III. Sitzung. Protokoll über die 3. ordentliche Sitzung des Gemeinderates der autonomen Stadt Steyr am 16. Juli 1923. Tagesordnung. 1.) Mitteilungen des Bürgermeisters. Ref. V.B.Russmann: 2.) Erhöhung der Armenunterstützungen. 3.) Errichtung einer 4.Bürgerschulklasse. 4.) Ermächtigung zur Erledigung der Geschäftsstücke des Gemeinderates während der Ferien. 5.) Zwei Pachtverträge. 6.) Erhöhung der Schulpauschale. Referent G.R. Saiber: 7.) Rekurs gegen Baupolizei-Gebühren. 8.) Steuerrekurse. 9.) Dotation des Gewerkschafts-Hilfsfondes. Referent G.R. Tribrunner: 10.) Novellierung des Kanzleitax-Gesetzes. 11.) Instandhaltungsarbeiten des Marodenhauses. Referent G.R. Witzany: 12.) Verpachtung von Gründen an das Kinderheim. 13.) Ankauf von Gründen. Referent Bürgermeister Wokral: 14.) Novellierung des Mietzinshellergesetzes. 15.) Wahl in den Museumausschuss. 16.) Wahl eines Personalreferenten. Vertrauliche Sitzung.
Nachtrag zur Tagesordnung der Sitzung des Gemeinderates am 16. Juli 1923. Referent V.B. Dr. Messenböck: 17.) Erhöhung des Rauchfangkehrertarifes. 18.) Instandsetzung einer Abrutschung in der Haratzmüllerstrasse. Referent G.R. Klement: 19.) Explosionssichere Einlagerung von Benzin für die Stadtgemeinde. 20.) Ausbau der Industriehalle. Anwesende: Vorsitzender Bürgerm. Josef Wokral; die Vicebürgermeister Dr. Hubert Messenböck und Dir. Jul. Russmann, die Gemeinderäte: Aigner Franz Kletzmayr Hermann Baumgartner Johann Kranjak Marie Bausenwein Johann Lind Eduard Brand Wenzel Prof. Lischka Hans Fischer Karl Markgraf Josef Furrer Ulrich Dr. Mayr Anton Futterer Franz Rendl Karl Gangl Josef jun. Saiber Alois Hafner Josef Scherak Franz Hiessmayr Franz Schlossgangl Leop. Hummer Arnulf Dr. Steinbrecher Leop. Januschka Emanuel Tribrunner Franz Kisely Berta Witzany Hans Wolfartsberger Joh. Klaffenböck Johann Klement Karl Vom Magistrate: Mag. Dir. Dr. Ferd. Häuslmayr. Als Schriftführer: Protokollführer Karl Kapinus. Bürgermeister Wokral eröffnet die Sitzung um 5 Uhr 50 und erklärt die Beschlussfähigkeit. Er nimmt die Angelobung der erstmalig erschienenen Gemeinderätin Kisely vor. Entschuldigt sind: V.B. Dedic, die G.R. Lebeda
Dr. Schneeweiss und Schöndorfer. Zur Kenntnis. Als Protokollprüfer gelangen die G.R. Bausenbein und Fischer an die Reihe. Die Verhandlungsschrift der letzten Gemeinderatssitzung liegt zur Einsichtnahme auf. 1.) Punkt: Mitteilungen des Bürgermeisters: a) Das Schulprogramm der vereinigten Fachkurse für Volkspflege liegt zur Einsicht auf. Zl. 16575/23 b) Verlesung einer Zuschrift des Genossenschaftsverbandsausschusses Steyr, über Klagen, dass der Magistrat häufig Arbeiten ausserhalb Steyr vergibt, und dem Ersuchen, den heimischen Gewerbestand zu berücksichtigen. Hiezu bemerkt Bürgermeister Wokral, daß die Gewerbetreibenden von Steyr nach Möglichkeit zur Bewerbung herangezogen werden. Zl. 17274/23 c) Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes wonach dte Verfügung des Bundesministeriums für soz. Verwaltung betreffend Auszahlung von Darlehensbeträgen an Gemeinden und Genossenschaften wegen mangelhaften Verfahrens aufgehoben werden; bringt Herr Bürgermeister zur Kenntnis! d) Der Geschäftsbericht der Steyrtalbahngesellschaft und des Elektrizitätswerkes liegen zur Einsicht auf. e) Bgm. Wokral bringt einen Bericht des Nationalrates Witzany zur Verlesung, über dessen Intervention an Stelle des Bürgermeisters beim Vizekanzler Frank wegen Verlegung des Kreisgerichtes Steyr. Demnach erscheint das Bestehen des Kreisgerichtes Steyr für lange Zeit gesichert. G.B. Prof. Brand hätte gewünscht, dass auch Nationalrat Kletzmayr herangezogen worden wäre, was Bgm. Wokral dahin beantwortet, dass Nationalrat Kletzmayr in Wien nicht anwesend war. Zl. 15382 f) Bgm. Wokral beantwortet die in der Sitzung des
