Gemeinderatsprotokoll vom 29. Dezember 1928

9. ordentliche Sitzung. Niederschrift über die 9. ordentliche Sitzung des Gemeinderates der Stadt Steyr am 29.Dezember 1928. Tagesordnung. 1.) Bericht des Bürgermeisters. Finanz- und Rechtsausschuss. Referent G.R. Fridrich. 2.) Festsatzung der Brunnenkostenbeiträge 1929. 3.) Ansuchen um Befreiung von der Mietzins- und Bodenwertabgabe. 4.) Steuer-Rekurse. Referent G.R. Kirchberger. 5.) Steuer-Rekurse. Fürsorge-Ausschuss. Referent Bgm.Stellv. Russmann. 6.) Bestellung einer Fürsorgerätin. 7.) Fürsorge-Rekurse. Stadtrat. Referent Bgm. Stellv. Russmann. 8.) Erhöhung der Tarife im Autobusbetrieb. Referent Stadtrat Dr. Schneeweiss. 9.) Volkskinogesellschaft, Singspielkonzession. Finanz- und Rechtsausschuss. Referent Stadtrat Dr. Schneeweiss. 10.) Annahme eines Legates. Referent Bürgermeister Sichlrader: 11.) Finanzlage, Finanzmassnahmen. Vertrauliche Sitzung.

Anwesende: Vorsitzender Bürgermeister Franz Sichlrader, die Bürgermeister-Stellvertreter: Julius Russmann und Dr. Hubert Messenböck. Die Stadträte: Dedic Karl Schlossgangl Leopold Schneeweiss Rudolf Dr. Dressl August Marktschläger Rudolf die Gemeinderäte: Arzt Josef Leitzinger Karl Baumgartner Hans Mitschko Martin Peyrer-Angermann Dr. Chalupka Elise Roithner Hans Ecker Alois Schrangl Franz Fridrich Leopold Schwandtner Anton Gaiblinger Leopold Hamberger Josef Schwitzer Erna Huber Franz Voglsam Josef Kirchberger Josef Weiguny Josef Knabl Ferdinand Witzany Hans Knogler Richard Vom Magistrate: Magistrats-Direktor Dr. Ferdinand Häuslmayr. Als Schriftführer: Kanzleidirektor Karl Kapinus, Der Bürgermeister eröffnet die Sitzung und konstatiert die Beschlussfähigkeit. Entschuldigt sind: St.R. Josef Hafner, Karl Klement, G.R. Franz Tribrunner, Irene Patek und Peter Hambrusch. Als Niederschriftsprüfer werden die Herren Stadtrat Rudolf Marktschläger und Gemeinderat Martin Mitschko namhaft gemacht. Als Punkt 8 a wird noch in die Tagesordnung eingefügt: Referent Bgm. Stellv. Russmann. 8a) Einigungsamt Steyr - Neubestellung, wozu der Gemeinderat seine Zustimmung gibt.

Zu Punkt 1) Mitteilungen des Bürgermeisters gibt Bürgermeister Sichlrader eine Erklärung über die längere Pause in den Sitzungen des Gemeinderates, die er in dem Umstande findet, dass infolge Geldmangels keinerlei Investitionen gemacht werden konnten, daher auch abgesehen von unwesentlichen Gegenständen auf der heutigen Tagesordnung nur ein Punkt von Bedeutung steht: Die Finanzfrage. Der Bürgermeister hätte sich die Vorlage eines Sanierungsplanes erhofft, doch sei eine solche Vorlage an verschiedenen Umständen gescheitert. Die durch die Feiertage verursachte verspätete Einladung zur heutigen Sitzung wird zur Kenntnis genommen. Bürgermeister Sichlrader bringt sodann das Ergebnis der Kinderrettungswoche zur Kenntnis mit dem Reinerträgnis von S 4590.85 und spricht den Spendern den herzlichsten Dank aus. Seitens des G.R. Karl Fiala langte ein Schreiben ein, wonach dieser sein Mandat zurücklegt; nachdem bisher seitens der kommunistischen Partei ein Nachfolger nicht bekannt gegeben wurde, wird sich Bürgermeister Sichlrader mit der Partei ins Einvernehmen setzen. Bürgermeister Sichlrader verliest sodann einen Bericht über die am 26. Oktober 1928 erfolgte Kassenskontrierung, die keinen Anstand ergab. Es wird sonach in den weiteren Teil der Tagesordnung eingegangen. Finanz- und Rechtsausschuss. Referent G.R. Fridrich. Punkt 2.) Festsetzung der Brunnenkostenbeiträge 1929. Zl. 22.054/28 Der Referent beantragt nach kurzer Erläuterung: Der Gemeinderat beschliesse: Die Brunnenkostenbeiträge für die Stadtbrunnen werden pro 1928 und bis auf Weiteres in der gleichen Höhe wie für das Jahr 1927 (G.R. Beschl. vom 16. Dezember 1927, Zl. 22011/27) festgesetzt. Ohne Debatte angenommen.

3.) Ansuchen um Befreiung von der Mietzins- u. Bodenwertabgabe. Zl. 16.594 Marie Hack, Steyr, Ansuchen um Befreiung von der Mietzinsund Bodenwertabgabe. Der Referent stellt den Antrag: Der Gemeinderat beschliesse: Dem Ansuchen der Frau Marie Hack um Befreiung von der Mietzins- und Bodenwertabgabe auf die Dauer von dreissig Jahren für den Neubau "Einfamilienhaus in Steyr, Schlüsselhofgasse 19, Bauparzelle Nr. 1213/1 und 1211/6" wird im Sinne der von der Gesuchstellerin zitierten Gesetze stattgegeben. Ohne Debatte angenommen. Punkt 4.) Steuer-Rekurse. Zl. 15.764 Franz Schmidt, Kaufmann in Steyr, Engegasse 23 - Nachlass des 50 % Mietzinsabgabezuschlages. Nach kurzer Begründung stellt der Referent folgenden Antrag: Der Gemeinderat beschliesse: Der Rekurs wird mangels eines gesetzlichen Anspruches abgewiesen. Stadtrat Schlossgangl verweist auf die Härte der diesbezüglichen Bestimmungen und behält sich vor, in der nächsten Finanzsitzung einen Abänderungsantrag einzubringen. Der Referenten Antrag wird sodann angenommen. Referent G.R. Kirchberger. Punkt 5.) Rekurse. Zl. 16.552 Karl Angerbauer, Ansuchen um Befreiung von der Mietzinsabgabe und der Bodenwertabgabe für ein neu errichtetes Zweifamilienhaus in der Fuchslukengasse auf die Dauer von 30 Jahren. Der Referent beantragt: Der Gemeinderat beschliesse: Dem Ansuchen wird Folge gegeben. Ohne Debatte angenommen.

Zl. 16.811 Dr. Otto Koberg, Aufstellung einer Autogarage. Der Referent beantragt nach persönlicher Augenscheinnahme: Der Gemeinderat beschliesse: Der Berufung wird keine Folge gegeben. Ohne Debatte angenommen. Zl. 17.894 Hans Bachinger, Einspruch gegen eine Wohnabgabe, Nachtragsbemessung. Der Referent beantragt nach ausführlicher Erörterung der Nichtstichhältigkeit des Einspruches: Der Gemeinderat beschliesse: Der Berufung wird keine Folge gegeben. Ohne Debatte angenommen. Zl. 43/29 Adalbert Doleschal sen., Berufung gegen den polizeilichen Auftrag zur Maulkorbsperre seines Hundes. Der Referent beantragt nach ausführlicher Begründung : Der Gemeinderat beschliesse: Der Berufung wird keine Folge gegeben. Ohne Debatte angenommen. Fürsorgeausschuss. Referent Bgm. Stellv. Julius Russmann. Punkt 6.) Bestellung einer Fürsorgerätin. Zl. 23.031 Der Gemeinderat beschlissse: Dem Beschlusse der Fürsorgeräteversammlung auf Bestellung der Frau Marie Palmberger als Fürsorgerätin für den 5. Bezirk zuzustimmen. Der bisherigen Fürsorgerätin dieses Bezirkes, Frau Hermine Sonnberger, wird der Dank des Gemeinderates ausgesprochen. Ohne Debatte angenommen. Punkt 7.) Fürsorgerekurse. Zl. 15.394 Berufung des städtischen Jugendamtes gegen Entscheidung vom 20. Juni 1928 betreffend Erziehungsbeitrag Marie Kerbler.

