 13.4 % der Gesamtausgaben. Um nur einige Posten zu nennen: es erforderten die Erhaltungsbeiträge der Steyrer-Armen S 43.300.- Bekleidungskosten der Steyrer-Armen S 6.000.- Erziehungsbeiträge der Steyrer-Armen S 40.700.- momentanen Aushilfen der Steyrer-Armen S 12.500.- die Krankenkosten für in Kranken- und Irrenhäusern behandelte hiesige Er- haltungsbedürftige S 136.200.- (!!) die Verpflegskosten der Pfleglinge im Versorgungsheim u. in den Altersheimen S 97.600.- Da ich von der Ausgabenrubrik bereits eingangs gesprochen habe, hätte ich die wichtigsten Kapitel, die beim Jahresabschluss von Interesse sind, berührt. Es sei mir noch gestattet, einige Worte zur Vermögensbilanz zu sagen. Die Aktiven der Stadtgemeinde Steyr betrugen mit Ende 1928 S 7,426.534.05 die Passiven am 31.Dezember 1928 S 3,618.133.32 Das Reinvermögen betrug somit S 3,808.400.72 Im Rechnungsabschluss des Jahres 1911 ist ein Reinvermögen von K 1,901.530.96 ausgewiesen, was bei der Relation 1 S = 14.400 K den Betrag von S 2,738.200.- ergibt. Wenn ausserdem in Betracht gezogen wird, dass die Bewertung der städtischen Gebäude aus dem Jahre 1921 stammt (der Wert des Krankenhauses, für das ein Erlös von mindestens S 700.000.- erzielt werden dürfte, ist dann mit S 273.000.- angegeben), somit zweifellos zu gering ist, kann behauptet werden, dass das Vermögen der Stadtgemeinde Steyr gegenüber der Friedenszeit mindestens nicht geringer geworden ist.

Die Feststellung dieser Tatsache nehme ich jedoch zum Anlass, neuerlich zu betonen, dass es nicht der Stand an Reinvermögen ist, der die Finanzlage unserer Stadt bestimmt, sondern die vollkommen unzulänglichen Einnahmen, die selbst bei Hochbetrieb in den Steyr-Werken kaum hinreichen, um auch nur den primitivsten kommunalwirtschaftlichen Verpflichtungen nachzukommen. Gemeinderat Kirchberger gibt namens der sozialdemokratischen Fraktion die Erklärung ab, dass sie für den Rechnungsabschluss stimmen werden. Der Rechnungsabschluss pro 1928 wird sonach debattelos einstimmig zur Kenntnis genommen. Bürgermeister-Stellvertreter Dr. Messenböck meldet sich zur Geschäftsordnung zum Worte und führt folgendes aus: Mit dem Präliminare tritt der Gemeinderat in ein neues Geschäftsjahr. Die Abstimmung über das Präliminare beinhaltet kurz die Stellungnahme zu den Einnahmen und Ausgaben für das kommende Geschäftsjahr, andererseits die Stellungnahme zu der Mehrheit, vor allem aber zur Amtsführung des verantwortlichen Bürgermeisters, Wir haben, und vor allem der Herr Bürgermeister dafür zu sorgen, dass nicht bloss Steuern und Abgaben gerecht verteilt werden, wir haben auch darauf Bedacht zu nehmen, dass die Steuerzahler nicht ungerecht in ihrer Steuerkraft und in ihrer Existenzmöglichkeit bedroht werden. Obwohl gestern abends im Finanzausschuss die Beratung über den Jahresvoranschlag einvernehmlich abgeschlossen wurde, müssten wir heute zu unserem grössten Bedauern und grössten Entrüstung erleben, dass Plakate herumgetragen werden und Flugzetteln mit einem die Existenz schwer schädigenden Inhalt. Einen Flugzettel überreiche ich dem Herrn Bürgermeister. Der Inhalt geht von einem Satze aus, der nicht von der christlichsozialen Partei und auch nicht vom völkischen Wirtschaftsblock jemals beschlossen wurde, sondern derselbe wurde aus irgend einer Zeitung entnommen. In diesem Flugzettel