Gemeinderates vom 18.Juni 1923 von G.R. Kletzmayr und Kons. gestellten Interpelation über die Vorkommnisse am 30. Mai 1923, indem er den Polizeibericht zur Gänze zur Verlesung bringt. Anschliessend daran bemerkt er: Meine Tätigkeit in dieser Angelegenheit entsprang meiner Stellung als Chef der politischen Behörde für den Stadtbezirk Steyr. Als solcher unterstehe ich nicht der Kontrolle des Gemeinderates und hätte das Recht die Beantwortung der gestellten Fragen abzulehnen. Wenn ich die gestellten Fragen nunmehr beantworte, so geschieht dies ohne Präjudiz für die Zukunft und im vollen Bewusstsein, redlich erfüllter Pflicht. Die gestellten Fragen (die im Protokoll des Gemeinderates vom 16.Juni 1923 auf erscheinen) beantwortet Bgm. Wokral folgend: ad 1) Die Antwort lautet ja, wenn die Veranstaltungen sich in der, der Behörde vorgelegten Art und Weise vollziehen. ad 2.) Ich werde jederzeit jene Machtmittel zur Aufrechterhaltung bzhw. Wiederherstellung der öffentlichen Ruhe und Ordnung zur Anwendung bringen, welche mir hiezu geeignet erscheinen. ad 3) Nach unserem Staatsgrundgesetze gehört zu den Grundrechten der Staats- bzhw. Bundesbürger auch das Recht, sich zu versammeln und zu demonstrieren, ist daher unbestritten und die Ausübung desselben desshalb an und für sich nicht strafbar. Ich werde also auch in Zukunft niemanden hindern zu demonstrieren, solange nicht höhere allgemeine Interessen beeinträchtigt, oder die öffentliche Ruhe und Ordnung geführdet erscheint. In Fällen von groben Ausschreitungen wird mit voller Strenge und Objektivität vorgegangen werden. Welche Massnahmen in einzelnen Fällen ergriffen werden, wird die politische Behörde von Fall zu Fall entscheiden. ad 4) Sowohl als Bürgermeister, wie als Chef der politischen Behörde habe ich mich seit jeher der strengsten Objektivität befleissigt und werde meinen ge-
lobten Verpflichtungen wie bisher nachkommen. Ich kann daher den Vorwurf durch politische Stellungnahme bei der Demonstration die erregte Stimmung verschärft zu haben, mit ruhigstem Gewissen und umsomehr zurückweisen, als es Tatsache ist, dass nach meiner Ansprache an die vor dem Rathause versammelte Menge viele den Platz verliessen und eine merkliche Beruhigung eintrat. ad 5.) Bei dem von den Herren Interpellanten und von mir auch eingehaltenen Objektivität bin ich leider ausserstande mich als Chef der polit. Behörde in etwa beabsichtigte Unternehmungen einer politischen Partei irgendwie einzumengen. Ich habe daher schon an die Führer der verschiedenen politischen Parteien in Steyr appelliert, sie mögen durch gegenseitige Fühlungnahme selbst beitragen, dass jene Atmosphäre geschaffen wird, die es ermöglicht, trotz aller Parteigegensätze nebeneinander zu wirken, ohne dass die Gemüter so oft überschäumen. Die Zeiten wo die politisch verantwortlichen Stellen beim geringsten Anlass mit den schärfsten Mitteln der Waffengewalt unbedenklich einschritten, sind zu unserer Genugtuung hoffentlich für immer vorüber. Zur Kenntnis. 2. Punkt: Erhöhung der Armenunterstützung: Zl. 13751. Referent V.B. Russmann stellt nach Verlesung des Amtsberichtes namens des Finanz-und Rechtsausschusses den Antrag: Der Gemeinderat beschliesse die Erhöhung sämtlicher Armenunterstützungen und der Erziehungsbeiträge in der vom Armenfürsorgerate der Stadt Steyr vorgeschlagenen Art und Höhe zuzustimmen und zwar ab 1. Juli 1923. Ohne Debatte angenommen 3. Punkt: Errichtung einer 4. Bürgerschulklasse: Zl. 15666/23. Referent V.B. Russmann verliest einen Bericht über die Elternversammlungen sowie den Amtsbericht und beantragt über Beschluss des Finanz- und Rechtsausschusses der Gemeinderat wolle beschliessen: Der Errichtung einer 4. Bürgerschulklasse für Knaben und Mädchen
