Gemeinderatsprotokoll vom 26. Mai 1923

I. Sitzung. Protokoll über die konstituierende Sitzung des Gemeinderates der Stadt Steyr am 26. Mai 1923. Tagesordnung. 1.) Wahl des Bürgermeisters 2.) Wahl der Vicebürgermeister 3.) Bestellung der Ausschüsse Anwesend: die Gemeinderäte: Scherak Franz Futterer Franz Prof. W. Brand Dr. Arnulf Hummer Klaffenböck Johann Dr. Ulrich Furrer Aigner Franz Dr. Messenböck Hubert Dir. Markgraf Josef Schlossgangl Leopold Wolfartsberger Johann Hiessmayr Franz Bausenwein Johann Wokral Josef Dedic Karl Russmann Julius Rendl Karl Hafner Josef Baumgartner Hans Dr. Schneeweiss Rud. Hans Lischka Klement Karl Steinbrecher Leopold Tribrunner Franz Fischer Karl Witzany Hans Gangl Josef Saiber Alois Kranjak Marie Januschka Emanuel Mayr Anton Lind Eduard Schöndorfer Anton Vom Magistrate: Magistratsdirektor Dr. Ferd. Häuslmayr. Als Schriftführer: Magistratsbeamter Franz Blüml. Bürgermeister Wokral begrüsst alle zur Kon-

stituierung Erschienenen und teilt mit, dass die Gemeinderäte Kletzmayr und Kisely ihre Abwesenheit entschuldigt haben. Weiters teilt der Bürgermeister mit, dass nach der Geschäftsordnung die Konstituierung in der Weise zu erfolgen hat, dass das an Jahren älteste Mitglied den Vorsitz übernimmt und die Wahl des Bürgermeisters leitet. Das älteste Mitglied ist Dr. Ulrich Furrer und wird derselbe ersucht, den Vorsitz zu übernehmen. Dr. Furrer übernimmt den Vorsitz und gibt bekannt, dass zu Protokollprüfern zufolge Parteienvereinbarung die Gemeinderäte Brand und Hafner, zu Stimmenzählern G.R. Bausenwein und Fischer gewählt wurden und ersucht, an die Wahl zu schreiten. G.R. Hafner macht namens der sozialdemokratischen Partei den Vorschlag, den bisherigen Bürgermeister Josef Wokral wieder zu wählen. Es erfolgt die Abgabe der Stimmzettel. Der Vorsitzende teilt mit, dass 34 Stimmzettel abgegeben wurde, wovon 32 auf Josef Wokral lauten und zwei leer sind. Es erscheint Bürgermeister Wokral somit wiedergewählt, nun nimmt Vorsitzender Dr. Furrer die Angelobung vor und wünscht Herrn Bürgermeister zur Erfüllung seiner schweren Aufgabe kräftige Gesundheit. Bürgermeister Wokral übernimmt den Vorsitz, dankt für das Vertrauen und gibt eine kurze Erklärung ab. Es ist das zweitemal, dass die Mehrheit der Bevölkerung dahin entschieden hat, dass sozialdemokratische Kommunalpolitik hier betrieben werden soll, dass aber die Durchführung des Programmes, das ja bekannt ist, nicht nur vom Willen der Gewählten abhängt, sondern von einer Reihe von Umständen. Das Wirken des Gemeinderates ist wesentlich erschwert, da der Bund für sich die Steuern mit Beschlag belegt hat und die Gemeinde auf den Ertrag der Realsteuern verwiesen hat, Steuern, die schon früher keinen guten Klang gehabt haben. Es erweckt den Anschein, als ob die Gemeindevertretung aus freiem Wil-

len die Einwohner mit direkten Steuern belasten würde, es ist jedoch der Gemeinde genau vorgeschrieben, was sie an Steuern mindestens einheben muss. Es gibt aber noch eine Reihe von anderen Dingen, die die Tätigkeit des Gemeinderates wesentlich erschweren. Unter anderem der Mangel an Geldmittel und die Möglichkeit solche zu erhalten. Dies war früher leichter möglich. Heute ist die Gemeinde kaum imstande, sich Kredite zu verschaffen. Sie muss sich bemühen, mit den laufenden Mitteln das Auslangen zu finden, was jedoch nicht immer geht. Weiters betont Herr Bürgermeister, dass er sich als Bürgermeister nicht nur verpflichtet fühlt, sondern die Verpflichtung gern übernommen hat, stets unparteiisch das Amt zu leiten und sich nicht von persönlichen Gründen beeinflussen lassen wird. In sturmbewegter Zeit haben vor vier Jahren die Sozialdemokraten die Geschäfte der Stadt Steyr zum erstenmal übernommen. Düster war damals der politische und wirtschaftliche Horizont und wenn gehofft wurde, dass sich die Verhältnisse ändern werden, so muss leider gesagt werden, dass dies nicht viel der Fall ist. Es wird auch heute schwer sein, in der Zeit dieser Krise die Geschäfte zur Zufriedenheit der Bevölkerung abzuwickeln, aber so wie bisher wird die Mehrheit auch da ganz offen sich zu ihrem Parteiprogramm bekennen, von dem Gedanken geleitet, nicht zum Wohle der Partei, sondern zum Wohle der ganzen Bevölkerung. Der Vorsitzende richtet noch an die anderen Parteien die Einladung, mit der Mehrheit zum Wohle der gesamten Bevölkerung mitzuarbeiten. Die Bevölkerung erwartet vom Gemeinderate mit Recht, dass er eine fruchtbringende Arbeit leisten wird. Der Bürgermeister schliesst seine Erklärung mit der Versicherung, dass er sowohl als Bürgermeister wie auch als Parteimann bestrebt sein wird, für das Wohl der Bevölkerung zu wirken, bittet die Gemeinderate, ihn dabei zu unterstützen und dankt nochmals für das Ver-