sind so unerhörte Verdächtigungen und Aufforderungen für zu schädigende Massnahmen für einen grossen Teil der Bevölkerung angeführt, dass wir verlangen müssen, dass der Herr Bürgermeister als der verantwortliche Chef der gesamten Bevölkerung dieser Stadt einen solchen Inhalt auf das schärfste verurteilen muss, ansonsten wir nicht in der Lage sind, in die Beratung und Beschlussfassung einzugehen und mit der Majorität in diesem Hause zu arbeiten. Wir verlassen den Sitzungssaal und warten im Stadtratszimmer 10 Minuten ab, ob der Herr Bürgermeister geneigt ist, unserer Forderung Rechnung zu tragen. Ist dies nicht der Fall, sind wir gezwungen, da wir wegen der Schreibweise irgend einer unbekannten Person in irgend einer Zeitung nicht die Existenz eines grossen Teiles der Bevölkerung aufs schwerste gefährden lassen; den Saal zu verlassen. Der Vorsitzende unterbricht die Sitzung und teilt mit, dass die Klubs zu internen Beratungen zusammentreten. Nach einer Stunde wird die Sitzung in Abwesenheit der Minorität wieder eröffnet. Bürgermeister Sichlrader beantwortet die Interpellation des Bürgermeister-Stellv. Dr. Messenböck wie folgt: "Auf die Interpellation des Herrn Bürgermeister-Stellv. Dr. Messenböck habe ich folgendes zu antworten: Der Kampf der Heimwehren - einer nicht im Gemeinderat vertretenen Gruppe - hat in Oesterreich und im Besonderen gegen die Stadt Steyr in der allerletzten Zeit die unerhörtesten Formen angenommen. Von der Heimwehr ist eine Boykotterklärung gegen Arbeiterinstitute erfolgt. Es erscheint daher begreiflich, dass auf derartige Ausschreitungen Reaktionen erfolgen. Als Bürger. meister, der ich die Interessen der gesamten Bevölkerung zu vertreten habe, erkläre ich, dass ich diese Art des wirtschaftlichen Kampfes nicht zu billigen vermag."

Gemeinderat Witzany: Bevor wir die Antwort fertiggestellt hatten, wollten die Herren der Minorität schon fortgehen, sind aber über Intervention des Bürgermeisters geblieben. Da sie aber nunmehr endgiltig die Sitzung verlassen haben, ist anzunehmen, dass sie von vornherein die Absicht gehabt haben, an der Sitzung nicht teilzunehmen. Die Sozialdemokraten werden im bisherigen Sinne weiterarbeiten und die Arbeiterschaft vor Unbesonnenheiten bewahren. Die Propaganda des Schutzbundes sei nur eine Reaktion auf die Heimwehrhetze der letzten Monate. Die Heimwehrleute hätten beim Bundeskanzler lieber um Abhilfe der Arbeitslosigkeit vorsprechen sollen, statt um Verhängung von Ausnahmsmassnahmen. Punkt 1.) Voranschlag pro 1930. Zl. 14707/29 Der Berichterstatter Bürgermeister Sichlrader führt zum Voranschlag 1930 im Wesentlichen folgendes aus: Wir haben erst vor einem halben Jahre den Voranschlag für das Jahr 1929 im Gemeinderate beschlossen. Die Gründe der späten Erstellung des Voranschlages habe ich damals dargetan: Ich wollte die Stellungnahme der Zentralstellen zu unserem Ende 1928 aufgestellten Sanierungsprogramm abwarten. Ich bin auch nach Jahresfrist nicht imstande, dem Gemeinderate konkrete Mitteilungen zu machen, da die wesentlichsten Punkte über den Stand losesten Vorverhandlungen nicht hinausgekommen sind, obwohl wir uns alle Mühe gegeben haben, die Aufmerksamkeit der Zentralbehörden auf das Schicksal dieser Stadt zu lenken. So ist im Septemberhefte dieses Jahres in unserem Fachorgan ein ausführlicher Artikel über die Finanzlage von Steyr erschienen. der auch dem Finanzministerium übermittelt wurde. Ich kenne natürlich nicht die Gründe des schleppenden Geschäftsganges, vielleicht sind zum Teil auch die politischen Verhältnisse der letzten Monate daran schuld. Jedenfalls aber steht fest, dass ein wertvolles Jahr vergangen ist, ohne dass