an der Knabenbürgerschule in Steyr wird zugestimmt und zugleich dem Gemeinderatspräsidium die Ermächtigung erteilt, die Tragung des sachlichen Aufwandes für diese Klasse sicherzustellen. Gemeinderat Brand stellt die Frage, wo diese 4.Klasse hinkommt, der Referent teilt mit, dass für diese Klasse im Gebäude der Bürgerschule Platz geschaffen werden kann. Einstimmig angenommen. 4. Punkt: Ermächtigung zur Erledigung der Geschäftsstücke des Gemeinderates während der Ferien: Zl. 16612/23. Derselbe Referent beantragt, über Beschluss des Finanz- und Rechtsausschusses: Der Bürgermeister wird zur expräsidio-Behandlung dringender Angelegenheiten während der Gemeinderatsferien ermächtigt. Angenommen. 5. Punkt: Zwei Pachtverträge: a) Zl.15944/23. Derselbe Referent berichtet über die Vorverhandlungen mit dem Pächter Herrn Hamm, verliest den Pachtvertrag, sowie den Antrag des Finanz- und Rechtsausschusses: Der Gemeinderat erteile dem vom Magistratspräsidium ausgearbeiteten Pachtvertrag die Genehmigung. G.R. Dr. Furrer fragt wegen der Zulässigkeit in verbauten Gebieten; Bürgermeister Wokral bemerkt, dass die baukommissionelle Begutachtung erst stattfinden müsse; derzeit handelt es sich nur um die Verpachtung des Objektes. G.R. Dr. Hummer beantragt das Zustandekommen des Vertrages von der Gewerbepolizeilichen Genehmigung abhängig zu machen, ferner die Bedingung aufzunehmen, dass der Bedarf an Arbeitskräften aus den hiesigen Arbeitslosen genommen wird. G.R. Scherak hält die Höhe des Pachtzinses viel zu niedrig und wünscht eine Erhöhung. V. B. Russmann sagt, dass mit Hamm ohnehin wegen der Entnahme der Arbeitskräfte eine Vereinbarung getroffen wurde. Hinsichtlich des Wunsches des G.R. Scherak sei zu bemer-
ken, dass grosse Investitionen im Hause, Zaun und Blanke zu errichten seien und dass der Pachtzins von 150 Goldkronen erst für beide Objekte, nun für eines beibehalten bleibt. Der Antrag des Dr. Hummer, die Voraussetzung der gewerbepolizeilichen Genehmigung der Betriebsstätte, könne mitaufgenommen werden. Einstimmig angenommen. b) Zl.17032, 16948/23. Derselbe Referent beantragt für den Finanz- und Rechtsausschuss mit dem Beisatze der Voraussetzung: Der Gemeinderat erteile dem vom Magistratspräsidium ausgearbeiteten Pachtvertrag die Genehmigung unter der Voraussetzung, dass die Betriebsstätte die gewerbepolizeiliche Genehmigung findet. (für Moser August) Einstimmig angenommen. 6. Punkt: Erhöhung der Schulpauschale: Zl. 16677,651/V.P. Referent V.B. Russmann erstattet den Amtsbericht und bringt den vom Finanz- und Rechtsausschuss genehmigten Antrag zur Verlesung: Der Gemeinderat wolle beschliessen, den Volks- und Bürgerschulen für das Schuljahr 1923/24 folgende Pauschalien zu bewilligen: Schule: Zusammen: Amtspau¬ Lehrmittel schale: und Bücherei pauschale: Knabenbürgerschule 50.000 500.000 550.000.— Mädchenbürgerschule 50.000 400.000 450.000.— Knabenvolksschule 40.000 200.000 240.000.— Promenade Kn.V. Sch. Steyrdorf 40.000 200.000 240.000.— Kn.V. Sch. Wehrgraben 40.000 200.000 240.000.— M.V. Sch. Nehrgraben 40.009. 200.000 240.000.— Kn.V. Ennsleite 40.000 320.000 360.000.— M.V. Ennsleite 40.000 200.000 240.000.— M.V. Berggasse 40.000 200.000 240.000.— M.V. Aichet 40.000 290.000 240.000.— Hilfsschule 40.000 120.000 160.000.— Für das Schuljahr 1922/23 wäre den Schulleitungen der nach Abzug der bereits behobenen Pauschalien noch restierende Betrag auf das für 1923/24 beantragte Pauschale anzuwei-