trauen. Die Erklärung wurde mit Beifall entgegengenommen. Es erfolgt nun die Angelobung der Gemeinderäte in der Weise, dass der Vorsitzende die Angelobungsformel verliest und jeder Gemeinderat bei Aufruf seines Namens die Angelobung mit den Worten „Ich gelobe" leistet. Hierauf wird zur Wahl der Vicebürgermeister geschritten. Der Vorsitzende gibt bekannt, dass von den drei Vicebürgermeistern auf die stärkste Partei zwei, auf die zweitstärkste Partei ein Vicebürgermeister entfällt. G.R. Hafner schlägt namens seiner Partei die G.R. Dedic und Russmann vor, G.R. Brand namens der Wahlvereinigung G.R. Dr. Messenböck. Es werden nun die Stimmzettel abgegeben. Nach Zählung der Stimmen teilt der Vorsitzende mit, dass V.B. Dedic mit 32 Stimmen, V.B. Russmann ebenfalls mit 32 Stimmen und V.B. Dr. Messenböck mit 29 Stimmen gewählt erscheinen. 9 Stimmzettel waren leer. Nachdem sich die Gewählten bereit erklärten, die Stelle anzunehmen, leisten sie die Angelobung. Der Vorsitzende teilt mit, dass betreffs der Bestellung der Ausschüsse sich die beiden grösseren Parteien auf einen Vorschlag geeinigt haben. Es werden nicht mehr Sektionen aufgestellt, sondern hat ein Geschäftsreformausschuss eine Geschäftsordnung auszuarbeiten. Vorläufig werden dringende Arbeiten noch von den Sektionen behandelt. G.R. Brand stellt den Antrag, die Ausschüsse nach dem Vorschlag en bloc anzunehmen. G.R. Futterer erhebt namens der kommunistischen Partei Einspruch darüber, dass diese in keinem Ausschüsse vertreten sind. Der Vorsitzende erklärt, dass die kommunistische Partei, da sie weniger als ein Sechstel der Gesamtheit ausmacht, keinen Anspruch auf Berücksichtigung hat.

Wegen Einteilung in die erst zu wählenden Sektionen müssten sich die Kommunisten mit der Minderheit ins Einvernehmen setzen. Der Antrag des G.R. Brand wird hierauf angenommen. Es erscheinen somit folgende Ausschüsse gewählt: Kassenkommissäre (1:1) Saiber Alois, Wolfartsberger Hans Verkehrskommission (2:1) Tribrunner Franz, Baumgartner Johann, Markgraf Josef. Meisteratelier (1:1) Lebeda Alois, Brand Wenzel. Vorstand der Wohnungs- fürsorge (2:1) Saiber Alois, Gangl Johann, Markgraf Josef. Aufsichtsrat der Woh- nungsfürsorge (1:1) Klement Karl, Klaffenböck Johann. Personalkommission (4:2) Saiber Alois, Russmann Julius, Lischka Hans, Dr. R. Schneeweiss, Brand Wenzel, Dr. Hummer Arnulf. Einspruchskommission für die Bodenwertab- gabe (5:2) Rendl Karl, Witzany Hans, Russmann Julius, Fischer Karl, Schlossgangl Leopold, Wolfartsberger Johann, Lischka Hans. Eingemeindungsausschuss (6:3) Russmann Julius, Dedic Karl, Januschka Emanuel, Saiber Alois, Hafner Josef, Dr. Schneeweiss, Brand Wenzel, Kletzmayr Hermann, Aigner Franz. Stadtgut (2:1) Steinbrecher Leopold, Gangl Josef, Hiessmayr Franz. Disziplindrausschuss (4:2) Klement Karl, Lind Eduard, Saiber Alois, Kranjak Marie, Dr. Furrer Ulrich, Bausenwein Johann. Präliminarkommission (6:3) Russmann Julius, Witzany Hans Dr. Schneeweiss Rud. Saiber Al.

Steinbrecher Leopold, Kisely Berta, Brand Wenzel, Dr. Mes¬ senböck Rubert, Dr. Hummer Arnulf. Geschäftsreformausschuss (8:4) Russmann Julius, Witzany Hans Dr. Rud. Schneeweiss, Saiber Al. Tribrunner Franz, Fischer Karl, Hafner Jos., Emanuel Januschka Dr. Messenböck Hubert, Brand Wenzel, Bausenwein Johann, Dr. Hummer Arnulf. Der Bürgermeister richtet noch einen kurzen Appel an die Gemeinderäte zur Mitarbeit und schliesst um 11 Uhr 45 Min. die Sitzung. Die Vorsitzenden: Wokral Dr. Ulrich Furrer Die Beglaubiger: Die Schriftführer: Hafner Josef Blüml Franz. Brand Wenzel.

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