die Sanierungsvorschläge, soweit ihre Erledigung in die Kompetenz des Bundes gehört, auch nur um einen Schritt weiter gediehen sind. Anders steht es bei jenem Vorschlag, der unmittelbar die Landesverwaltung angeht, das ist der Verkauf unseres Spitales an das Land Oberösterreich, worüber wir ja heute Beschluss gefasst haben. Da also der Zeitpunkt der Verhandlungen mit der Bundesregierung über unser Sanierungsprogramm vorläufig noch unbestimmt ist, so habe ich mich entschlossen, den Voranschlag 1930 zeitgerecht dem Gemeinderate vorzulegen. Es ist selbstverständlich, dass auch dieser Voranschlag aufgebaut ist auf den heute geltenden gesetzlichen Bestimmungen, er geht ferner von der Annahme aus, dass die Steyr-Werke im Jahre 1930 ständig 1500 Arbeiter beschäftigen, ob sich diese Voraussetzung tatsächlich als richtig erweisen wird, kann man natürlich nicht beurteilen, aber irgend eine Grundlage für die Erstellung des Voranschlages musste angenommen werden, da ja bekanntlich die Einnahmen dieser Stadt mit dem Betrieb der Steyr-Werke unlösbar verbunden sind. Auch der Voranschlag 1930 wurde nach denselben Richtlinien erstellt Wie der letzte Voranschlag: An Ausgaben sind nur die Pflichtausgaben vorgesehen, die Einnahmen sind eingesetzt auf Grund der Erfahrungen des abgelaufenen Jahres, wobei natürlich Wohl und Wehe des Hauptbetriebes der Stadt von entscheidender Bedeutung ist. Wie rigoros bei der Ermittlung der Aufwandsziffern vorgegangen wurde, geht allein schon daraus hervor, dass der gesamte Aufwand 1930 trotz der Gehaltserhöhung entsprechend den bundesgesetzlichen Bestimmungen von rund 77.000 S und des pro 1930 erstmalig anfallenden Kleinrentnerbeitrages per 20.000 s also trotz eines bereits sicher wirksam werdenden Mehrerfordernisses von rund 100.000 S um rund 3.500 S geringer ist als das Erfordernis 1929. Wir sind also mit den Ersparungsmassnahmen noch weiter gegangen, wie lange das noch zu ertragen sein wird,

vermag ich nicht zu beurteilen, jedenfalls aber wird die Situation dieser Stadt dadurch, dass alljährlich die notwendigsten Arbeiten zurückgestellt werden, immer kritischer. Aber alle unsere Warnungen sind bis jetzt völlig ungehört geblieben. Wir müssen also, um auf einen Ausspruch des Minoritätsvertreters Dr. Messenböck bei der letzten Budgetberatung zurückzukommen, noch im grösseren Masse die Gesundheit dieser Gemeinde untergraben. An Warnungen haben wir es wirklich nicht fehlen lassen und die Behandlung des Voranschlages gibt dem verantwortlichen Verwalter dieser Stadt immer wieder Gelegenheit, seine warnende Stimme zu erheben, und so fühle ich mich, bevor ich den Voranschlag des näheren eingehe, neuerlich verpflichtet, mit allem Ernst und mit dem ganzen Verantwortlichkeitsgefühl zu sagen: Seit 5 Jahren sind die vorgesetzten Instanzen von den unüberwindlichen Schwierigkeiten der Verwaltung dieser Stadt bis in das kleinste Detail unterrichtet, seit 5 Jahren führen wir einen Kampf - ich betone - nicht um Hilfe, sondern um gerechte Be¬ handlung, seit 5 Jahren kämpfen wir um den in der Finanzverfassung vorgesehenen Finanzausgleich. Alle unsere Forderungen aber werden immer abgetan mit den Worten: Ihr müsst sparen. Es ist müssig, über diesen Rat noch weitere Worte zu verlieren, wenn man unsere Ausgabenziffern betrachtet, Es muss aber auch endlich einmal mit der bequemen Kritik Schluss gemacht werden, dass wir vor Jahren mit den Industriegründungen Fehler begangen haben, die wir übrigens nie verschwiegen haben, und dass diese Fehler eben die Ursache unserer Finanznot seien. Diese Fehler sind nicht die Ursache unserer Finanznot, das habe ich schon ungezähltemale nachgewiesen, sie haben nur die Krise beschleunigt und verschärft, wobei man natürlich gerechter Weise auch die Frage untersuchen müsste, ob die Gemeinde wirklich auf jene unglückseligen Wege gedrängt worden wäre, wenn man ihr die notwendigsten Mittel zur Verwaltung gesichert hätte. Es ist aber