sen. Auf seine Anfrage des G.R. Prof. Brand wegen der Differenz zwischen Knaben und Mädchenbürgerschule antwortet V.B. Russmann, dass diese in der Anzahl der Klassen (10:8) liege. Der Antrag wird sodann angenommen. 7. Punkt: Rekurs gegen Baupolizei-Gebühren: Zl.14390/23. Referent G.R. Saiber. Dem Einspruche des August Heubusch gegen Vorschreibung von Baupolizeigebühren wird mangels gesetzlicher Vöraussetzung keine Folge gegeben. Angenommen. 8. Punkt: Steuerrekurse: Zl. 14616, a) Rekurs der Anna Klinglmayr gegen die vorgeschriebene Kutschwagensteuer. Derselbe Referent beantragt dem Rekurse kann im Sinne des § 1 des Ges. vom 19. Dez. 1922 L.G.Bl.Nr. 52, keine Folge gegeben werden, jedoch wird in Berücksichtigung der angeführten Umstände die vorgeschriebene Steuer von 3.80 Goldkronen auf die Hälfte, somit auf 1.90 Goldkronen ausnahmsweise herabgesetzt. G.R. Markgraf spricht sich gegen die Abweisung aus in der Überzeugung, dass die Abweisung nicht im Sinne des Gesetzes ist. Er beantragt wie in Linz die Einhebung wohl vorzuschreiben, am Ende des Steuerjahres aber, bei Nichtbenützung des Wagens, den Betrag abzuschreiben bzhw. rückzuzahlen. G.R. Dr. Hummer spricht im gleichen Sinne und unterstützt den Antrag Markgraf. G.R. Scherak erklärt, sich der Stimme enthalten zu müssen, da er den Fall nach dem Referate nicht zu beurteilen vermöge und seine Partei in den Ausschüssen nicht vertreten ist. G.R. Steinbrecher meint, dass Frau Klinglmayr am Jahresende um Abschreibung der Gebühr ansuchen könne. Nach dem Schlussworte des G.R. Saiber, der den Abänderungsantrag abzulehnen ersucht, wird der Antrag des Ausschusses angenommen und der Zusatzantrag Markgraf abgelehnt. Zl.16854/23. Anna Rudelstorfer; Rekurs gegen Konzessionsabgabe.
G.R. Saiber als Referent stellt den Antrag: Dem Rekurs wird konform dem Antrag der Steuerverwaltung keine Folge gegeben, jedoch steht es der Gesuchstellerin frei, ein Gnadengesuch einzubringen. G.R. Hummer spricht sich gegen die Abweisung aus und stellt den Antrag auf Herabsetzung auf 6 Goldkronen. G.R. Saiber erklärt, dass bei einer Berufung ausschliesslich die gesetzlichen Bestimmungen Anwendung zu finden haben, bei einem Gnadengesuch sei es etwas anderes. Bgm. Wokral will das Wort Gnadengesuch vermieden wissen, an dessen Stelle wäre „Gesuch um Herabsetzung" zu setzen. Der Abänderungsantrag Dr. Hummer wird abgelehnt, und der Ausschussantrag, mit der vom Bürgermeister gewünschten Änderung angenommen. 9. Punkt: Dotation des Gewerkschafts-Hilfsfondes. Zl. 823/V.P./23 Derselbe Referent berichtet über das von der Gewerkschaft eingebrachte Gesuch und stellt über Beschluss des Finanz- und Rechtsausschusses den Antrag: Dem Gewerkschaftshilfsfonds wird eine einmalige Zuwendung von K 5,000.000.- bewilligt, mit dem Beifügen, dass nach Abschluss des laufenden Rechnungsjahres dem Gemeinderate ein Gebahrungsausweis des Krankenfürsorgefonds vorgelegt wird. G.R. Dr. Furrer wünscht eine genaue Definition der Kurorte zum Unterschiede von Sommerfrischen. Bgm. Wokral ersucht die beiden Vertreter des Gemeinderates in Krankenfürsorgeangelegenheiten darauf Einfluss zu nehmen. Der Antrag wird angenommen. 10. Punkt. Novellierung des Kanzleitax-Gesetzes. Zl. 16481/23. Referent G.R. Tribrunner verliest den Amtsbericht, den bezüglichen Gesetzentwurf und den Antrag des Finanz- und Rechtsausschusses. Der Gemeinderat erteile dem vom Präsidium ausgearbeiteten Gesetzentwurf die Genehmigung. G.R. Prof. Brand erklärt, dass sich seine Partei der Abstimmung enthalte.