Der Gemeinderat beschliesse dem Einspruch der Partei Marie Kerbler stattzugeben und den bisherigen Erziehungsbeitrag von monatlich S 7.50 ab 1. Juli 1928 bis zum Einlangen von Alimenten vom Kindesvater oder der Kindesmutter längstens bis 31.Dezember 1928 zu belassen. Ohne Debatte angenommen. Zl. 19.997/28 Vadisovecz Anna, Unterhaltsbeitragsrekurs. Der Gemeinderat beschliesse dem Rekurse teilweise Folge zu geben und der Anna Vadisovecz ab 1. November 1928 bis 31. März 1929 den monatlichen Erhaltungsbeitrag von S 10.- zu belassen. Ohne Debatte angenommen. Zl. 20.492/28 Gangl Franziska, Rekurs gegen eine Entscheidung der Fürsorgeräteversammlung, betreffend Erhaltungsbeitrag. Der Gemeinderat beschliesse, den Rekurs abzuweisen aus den Gründen der Entscheidung der Fürsorgeräteversammlung. Ohne Debatte angenommen. Zl. 14.841/28 Schrammel Alfred, Rekurs betr. Kurkostenbeitrag. Der Gemeinderat beschliesse, den Rekurs abzuweisen und die Entscheidung der Fürsorgeräteversammlung zu bestätigen. Ohne Debatte angenommen. Zl. 18.261/28 Brandstetter Hermine, Fürsorgerekurs. Der Gemeinderat beschliesse, den Rekurs abzuweisen aus den Gründen aus denen die Entscheidung der Fürsorgeräteversammlung erfolgte. Ohne Debatte angenommen.

Stadtrat. Referent Bürgerm. Stellv. Russmann. Punkt 8.) Erhöhung der Tarife im Autobusbetriebe. Zl. 17.083/28 Ansuchen wegen Tariferhöhung bei einzelnen Autolinien. Nach eingehender Begründung der Notwendigkeit beantragt der Referent: Der Stadtrat stimmt den vorgeschlagenen Erhöhungen des Tarifes: auf der Strecke Rathaus - St.Ulrich von 40 auf 50 Groschen Rathaus - Krankenhaus von 30 auf 40 Groschen Rathaus - Griemühle von 30 auf 40 Groschen Rathaus - Garsten auf 40 Groschen ab 1.Jänner 1929 zu und schlägt dem Gameinderate vor, ebenfalls seine Zustimmung zu geben. Ohne Debatte angenommen. Punkt 8a) Einigungsamt Steyr - Neubestellung. Zl. 13.717/Pol./28 Der Antrag des Finanzausschusses lautet: Der Gemeinderat genehmige den Amtsantrag vom 5. Dezember 1928. Ohne Debatte angenommen. Punkt 9.) Volkskinogesellschaft, Singspielkonzession. Referent Stadtrat Dr. Schneeweiss. Zl. 12.390/Pol. Der Referent beantragt: Der Gemeinderat beschliesse; das Ansuchen der Volkskinogesellschaft G.m.b.H. zur Erteilung einer Theater- und Singspielkonzession wird befürwortet, da die Herren Sergl-Sorelli und Alfred Alten den Theaterbetrieb nicht mehr aufrecht erhalten und nur mehr gelegentlich Gastspiele veranstalten, sodass der Lokalbedarf vorhanden ist. Ohne Debatte angenommen.

Finanzausschuss. Referent Stadtrat Dr. Schneeweiss. Punkt 10.) Annahme eines Legates. Zl. 19.512. Der Gemeinderat beschliesse: das im Testament des Johann Dittmann vom 18. Juni 1901 vorgesehene Substitutionslegat anzunehmen. Ohne Debatte angenommen. Referent Bürgermeister Sichlrader. Punkt 11.) Finanzlage, Finanzmassnahmen. Bürgermeister Sichlrader führt hiezu aus:

Sehr geehrte Frauen und Herren! Wir haben uns kaum jemals zu einer so schweren Beratung zusammengefunden wie in diesem Augenblick. Wir haben heute keine Vorschläge über die normalen kommunalen Aufgaben zu erstatten, sondern wir sollen heute Entschlüsse fassen, die den völligen Zusammenbruch der Finanzen dieser Stadt verhüten sollen. Ich sage jedoch gleich anfangs mit aller Offenheit, dass ich nicht in der Lage bin, heute einen Plan vorzulegen, der nach menschlicher Voraussicht geeignet wäre, diese Gemeinde zu sanieren, sondern dass ich nur Vorschläge erstatten werde, die geeignet sein dürften, uns über das Jahr 1929 hinweg zu helfen. Der Sanierungsplan, den die Majorität auf der Erhöhung der Mietzinsabgabe aufgebaut hat, weil sie nach der heutigen gesetzlichen Lage die einzige Steuer ist, die grössere Einnahmen bringt, kommt nicht mehr in Frage, da der Finanzminister die Erhöhung dieser Abgabe unter allen Umständen ablehnt. Aber auch der Plan, auf dem die Minorität die Sanierung aufgebaut hat, kann heute nicht mehr zum Ziele führen, da die Gemeinden aus der Erhöhung der Biersteuer kaum nennenswerte Beträge erhalten. Der um die Abgabenteilung entbrannte Kampf hat - das ist nunmehr zur traurigen Gewissheit geworden - mit einer völligen Niederlage der Gemeinden geendet, denn das neue Gesetz sichert den Gemeinden nur den armseligen Betrag von 2 Millionen Schilling zu. Wir stehen also vor einer vollständig neuen Situation. Wir dürfen aber unsere Bestrebungen und Bemühungen nicht aufgeben, wir werden weiter kämpfen müssen, um unser Recht zu erlangen. Schliesslich wird die Gewalt der Tatsachen und - ich fürchte - auch der Ereignisse in absehbarer Zeit das Problem des Finanzelendes der Gemeinden neuerlich aufrollen. Im Kampfe um die Abgabenteilung sind eben die Gemeinden als die dem Bunde und dem