auch ganz unpassend, dass gerade jene Stellen, die mitverantwortlich sind an den Finanzerschütterungen, die das gesamte Wirtschaftsleben unseres Staates in Gefahr brachten, uns derartige weise Ratschläge erteilen. Seit 4 Jahren ist in dieser Gemeinde gespart worden in einer Weise, die kaum mehr jberboten werden kann. Unsere Verwaltung vollzieht sich unter der ständigen Kontrolle der Minderheit. Wir sind, das musste auch der Minoritätsvertreter in der letzten Budgetberatung zugeben, den Forderungen des Landes und Bundes restlos nachgekommen. Was also sollen wir noch tun, dass uns das Recht zuteil wird? Der Voranschlag 1930, der eigentlich kein Voranschlag im technischen Sinne des Wortes ist, weil er so gut wie keine Probleme der kommunalen Verwaltung, der kommuna len Technik, des Schulwesens, des Wohnungswesens u.s.w. löst, schliesst bei einem Gesamtaufwande von S 2,504.700.- und einer zu erwartenden Bedeckung von S 2,228.300.- somit mit einemvöllig unbedeckten Abgang von S 276.100.-. Auch heuer haben wir wieder einen Anhang zum Voranschlag beigefügt, der vor allem die vom Bauamte zusammengestellten Arbeiten enthält, die seit einer Reihe von Jahren zurückgestellt wurden, und immer mehr und mehr der Erledigung harren. Es handelt sich hier um die primitivsten Arbeiten, die notwendig wären, um die Strassen, die Schulen und die Brücken entsprechend herzurichten und auszugestalten. Und diese allernotwendigsten Arbeiten allein würden die Summe von S 524.000.- ausmachen, das heisst bei Durchführung dieser im öffentlichen Interesse gebotenen Arbeiten würde sich der Abgang auf S 800.400.- erhöhen. Es ist natürlich nicht daran zu denken, dass auch nur ein Bruchteil dieser Arbeiten in Angriff genommen werden kann, weil eben das Geld nicht vorhanden ist, wenngleich die eine oder andere Arbeit aus Gründen der öffentlichen Sicherheit un-

ausbleiblich sein wird. Aber wir halten es für unsere Pflicht, auf die Rückstände der kommunalen Technik hinzuweisen, weil wir dadurch zahlenmässig den immer mehr und mehr fortschreitenden Verfall der Stadt nachzuweisen in der Lage sind. Im nächsten Jahre wird der Anhang, dessen Ziffern eine geradezu unheimliche Sprache sprechen, natürlich wieder um ein Beträchtliches gewachsen sein. Wenn man bedenkt, dass bei den öffentlichen Arbeiten im Voranschlag bloss der Betrag um rund 80.000 S eingesetzt ist, dass aber ein Betrag von 80.000 S plus 524.000 S also rund 600.000 S notwendig wäre, dass also nur 13 % der Arbeiten durchgeführt werden können - aber immer unter der Voraussetzung, dass das Defizit, für das ja vorläufig keine Bedeckung vorhanden ist, gedeckt werden kann,- so passt wohl nicht mehr das Wort sparen, das heisst schon zusehen müssen mit offenen Augen, wie diese Stadt sicher dem Ruine entgegengeht. Nach diesen Vorbemerkungen will ich in Kürze die einzelnen Rubriken des Voranschlages besprechen und werde zum Beweis der gewissenhaften Aufstellung die Ziffern des vorigen Jahres heranziehen. I. Gemeindevermögen. Erfordernis: Bedeckung: 1929  1930 1929 1930 S 337.827.- 343.000.- S 22.700.- 28.500.- Eine tief greifende Aenderung, wie die Gegenüberstellung der Ziffern ergibt, ist nicht vor sich gegangen. Die kleine Erhöhung auf der Aufwandseite erklärt sich daraus, dass wir den zu erwartenden Reingewinn bei der Reformbaugesellschaft und die Zinsen aus Sparkassebüchern in Ausgabe stellten, sowie aus der allgemeinen Erhöhung der Bankrate. Ich kann natürlich bei dieser Rubrik nichts anderes sagen, als was ich noch bei jeder Budgetberatung zum Ausdruck brachte. Die Reduzierung des

