der Siegerstaaten aber hat uns von unseren Stammesgenossen, von den Brüdern in der deutschen Republik, getrennt. Ich bin wohl Ihrer Zustimmung sicher, wenn ich in dieser feierlichen Stunde dem Wunsche Ausdruck verleihe, dass die Zeit bald kommen möge, wo die grosse deutsche Republik zur Wahrheit werde, die schon ein Traum der Revolutionäre des Jahres 1848 gewesen ist, jene grosse Republik, die alle Deutschen einschliesst, auch die, die durch das Friedensdiktat unter fremden Joche schmachten. Als Sozialdemokrat bin ich kein Nationalist im chauvenistischen Sinne, als Sozialdemokrat halte ich es mit Göthe, der über den Nationen stand. Aber weil ich zum internationalen Gedanken erzogen bin, wünsche ich aus Gründen der kulturellen Entwicklung den Zusammenschluss der Nationen, die einander bekämpfen mögen mit den Waffen des Geistes zur Erreichung der höchsten Kulturideale. Denn das ist der Sinn des Lebens, den schon Aristoteles erkannt hat: die Tat, die Arbeit und zum Preise der Arbeit gelangt ja auch Göthe in seinem Faust. Grosse geschichtliche Ereignisse pflegt man am besten festzuhalten, wenn man ihrer mit besonderen Werken gedenkt. Wie schön wäre es, wenn wir an diesem Tage den Grundstein für eine Schule oder für ein Versorgungshaus legen könnten! Aber in dieser Stadt der Armut und des Elendes sind gegenwärtig derartige Projekte unmöglich. Wir können daher den Tag, den ich als Tag des Friedens, als den Tag der Befreiung des Volkes aus unwürdiger Bevormundung bezeichnen möchte, nur gefühlsmässig feiern. Wir feiern ihn aber deswegen nicht weniger innig. Ich kann nur aus ganzem Herzen wünschen, dass auch in dieser Stadt einmal die Zeit kommt, wo wir wirklich kulturelle Aufbauarbeit leisten können. Wenn wir auch arm sind, wenn uns auch die Sorgen des Alltages drücken, den Idealismus, den Glauben an die
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