Lande untergeordneten Gebietskörperschaften nun einmal die Schwächeren. Immerhin ist der heutige Tag in der Geschichte der Kommunalpolitik Steyrs ein Schicksalstag im wahrsten Sinne des Wortes. Die finanzielle Situation von Steyr, das ja seit dem Zusammenbruch aus den lokalen Krisen kaum herausgekommen ist, hat sich derart zugespitzt, dass wir schon am 1. Oktober d.J. nicht mehr in der Lage waren, unseren Beamten und Angestellten die vollen Gehälter auszubezahlen. Es erübrigt sich zu sagen, dass die Geldknappheit in der Gemeindekasse jede kommunale Tätigkeit ausschliesst. Es ist daher selbstverständlich, dass der verantwortliche Verwalter dieser Stadt in einem solchen Augenblicke gewissermassen eine Bilanz ziehen muss, um der Bevölkerung und den verantwortlichen Regierungsstellen mit aller Aufrichtigkeit und Gewissenhaftigkeit die Ursachen darzulegen, die zu dem Zusammenbruch geführt haben. Die Stunde ist zu ernst, um etwa Anklagen zu erheben gegen die früheren Stadtverwaltungen, weil ja die Versäumnisse der Vergangenheit - wie oft ist über die Versäumnisse in diesem Saale gesprochen worden ! - augenblicklich nicht gut gemacht werden können. Meine Ausführungen werden daher rein sachlich sein schon aus dem Grunde, weil die Not der Zeit das Zusammenarbeiten aller Bevölkerungsschichten in dieser Stadt gebaut. Wenn ein Schiff zu sinken droht, dann muss die Besatzung von einem Willen, von einem Geist beseelt sein, von dem Gedanken der Rettung, denn nur das einmütige Zusammenstehen in der Stunde der Not kann das Schiff vor dem sicheren Untergang retten. In einer solchen Gefahr befindet sich diese Stadt. Und wenn es uns nicht gelingt, auf einem gemeinsamen Wege die Massnahmen zu ergreifen, die wir für geeignet halten, die Gemeinde zu sanieren, dann ist die

Kulturgeschichte dieser Stadt geschrieben. Ich werde also im vollen Bewusstsein der grossen Verantwortung, die ich als Bürgermeister dieser Stadt zu tragen habe, das Problem leidenschaftslos behandeln. Der Zusammenbruch unserer Finanzen ist zwar jäh hereingebrochen, aber nicht unerwartet. Die Bevölkerung ist allerdings überrascht von dieser Entwicklung der Dinge, weil sie ja trotz der Aufklärung durch Wort und Schrift natürlich nicht die Gelegenheit hat, so gründlich in den Verwaltungsorganismus einzublicken. Das Problem Steyr ist aber nicht von gestern, das Problem Steyr geht auf viele Jahrzehnte zurück. Es ist überflüssig, in diesem Saale auf die drückende Abhängigkeit des Wirtschaftslebens dieser Stadt von einem einzigen Unternehmer hinzuweisen. Das ist wohl die Hauptursache, die zu beseitigen nicht in unserer Macht ist. Gemeinde und Gemeindeverwaltung werden auch noch in ferner Zukunft von dem Schicksal des grossen Unternehmens dieser Stadt abhängen. Prosperität und Rückgang dieses Unternehmens bestimmen den Lebensstandard der gesamten Stadt. Es müsste daher der vorsichtige Verwalter dieser Stadt in den Zeiten der Prosperität eine Art Krisenfonds ansammeln, um die Finanzen in den Zeiten des Rückschlages ausgleichen zu können. Eine Werndlära aber haben wir in der Nachkriegszeit noch nicht erlebt. Wir haben bisher bloss von der Hand in den Mund gelebt. Wir haben nie wirklich mit sicheren Einnahmen rechnen können, ganz abgesehen davon, dass ja ein grosser Teil der Einnahmen auf Grund der heutigen Gesetzgebung sich unserer Ingerenz überhaupt entzieht. Die Gemeindeverwaltung hat natürlich auf diese tiefste Ursache unserer Not immer und zu jeder Zeit hingewiesen. Es ist auf die Dauer unmöglich, eine Stadt mit so eigenartiger wirtschaftlicher und sozialer Struktur zu verwalten, wenn sie die Einnahmen nicht autonom regeln darf, ja wenn ihr die Haupteinnahmen nach

einer Schablone zugeteilt werden. Die gegenwärtige Steuerverteilung mag ja für einen Grossteil unserer Gemeinden ganz günstig sein, für die Mehrheit der Industriegemeinden und für diese Stadt im besonderen, ist sie geradezu eine Gefahr. Und mit Recht hat anlässlich der vorjährigen Budgetberatung der Sprecher der Minorität Bürgermeister-Stellvertreter Dr. Messenböck erklärt, dass er die Hauptursache der ständigen Kalamitäten in den Ungerechtigkeiten der Abgabenteilung erblicke. Allerdings sieht die Finanzgesetzgebung einen Weg vor, dass den sogenannten notleidenden Gemeinden, zu denen Steyr sicherlich gehört, in der Form des Gemeindeausgleichfonds Hilfe zuteil werde. Aber ein solcher Fonds muss durch ein Landesgesetz geregelt werden. Und es wird schwer sein, den agrarisch zusammengesetzten Landtag Oberösterreichs zu bewegen, ein solches Gesetz für die Industriegemeinden zu beschliessen. Ich muss jedoch von dieser Stelle aus mit allem Nachdruck betonen und ich werde im Laufe meiner Ausführungen den Beweis hiefür erbringen, dass eine Sanierung dieser Stadt ohne die Schaffung des Ausgleichsfonds schlechthin unmöglich ist. Die Gesetze der Not werden schliesslich den oberösterreichischen Landtag zwingen, sich mit dieser Frage zu beschäftigen, nicht weil wir Steyrer den Landgemeinden oder dem Lande Oberösterreich, dessen Chef stets das grösste Verständnis für die Leiden und Sorgen dieser Stadt gezeigt hat, etwas wegnehmen wollen, sondern weil uns die gegenwärtige Gesetzgebung auf diesen Weg ausdrücklich weist! Und nun zu den Ursachen, die zu dem jähen Zusammenbruch geführt haben. Die Budgets der letzten drei Jahre haben mit namhaften Abgängen abgeschlossen, ohne dass es uns gelungen wäre, entsprechende Bedeckungsvorschläge zu erstatten. Wir waren uns vor allem darüber klar, dass die Aufnahme weiterer Kredite unmöglich ist.

Wir haben eben die Geschäfte bisher weiterführen können, weil wir grössere Schuldposten nicht getilgt haben. Und als sich plötzlich alle Gläubiger fast zur gleichen Zeit energischer meldeten, da war der Zusammenbruch unvermeidlich. Ich habe am Anfange meines Berichtes betont, dass ich eine wahrheitsgetreue Bilanz zu ziehen gedenke, dass ich daher die Fehler, die die Gemeindevertretung gemacht hat, nicht verschweigen werde, ohne vielleicht eine Anklage gegen jene zu erheben, die seinerzeit Beschlüsse gefasst haben, die sich heute als verhängnisvoll darstellen, die aber sicherlich in der guten Absicht gefasst wurden, der Stadt zu helfen, wobei ja schliesslich nicht übersehen werden darf, dass es wohl wenige Wirtschafter geben dürfte, die in den Zeiten der Geldumwälzung und der Wiederaufbauarbeit keine Fehler gemacht haben. Ich komme nunmehr auf zwei grössere Transaktionen zu sprechen, die sich vor Beginn meiner Amtstätigkeit abgespielt haben und die nach meiner Ansicht -- ohne, wie bereits betont, einen Vorwurf erheben zu wöllen -- sich heute als eine schwere Belastung darstellen. Die Gemeinde Steyr hat unter dem Druck der XV. Arbeitslosenversicherungsnovelle beim Bundesministerium für soziale Verwaltung ein Darlehen im Betrage von 560.556 S aufgenommen. Durch Abzahlung von Kapitalsraten bis 31. Juli 1928 wurden insgesamt 113.214 S getilgt. Hiezu kommen die Zinsen bis 31. Juli 1928 im Ausmasse von 84.076 S, sodass die Schuld gegenwärtig die Höhe von 531.418 S beträgt, welche vorläufig mit 5 %iger Verzinsung in Monatsraten von 3.000 S abgestattet wird. Die Schuld wird demnach in 30 Halbjahresraten getilgt sein. Aus diesen Zahlen geht also hervor, dass die Gemeinde ungefähr 15 Jahre lang jährlich 36.000 S zu zahlen hat und dass auch der Zinsendienst trotz des verhältnismässig niedrigen Prozentsatzes eine schwere Belastung darstellt, sodass die Bewegungsfreiheit ganz ausserordentlich gehemmt wird. Ueberflüssig zu sagen, dass eigentlich die Gegenpost