Schuldendienstes allein vermag unsere Aufgaben zu erleichtern, das heisst wir müssen unsere Bestrebungen fortsetzen, die Schulden herabzudrücken. Ich möchte daher bei diesem Anlasse auf den Verkauf des Krankenhauses hinweisen. Von dem vereinbarten Kaufschilling von 750.000 S werden 300.000 S zur Zurückzahlung der rückständigen Lohnabgabe, einer Art unverzinslichen Darlehens, verwendet und ungefähr 300.000 S zur teilweisen Abdeckung unserer Hypothekarschulden. Es wird sich daher die Entlastung des Schuldendienstes bloss um ungefähr 10.000 S bewegen, es ist dies kein übermässiger Betrag und wir müssen daher mit allen Kräften darauf hinarbeiten, unser Sanierungsprogramm durchzusetzen. Wir haben auch getrachtet unsere Schulden zu verringern. So hat sich die Darlehensschuld der Gemeinde gegenüber 1929 per S 3,557.292.25 um S 154.111.67 somit auf S 3,403.180.58 vermindert. II. Gebäude- und Grundbesitz. Erfordernis: Bedeckung: 1929 1930 1929  1930 S 49.500.- S 38.400.- S 70.500.- S 88.100.- Die Drosselung auf der Erfordernisseite um 11.000 S gegenüber der veranschlagten Summe des Vorjahres ist, wie bereits eingangs ausgeführt, nichts anderes als die Zwangslage, in der wir uns befinden und die auch allmählich zum Verfall der Gemeindehäuser führen muss. So haben wir, um nur eine Ziffer zu nennen, für den grossen Häuserkomplex auf der Ennsleite bloss den Betrag von 1000 S eingesetzt. Die höhere Bedeckung ist vor allem eine Folge der Neuregelung des Mietengesetzes. III. Marktwesen, Gefälle und nutzbare Rechte. Erfordernis. Bedeckung: 1929  1930 1929  1930 S 5.800.- S 5.300.- S 30.100.- S 33.600.-

Zu diesem an sich aktiven Kapitel, dessen Einnahmen sich aus den Markt- und Waaggebühren und aus den Jahrmärkten zusammensetzen, ist weiters keine Bemerkung zu machen. IV. Gemeindeverwaltung. Erfordernis: Bedeckung: 1929  1930 1929 1930 S 1,201.300,- S 1,256.100.- S 101.200,- S 93,500,- Da in dieser Rubrik vor allem die Gehälter der gewählten Funktionäre, der Angestellten und Arbeiter und die sonstigen mit der Hoheitsverwaltung verbundenen Kosten enthalten sind, erklärt sich die Erhöhung um rund 50.000 S durch die bundesgesetzlich erfolgte Gehaltsregulierung und durch die Einführung der Mietzinsbeihilfe. Ich verweise bei der Besprechung dieses Kapitels auf die Ende 1928 und im Laufe des Jahres 1929 fortgesetzten Abbaumassnahmen. Die Bedeckung dieser Rubrik, die vorwiegend aus den Beiträgen für Versicherung und Krankenfürsorge der Angestellten und Arbeiter besteht, musste sich entsprechend dem durchgeführten Abbau verringern. V. Sicherheitswesen. Erfordernis: Bedeckung: 1929  1930 1929  1930 S 112.000.- S 132.600.- S 11.400.- S 14.300.- Die Auslagen dieser Rubrim erstrecken sich auf den gesamten Sicherheitsdienst für die Arrestanten, für die Herberge, das Feuerlöschwasser und die Stadtbeleuchtung. Nicht enthalten sind die eigentlichen Personalauslagen, die in der vorher besprochenen Rubrik aufscheinen. Die Erhöhung um rund 20.000 S auf der Erfordernisseite erklärt sich durch die Zulagen infolge der Mehrdienstleistungen, die von der Wache mit Rücksicht auf den kleinen Stand verlangt werden und durch Leistungen von Bereitschaftsdienst, der seinen Grund in der gegenwärtigen Krisenzeit hat, Selbstverständlich musste der Voranschlag darauf Rücksicht

