Gemeinderatsprotokoll vom 28. April 1924

der Steuereingänge des Bundes. So schuldet der Bund der Gemeinde viele hunderte Millionen Kronen und zwingt andererseits die Gemeinde Bankkredite aufzunehmen, die ihr 25 % kosten. Der Bund aber versteht es, seine Einnahmsquellen bei der Gemeinde rechtzeitig zu ergreifen, so zieht er alle Monate derzeit 33 Millionen Kronen für die Arbeitslosenunterstützung ab und schickt der Gemeinde ein Steuermandat nach dem andern unter Androhung von Geldstrafen für den Fall der nicht rechtzeitigen Einzahlung. Die Gemeinde hat aber nicht nur den Kampf gegen den Bund, sondern auch gegen das Land Oberösterreich zu führen. Der o.ö. Landtag einer der fleissigsten im ganzen Bundesgebiete - er kommt im Jahre drei-viermal zusammen - hat wiederholt Steuervorschläge der Gemeinde monatelang, ja sogar Jahre lang liegen lassen. Zu all diesen Schwierigkeiten kommen die Bestimmungen des sogenannten Wiederaufbaugesetzes, ein Gesetz, dessen verhängnisvollen Folgen sich erst zeigen werden. Dieses Gesetz verweist die Gemeinde zur Bedeckung ihres Abganges auf die Realsteuern, das ist in Steyr die Bodenwertabgabe und die Mitzinshellerauflage. Die Regierung hat mit dieser Bestimmung ein grosses politisches Geschäft gemacht. Diese Realsteuern sind nämlich, mit Ausnahme der Bodenwertabgabe, auf die Konsumenten überwälzbar. Es kommen also die industriellen Gemeinden, die vorwiegend sozialdemokratisch verwaltet werden, in die unangenehme Lage, Steuern auszuschreiben, die die Sozialdemokraten von jeher programmatisch bekämpft haben. Bei den Landgemeinden ist es ganz etwas anderes. Ein großer Teil der Landgemeinden schwimmt heute förmlich im Gelde. Die Landgemeinden, die keinerlei kulturelle Bedürfnisse haben, kein Geld für Schulen und für die öffentliche Fürsorge brauchen, erhalten aus den Bundesüberweisungen so viel, dass sie häufig nicht wissen, was sie mit dem Gelde anfangen sollen. So erklärt es sich auch, dass viele Landgemeinden diese Steuererträgnisse für Glockengeläute, für die Anschaffung eleganter Feuerwehruniformen verwenden, ja in Oberösterreich gibt es eine

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