Herstellung einiger Strassen und Kanäle in gar keinem Verhältnis zu dem aufgebrauchten Kapital steht. Es muss daher bei diesem Anlasse daran erinnert werden, dass die Gemeinde seinerzeit dem Ministerium den Bau von Wohnungen vorgeschlagen hat, dass aber das Ministerium auf diesen Vorschlag nicht eingegangen ist. Und doch hätte die Gemeinde wenigstens Wertobjekte, während schliesslich und endlich mit dem Bau der Strassen auf bessere Zeiten hätte gewartet werden können. Die Gemeinde hat dieses Darlehen gewiss nicht leichtfertig aufgenommen, sie hat sich hiezu verpflichtet geführt, weil Hünderte aus der Unterstützung ausgeschieden wären und so das in dieser Stadt damals herrschende Elend noch ungeheuer vergrössert hätten. Ein wohlmeinender Beurteiler der Lage müsste diesem Beschlusse die vis major zuerkennen. Die Gemeindevertretung hat ferner in der guten Absicht Arbeitsmöglichkeiten zu schaffen, sich leider auf Industriegründungen bezw. Unterstützungen eingelassen. Zu diesem Zwecke wurde bei der Landeshypothekenanstalt in Linz ein Dollarkredit in der Höhe von 150.000 Golddollar aufgenommen. Die Bedingungen dieses Kredites waren sehr drückend: 76 Begebungskurs, 11 % jährliche Annuität. Der Erlös des Dollarkredites betrug am 1.November 1925 S 805.866, er ist gegenwärtig so gut wie erschöpft. Was wurde nun aus diesem Dollarkredit geleistet? Der grösste Teil des Kredites und zwar der Betrag von rund 560.000 S wurde an Unternehmungen abgegeben, die ja, wie allgemein bekannt, alle in Konkurs gegangen sind. Diese Gelder sind nach menschlicher Voraussicht als verloren zu betrachten. Von welch' verhängnisvollen Konsequenzen die Aufnahme dieses Kredites war, beweist allein der Umstand, dass für den Kredit selber an Zinsen bisher aus dem Kredit allein der Betrag von 123.231 S bezahlt werden musste. Der Rest des Kredites wurde zur Verzinsung verschiedener Kommunaldarlehen und gelegentlich zur Zahlung laufender Ausgaben verwendet. Die Bilanz über die Verwendung dieses Kredites ist daher geradezu

trostlos. Die Folgen aber mussten in dem Augenblick eintreten, als sich die Hoffnungen, gewinnabwerfende Unternehmungen zu schaffen, in keiner Weise erfüllten. Noch 17 Jahre wird die Gemeinde die schwersten Lasten des an sich unter den ungünstigsten Bedingungen aufgenommenen Kredites zu tragen haben, für die nächsten 5 - 6 Jahre allein pro Jahr ungefähr den Betrag von 116.000 S; nach Ablauf dieser Frist wird durch Abstattung eines Telles des Kredites der Zinsendienst etwas herabgesetzt werden. Ich möchte in diesem Zusammenhang ausdrücklich feststellen, dass auch die Beschlüsse über die Aufnahme und Verwendung dieses Kredites einstimmig gefasst wurden. Im übrigen haben wir diese unglücklichen Spekulationen nie verheimlicht, wir haben die Bevölkerung selbst in der Zeit der Wahlbewegung darüber unterrichtet. Es ist klar, dass alle diese Beschlüsse ausserdem die verfassungsrechtliche Genehmigung der Landesregierung erhielten. Schliesslich sei noch eines Umstandes gedacht, der zwar nicht die Hauptursache der Not ist, der aber schliesslich den letzten Anstoss gegeben hat, dass sich die Gemeindefinanzen immer schlechter gestalteten. Und das war die neunwöchentliche Aussperrung in der Autofabrik Ende 1925, die jedes Kalkulieren über den Haufen geworfen hat. Ich brauche ja jene Zeiten nicht schildern, sie sind ja noch in aller Erinnerung. Von diesem Zeitpunkt an konnten wir die Landesanteile der Lohnabgabe nicht mehr abstatten, wir sind dem Lande gegenüber schwer in Schulden gekommen. Die Situation war damals wahrhaftig verzweifelt, das wurde auch anerkannt und so wurde damals das sogenannte Ersparungskomitee geschaffen, dessen Tätigkeit die Gemeinde vor weiteren Schaden bewahren sollte. Die Gemeinde hatte also schon damals die Gefährlichkeit der Situation in ihrer ganzen Tragweite erkannt und die ernste Absicht gehabt, das Sanierungswerk aus eigenen Kräften durchzuführen. Der Aufgabenkreis der Gemeinde wurde wesentlich

eingeschränkt, alle grösseren Ausgaben wurden vermieden. Freilich muss sofort betont werden, dass wir uns vollauf bewusst waren, dass sich manche Ersparungsmassnahmen später wieder rächen würden, weil eben die Unterlassung von Adaptierungen an städtischen Objekten, Strassen u.dgl. später mit mehr Kosten verbunden ist. Wir haben die Ersparungsmassnahmen im neuen Stadtrat konsequent fortgesetzt und es wird wenige Beschlüsse der letzten Jahre geben, bei denen nicht ein vollständiges Uebereinstimmen der Stadtratsmitglieder, ja selbst des Gemeinderates erzielt worden ist. Wir haben also niemals kontrollos gewirtschaftet, wir haben der Minorität vollen Einblick in die Geschäfte gewährt. Und wer die Arbeit im Stadtrat kennt, weiss, dass dort jede auch die kleinste Rechnung zur Genehmigung vorgelegt wird. Wir haben auch bei den Arbeitern und Angestellten verständnisvolle Mitarbeit gefunden. Wir können mit gutem Gewissen sagen, dass in den letzten drei Jahren auch nicht ein überflüssiger Groschen ausgegeben worden ist. Und doch sind wir nicht weiter gekommen. Denn durch das blosse Sparen haben sich natürlich die Einnahmen nicht vergrössert. Wir mussten immer mehr Aufgaben zurückstellen, ich erinnere in diesem Zusammenhang bloss an die Vernachlässigung der Brücken, die uns noch schwere Sorgen bereiten werden. Dass wir in diesen Zeiten an die so notwendigen Reformen auf dem Gebiete des Gesundheitswesens, der Kanalisation, der Wasserleitung, an die Durchführung der Schulreform nicht denken konnten, ist ja selbstverständlich, denn was die Verwaltungen der früheren Zeiten, wo Hoch- und Höchstkonjunktur in dieser Stadt herrschte, nicht lösen konnten, das konnte die Gemeindevertretung der Nachkriegszeit nicht einmal beginnen. Die Situation ist also die, dass wir sozusagen mit verschränkten Armen zusehen müssen, wie diese Stadt dem Verfall entgegengeht. Wir setzten in den letzten drei bis vier Jahren unsere Hoffnungen auf zwei Momente: Aenderung der Abgabenteilung zu Gunsten der Gemeinden und Erwirkung des bereits erwähnten