nehmen, weil wir ja über den Zeitpunkt der Verstaatlichung der Polizei nicht informiert sind. Die von uns auf Grund eines einstimmigen Gemeinderatsbeschlusses bereits im Jahre 1928 eingeleitete Verstaatlichungsaktion der Polizei ist nunmehr, wie ja allgemein bekannt, in ein schnelleres Tempo gekommen, aber nicht etwa aus dem Grunde, weil unberufene Faktoren beim Herrn Bundeskanzler interveniert haben, sondern vor allem aus finanziellen Gründen. Ich möchte bei diesem Anlasse mit aller Deutlichkeit feststellen, dass die nach Steyr entsendete Kommission der Bundes- und Landesregierung auf Grund meiner Berichterstattung die Ueberzeugung gewonnen hat, dass die Verhältnisse in Steyr keineswegs so geartet sind, dass die Verfügung von Ausnahmsbestimmungen notwendig erscheint. Ich möchte auch feststellen, dass die Ereignisse der letzten Zeit, insbesondere die gegen mich unternommene Hetze wahrlich nicht dazu beigetragen haben, die Interessen dieser um ihr Leben ringenden Stadt zu fördern. Die Steyrerzeitung hat ganz recht, wenn sie die Parole nach Beseitigung des Rufmordes herausgegeben hat. Ich will nicht auf die persönliche und meine Ehre schwer kränkende Anschuldigungen zu sprechen kommen, da meine Berichtigung eine objektive sein soll. Ich muss aber meinem tiefsten Bedauern Ausdruck geben, dass in dem Kampf gegen mich auch nicht die niederträchtigsten Mittel gescheut worden sind. Ich unterlasse es über die etwas sonderbare Zusammenstellung der Deputation beim Herrn Bundeskanzler weitere Worte zu verlieren. Man hat in diesem Kampfe die Ehre von tausenden anständigen und ehrenwerten Menschen in den Kot gezerrt wegen Vorfälle, die sich in den letzten Monaten fast täglich in dem einen oder anderen Orte dieses Staat es abspielen. Die öffentliche Ordnung und Sicherheit in Steyr war bisher niemals im ernstlichen Masse gefährdet, Wenn die Atmosphäre schwüler geworden ist, dann sind eben jene Elemente dafür verantwortlich zu machen, die unglückliche, am

Hungertuch nagende Menschen in Bausch und Bogen eine blutige Räuberbande nennen. Ich betrachte es bei diesem Anlasse als Bürgermeister dieser Stadt für meine Pflicht, meine Mitbürger gegen derartige unerhörte Angriffe in Schutz zu nehmen. Es ist gar kein Zweifel, dass die Aufmachung über die sogenannten Vorfälle in Steyr das Wirtschaftsleben in Steyr auf das Schwerste gefährden. Zum Schlusse sage ich noch, dass es eine Anmessung sondergleichen ist, wenn Herr Starhemberg aus Waxenberg sich berufen fühlt, für die Ordnung und Sicherheit in Steyr beim Herrn Bundeskanzler vorzusprechen. Was soll man dazu sagen, wenn der Herr aus Waxenberg nach einem Bericht der Grazer-Tagespost im ganzen Bundesgebiete die Bevölkerung dieser Stadt auf das Niederträchtigste schmäht und behauptet, dass der blosse Verdacht, Heimwehrmann zu sein, in Steyr genüge, auf offener Strasse niedergeschlagen zu werden. Im übrigen bin ich bereits in der Lage, dem Gemeinderate das Ergebnis der Erhebungen der Bundes- und Landesorgane mitzuteilen. Das betreffende Communique des Bundeskanzlers lautet: "Die vom Bundeskanzleramte und vom Amte der o.ö. Landesregierung zur Prüfung der Sicherheitsverhältnisse nach Steyr entsendete Kommission hat festgestellt, dass die mehrfachen Ruhestörungen, die sich seit Oktober 1929 - zuletzt am 8.Dezember l.J. - in Steyr ereignet haben, obwohl sie als Ausschreitungen grösseren Umfanges nicht bezeichnet werden können, bei einem grossen Teile der Bevölkerung dieser Stadt einen Zustand lebhafter Beunruhigung hervorgerufen haben. Die Stimmung eines Teiles der Einwohnerschaft von Steyr wird überdies dadurch nachteilig beeinflusst, dass der städtische Polizeiapparat auch bei redlichem Bemühen aller verantwortlichen Personen für nicht ausreichend gehalten wird, auf die Dauer die Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der Ordnung bei etwaigen Ruhestörungen zu gewährleisten.

