35. Sitzung. Niederschrift über die 35. ordentliche Sitzung des Gemeinderates der autonomen Stadt Steyr am 7. April 1927. Tagesordnung. 1.) Bericht desBürgermeisters. Finanz- und Rechtsausschuss. Referent: Bgm. Stellv. Russmann. 2.) Budgetprovisorium per 1927. Referent: Bürgermeister Sichlrader. 3.) Gemeinde - Statut. Referent: Bgm. Stellv. Russmann. 4.) Kehrbezirkseinteilung. 5.) Umbenennung der Station Steyrdorf. Referent: G.R. Tribrunner. 6.) Rekurs gegen eine Entscheidung der Mag. Abt. II 7.) Rekurs gegen eine Entscheidung der Mag. Abt. III 8.) Ansuchen um Herabsetzung der Landeszweckabgabe. 9.) Rekurs gegen eine Vorschreibung der Landeszweckabgabe. Vertrauliche Sitzung. Anwesende: Vorsitzender Bürgermeister Sichlrader die Bürgermeister-Stellv. Karl Dedic, Dr. Hubert Messenböck und Direktor Julius Russmann, die Gemeinderäte:
Dosch Else Baumgartner Johann Fiala Karl Ecker Alois Furrer Ulrich Dr. Fischer Karl Hiessmayr Franz Hafner Josef Kisely Berta Klaffenböck Johann Kranjak Marie Klement Karl Lind Eduard Lebeda Alois Lischka Hans Mayr Anton Radmoser Johann Kammerhofer Franz Schlossgangl Leopold Saiber Alois Steinbrecher Leopold Schneeweiss Rudolf Dr. Tribrunner Franz Urban Josef Witzany Hans Voglsam Josef Wolf Josef Wolfartsberger Hans Vom Magistrate: Magistratsdirektor Dr. Ferd. Häuslmayr. Schriftführer: Kanzleidirektor Karl Kapinus. Entschuldigt sind die G.R. Fridrich und Kletmayr. Zu Niederschriftsprüfern werden die G.R. Hafner und Klaffenböck berufen. Der Bürgermeister eröffnet die Sitzung, stellt die Beschlussfähigkeit fest und teilt zu Punkt 1.) Mitteilungen des Bürgermeisters mit: a) Der Rechnungsabschluss pro 1926 liegt auf. b) Bericht der Kassenrevisoren c) Einladung des Kanninchenzuchtvereines zur Jubiläumsaustellung zu Ostern. d) Einladung zur Wohltätigkeitsvorstellung am 10. April 1927 der Frauengewerbeschule e) Bericht über die Ergebnisse der Armensubskription pro 1926. Zur Kenntnis.
Sodann nimmt G.R. Hofrat Dr. Furrer das Wort und beantragt: das Magistrats-Präsidium wird beauftragt ehestens Schritte einzuleiten, um dem hochverdienten Primarius Dr. Erich Oser den Titel Obermedizinalrat zuteil werden zu lassen. Bürgermeister Sichlrader erklärt die von Hofrat Dr. Furrer angeführten Verdienste vollinhaltlich bestätigen zu können und den Antrag bestens zu begrüssen. G.R. Fiala kritisiert den Antrag und meint Titel seien nur dann zu verleihen, wenn sie gebühren. Dr. Oser mache aber bei Operationen sehr hohe Rechnungen, was kleine Geschäftsleute und Arbeiter nicht erschwingen können. Er erklärt nicht dafür zu sein aber auch nicht dagegen zu stimmen. G.R. Witzany weist den Vorwurf, dass Dr. Oser aus Menschenwürde Geschäfte mache zurück und betont, dass die Arbeiterklasse keinen Anlass hat, sich über Dr. Oser zu beschweren. Bei der Abstimmung wird der Antrag mit 2 Stimmen (Kommunisten) Enthaltung angenommen. Punkt 2.) Budgetprovisorium 1927. Referent: Bgm. Stellv. Russmann. Zl. 6374/27. Der Referent erläutert dann aus welchem Grunde die Vorlage des Präliminares per 1927 nicht erfolgen könne, das sei vor allem deshalb weil ein richtiges Budget insolange nicht erstellt werden könne, als die Verhandlungen mit der Regierung nicht erfolgt sind, die aber jetzt im Stadium der Umbildung des Ministeriums nicht eingeleitet werden können; aber auch soll dem neuen Gemeinderat Gelegenheit gegeben sein, das ordentliche Budget selbst zu bestimmen. Er beantragt namens des Ersparungskomitees und des Finanzausschusses:
Der Gemeinderat bewillige provisorisch die unbedingt notwendigen Ausgaben für die erste Hälfte des Verwaltungsjahres 1927. Die Bestimmungen des Gemeinderatsbeschlusses vom 12.März 1926, ZI. 5953, betreffend die Bestellung des Ersparungskomitees bleiben vollinhaltlich aufrecht. Das Ersparungskomitee wird unter einem ermächtigt, dringende in die Zuständigkeit des Gemeinderates fallende Angelegenheiten bis zur Konstituierung des neuen Gemeinderates im eigenen Wirkungskreis zu erledigen, und ersucht um Annahme des Antrages. G.R. Ecker zitiert einen Zeitungsartikel des Abgeordneten Jetzinger, in welchem dieser die rechtzeitige Vorlage des Präliminares fordert und als einen Beweis einer ordentlichen Geschäftsführung ansieht. G.R. Ecker behauptet, dass alle grösseren Städte dies auch getan haben, nur Steyr nicht. Er befürchte, dass die Gemeinde sich nicht traue, die Vorlage einzubringen. Alle Vorlagen werden im Ersparungskomitee ausgeschnapst. Er erklärt gegen den Antrag zu stimmen. Die Ausführungen G.R. Eckers erregen lebhaften Widerspruch auf allen Seiten und Bgm. Stellv. Russmann erklärt kurz den Anwurf zurückzuweisen, dass die Gemeinde etwas zu verschleiern habe. Nachdem noch Bgm. Stellv. Dedic, der inzwischen den Vorsitz übernahm, eine kurze Feststellung macht, wird der Antrag bei der Abstimmung mit allen gegen 1 Stimme (G.R. Ecker) angenommen. Punkt 3.) Gemeinde - Statut Änderung. 21. 24794/25. Referent: Bürgermeister Sichlrader. Bürgermeister Sichlrader referiert über den Entwurf des Neu-
en Gemeindestatutes und bespricht die wichtigsten Änderungen in formaler und materieller Hinsicht. Der Entwurf ist unter Berücksichtigung der lokalen Verhältnisse dem derzeit geltenden Wienerstatut angepasst. Eine Besonderheit ist, dass die Institution eines unbesoldeten Stadtrates vorgesehen ist, dass ferner die Anzahl der Bürgermeisterstellvertreter und der Stadträte nach den jeweiligen Bedürfnissen der Gemeindeverwaltung bestimmt wird und dass schliesslich der Magistrat und die Unternehmungen der Gemeinde verfassungsrechtlich geregelt sind. Der Referent stellt namens des Finanz- und Rechtsausschusses folgenden Antrag: Der Gemeinderat genehmige den vorliegenden Entwurf eines neuen Statutes in der vom Finanz - und Rechtsauschuß beschlossenen Form. G.R. Hafner stellt den Antrag auf en bloc Annahme des Entwurfes. G.R. Fiala befürchtet, dass auch die Stadträte, trotzdem im Entwurf dieses Amt als Ehrenamt bezeichnet ist, später doch besoldet werden. G.R. Ecker bekritelt den Passus, der die Unzulässigkeit der Verzichtserklärung auf Funktionsbezüge vorsieht. Bürgermeisterstellv. Dr. Messenböck erklärt namens der Wahlvereinigung, für die Annahme des Statutes zu stimmen mit Ausnahme des § 26, der seine endgiltige Redigierung im Landtage finden soll. Der Antrag wird mit 2 Stimmen Enthaltung einstimmig angenommen. Punkt 4.) Kehrbezirkseinteilung. Zl. 3261/27. Der Referent Bgm. Stellv. Russmann erklärt vorerst den Gang der bisherigen Verhandlungen, wozu erst heute vor-
mittags der Genossenschaftsobmann Haidenthaller von ausseramtlichen Vereinbarungen mit Schickl Mitteilung machte und daher die Frage akut sei, ob die Sache nicht ganz zurückgestellt werden soll. Unter lebhafter Zustimmung des Gemeinderates beantragt indes der Referent namens des Finanzausschusses: Der Gemeinderat lehnt im Sinne des § 42 der G. O. die von der Vorstehung der oberösterr. Rauchfangkehrergenossenschaft beantragte neuerliche Kehrbezirkseinteilung für das Stadtgebiet Steyr ab. Dieser Antrag wird angenommen. Punkt 5.) Umbenennung der Station Steyrdorf. Zl. 563/27. Der Gemeinderat beschliesse an die Generaldirektion der Bundesbahnen mit dem Ersuchen heranzutreten die Umbenennung der veralteten und irreführenden Bezeichnung der Station Steyrdorf der Steyrtalbahn in "Steyr Lokalbahn" durchzuführen. Der Referent gibt bekannt, dass in letzter Stunde seitens des Heimatschutzes angeregt wurde, den Bahnhof auf den Namen Steyrtal umzubenennen, was aber dem angestrebten Zweck ebenso wenig entspricht, als der bisherige Name. Es wird sohin der Antrag des Finanz-Ausschusses einstimmig angenommen. Punkt 6.) Rekurs gegen eine Entscheidung der Mag. Abt. II Zl. 3927/27. Der Referent G.R. Tribrunner beantragt: Der Gemeinderat beschliesse: der Berufung des Anton und der Marie Kotalik wird keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid vom Gemeinderate bestätigt. Ohne Debatte angenommen.