Ausgleichsfonds. Unsere Hoffnungen haben sich bisher als trügerisch erwiesen. Wir haben von diesen Verhältnissen die in Betracht kommenden übergeordneten Gebietskörperschaften unentwegt im laufenden gehalten. Ich bin gezwungen, etwas weiter zurückzugreifen. Es trifft weder den Magistrat als Exekutivorgan noch den Gemeinderat als beschliessendes Organ der Gemeinde ein Verschulden. Es ist ganz unmöglich, die in dieser Hinsicht erstatteten Berichte und Eingaben zu reproduzieren. Ich will nur das allerwichtigste andeuten. Der erste Bericht an das Finanzministerium über die trostlose finanzielle Lage von Steyr stammt vom 20. Dezember 1922. Der Magistrat weist in diesem Berichte auf die immer unmöglicher werdende Situation mit aller Schärfe hin. In den laufenden Berichten an den ehemaligen Generalkommissär der Republik wurde unentwegt auf die unhaltbare Lage in Steyr hingewiesen. Der nächste umfassende Bericht an das Finanzministerium datiert vom 17.April 1921, der unter dem Eindruck der Entlassung der gesamten Belegschaft der Steyr-Werke einen wahren Hilferuf der Gemeinde darstellt. Im Mai 1925, also vor 3 Jahren, hat der Magistrat an das Präsidium des oberösterreichischen Landtages eine eingehend motivierte Eingabe gerichtet, die den Ausgleichsfonds für die Gemeinde Steyr als unbedingt notwendig erklärt. Der Magistrat hat sogar einen entsprechenden Gesetzentwurf betreffend die Schaffung eines Ausgleichsfonds auf Grund einer umfangreichen Finanzstatistik ausgearbeitet, er ist bis heute im Landtag nicht zur Beratung gekommen. Es wurde also bereits vor fünf Jahren auf die Unmöglichkeit einer geordneten Verwaltung hingewiesen. Von den Berichten, die über die technischen Rückstände Aufschluss geben, will ich gar nicht reden. Ich will auch nicht von den unzähligen Vorsprachen und Interventionen bei den Zentralbehörden sprechen, die zum Teil auf die Antragstellung der Minorität zurückzuführen waren, sie sind ja alle bisher ohne jeden Erfolg

geblieben. Ich selbst habe jede Gelegenheit ergriffen, um die Oeffentlichkeit für diese Stadt zu interessieren, ich habe vor dem Forum des Städtetages der berufensten Organisation unserer Interessen, immer Gelegenheit genommen, das Problem dieser Stadt zu erörtern. Ich habe am diesjährigen Städtetag diese Stadt eine absterbende Stadt genannt wenn man ihr nicht die im Gesetze vorgesehene Ausnahmsstellung einräumt. Es ist also wahrhaftig nichts unterlassen worden, um die zuständigen Behörden von dem Ernst der Lage zu unterrichten. Es ist geradezu eine Tragik, dass all die umfangreichen Eingaben und Berichte, Interventionen und Vorstellungen bei den zuständigen Stellen nicht jene Würdigung erfahren haben, die sie in der Tat verdient hätten. Seit dem Jahre 1925 können wir uns nicht mehr erholen. Wir haben, wie bereits ausgeführt, dem Lande die Landesfondsanteile nicht bezahlt und als das Land im August d.J. die ihm zukommenden Anteile beschlagnahmte, da zeigte sich mit aller Schärfe die unhaltbare Situation dieser Stadt. Um einen genauen Ueberblick über unsere Lage zu erhalten, habe ich für die letzten vier Monate des Verwaltungsjahres 1928 ein Gelderfordernispräliminare ausgearbeitet, das nach folgenden Gesichtspunkten erstellt ist: den voraussichtlichen Einnahmen der letzten vier Monate wird das Gelderfordernis für diese Zeit gegenüber gestellt. Dieses Gelderfordernis setzt sich zusammen aus: Schuldendienst, Gehälter, Löhne, sonstige präliminierte Pflichtausgaben und kassamässiges Erfordernis für die Verpflichtungen bis 1. September 1928. Es handelt sich also um Geldausgaben, die nicht etwa Neuanschaffungen, Ankauf von Materialien u.dgl. vorsehen, sondern um Ausgaben, die kraft gesetzlicher, vertragsmässiger oder dienstrechtlicher Bestimmungen geleistet werden müssen, also um Pflichtausgaben. Und dieses

Präliminare, das keinen wie immer gearteten Sachaufwand vorsieht, ergibt einen Geldabgang pro 31. Dezember 1928 von S 236.822.- das heisst der Gemeinde fehlt am 31. Dezember 1928 dieser Betrag. Auf die Konsequenzen dieses Ergebnisses werde ich noch zu sprechen kommen. Ich halte mich verpflichtet, über die Ausgaben der letzten vier Monate die genaueste Rechenschaft zu geben. Ich habe bereits darauf hingewiesen, dass nur Pflichtausgaben eingestellt sind, sodass das Wort "Ersparen" für dieses Präliminare überhaupt nicht anwendbar ist. Die Hauptausgaben verursacht der Schuldendienst, der für die letzten vier Monate d.J. allein S 117.978.- ausmacht. Der Schuldendienst ist die drückendste Sorge der Verwaltung. Ich brauche die Zeit der Inflation nicht zu schildern, ich brauche nicht zu schildern, wie die Gemeinde mit ihren starren aus der Vorkriegszeit stammenden Einnahmen den sprunghaft erhöhten Ausgaben nicht mehr nachkommen konnte. Der Gemeinde stand nicht die Notenpresse zur Verfügung und so mussten Darlehen auf Darlehen aufgenommen werden, die natürlich auch verzinst werden müssen. Ueber die Zinsen- und Kapitalsabzahlung gibt nachstehende Zusammenstellung Aufschluss: % der Gesamtausgaben 1922 1.200.- 5.7 1923 26.000.- 1.8 1924 130.000.- 5.1 1925 240.000.- 7.1. 1926 276.000.- 12.3 1927 192.000.- 17.5 1928 (bis 1.9.) 254.000.- -- Die Gemeinde hat also in den letzten acht Jahren ungefähr 1 1/2 Million Schilling allein an Zinsen- und Kapitalsrückzahlungen geleistet, eine geradezu ungeheure Summe, die fast ausschliesslich dem Bankkapital abgestattet wurde.

Der Gesamtschuldendienst mit 1.September 1928 beträgt ohne die Landesrückstände S 3,489.620.- ein Betrag, der im Vergleich zu anderen Städten nicht einmal übermässig erscheint. Da der Voranschlag für die letzten vier Monate des Jahres 1928 nicht als Spiegelbild der laufenden Gebarung für das Jahr 1929 angesehen werden kann, habe ich ein Gelderfordernispräliminare auch für das Jahr 1929 nach denselben Grundsätzen ausgearbeitet Ausser den bereits erwähnten Pflichtausgaben wurden nur jene Sachauslagen eingestellt, die zum reinen Amtsbetrieb unumgänglich notwendig sind. Die Einnahmen dieses Präliminares sind mit den Höchstziffern präliminiert und unter der Voraussetzung, dass in den Steyr-Werken im Jahre 1929 ständig 6000 Arbeiter verwendet werden. Ich habe das mit voller Absicht getan, um schon von vornherein den Verdacht geheimer Reserven auszuschalten. Eine Ermässigung irgend einer gemeinschaftlichen Bundessteuer oder die Reduktion der Belegschaft in den Steyr-Werken würde daher die Ziffern vollständig über den Haufen werfen. Und ich werde nun den Nachweis erbringen, dass trotz dieser heute günstigen Ziffern auch für das Jahr 1929 ein grosser Geldabgang wieder zu verzeichnen ist. Ich schicke ferner voraus, dass in diesem Geldpräliminare pro 1929 ein Erfordernisbetrag des Bauamtes für die unumgänglich notwendigsten Arbeiten im Ausmasse von S 204.145.- nicht eingesetzt ist, obwohl es sich hier um Arbeiten handelt, zu denen wir nach den Bestimmungen des Sanitätsgesetzes geradezu verpflichtet sind. Nicht eingesetzt wurde ferner die Schuld an das Land Oberösterreich für die Zeit vom November 1926 bis Juni 1928 im Betrage von S 304.000. Die Zusammenstellung dieses Geldpräliminares pro 1929 ergibt einen vollkommen unbedeckten Abgang von S 115.034.- Da, wie bereits ausgeführt, das Jahr 1928 mit einem Geldabgang von rund 230.000 S abschliesst, so muss im Jahre 1929 ein Betrag