Die Kommission erachtet daher die mit grösstmöglicher Beschleunigung durchzuführende, auch vom Gemeinderate der Stadt Steyr vor Jahresfrist schon einstimmig beschlossene Verstaatlichung der Kommunalpolizei in Steyr für das geeignetste Mittel zur allseitigen Beruhigung. Da die Durchführung dieser Verstaatlichungsaktion immerhin noch einige Zeit in Anspruch nehmen wird, erscheint es wünschenswert, schon dermalen in Steyr eine Verstarkung des Polizeiapparates einvernehmlich mit dem Bürgermeister der Stadt vorzukehren, die sich als Uebergang zur Verstaatlichung der Kommunalpolizei in dieser Stadt darstellen wird!" VI. Oeffentliche Arbeiten. Erfordernis Bedeckung. 1929  1930 1929  1930 S 140.300.- S 81.900.- S 36.600.- S 42.400.- Dieses Kapitel ist wohl das trostloseste des gesamten Voranschlages, ich habe bereits in meinen einleitenden Worten darauf verwiesen. Hier sind die stärksten und einschneidendsten Drosselungen vorgenemmen worden, die Reduzierung des Aufwandes von 140.000 S auf 80.000 S bedeutet praktisch die völlige Stillegung der Tätigkeit des Bauamtes auf dem Gebiete des Strassen- und Brückenwesens. In dieser Rubrik ist fast nur für die Betriebsführung des Sprengwagens, des Auto- und Pferdefuhrwerkes vorgesorgt. Einigs Ziffern mögen den ganzen Jammer unserer Situation darstellen: Wir sehen vor für Strassenerhaltung 5.000 S, für Strassenreinigung 3.480 S, für Brückenerhaltung 1.000 S (bei 27 Brücken ), für Brunnen und Wasserleitungen 11.800 s, für Materialbeschaffung 20.000.-. Ich glaube, diese Ziffern genügen, um das Elendsbild dieser Stadt am besten zu veranschaulichen. Wer uns unter solchen Umständen noch das Sparen empfiehlt, der ist wahrlich nicht mehr ernst zu nehmen. Für den seriösen Beurteiler der Finanzlage dieser Stadt müssten diese Ziffern genügen; das Problem von Steyr einmal mit wirklicher Gründlichkeit zu prüfen

VII. Gesundheitswesen. Erfordernis: Bedeckung: 1929  1930 1929  1930 S 2.300.- S 3.000.- S 34.200.- S 36.200.- Diese Rubrik enthält die Auslagen für den engeren Sanitätsdienst: die Auslagen für die Impfung, Wasenmeister u.dgl. Die Bedeckung ist durch die Einnahmen aus der Vieh- und Fleischbeschau gegeben. VIII. Kultus, Unterricht, Kunst u.Wissenschaft. Erfordernis: Bedeckung: 1929  1930 1929 1930 S 72.700.- S 63.400.- S 21.500.- S 23.500.- Dass auch auf diesem Gebiete Einschränkungen aller Art vorgenommen werden mussten, vervollständigt bloss das traurige Gemälde über unsere Lage. IX. Finanzwesen. Erfordernis: Bedeckung: 1929  1930 1929 1930 S 288.300.- S 247.000.- S 2,022.600.- S 1,816.500.- Die Ziffern dieser Rubrik zeigen die Steuereingänge und auf der Erfordernisseite die Kosten der Steuerverwaltung und die Abgabenüberweisungen an das Land mit allein 239.600 S. Die Verminderung auf der Erfordernisseite um rund 40.000 S findet ihre Begründung in dem verminderten Steuererträgnis und daher auch in der verminderten Ueberweisungssumme an das Land. So waren im letzten Budget an Landesüberweisungen eingesetzt rund 280.000 S. Im übrigen habe ich schon in meinen einleitenden Worten teilweise auf dieses Kapitel Rücksicht genommen. Ich muss aber doch noch einiges bemerken, um das Bild über unsere Finanzlage zu vor vollständigen. Während bei fast sämtlichen Einnahmerubriken erhöhte Eingänge gegenüber 1929 veranschlagt werden konnten, ergibt sich bei dem Finanzwesen allein eine mindere Bedeckung gegenüber 1929 um 231.400 S. Ich will auch hier nur einige