Punkt 7.) Rekurs gegen eine Entscheidung der Mag. Abt. III Zl. 3600/27. Pol. Antrag: Der Gemeinderat beschliesse: Der Berufung des Herrn Josef Rudelstorfer wird aus den Gründen der I. Instanz keine Folge gegeben und die Beschwerde überdies wegen Überschreitung der Berufungsfrist abgewiesen. Ohne Debatte angenommen. Punkt 8.) Ansuchen um Herabsetzung der Landeszweckabgabe. Zl. 5519/27. Dem Ansuchen des Herrn Engelbert Essletzbichler um neuerliche Herabsetzung der bereits von S 60.-- auf S 40.-- herabgesetzten Steuer für Landeszwecke wird keine Folge gegeben. Ohne Debatte angenommen. Punkt 9.) Rekurs gegen eine Vorschreibung der Landes-Zweckabgabe. Zl. 24971/26. Antrag: Dem Ansuchen des Rudolf Baumgartner um Herabsetzung der ihm vorgeschriebenen Abgabe für Landeszwecke im Betrage von S 30.-- wird keine Folge gegeben, da dieser Steuersatz den erhobenen Vermögensverhältnissen entspricht. Ohne Debatte angenommen. Am Schlusse der öffentlichen Sitzung angelangt, hält Bürgermeister Sichlrader folgende Ansprache: Sehr geehrte Frauen und Herren ! Bevor ich die Sitzung, die die letzte in dieser Funktionsperiode sein wird, schliesse, möchte ich noch eini-
ge Worte an die Mitglieder des Gemeinderates richten. Vier Jahre schwerer Arbeit liegen hinter uns. Die Wirtschaftskrise, die seit Jahren das industrielle Leben Oesterreichs hemmt, wirkt sich natürlich in einer Stadt wie Steyr in ganz besonderem Masse aus. Dazu kamen lokale Ereignisse, die Aussperrungen in dem grössten Betrieb unserer Stadt, die für die Stadt und damit für die Stadtverwaltung von tief einschneidender Bedeutung waren. Die Arbeitslosigkeit herrscht noch immer in dieser Stadt wie kaum in einem anderen Gemeinwesen unserer Republik. So ist es nur natürlich, dass der Aufgabenkreis der Gemeinde auf das Notwendigste beschränkt bleiben musste. Von den verderblichsten Folgen - es muss dies ausdrücklich betont werden - ist die Auswirkung der Finanzgebung des Bundes, die auf eine Stadt mit so eigenartiger sozialer und ökonomischer Struktur wie Steyr leider fast keine Rücksicht nimmt. Es ist und bleibt ein ungesunder und widernatürlicher Zustand, wenn sich die Gemeinden, die Keimzellen des Staates, in einem ständigen Kampfe mit den übergeordneten Körperschaften befinden müssen und wenn ihnen jede sogenannte Finanzregelung nur neue Opfer auferlegt. Es wird, soll sich diese Stadt der Versäumnisse, die aus früheren Zeiten stammend, erholen, die Einsicht Platz greifen müssen, dass man ihr endlich die notwendigen Einnahmen, die derzeit bloss auf Steuern beruhen, zubilligen muss. Trotz dieser ungeheuren Schwierigkeiten, deren wir allein nie Herr werden können, ist es uns aber doch gelungen, und ich muss ausdrücklich hervorheben, aus eigener Kraft gelungen, die finanzielle Situation der Gemeinde zu bessern, wenngleich ich nicht behaupten kann, dass die Finanzen heute schon saniert sind. Ich kann diesen Anlass nicht vorüber gehen lassen, um den Mitgliedern des Ersparungskomitees, vor allem dem Kollegen Hafner, der den Ge-
danken der Schaffung dieses Komitees hatte, von dieser Stelle aus den wärmsten Dank zum Ausdruck zu bringen. Ich muss aber auch allen anderen Mitgliedern des Gemeinderates für die Mitarbeit danken, ich kann feststellen, dass die Arbeit aller von jener Einsicht getragen war, die die unumgänglich notwendige Voraussetzung einer gedeihlichen Entwicklung ist. Es ist mir ein Bedürfnis, in dieser letzten Sitzung auch allen Beamten und Arbeitern der Gemeinde für die verständnisvolle Hingebung zur Sache meine vollste Anerkennung auszusprechen. Wir ziehen nunmehr alle in den Wahlkampf, der wie ich sicher hoffe, in würdiger Form ausgetragen werden wird. Lebhafte Bravorufe ! Der Vorsitzende: Der Schriftführer: Die Niederschriftprüfer:
Niederschrift über die vertrauliche Sitzung des Gemeinderates der Stadt Steyr am 7. April 1927. Bürgermeister Sichlrader gibt mit Zustimmung des Gemeinderates bekannt, dass als Punkt 3.) Grundankauf an Prof. Pawlik dazukommt. Punkt 1.) Heimatsangelegenheiten. Referent: G.R.Dr. Schneeweiss. I. Aufnahmen. Feichtinger Josef Schaumüller Dominik Pießlinger Franz, Winkler Franz Blahowec Cyrill Ruhsam Eduard Spiess Aloisia Gärber Rupert Hummer Konstanzia Pammer Zäzilia Pichler Marie Madreiter Joachim Gollner Josef Gartner Leopold Steinmayr Marie Limpöck Karl Liedringer Josefa Brandstätter Josef Huber Franz
Kottula Marie Kremsberger Franz Matschl Hugo Sellacher Ignaz Reiter Franz Reinisch Josef Veit Wilhelm Staufer Josef Raffezeder Karl Arthofer Marie Finner Karl Kierer Josef Hinterweger Karl Sedlmayr Alois Kastner Klara Frank Johann Zabransky Leopold II. Abweisungen. Hladky Anton Zeritsch Heinrich Pfenninger Karl Damberger Johann III. Zusicherungen. Hogl Adolfine Pokorny Johanna Futschek Martin Alle Anträge werden ohne Debatte
Punkt 2.) Personalangelegenheiten. Referent: G.R. Saiber. Zl. 97/Präs. Dietl Elise, Einreihung in die 5. Verwendungsgruppe. Angenommen. Zl. 581/26/Präs. Bachmayr Karl, Einreihung in die 7. Verw. Gruppe. Angenommen. Zl. 101/27/Präs. Vorschuss für die Angestellten aus dem Jahre 1924. Der Gemeinderat beschliesse: Der mit Gemeinderatsbeschluss vom 5. Juni 1924, Zl. 378/Präs. bewilligte Vorschuss per S 30.-- für die pragmatisierten und S 20.-- für die Vertragsangestellten wird als nicht rückzahlbar erklärt. Angenommen. Der Beschluss des Ersparungskomitees vom Zl. 615/Präs. 15.Dezember 1926 betreffend Altpensionisten wird neuerlich bestätigt. Angenommen. Punkt 3.) Grundüberlassung an Prof. Dr. Martin Pawlik. Zl. 4107/27. Referent G.R. Dr. Schneeweiss beantragt: Der Gemeinderat beschliesse den Verkauf eines Teiles der Grundparzelle 1249 nächst der Bundeslehranstalt für Eisen- und Stahlbearbeitung in einem noch zu bestimmenden Ausmass zum Zwecke der Erbauung eines Einzelwohnhauses an Herrn Prof. Dr. Martin Pawlik unter nachstehe den Bedingungen: 1.) Der Verkaufspreis beträgt pro m2 S 2.-- (zwei Schilling) und ist nach Rechtskraft des Kaufvertrages fällig; 2.) das Wohngebäude ist bis längstens 1.Dezember 1928 beziehbar fertigzustellen; sollte eine Verbauung
in dieser Zeit nicht erfolgen, so ist die Gemeinde berechtigt, das Grundstück um denselben Preis zurückzukaufen, wobei der Verkäufer sämtliche Kosten und Gebühren des Rückkaufes zu tragen hat. 3.) Die Ausführung des Hauses muss in Bezug auf die wichtigsten Ausmasse und die Bauform dem vorgelegten Entwurfe der Reformbaugesellschaft vom 1.März 1927 angepasst sein; das Gebäude ist so zu stellen, dass die längere Seite mit dem öffentlichen Wege Grundparzelle N° 1389 (Weg zur Lauberleite ) gleichläuft. 4.) Das Gebäude muss unmittelbar an die genannte Wegparzelle gebaut werden, so dass die wegseitige Bauflucht mit der östl. Weggrenze zusammenfällt. 5.) Alle mit dieser Grundtransaktion verbundenen Gebühren, Steuern und sonstigen Abgaben aller Art gehen zu Lasten des Käufers. 6.) Der Bau ist an die Reformbaugesellschaft Steyr zu vergeben. Der Verkauf hängt selbstverständlich von der Freilassung der belasteten Parzelle durch die Landeshypothekenanstalt in Linz ab. Wird ohne Debatte angenommen. Schluss der Sitzung 9 h 30. Der Vorsitzende: Der Schriftführer: Die Niederschriftsprüfer:
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