Der Antrag wird angenommen. 11. Punkt: Instandhaltungsarbeiten des Marodenhauses. Zl. 8004/23. Derselbe Referent berichtet, über den Beschluss des Gemeinderates vom 20. März 1923, wonach infolge eines Schreibfehlers für diesen Zweck statt 260,000.000.- nur 26,000.000.- bewilligt wurden, und beantragt: Der Gemeinderat genehmige in Richtigstellung des Beschlusses vom 20. März 1923 die Übernahme der Kosten für die notwendigen Herstellungsarbeiten im Marodenhause im Ausmasse von K 234,000.000.-. Das Bauamt wird beauftragt, die Arbeiten unter Bedachtnahme auf die verfügbaren Mittel sukzessive in eigener Regie durchzuführen. G.R. Bausenwein bezweifelt die Bedeckung der Kosten im Budget und die Notwendigkeit der Arbeiten überhaupt, er bemängelt den Umstand, daß für die sieben Parteien, die derzeit noch dort wohnen, erst Wohnungen beschafft werden sollen, hätte lieber, wenn das Haus schon humanitären Zwecken zugeführt werden soll, im Marodenhaus die Gebärklinik errichtet gesehen, die die Kosten der Adaptierung zum Teil hereingebracht hätte und beantragt schliesslich die Vertagung, zwecks neuerlicher genauer Überprüfung der Sache. Hiezu bemerkt G.R. Tribrunner, dass wenn der Irrtum sich nicht eingeschlichen hätte, die Sache längst erledigt wäre und ersucht die schöne Zeit nicht nutzlos verstreichen zu lassen und die Vertagung abzulehnen. Der Vertagungsantrag wird abgelehnt. G.R. Aigner stellt die Anfrage, ob schon für die sieben Parteien Wohnungen zur Verfügung stehen und weiters, aus welchen Posten diese Beträge genommen werden sollen. G.R. Scherak bedauert, sich kein klares Bild machen zu können, glaubt aber, dass sich hiebei Ersparungen machen lassen. G.R. Dr. Hummer will, da er als akademischer Rauchfangkehrer bezeichnet wurde, die russigen Schlote der Majorität
kehren. Er stellt schliesslich den Antrag, dem Antrage des Ausschusses aus Ersparungsgründen nicht zuzustimmen. V. B. Russmann sagt, dass die geplant gewesene Gebärklinik die Einstellung von Ärzten notwendig mache und dass dieser Plan schon oft besprochen wurde. Er bemerkt, dass die Gemeinde oft genug intervenieren musste, wenn die Parteien seitens der Hausbesitzer auf die Strasse geworfen wurden und ist erstaunt, dass sich die bürgerliche Vereinigung nun so sehr für die Wohnungen der sieben Parteien einsetze. Bedeckung für die Herstellungen ist vorhanden in „Unvorhergesehenen" und- „Kinderhilfsaktionen" und ersucht schliesslich um Zustimmung. G.R. Baumgartner bespricht die Wohnungsverhältnisse in diesem Hause und meint, es sei die höchste Zeit, dass da etwas geschehe. Er betont auch, dass im Gegensatze zu anderen Gemeinden, Steyr in der Sorge für die Kinder sehr rückständig sei. G.R. Dr. Hummer ersucht zur Geschäftsordnung um Konstatierung wer von den Gemeinderäten Mitglied des Vereines „Kinderfreunde" sei. Bgm. Wokral zitiert die §§ 54 und 55 des Gemeindestatutes und erklärt, dass weder ein privatrechtliches Interesse noch sonst ein Anlass vorliege, jene Gemeinderäte, die Mitglieder des Vereines sind, von der Verhandlung auszuschalten. G.R. Hafner wendet sich gegen die Ausführungen des G.R. Dr. Hummer über das Auskehren der russigen Schlote und erklärt weiters, dass wenn ihm die Art ihrer Fürsorge nicht gefällt ihm wieder nicht die Fürsorge der bürgerlichen Parteien gefalle. Er protestiert gegen die von Dr. Hummer oft gebrauchte Bezeichnung „Gemeindestube", die er für eine Provokation halte und erwartet, dass in Zukunft derlei unterbleibe. G.R. Rendl wünscht, dass der Vater, wenn er vorzeitig als ausgemergelter Arbeiter seine Augen zudrückt, die Beruhigung mitnehmen könne, dass seine Kinder als freie Menschen erzogen werden. G.R. Scherak hebt hervor, dass seine Partei gegen den Vertagungsantrag gestimmt habe, somit erwiesen habe, dass sie alles Interesse an dem Zustandekommen der
Anstalt habe; er habe nur Bedenken, ob nicht noch Ersparungen gemacht werden können. G.R. Prof Brand hätte lieber ein städt. Kinderheim gesehen und erklärt, dass seine Partei sich, da es sich nicht um ein städt. Kinderheim handelt, nicht für die Mehrausgabe entschliessen könne. G.R. Dr. Hummer stellt fest, dass „Gemeindestube" keine Beleidigung beinhalte und er nicht gegen das Werk als solches sei, sondern nur gegen den Verein, der die Kinder einseitig erziehe. G.R. Mayr ersucht namens der Konfessionslosen die 10% der Bevölkerung von Steyr darstellen, um Annahme des Ausschussantrages. V.B. Russmann betont, dass Kinder bürgerlicher Eltern selten das Waisenhaus beanspruchen werden, sondern meist Kinder von Arbeitern. G.R. Klement erklärt noch, dass es keine russigen Schlote zu putzen gäbe. G.R. Dr. Furrer beantragt Schluss der Debatte. Angenommen. G.R. Tribrunner hält das Schlusswort und spricht für die Notwendigkeit eines Waisenhauses in Steyr und dass 260,000.000.- K heute für die Errichtung eines Waisenhauses lange nicht genügen würden und die notwendigen Reparaturen auch dann gemacht werden müssten, wenn es kein Waisenhaus werden würde. Hinsichtlich der Wohnungen und der Bedeckung meint er, dass die Arbeiten sukzessive gemacht und nicht im heurigen Jahre zur Auswirkung kommen werden. Der Ausschussantrag wird angenommen. 12. Punkt: Verpachtung von Gründen an das Kinderhein. Zl.16361/23,15942/23 Referent G.R. Witzany beantragt namens des Finanz und Rechtsausschusses: Der Gemeinderat beschließe die pachtweise Überlassung der an das Marodenhaus anschliessenden Gründe im Ausmasse von 7000 m2 an den soz. Erziehungs- und Schulverein „Freie Schule" - „Kinderfreunde" für die Dauer von 20 Jahren gegen einen Jahrespachtschilling von 10 Goldkronen, ferner die Einzeunung dieses Grundes unter Verwendung des bisher, das Marodenhaus abschließenden Zaunes.