von mindestens. S 345.031.- aufgebracht werden. In diesem Betrage aber sind die vom Bauamt geforderten S 204.000 nicht inbegriffen. Sollen also diese Arbeiten auch durchgeführt werden - sie sind ja ohnehin das Minimum der kommunalen Verwaltung - so wäre für das Jahr 1929 entweder durch Ersparungen oder durch Abgabenerhöhungen die Summe von 549.000.- S aufzubringen. Bevor ich nun auch auf die Schlussfolgerungen, die sich aus den Ziffern des Präliminares 1929 ergeben, zu sprechen komme, möchte ich einzelne Posten, soweit sie mir von Bedeutung erscheinen, des näheren erörtern. Der Schuldendienst allein beträgt für das Jahr 1929 S 404.457.-, Rund 1/5 der Gesamteinnahmen geht auf den Schuldenund Kapitalsdienst auf. Es wäre also die erste Aufgabe des gewissenhaften Verwalters, auf diesem Gebiete etwa durch eine Konvertierung der Schulden die Situation zu verbessern. Aber auch dieser Weg ist ungangbar, da ja die Schulden des Bundes bloss mit 5 % verzinst werden und die Rückstände an das Land Oberösterreich unverzinslich sind. Wir kommen eben immer und immer wieder zu dem Resultat: Die Einnahmen sind zu gering. Einer derartigen Kreditoperation würde ich jedoch nur in dem Augenblick meine Zustimmung geben, wo ich im Stande bin, den daraus entstehenden Verpflichtungen restlos nachkommen zu können. Ich habe bereits ausgeführt, dass der heutige Tag ein Schicksalstag in der Geschichte der Gemeindepolitik von Steyr ist, ich habe betont, dass ich eine Art Bilanz ziehen will. Ich darf es daher in dieser Stunde nicht unterlassen, über ein Kapitel zu sprechen, das mir die grössten Sorgen macht, weil von der Lösung dieser Frage das Schicksal von Menschen abhängt. Ich will mir nicht einmal in späterer Zeit vorwerfen lassen, dass ich nicht mit genügender Schärfe auf diese Gefahren hingewiesen habe. Und gerade der gegenwärtige Augenblick scheint mir der geeigneteste zu sein um eine

letzte Warnung an die vorgesetzten Behörden ergehen zu lassen. Ich denke da an die sanitären Verhältnisse dieser Stadt. Es ist uns allen zur Genüge bekannt, dass das Fehlen einer zentralen Wasserleitung und einer einheitlichen Kanalisation die ständige Gefahr einer Epidemie in sich birgt. Aber wie soll eine so arme Stadt ein Problem lösen, dass die früheren Verwalter zu jener Zeit nicht lösen konnten, wo die Waffenfabrik 55 % Dividende ausschüttete? Was in den Zeiten der Hochkonjunktur, in den Zeiten, wo in Steyr 17.000 Arbeiter beschäftigt waren, nicht geschaffen worden ist, das kann wahrhaftig in der Zeit der Wirtschaftskrise und der zerrütteten Gemeindefinanzen nicht einmal begonnen werden. In dem Präliminare 1929 ist kein Schilling für ein Kanalrohr, kein Schilling für Bohrungsarbeiten vorgesehen. Auch hier muss gesagt werden: ausserordentliche Massnahme oder endgiltiger Verfall. Mein Vorgänger und ich haben auf diese Gefahren ungezählte Male hingewiesen, alle in Betracht kommenden Instanzen sind von diesem Zustande informiert, ich habe in der breitesten Oeffentlichkeit, ja auf dem österreichischen Städtetag darauf aufmerksam gemacht. Ich komme nun auf die Schlussfolgerungen zu sprechen. Der Geldabgang pro 31. Dezember 1928 beträgt, wie bereits ausgeführt, rund 230.000 S. Die Ausgaben können - ich kann das nicht genug stark betonen - nicht gedrosselt werden, weil eben keinerlei Sachauslagen vorgesehen sind. Das bedeutet daher die Einstellung aller privatrechtlichen Verpflichtungen und die Unmöglichkeit einer geregelten Gehaltsauszahlung für die Zukunft. Das bedeutet die Unmöglichkeit, diese Gemeinde weiter zu verwalten.

So weit aber dürfen wir es nicht kommen lassen, ja wir hielten den Augenblick für geeignet, das Problem dieser Stadt in seiner ganzen Tiefe aufzurollen. Wir hatten daher ein Sanierungsprogramm ausgearbeitet, von dem wir glaubten, dass es den Gemeindehaushalt in Ordnung bringen könne. Die wichtigste Grundlage dieses Sanierungsprogrammes, das ja in der Presse ausführlich besprochen worden ist, ist, wie bereits ausgeführt, gefallen. Wir waren uns zwar bewusst, dass wir mit diesem Sanierungsprogramm der schwer bedrängten Bevölkerung dieser Stadt neue drückende Lasten auferlegen würden. Ich fühle mich jedoch verpflichtet, folgendes festzustellen: Auch die Majorität hätte der Bevölkerung dieses Opfer gerne erspart, ist sie sich doch bewusst, dass die Erhöhung der Mietzinsabgabe alle Schichten der Bevölkerung getroffen hätte. Aber die Majorität trägt die volle Verantwortung für die Geschäfte und es wäre nicht nur das Zeichen der Schwäche, sondern auch der Verantwortungslosigkeit gewesen, im Sanierungsplan auf jene Steuerquelle zu verzichten, die allein der Gemeinde ein jährliches Plus von 210.000 S eingebracht hätte. Es ist ein unlösbarer Widerspruch, wenn der Finanzminister empfiehlt, die strengsten Sanierungsmassnahmen zu beginen, die wir eigentlich praktisch schon seit drei Jahren in einem kaum zu überbietenden Masse üben, und uns andererseits nicht die Möglichkeit gibt, die Einnahmen zu vergrössern, denn die Steuern, die wir zur Erhöhung beantragen dürfen, bringen uns nur lächerliche Summen herein. Ich möchte bei dieser Gelegenheit gleich auf die Aussprache beim Finanzminister zu sprechen kommen. Das von uns ausgearbeitete und in der Presse veröffentlichte Sanierungsprogramm sah ausser der Erhöhung der Mietzinsabgabe als wesentliche Entlastung noch die Verbundlichung der Polizei und den Verkauf einiger Realitäten an Land und Bund vor. Was wir beim Finanzminister erreicht haben, ist, dass er uns die ernste Prüfung unserer Sanierungsvorschläge zugesagt hat.

