Gemeinderatsprotokoll vom 18. Dezember 1925

Z1. 24982. Das Wohnungsanforderungsgesetz soll am 31. Dezember 1925 ablaufen. Vom 1. Jänner 1926 hätte daher die Gemeinde kein Recht mehr, Wohnungen anzufordern, um sie Wohnungslosen zuzuweisen. Die Aufhebung der Wohnungsanforderung wäre speziell für die Stadt Steyr von geradezu katastrophaler Wirkung. Trotz der von der Gemeinde in den letzten Jahren geschaffenen Wohnungen sind die Verhältnisse in dieser Stadt noch immer die denkbar trostlosesten, noch immer sind 11 % der in Steyr wohnhaften Parteien direkt wohnungslos. Noch ist das jeder Kultur hohnsprechende Barackenelend nicht beseitigt und wird vermutlich auch in absehbarer Zeit nicht beseitigt werden können. Durch die Wohnungsanforderung ist es jedoch der Gemeinde gelungen, jährlich ca. 30 - 40 Wohnungen Wohnungslosen zuzuweisen; seit dem Bestande dieses Gesetzes wurden ca. 540 Wohnungen angefordert. Es ist einfach nicht auszudenken, wie sich die Verhältnisse entwickelt hätten, wenn die Gemeinde dieses Recht nicht gehabt hätte. Durch die Wohnungsanforderung ist es aber weiters möglich gewesen, dem Wohnungswucher einen wirksamen Riegel vorzuschieben. Steyr ist eine durchwegs proletarische Stadt. Fällt das Gesetz, so wird es den armen Schichten der Bevölkerung dieser Stadt überhaupt kaum mehr gelingen, eine Wohnung zu erhalten und es müsste sich der Wohnungssuchenden, die heute doch wenigstens die Hoffnung auf Änderung ihrer traurigen Lage haben, geradezu Verzweiflung bemächtigen, wenn sie keinerlei Aussicht mehr auf eine Wohnung hätten. Der Gemeinderat der Stadt Steyr protestiert daher mit aller Entschiedenheit gegen die Absicht der Regierung, das Wohnungsanforderungsgesetz ablaufen zu lassen. Der Gemeinderat der Stadt Steyr macht vor allem im Hinblick auf die eigenartige soziale und wirtschaftliche Struktur dieser Stadt die verantwortlichen Faktoren auf die unübersehbaren Folgen, die durch die Aufhebung der Wohnungsanforderung entstehen könnten, aufmerksam und lehnt schon heute jede Verantwortung für die Zukunft ab.

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