G.R. Bausenwein beanstandet den 20-jährigen Pacht und wünscht genaueste Erwägung der Verpachtung. Er stellt den Vertagungsantrag. G.R. Witzany begründet den 20-jährigen Pacht damit, dass auch das Haus auf 20 Jahre verpachtet wurde und ersucht um Ablehnung des Vertagungsantrages. Dieser Antrag wird abgelehnt. G.R. Markgraf spricht sich gegen die lange Pachtdauer aus. G.R. Scherak informiert sich über die Lage des Grundes. Nach dem Schlussworte des Referenten wird der Ausschussantrag angenommen. 13. Punkt: Ankauf von Gründen: Referent G.R. Witzany berichtet über den Ankauf des Schradergrundes nächst der Schwechater-Bierhalle und verliest den Amtsbericht. G.R. Markgraf zieht die Geldgebahrung der Gemeinde in Betracht und glaubt, es spiele keine Rolle ob billig oder etwas teuerer, die Hauptsache sei die Bedeckung. Er berechnet die Erfordernisse der Gemeinde nach den Beschlüssen mit etwa 4 Milliarden, 85 Millionen und fragt, wo man die Bedeckung hernehme. Wer borgt das Geld? Wie wollen wir die Lasten aufteilen ? Die Grossindustrie stelle 26 % der Steuern dar, deren Belastung gehe aber nur bis zu einem gewissen Grad. Er zweifle nicht an dem guten Willen, diese Aufgaben durchzuführen, aber die Mittel hiezu fehlen. G.R. Witzany bespricht den ideal gelegenen Platz mitten im Stadtgebiete, dass der Grund jederzeit an den Mann gebracht werden kann und bezeichnet den Ankauf, wenn er zustande kommt, als bedeutenden Erfolg. Der Ausschussantrag: Der Gemeinderat beschliesse a) an den Ankauf der sogenannten Schrader'schen Realität bestehend aus der Bauparzelle 268, 269, 270 und die Grundparzelle 341 um den Kaufpreis von 380,000.000.- in Worten dreihundertachtzig Millionen Kronen gegen Bezahlung von K 200,000.000.- sofort bei Fertigung des Vertrages und des-
Restes in zwei gleichen Jahresraten und 15 %ige antizipatierte Verzinsung des Restes, wobei der Kaufschillingsrest in Goldkronen umzurechnen und festzusetzen ist und die Steuer vom Veräusserungsgewinn vom Verkäufer zu traggen ist. b) Auftragserteilung an das Magistratspräsidium, den Kaufvertrag unter den festgesetzten und sonst üblichen Bedingungen abzuschliessen, c) das Magistratspräsidium zu ermächtigen, die zur Erfüllung des Kaufvertrages erforderlichen Kreditoperationen durchzuführen. Wird sodann angenommen. 14. Punkt: Novellierung des Mietzinsheller-Gesetzes. Den Vorsitz übernimmt V.B. Russmann und Bgm. Wokral referiert über diesen Punkt. Zl. 2216/23. Die Vorlage wurde über Ansuchen des Hausbesitzer-Vereines zurückgestellt, weil eine Änderung des Mietengesetzes in Aussicht stand; vor den kommenden Wahlen ist jedoch eine solche Abänderung nicht zu erwarten. Er betont die Notwendigkeit der Beratung der Vorlage, die das Finanzverfassungsgesetz die Gemeinden auf die Einnahmen aus den Realsteuern verweist und sie durch diese den Abgang zu decken haben. Jene Gemeinden, die diese Steuer nicht in Anspruch nehmen würden, laufen Gefahr, dass die Zuschüsse zu den Personallasten eingestellt werden. Die Vorlage ist progressiv ausgearbeitet und als Grundlage dient das neue Mietengesetz mit Grund- und Instandhaltungszins, andere Gebühren kommen bei der Berechnung nicht in Betracht. Im Ausschuss gestellte Abänderungsanträge würden gerade die kleinen Mieter am schwersten treffen und die grossen Mieter begünstigen. Die mit einer Zuschrift des Hausbesitzervereines geforderte direkte Vorschreibung der Steuern an die Mieter, würde einen bedeutenden Mehraufwand erfordern. Der gewünschten Abänderung, dass Geschäfte und Wohnung getrennt verrechnet werden, ist in der Vorlage Rechnung getragen worden. Einer generellen Berücksichtigung der Hausbesitzer kann