Wir wissen also nicht mit Gewissheit, ob bezw. wann die Polizei verbundlicht wird, ob bezw. wann die dem Bunde angebotenen Realitäten gekauft werden. Jeder Tag aber, den wir versäumen, bedeutet für uns schwere Verluste und es ist nicht schwer auszurechnen, was die Gemeinde verliert, wenn etwa das Jahr 1929 verstreichen sollte, ehe der Finanzminister den einen oder anderen Vorschlag annimmt. Ich fürchte, dass die Genugtuung darüber, dass die Mietzinsabgabe nicht erhöht werden darf, nur allzubald einer schweren Enttäuschung Platz machen wird, denn eine wirkliche Sanierung ohne Erhöhung der Mietzinsabgabe oder ohne grössere Beteiligung an den Erträgnissen der Biersteuer ist schlechthin undenkbar; das werde ich mit unwiderlegbaren Ziffern beweisen. Die technischen Rückstände dieser Stadt werden immer grösser werden, die sanitären Verhältnisse werden immer schlechter werden, die Wohnungsnot wird immer grössere Dimensionen annehmen. Wir sind uns ja nur allzusehr bewusst, dass wir in dieser Stadt keine Experimente machen können, dass wir uns vorläufig darauf beschränken müssen, das armselige Erbe der Vergangenheit notdürftig zu erhalten. Wir wissen, dass wir in der nächsten Zeit kein Versorgungshaus bauen können, obwohl der gegenwärtige Zustand nicht nur unerträglich ist, sondern geradezu grauenhaft genannt werden muss. Wir wissen, dass Wir in der nächsten Zeit keine Schule werden bauen können, obwohl der Zustand unserer Schulen geradezu eine Kulturschande ist. Ich fürchte also, dass sich die Unmöglichkeit der Durchführung unserer Pläne in späterer Zeit bitter rächen wird, denn eine Stadt, die, um ein Wort des Ministers zu gebrauchen, vor dem „Ausverkauf" steht, kann nicht auf Milliarden verzichten. Ich glaube also - ich halte es für meine sittliche Pflicht, dies der Bevölkerung meiner Vaterstadt mit aller Offenheit zu sagen - dass die Zukunft uns, weil wir nicht mit den richtigen und ausgiebigen Mitteln zur Sanierung einsetzen können, noch grössere Lasten wird bringen als die von uns vorgeschlagenen.

Es ist eine Pflicht des politischen Anstandes und der Ausdruck meines persönlichen Empfindens, dass ich bei diesem Anlasse dem Landeshauptmann, der sich mit aller Wärme für die Stadt eingesetzt hat, den Dank der Gemeindevertretung ausspreche. Wir sind nun leider auch gezwungen, da wir den Aufgabenkreis reduzieren müssen, einen Personalabbau, mit dem sich ja der Gemeinderat noch speziell zu beschäftigen haben wird, vorzunehmen. Ich muss hier gleich missverständlichen Auffassungen vorgreifen. Man hört jetzt in der Oeffentlichkeit: Ja, was haben die Beamten bis jetzt getan, wenn man auf einmal eine grössere Anzahl entbehren kann? Die Frage ist ganz unrichtig. Unsere Beamten und Angestellten waren bis jetzt voll beschäftigt. In dem Augenblick aber, wo der Aufgabenkreis eingeschränkt wird, werden eben Menschen, die diesen Aufgabenkreis zu bewältigen haben, frei. Es ist dies eine Massregel, die wir wahrhaftig nur unter dem Druck der furchtbaren Not ergreifen. Ich muss in diesem Zusammenhang die Mitteilung machen, dass der Finanzminister der Meinung ist, dass die Stadtgemeinde sich dofort mit den Beamten und Pensionisten in Verbindung setze, um sie zu einem teilweisen freiwilligen Verzicht auf Gehalt und Pension zu bewegen. Was uns aber am meisten berührt und uns geradezu aufs tiefste erschüttert, das ist der Abbau der sozialen Fürsorge. Wer die Not in dieser Stadt kennt, der muss ohne Unterschied der Partei diese Massnahme am meisten bedauern. Was die Mehrheit des Gemeinderates anlangt, so ist sie ja kraft ihrer Geschichte und Tradition die Vorkämpferin der wirtschaftlich Schwachen und Entrechteten gewesen. Und nun zwingt uns ein grausames Schicksal, unsere Fürsorge zu reduzieren auf die Ansprüche des Armenrechtes. Wer die Geschichte der sozialdemokratischen Partei kennt, weiss, dass ein Sozialdemokrat eine solche Massnahme nur unter dem Druck unwiderstehlichen Zwanges beschliessen kann. Wir würden aber unsere Wähler und die ganze Bevölkerung belügen, wollten wir nicht

auch auf diesem Gebiete die durch die Not aufgezwungenen Konsequenzen ziehen. Es ist im Gegenteil der Ausdruck der höchsten Verantwortlichkeit, wenn man den Mut hat, die Wahrheit zu sagen selbst auf die Gefahr hin, unpopulär zu werden. Die wirtschaftlichen Verhältnisse sind eben mächtiger als die besten Absichten. Ich gelobe jedoch in dieser Stunde, dass wir, sobald es uns die Verhältnisse gestatten, diesem Zweige der öffentlichen Verwaltung wieder unsere ganz besondere Aufmerksamkeit schenken werden. Wir wollen wahrlich unseren Grundsätzen nicht untreu werden. Ich habe anfangs bereits ausgeführt, dass ich einen wirklichen Sanierungsplan auf Grund der Stellungnahme des Finanzministeriums nicht vorlegen kann. Das, was heute der Gemeinderat zu beraten und zu beschliessen haben wird, ist leider bloss der Torso eines Sanierungsplanes. Dieser reduzierte Sanierungsplan sieht zunächst die Erhöhung von Gemeindeeinnahmen, also die Erhöhung von Gemeindeabgaben vor. Ich habe dem Gemeinderate 4 Steuernovellen zur Beschlussfassung vorzulegen und zwar: Ankündigungsabgabe, Konzessionsabgabe, Hundeabgabe und Pferdeabgabe. Bei der Ankündigungsabgabe sollen nur die Sätze für die Firmen- und Steckschilder bezw. die dauernden Ankündigungen erhöht werden. Konzessionsabgabe, Hundeabgabe und Pferdeabgabe sollen verdoppelt werden. Die Erhöhung dieser Abgaben fällt nicht besonders ins Gewicht und ist auch erträglich. Das voraussichtliche Mehrergebnis dieser vier genannten Abgaben macht pro Jahr aus den Betrag S 20.000.- Ausserdem soll die Kehrichtabfuhrgebühr, bei der die Gemeinde jetzt die Hälfte der Kosten trägt, eine Neuregelung erfahren, die das Erträgnis ungefähr verdoppelt. Das Mehrerträgnis macht pro Jahr aus den Betrag von S 10.000.- Schliesslich schlagen wir noch eine Erhöhung des

Wasserzinses um 100 % vor. Es sei bemerkt, dass die Stadt Steyr so ziemlich den billigsten Preis für das Wasser einhebt. Das Mehrerträgnis macht pro Jahr aus S 16.000.- Die Steuererhöhungen und die Erhöhungen der städtischen Gebühren werden also ein voraussichtliches Mehrerträgnis von S 46.000.- pro Jahr ausmachen. Da aber die Bundesregierung neue Belastungen der Gemeinden, speziell auf dem Gebiete der Kleinrentnerfürsorge plant, die ungefähr für die Stadt Steyr diesen Betrag ausmachen, so haben wir also durch die Erhöhung der Abgaben und Gebühren gar nichts erreicht, sie kommen eigentlich indirekt dem Bunde zugute. Und nun komme ich zu den Ersparungsvorschlägen auf personellem Gebiete. Ich kann im Augenblicke, abgesehen von den noch heute in der vertraulichen Sitzung zu beschliessenden Massnahmen, vorläufig nur einen generellen Antrag stellen. Im übrigen hängt ja der vorzunehmende Abbau innig mit dem Problem der Verbundlichung der Polizei zusammen und mit dem erst gesetzlich zu regelnden Aufgabenkreis der Gemeinde auf dem Gebiete der Lokalpolizei. Heute können wir noch nicht sagen, welche Aufgaben der Lokalpolizei der Gemeinde verbleiben werden. Sicher ist, dass der verminderte Aufgabenkreis - ich habe darüber bereits gesprochen - einen verminderten Verwaltungsapparat bedingt. Ich will nun eine Uebersicht über den städtischen Beamtenapparat geben und das Jahr 1918 mit dem Jahre 1928 vergleichen, um den Nachweis zu erbringen, dass keine unsachliche Vergrösserung vorgenommen worden ist. Im Jahre 1918 waren in der Hoheitsverwaltung 106 Beamte beschäftigt, gegenwärtig sind es 170, also um 64 mehr. Wir werden gleich sehen, dass die Vergrösserung nur scheinbar ist und sachlich vollkommen begründet erscheint. Vor dem Zusammenbruch hatte die Gemeinde keine eigenen Abgaben, heute hat sie 15 eigene Abgaben zu verwalten. Im Abgabenamte sind

