21. Sitzung. Protokoll über die 21. ordentliche Sitzung des Gemeinderates der autonomen Stadt Steyr am 5. Mai 1925. Tagesordnung. Finanz - und Rechtsausschuss. Referent: V.B. Russmann. 1.) Notstandsbauprogramm. 2.) Verpachtung der Schlachthofgründe. Anwesende: Vorsitzender V.B. Karl Dedic, die V.Bürgermeister: Dr. Hubert Messenböck und Direktor Julius Russmann; die Gemeinderäte: Wolf Josef Kranjak Marie Baumgartner Johann Lebeda Alois Voglsam Joh. Lind Eduard Molterer Berta Lischka Hans Fischer Karl Markgraf Josef Furrer Ulrich Dr. Meyer Anton Futterer Franz Radmoser Johann Ruckerbauer Markus Scherak Franz Hiessmayr Franz Schlossgangl Leopold Urban Josef Schneeweiss Rudolf Dr. Ecker Alois Januschka Emanuel
Kisely Berta Steinbrecher Leopold Klaffenböck Johann Klement Karl Wolfartsberger Johann. Vom Magistrate: Magistratsdirektor Dr. Ferdinand Häuslmayr. Als Schriftführer: Mag. Protokollführer Karl Kapinus. V.B. Dedic eröffnet die Sitzung um 7 Uhr 15 Minuten. Entschuldigt sind die Herren Bürgermeister Wokral, G.R. Hafner, Kletzmayr, Saiber, Tribrunner, Witzany. Als Protokollprüfer fungieren die Herren G.R. Januschka und Klaffenböck. Einleitend führt der Vorsitzende aus, dass die heutige Sitzung gewissermassen eine Fortsetzung der vorigen darstelle, indem der wichtigste Punkt der heutigen Tagesordnung die Arbeitslosigkeit in Steyr und die Abwehrmassnahmen betrifft. Punkt 1.) Notstandsbauprogramm der Stadt Steyr. Zl. 8463/25. V.B. Russmann bespricht die Katastrophe der Aussteuerung einer grossen Zahl Arbeitsloser durch die bekannte Novelle zum Arbeitslosengesetze, die von Monat zu Monat das Heer der Ausgesteuerten vergrössern soll und wie der Gemeinderat durch die Einbringung des Dringlichkeitsantrages sowie durch Vorsprachen von Vertretern aller Parteien und Interessentengruppen sich bemüht haben, Abhilfe zu schaffen. Indes steht die Regierung auf dem Standpunkte, dass an der Novelle sich nichts ändern lasse. So habe denn die Gemeinde ein Notstandsbauprogramm ausgearbeitet, das Wohnungsbauten, Strassenregulierungen, den Ausbau des Krankenhauses (Wöchnerinnenheim) und die Errichtung von Industrien in Steyr vorsehe. Unter Führung des Landeshauptmann Hauser haben die Delegierten bei der Regierung vorgesprochen und diese hat in der Erkenntnis,
dass etwas geschehen muss für Strassen- und Kanalbauten ein Darlehen von 3 Milliarden Kronen zugesagt. Dieses Darlehen ist mit 5 % zu verzinsen, hätte eine Laufzeit von 5 Jahren. Die erste Amortisation ist am 1. Dezember 1925 fällig. Wir müssen aber als Vertreter der Gemeinde verlangen, dass auch Wohnbauten in das Bauprogramm aufgenommen werden, denn die Bevölkerung, die so sehr unter der Wohnungsnot leidet, würde es unbegreiflich finden, dass Strassen- und Kanalbauten dem Wohnhausbau vorangehen, die keinesfalls so dringend wie diese seien. Auch die Bestrebungen auf Errichtung von Industrien ist im Bauprogramm enthalten, die Gemeinde hat eine Anzahl von Gebäuden, die leer stehen, grosse Erhaltungskosten erfordern und gerade für Industrien geeignet wären. Obwohl diese Industrien eine grosse Anzahl Arbeitsloser unterbringen würden und den Export Oesterreichs an Waren fördern würden, kann sich die Regierung für den Plan nicht erwärmen. Der Finanz- und Rechtsausschuss hat in Berücksichtigung dieser Umstände den einstimmig gefassten Antrag dem Gemeinderate unterbreitet: I. Der Gemeinderat genehmige die mit dem Bundesministerium für soziale Verwaltung getroffene Vereinbarung betreffend die Regulierung der Leopold-Werndl- und Redtenbacherstrasse, Verlängerung der Tomitz-und Stelzhammerstrasse, Regulierung des Volksplatzes und die Herstellung von Kanälen in Teilen der Aichet- und Sierningerstrasse, Verlängerung eines Kanales in der Dukartstrasse, Neubau eines Kanalstranges im Bezirke Stein und bewilligt die Aufnahme des hiefür erforderlichen Kredites im beiläufigen Ausmasse von S 275.000. - unter den vom Ministerium gestellten Propositionen (Darlehn, 5% Verzinsung 5 Jahre. 1. Amortisation und Zinsenrate am 1. Dezember 1926) unter nachstehenden Voraussetzungen
