Gemeinderatsprotokoll vom 21. Juni 1929

führe ich auf den Umstand zurück, dass ein langwieriger Regierungswechsel dazwischen gekommen ist, der neue Männer in die Regie¬ rung brachte. Ich gebe daher die dringende Anregung, das Magistrats-Präsidium möge ehestens bei dem neuen Finanzminister vor¬ sprechen. Wenn unsere Sanierungsaktion den tatsächlichen Erfolg hatte, dass wir einerseits keine neuen Schulden machten, anderseits einen nicht unwesentlichen Teil unserer Schulden, insbeson¬ ders unbezahlte Rechnungen abstossen konnten, so ist dies darauf zurückzuführen, dass in den Steyr-Werken konstante Beschäftigung herrscht. Mit dem Abbau in den Steyr-Werken werden auch alle un¬ sere drakonischen Sparmassnahmen ergebnislos sein. Unser Sparen in dem jetzigen Zustande kommt mir so vor, wie wenn ein Mensch mit sehr geringen Einkünften bestrebt ist, um ja keine Schulden zu machen, möglichst wenig zu essen. Dieses Sparsystem wird den Erfolg haben, dass der Mensch keine Schulden macht, aber es wird allmählich seine Gesundheit untergraben. Der Herr Bürgermeister hat vergleichende Zahlen gegeben über unsere Aufgaben für Be¬ schotterung, Oelung, Besprengung, Bewalzung der Strassen, woraus zu ersehen war, dass bedauerlicherweise auch auf diesem Gebiete geradezu ungeheuer gespart wird; die Stadt hat freilich den Vorteil, dass keine neuen Schulden gemacht werden, sie leidet jedoch an der Gesundheit ihres Verkehres, indem Strassen und Brücken immer mehr verwahrlost werden. Man mache nur einmal einen Spazier¬ gang durch die Direktionsstrasse oder Sierningerstrasse, wegen der vielen Schlaglö cher empfehle ich jedoch am Rande der Strassen zu gehen. Da in der letzten Zeit durch die Presse verlautete von besonderen Beratungen im Rathaus von Vorsprachen bei Land und Bund, so tauchte die Frage auf, ob die Stadtgemeinde Steyr finanziell schon gerettet sei. Dies ist keineswegs der Fall, die Stadt ist nach wie vor finanziell schwer leidend und man kann auch leiden, auch wenn man nicht fortwährend "auweh" schreit. Ein schwacher Trost besteht für uns dadurch, dass die Zahl der finanziell bedrängten Gemeinden mehr und mehr zunimmt.

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