Ziffern herausgreifen: Bei der Lohnabgabe um 170.000 S. bei den Realsteuern um 10.000 S, bei den Abgabenertragsanteilen um 60.000 S, also bei den drei Haupteinnahmsquellen allein ein geringerer Betrag von 240.000 S. Dabei wurde bei der Ermittlung der Lohnabgabe, der Hauptsäule der Gemeindeeinnahmen, von der Annahme ausgegangen, dass der Stand an Arbeitern in den Steyr-Werken ab 1. Jänner 1930 durch das ganze Jahr hindurch 4500 beträgt. Soll ich über die Verminderung, über die katastrophale Verminderung der Einnahmen viele Worte verlieren? Wer ist imstande, zu dem Ausfall von 2 ½ Milliarden eine Gegenpost zu finden. Selbstverständlich ist mit der lokalen Krise die Erhöhung des Fürsorgeetats verbunden. Die furchtbare Abhängigkeit der Stadtfinanzen von dem grossen Unternehmen zeigt sich eben in den Zeiten der Krise am allerdeutlichsten. Ueber 1000 Arbeitslose sind gegenwärtig in der Stadt. Die zweite Hälfte des Jahres 1929 ist wieder als ein Zeitraum schwerster Krise zu betrachten und was uns die Zukunft bringen wird, wissen wir nicht. Es entsteht schon für den gewissenhaften Verwalter dieser Stadt die bange Frage nach dem Schicksal der Autoindustrie in unserer Republik überhaupt. Das Schicksal dieser Industrie aber ist das Schicksal dieser Stadt. Diesen Problemen gegenüber sind wir freilich ohne jeden Einfluss. Ich möchte die Besprechung dieser Rubrik mit den fast schon stereotyp gewordenen Worten beschliessen: Die soziale und wirtschaftliche Struktur dieser Stadt ist geradezu ein Schulbeispiel dafür, dass endlich einmal der in der Finanzverfassung vorgesehene Finanzausgleich zur Tat werde. Ich sage ganz offen, ich habe die schwersten Sorgen für diese Stadt, wenn nicht diese Frage endlich einmal gelöst wird.

X. Fürsorgewesen. Erfordernis: Bedeckung: 1929 1930 1929 1930 S 291.400.- S 326.000.- S 11.800.- S 51.700.- Infolge der Umgruppierung der einzelnen Posten, Einbau des Armenfonds, der früher getrennt geführt wurde, in das Fürsorgeetat, sind die angeführten Ziffern nicht zu vergleichen. Es ergibt sich aber beim Erfordernis eine Kürzung um rund 25.000 S, die aber durch die Mindereingänge so gut wie unwirksam ist. Es liegt daher eine wesentliche Verschiebung gegenüber dem vergangenen Jahre nicht vor. Die im Vorjahr beschlossenen Ersparungsmassnahmen beginnen sich eben für die kommenden Jahre allmählich auszuwirken. Freilich besteht die grosse Gefahr, dass bei fortschreitender Arbeitslosigkeit die angenommenen Beträge kaum ausreichen werden. Verschiedenes. XI. Erfordernis: Bedeckung: 1929  1930 1929 1930 S 5.000.- S 7.500.- S 860.- In dieser Rubrik sind die Vereinsbeiträge enthalten, ein Betrag von 5.000 S für die Aemterreorganisation und 1.000 S für die Fremdenverkehrsförderung. Zu besonderen Bemerkungen gibt diese Rubrik keinen Anlass. Ich bin am Ende meiner Ausführungen. Ich bedauere nur, dass ich kein besseres Bild zeichnen konnte, aber ich halte es für die erste Pflicht des verantwortlichen Verwalters, gerade auf dem Gebiete des Haushaltes jede Unaufrichtigkeit zu vermeiden. Ich wiederhole, der Voranschlag ist aufgebaut auf den derzeit geltenden Finanzgesetzen und auf einem Stande von 1500 Arbeitern in den Steyr-Werken. Der Voranschlag sieht keinerlei neue Belastung vor. Ich bin nicht imstande, wirkliche, in unseren Kräften liegende Bedeckungsvorschläge zu erstatten, denn

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