1.) dass der Gemeinde gleichzeitig im Wege eines Kredites aus den Mitteln der produktiven Arbeitslosenfürsorge Gelegenheit gegeben wird, 80 Wohnungen zu bauen; der hiezu erforderliche Betrag wird unter einem genehmigt, 2.) dass die für Industriezwecke notwendigen Adaptierungsarbeiten in der Artilleriekaserne ebenfalls im Kreditwege aus den Mitteln der produktiven Arbeitslosenfürsorge sichergestellt werden. II. Das Präsidium hat darauf hinzuwirken, womöglichst eine Verlängerung der Laufzeit des Kredites (10 Jahre) im Verhandlungswege durchzusetzen. III. Das Gemeinderatspräsidium wird ermächtigt, die Verhandlungen endgültig abzuschliessen. Dieser Antrag wird sodann ohne Debatte einstimmig angenommen. V.B. Dedic hätte den Wunsch, dass es im Antrage statt bis zu 80 Wohnungen "mindestens 80 Wohnungen" heissen möge. Punkt 2.) Verpachtung der Schlachthofgründe. Zl. 4922/25 mit 5062/25, 5806/25, 8673/25. Der Referent beantragt unter Bekanntgabe der eingelaufenen Offerte: 1.) Dem Kaninchenzuchtverein Steyr werden von den Schlachthofgründen 15272 m2 mit einem Jahrespachtschilling von K 3,000.000 = 300 S verpachtet. Mit dieser Grundfläche ist auch die Nutzniessung der Obsternte von den dort gepflanzten Bäumen verbunden. 2.) Dem Pachtwerber Johann Reuschl wird das auf dem Schlachthofgrund aufgeführte Gebäude, sowie eine unverbaute Fläche von 2552 m2 um den Jahrespachtschilling
von K 2,000.000 = S 200 verpachtet. Die Übergabe der derzeit von dem städt. Arbeiter Kernstock noch benützten Wohnräume kann erst erfolgen, wenn dem Letzteren anderweitig eine Wohnung zugewiesen werden kann. 3.) Mit beiden Bewerbern ist ein gerichtlicher Vergleich dahingehend zu schliessen, dass die Pachtobjekte am 1. Jänner 1926 wieder der Gemeinde anheim zu fallen haben. 4.) das Magistratspräsidium wird ermächtigt, die näheren Vertragsbestimmungen auszuarbeiten und mit den beiden Pachtwerbern endgiltig abzuschliessen. Auch dieser Antrag wird einstimmig ohne Debatte angenommen. Dadurch ist die Tagesordnung der öffentlichen Sitzung erschöpft und V.B. Dedic appelliert an alle Parteien ihren Einfluss auf die Nationalräte auszuüben, dass die bevorstehende Beratung im Nationalrate mit vollem Erfolge endige. Sollte die Aktion trotzdem ohne Erfolg bleiben, so müsste die Gemeinde jede Verantwortung ablehnen und diese der Bundesregierung überlassen. Was dann bei Erregung der grossen Menge Arbeitsloser geschehen mag und wie sich dies auf ganz Oberösterreich auswirken wird, wird sich zeigen, sie wird ohne Zweifel die Unruhen - wie selbst beim Umsturz - übertreffen. Er fordert daher nochmals alle Parteien auf einzuwirken, damit ein Erfolg erzielt wird. Der Vorsitzende: Der Schriftführer. Die Protokollprüfer:
Protokoll über die vertrauliche Sitzung des Gemeinderates am 5. Mai 1925. I. Beteiligung der Stadtgemeinde Steyr bei einem industriellen Unternehmen. Zl. 8879/25. Der Referent G.R. Dr. Schneeweiss bezieht sich bezüglich der Massnahmen gegen die Arbeitslosigkeit auf die Ausführungen des V.B. Russmann, bespricht das Projekt im allgemeinen und die Aussicht auf Unterbringen von 200-300 vielleicht auch 400 Arbeitslosen und empfiehlt den vom Finanz- und Rechtsausschuss gestellten Antrag zur Annahme: Der Gemeinderat beschliesse im Prinzipe: 1.) Die Beteiligung an einem gesellschaftlichen Unternehmen in Gemeinschaft mit der Firma Uhrkastenfabrik Gesellschaft m.b.H. in Ebensee, der Firma Lettmayer & Oppel in Schärding zur Errichtung einer Holzindustrie in den hiezu geeigneten Objekten der Artilleriekaserne. 2.) Die Gemeinde Steyr übernimmt die Kosten der Adaptierung im beiläufigen Ausmasse von S 150.000 (einhundertfünfzigtausend Schillingen), welcher Betrag als Einlagekapital zu gelten hat. 3.) Der unter Punkt 2) genannte Betrag ist in seiner Gänze durch einen Kredit aus den Mitteln der produktiven Arbeitslosenfürsorge sicherzustellen. Ohne Debatte wird bei der Abstimmung der Antrag einstimmig angenommen. V.B. Dedic stellt das besondere Ersuchen um streng vertrauliche Behandlung des Beschlusses, da durch
vorzeitige Veröffentlichung der Sache grosser Schaden erwachsen könne. Hernach schliesst der Vorsitzende um 8 Uhr 45 Min. die Sitzung. Der Vorsitzende: Die Protokollprüfer, Der Schriftführer:
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