Wien am 23. Mai 1924. Min. adj. Zahl 881. Dem Herrn Minister habe ich sofort darauf geantwortet, und mich schon damals, das ist am 28. Mai l.J., veranlasst gesehen, deutlich hervorzuheben, dass ich als Bürgermeister wohl die Abhaltung einer religiösen Feierlichkeit pflichtgemäss unter meine schützende Obsorge nehmen werde, dass ich aber die zu diesem Zwecke in Bedacht zu nehmende polizeilichen Vorkehrungen nicht für eine schliesslich überflüssige Veranstaltung wie einen Zapfenstreich einzusetzen in der Lage wäre. Zwischen Zapfenstreich und Prozession besteht für mich amtlich ein Unterschied. Ich schrieb daher dem Herrn Minister: Steyr, am 28. Mai 1924. Hochgeehrter Herr Minister! Sie haben an mich als Bürgermeister den Apell gerichtet dafür Sorge zu tragen, dass das Fronleichnamsfeste in Steyr einen ungestörten Verlauf nehmen könne, auch wenn Mitglieder der Garnison freiwillig daran teilnehmen. Hierauf beehre ich mich zu erwidern, dass ich nicht ermangeln werde, jede Sorge zu tragen, dass an dieser kirchlichen Veranstaltung jeder Mann nach freiem Willen ungestört teilnehmen kann. Ich erlaube mir aber daran zu erinnern, dass im Vorjahre der Konflikt dadurch entstanden ist, dass am Abend vor dem Feste ein Aufzug der Bürgergarde verstärkt durch Mitglieder des Wehrbundes stattgefunden hat. Gegen derartige Maskeraden wenn auch hystorischen Ursprungs, besteht bei der Mehrheit der Bevölkerung von Steyr eine ausgesprochene Abneigung. Ich kann nmch als Bürgermeister nur verpflichtet fühlen, ein religiöses Fest in Schutz zu nehmen, nicht aber damit nicht notwendig zusammenhängende Aufzüge. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn es Ihrem grossen Einflusse gelänge, dass von derartigen hier überflüssigen Veranstaltungen, die in Steyr unbedingt als Provokation aufgefasst werden, Abstand genommen würde, da ich nach dieser Richtung hin die Verantwortung ablehnen müsste. Dass eine solche Veranstal-
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