nicht Folge gegeben werden, der Hausbesitzer ist in diesem Falle ebenfalls Wohnpartei, dagegen kann von einer Entschädigung der Hausbesitzer für die Einforderung gesprochen werden. Von der Ermächtigung der Einhebung im vierfachen Ausmasse wurde Abstand genommen und sie auf das zweifache beschränkt Referent Bgm. Wokral bringt sohin den Gesetzentwurf zur Verlesung. G.R. Dr. Hummer erklärt, dass die Vereinigung den Entwurf zu spät erhalten habe, dass dessen Studium nicht möglich war. Der Entwurf enthält Härten, die abgeändert und geprüft werden sollen und glaubt, dass die ganze Vorlage vielleicht nicht notwendig wäre, wenn in anderen Punkten gespart werden würde. Er nimmt den Hausbesitz in Schutz, verlangt eine Angleichung der Zinse an die Parität und beantragt, die vierte Stufe mit 150 % die fünfte Stufe mit 200 % festzusetzen, weiters im Artikel III die Strafen bis zu 20 Goldkronen herabzusetzen, im Artikel VI solle das Wort „einfach" gestrichen werden, wenn nicht der ganze Passus des Artikel VI weggelassen werden könne. Für die Arbeiten der Einforderung ist eine Vergütung an die Hausbesitzer zu leisten. Die Vorschreibung hat durch das Amt zu erfolgen. G.R. Futterer stellt den Antrag, die erste Stufe ganz zu streichen, die zweite auf 30 % und die dritte auf 50 % zu ermäßigen und den Abfall auf die höheren Kategorien aufzuschlagen. Im Artikel VI beantragt er die Ermächtigung der Erhöhung um das Vierfache. V. B. Russmann spricht für den Ausschussantrag und G.R. Scherak spricht für den Antrag Futterer. G.R. Dr. Hummer sagt das Niveau der Wohnung soll gehoben werden und meint, dass unter den Barackenbewohnern solche sind, die steuerkräftiger seien als die Bewohner mancher schöner Wohnung, die sie mit grossen Opfern halten. G.R. Markgraf bemerkt, dass nicht immer die Grösse der Wohnung auf die Leistungsfähigkeit der Bewohner schliessen lasse und wünscht, dass von amtswegen Härten gelockert wer-
den. G.R. Saiber stellt den Antrag auf Schluss der Debatte, angenommen und Bgm. hält das Schlusswort. V.B. Messenböck, der mittlerweile den Vorsitz übernommen hat, bringt die eingebrachten Anträge getrennt zur Abstimmung. Die Anträge Dr. Hummer auf Abänderung werden abgelehnt. Die Anträ ge des G.R. Futterer werden ebenfalls abgelehnt; sodann der Antrag des Referenten angenommen. Punkt 15: Wahl in den Museumausschuss. Zl. 842/V.P. Referent Bgm.Wokral beantragt die bisherigen Vertreter G.R. Dr. Furrer, V.B. Dedic, G.R. Lebeda wieder zu wählen. Einstimmig angenommen. Punkt 16: Wahl eines Personalreferenten. Zl. 843/V.P. Referent Bgm. Wokral: Mit Gemeinderatsbeschluss vom 24. März 1921 wurden in Würdigung der enormen Zahl von Personalakten, die überdies durch die neuen Besoldungsvorschriften oft sehr kompliziert sind, zur Entlastung des Bürgermeisters einen ständigen Referenten im Gemeinderate für Personalangelegenheiten und zwar G.R. Saiber gewählt. Da sich G.R. Saiber in die schwierige Materie bestens eingearbeitet hat, wird dessen Wiederwahl in Vorschlag gebracht. G.R. Bausenwein beantragt als Personalreferent-Stellvertreter G.R. Prof. Brand zu wählen. Antrag des Referenten wird einstimmig angenommen. Der Zusatzantrag angenommen. Punkt 17: Erhöhung des Rauchfangkehrtarifes. Zl. 15886/23. Referent V.B. Dr. Messenböck berichtet auf Grund des Amtsberichtes und beantragt namens des Bau- und Verwaltungsausschusses: Der Gemeinderat genehmige die Erhöhung des geltenden Maximaltarifes für das Rauchfangkehrergewerbe in dem von der Landesgenossenschaft der Rauchfangkehrer beantragtem Umfange. G.R. Prof. Brand beantragt die Geltung erst ab 1.Juli 1923. Dieser Antrag nebst Zusatzantrag wird angenommen. Punkt 18: Instandsetzung einer Abrutschung in der Haratz-
