Gemeinderatsprotokoll vom 9. Februar 1923

G.R. Klement betont die furchtbare Lage der Arbeitslosen, Hun¬ ger und Verzweiflung, Elend und Not und sagt, es sei zu staunen, dass sich die Leute so ruhig verhalten, denn auch in Steyr sei eine impulsive Arbeiterschaft. Bisher sei der Abbau auf dem Rücken der Arbeiterschaft erfolgt und warnt die kompetenten Faktoren. Bisher sei es gelungen, die Ordnung zu halten, wir wissen es aber nicht, wie es noch kommt. Die Gemeinde leistet was sie kann, trotzdem ihr die Landesregie¬ rung und der Bund alles wegnimmt. Er empfiehlt am Schlusse die Zentralisierung der Wohltätigkeitsaktion behufs besserer Kontrolle und Verhütung der Doppelbeteilung. G.R. Prof. Brand hebt hervor, dass er seine Pflicht erfüllt habe und sich niemals gegen die Not der Zeit ver¬ schlossen hat. Er bedauert, dass in den bürgerlichen Kreisen wenig Verständnis hiefür vorhanden sei, er verstehe den Ernst der Lage und sei der Letzte, der nicht mit beitrage zur Linderung der Not. Er empfehle, so wie in Deutschland sich alle Parteien in der Not zusammengefunden haben, ein Zusammenschliessen, man möge trachten, dass die Bauern hilfs¬ willig seien. Arbeiten wir einträchtig in der Not zur Lin¬ derung derselben. G.R. Saiber nimmt Bezug auf die Rede des G.R. Brand und appelliert an die bürgerlichen Kreise, sie mö¬ gen für Kinder einen einmonatlichen Freitisch geben. V.B. Dedic stimmt der gemeinsamen Arbeit zu, muss aber bemerken, dass die Landwirtschaft gerade diesen Mo¬ ment auserwählt hat, die Preise für Milch in die Höhe zu treiben. Andererseits hetzt die Steyrerzeitung als Organ der christlichsozialen Partei die Arbeitslosen gegen die Sozialdemokratie. Demgegenüber kann man nicht glauben, dass die Worte des Prof. Brand aufrichtig gemeint seien. Die Minorität hat während der Rede des V.B. Dedic den Sitzungssaal verlassen und erklärt Bürgermeister Wokral, dass ein Grund zum Verlassen der Sitzung nicht vor-

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