drei Beamte beschäftigt. Die städtischen Abgaben inclusive der Landeszweckabgabe, die ebenfalls von dem städtischen Verwaltungsapparat eingehoben wird, sind für das Jahr 1929 mit S 1,600.000.- präliminiert; also ein Amt, dem man die Daseinsberechtigung gewiss nicht absprechen kann. Im Arbeitsamte waren im Jahre 1918 2 Beamte, gegenwärtig sind 11 Beamte; die Festsetzung der Anzahl der Beamten in diesem Amte obliegt übrigens der Industriellen Bezirkskommission, wie auch diese Beamten vom Bunde bezahlt werden und das Gemeindebudget daher nicht belasten. Kommt nun das Fürsorgewesen, das die relativ stärkste Vermehrung des Beamtenapparates zeigt. Vor dem Jahre 1918 wurde das sogenannte Armenwesen ganz nebenbei verwaltet, es war nur ein Beamter im Armenreferat beschäftigt. Gegenwärtig zählt das Fürsorgeamt 16 Beamte, Angestellte, Fürsorgerinnen, Kindergärtnerinnen und Pflegerinnen. Wir sind nunmehr durch die Verhältnisse gezwungen, uns auf diesem Gebiete Einschränkungen aufzuerlegen. Auch mit diesen Vorschlägen wird sich der Gemeinderat noch zu beschäftigen haben, da ja die Abbaumassnahmen selbstverständlich nicht über die Nacht durchgeführt werden können. Schliesslich noch einige Worte über die Ausgestaltung des Sicherheitswesens. Im Jahre 1918 waren 37 Sicherheitswachebeamten, heute haben wir 64. Die Vergrösserung des Apparates hängt mit dor Vergrösserung des Stadtgebietes und mit der Einführung des dreiteiligen Dienstes, den die Sicherheitswache überall hat, zusammen. Da aber die Polizoi voraussichtlich verbundlicht werden soll ist ja über dieses Kapitel nichts mehr weitor zu sagen. In don letzten 5 Jahren erfolgten keine Neuaufnahmen mehr, obwohl 31 Beamte durch Pensionierungen und Todesfall aus dem Dienste schieden (darunter 8 Sicherheitswachebeamte). Es ergibt also der Vergleich unter Berücksichtigung des vorher Gesagten folgendes Resultat: Im Jahre 1918 waren ohne Arbeitsamt und Sicherheitswache 61 Beamte, im Jahre 1928 sind 95, da inwzischen 23 Beamte pensioniert bezw. gestorben sind,

so ergibt sich ein wirkliches Mehr gegenüber der Zeit vor 5 Jahren um 5 Beamte. Der Arbeiterstand betrug im Jahre 1918 57, ohne die im Strassendienst tätig gewesenen Armenhauspfleglinge. Er beträgt gegenwärtig 66. Ich komme nun auf die Auswirkungen unserer Vorschläge zu sprechen. Der Geldabgang pro 1929 beträgt S 115,031.- dazu kommt die an das Land rückständige Lohnabgabe von S 314.402.- Der Geldabgang pro 1928 beträgt S 230.000.- Schliesslich die vom Bauamte für die im öffentl.Interesse gelegenen Arbeiten beantragte Summe S 204.145.— zusammen S 863.581.- Die Erhöhung der Abgaben und städtischen Gebühren kommt, wie bereits erwähnt, kaum in Betracht. Dazu ist ferner zu bemerken: Die im Präliminare vorgesehenen Einnahmen sind vor allem aufgebaut auf einer Belegschaft von 6000 Arbeitern in den Steyr-Werken. Niemand von uns weiss, ob dieser Stand im Jahre 1929 aufrecht erhalten bleibt, geschweige denn, ob mit dieser Belegziffer für alle kommenden Jahre zu rechnen ist. Die Ersparungen auf personellem Gebiete wirken sich im Jahre 1929 nicht voll aus, weil wir ja Abfertigungen und Entschädigungen nach den bestehenden gesetzlichen Bestimmungen zu leisten haben. Wir haben also für das Jahr 1929, vorausgesetzt, dass in den Steyr-Werken kein Rückschlag eintritt, dass die Bundesertragsanteile in der gleichen Höhe zur Ueberweisung gelangen, dass kein besonderes Elementarereignis in dieser Stadt eintritt, mit dem obgenannten Geldabgang, den wir nirgends hereinbringen können, zu rechnen haben. Dieser Abgang kann allerdings eine Minderung erfahren, wenn der Bund die Polizei verbundlicht,

Da uns aber der Minister selbst gesagt hat, dass wir in dieser Hinsicht mit einer schnellen Erledigung nicht rechnen können, so werden wir voraussichtlich mit einem Geldabgang von rund 750.000 bis 800.000 S zu rechnen haben, denn die Realisierung der Vermögenswerte, die wir dem Bunde vorgeschlagen haben, dürfte im Jahre 1929 nicht zur Durchführung kommen, da das Bundesbudget derartige Transaktionen nicht vorsieht. Wie also sollen wir den Geldabgang decken? Steuern dürfen wir nicht machen, die Regelung der Abgabenteilung hat uns so gut wie nichts gebracht, die Ersparungen auf personellem Gebiete sind ja wirklich nicht ausschlaggebend, ganz abgesehen davon, dass der Beamtenapparat in Hinkunft derart reduziert ist, dass die verantwortlichen leitenden Beamten erklären, dass ein besonderes Ereignis die ordnungsmässige Durchführung der Geschäfte geradezu gefährdet. Das letzte Auskunftsmittel ist also die Realisierung von Vermögenswerten. Und da kommt zunächst in Betracht die Verländerung des städtischen Spitales. Wir haben uns bei der Vorberatung des Sanierungsprogrammes auf den Standpunkt gestellt, dass wir die Erhöhung von Abgaben mit der Realisierung von Vermögenswerten kombinieren müssen, weil wir der Ueberzeugung sind, dass das Problem Steyr, das nun einmal ins Rollen gekommen ist, nicht mit Halbheiten gelöst werden kann, sondern dass es einer ganzen Tat bedarf, um diese Stadt zu retten. Wir waren daher und sind auch heute noch der Ansicht, dass das Problem dieser Stadt nur mit den von uns vorgeschlagenen Methoden lösbar wäre. Dieser Auffassung hat auch der Landeshauptmann zugestimmt und sie beim Minister vertreten. Ein stückweises Sanieren wird nie und nimmer zum Ziel führen, denn wir werden den Zusammenbruch bloss hinausschieben, nicht aber verhindern. Das Problem Steyr ist nicht nur ein Finanzproblem, es handelt sich ja nicht nur darum, Soll und Haben ins Gleichgewicht zu bringen, es muss uns gelingen, die Versäumnisse der Vergangenheit

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