müllerstrasse. Zl. 15804/23. Derselbe Referent beantragt: Der Gemeinderat beschliesse die Wiederinstandsetzung der durch Hochwasser eingetretenen Abrutschung eines Teiles des Strassenkörpers im Zuge der Haratzmüllerstrasse nach dem Projekte des Stadtbauamtes prinzipiell, verschiebe jedoch diese Angelegenheit, weil nicht unbedingt erforderlich, auf einen späteren wirtschaftlich günstigeren Zeitpunkt. Einstimmig angenommen. Punkt 19: Explosionssichere Einlagerung von Benzin für die Stadtgemeinde. Zl.1276/B.A. Referent Hofrat Dr. Furrer beantragt: Die Genehmigung der Schaffung einer explosionssicheren Benzineinlagerung System „Dabeg" im sogenannten Stadtgarten. Wird einstimmig angenommen. Punkt 20: Ausbau der Industriehalle entfällt. Der Bürgermeister wünscht vor Schluss der Sitzung den Gemeinderäten gute Ferien und schliesst um 3/4 12 Uhr nachts die Sitzung. Der Vorsitzende: A.Wokral m.p. Der Schriftführer: Die ProtokollJ. Russmann m.p. Kapinus m.p. prüfer: Bausenwein m.p. Fischer m.p.
Protokoll über die vertrauliche Sitzung des Gemeinderates am 16. Juli 1923. Vorsitzender Bürgermeister Wokral. Zl. 820/V.P. 1.) Punkt. Funktionsgebühren der Bürgermeister. Referent G.R. Saiber beantragt: Der Gemeinderat beschliesse gemäss § 26, Absatz 4 des Gemeindestatutes die Funktionsgebühren der Bürgermeister und-Stellvertreter festzusetzen: 1.) Für den Bürgermeister in der Höhe der Gebühren eines Volksbeauftragten samt Familienzulagen (Nationalrat) Gesetz vom 13. Juli 1921, B.G.Nr. 377; 2.) Für die Stellvertreter die Hälfte der unter 1) genannten Gebühren ohne Familienzulagen. Der Beschluss tritt mit 1.Juli 1923 in Wirksamkeit. 2.) Punkt. Aufnahmen in den Heimatsverband. Gemeinderat Saiber beantragt die en bloc Annahme der Anträge auf Aufnahme in den Gemeindeverband und zwar: Zl.30.107/22 Ferdinand Sigmund samt Frau und 3 Kinder freiwillige Aufnahme, Taxe K 12.000.- Zl. 11.108 Anton Hulinsky samt Frau und 3 Kinder freiwillige Aufnahme, Taxe K 12.000.- Zl.11.005 Franz Hoffelner samt Frau und 1 Kind, Ersitzung Zl. 6.011 Josef Lengauer, Ersitzung Zl. 7.020 Therese Kollar samt 3 Kinder, Ersitzung Zl.10.309 Johann Mathe, Ersitzung Zl. 7.533 Johann Lischka samt Frau, Ersitzung Zl.10.851 Florian Baireder samt Frau und 3 Kinder, Ersitzung Zl. 2.435 Stefan Punschuh, Ersitzung Zl. 2.535 Johann Aussermaier, Ersitzung
Zl. 2.298 Franz Supp, Ersitzung Zl. 731 Barbara Dangl, Ersitzung Zl. 217 Edmund Rohrauer samt Frau und 1 Kind, Ersitzung Zl.31.869/22 Franz Mottl, Ersitzung Zl.29.916/22 Adalbert Barcaba, Ersitzung Zl.29.360/22 Andreas Pruppe, Ersitzung Zl.28.772/22 Frang Wagner, Ersitzung Zl.26.859/22 Max Haslinger samt Frau und 3 Kinder, Ersitzung Zl.21.608/22 Therese Wimmer samt einem Kind, Ersitzung Zl.31.759/22 Karl Feichtenberger, Ersitzung Angenommen. Der Vorsitzende: Wokral m.p. Der Schriftführer: Die Protokollprüfer: Johann Bausenwein m.p. Kapinus m.p. Fischer R. m.p.
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