Wir müssen uns sagen, daß die Art, wie sich die Regie¬ rung die Sanierung der Gemeinden vorstellt, auf einem voll¬ ständig verfehlten Systeme beruht. Es läßt sich gar nicht sagen, was der Ertrag im Jahr¬ 1923 sein soll, wodurch die Aufstellung eines Präliminares für 1923 unmöglich wird. Man kann allerdings annehmen, was die Gemeinde an notwendigsten Ausgaben hat. Was nutzt es einer Stadt, wenn sie Stadt mit eigenem Statut ist, sie sich aber für ihre Autonomie keine Geltung ver¬ schaffen kann. Dies ist ein Zustand, welcher zur Stellungnahme gegen den Entwurf des Wiederaufbaugesetzes zwingt. Es ist nämlich noch eine Bestimmung im Entwurfe ent¬ halten, welche die größte Gefahr für die Autonomie bedeutet. Die Regierung mutete den Gemeinden zu, daß sie auf eine Reihe von Steuern, die sie bisher besessen hatten, in ganz bestimmter Weise verzichten, und verspricht dafür, daß die Gemeinden hievon Anteile erhalten können; im § 8, Absatz über heißt es, wenn der Bund mit dem ausgewiesenen E gebnis nicht zufrieden ist, so können auch diejenigen Anteile die den Gemeinden als Aequivalent für den Verzicht zuge sprochen wurden, entzogen werden. Dies bedeutet nichts anderes, als daß ein Steuerfaustrecht ausgeübt würde, und schon es darauf ankommt, wer hier der Stärkere ist. Wir sehen beim Land, daß es das Stärkere ist und der Bund macht es mit den Ländern und Gemeinden ebenfalls so. Es wird ein förmliches Faustrecht im Steuerwesen eingeführt. Darüber muß sich die Gemeinde klar sein und gegen den Entwurf energisch Stellung nehmen, Der Oesterreichische Städtebund, dem auch die Stadt Steyr angehört, hat in seiner Tagung am 31. Oktober l. J. eine Entschließung angenommen, welche ich mir Ihnen zur Stellungnahme zu verlesen erlaube: Entschließung. Die am 31. Oktober im Wiener Rathause tagende Sitzung des Großen Ausschusses des Deutschösterreichischer Städtebundes erklärt, daß sie bei ihrer Stellungnahme zum Reform= und Sanierungsprogramm der Bundesregierung alle Fragen politischer Natur ausschaltet und ausschließlich vom Standpunkt der Kommunalverwaltung die Vorschläge der Regierung geprüft hat. Von diesem Gesichtspunkt aus¬ gehend wird festgestellt: 1. Die Gemeinden setzen an die Spitze ihrer Aus¬ führungen, daß sie die Notwendigkeit der äußersten Spar¬ samkeit bei allen Personal= und Sachausgaben unbedingt erkennen und fest gewillt sind, die größte Sparsamkeit energisch zu üben. Es besteht indes bei den Gemeinden kaum die Möglichkeit eines so weitgehenden Personalabbaues, wie er beim Bund durchführbar sein mag. Im Gegensatz zum Bund ist ja bei den Gemeinden keine Verkleinerung des Gebietes oder des Wirkungskreises eingetreten. Die Not der Nachkriegszeit hat ihnen vielmehr eine Reihe neuer Auf¬ gaben, besonders auf dem Gebiete des Humanitätswesens gebracht. 2. Die Personalausgaben der Gemeinden können selbst beim besten Willen keine sehr rasche Herabsetzung erfahren Die alten, definitiv angestellten Personen rechtlich verbürgten Pensionsansprüche lassen erhebliche Ersparungen nicht zu Da der Bund den Standpunkt einnimmt, zu den Abferti¬ gungen der Gemeindeangestellten nicht beizusteuern, so er¬ wachsen den Gemeinden dadurch erhebliche Ausgaben, die sie allein nicht tragen können. 3. Die Sachausgaben wurden von den Gemeinden dereits derart gedrosselt, daß eine weitere Kürzung nicht mehr möglich ist. Die Gemeinden haben seit 1914 viele un¬ bedingt notwendige Herstellungen unterlassen, da dazi wahrend des Krieges die Materialien und Arbeiter, später die notwendigen Gelder fehlten. Diese Sparsamkeit über¬ schreitet schon längst die Grenzen der Wirtschaftlichkeit und ist in Wahrheit nur Verschwendung, weil Häuser, Kanale, Brücken und Straßen gänzlich zugrunde gehen. Jede weitere Einschränkung der Sachausgaben wäre nur geeignet, den Zusammenbruch zu beschleunigen. Dazu kommt noch, daß den Gemeinden durch das Krankenanstaltengesetz große Lasten aufgebürdet wurden, die eigentlich der Bund zu tragen hätte 4. Der Bund verspricht den Gemeinden als Ersatz für die Zuschüsse zu den Beamtenbezügen und für die Bundes¬ darlehen höhere Steuerertragdanteile. Es muß jedoch fest¬ gestellt werden, daß den Gemeinden gar keine Sicherheit dafür geboten wird, ob diese Anteile jene Höhe erreichen, die angenommen wird. Während also die Zuschüsse zum Personalaufwand schon vom 1. Jänner 1923 an eine ein¬ schneidende Kürzung erfahren, ist gar keine Vorsorge ge¬ troffen, daß die Gemeinden schon in demselben Augenblidh durch erhöhte Steuererträge entschädigt werden. Bezüglich Einkommen= und Erwerbssteuer kann vielmehr mit Gewi߬ heit angenommen werden, daß dies nach der Natur dieser Abgaben nicht der Fall sein wird. Bezüglich der Waren¬ umsatzsteuer, von der die größten Einnahmen erwartet werden, verlangen die Gemeinden, daß ihnen die Bundes¬ gesetzgebung unzweideutig einen bestimmten Ertragsanteil zuspricht. Es sei daran erinnert, daß die Bundesregierung beim Zustandekommen der Bankumsatzsteuer den Gemeinden als Ersatz für die geringe Quote 50 Prozent einer künftigen Warenumsatzsteuer in Aussicht gestellt hat. Unter allen Um¬ ständen muß vorgesorgt werden, daß die Ueberweisung der Steueranteile an die Gemeinden mit unbedingter Zuver¬ läßlichkeit und wirklich pünktlich erfolgt, was bisher oft nicht der Fall war. Grundsätzlich müssen die Gemeinden es als ihre Rechtsüberzeugung aussprechen und festlegen, daß es unzulässig ist, den Gemeinden Steuern, die sie bereits ein¬ geführt und in entsprechender Weise ausgebaut haben, ohne volle Entschädigung zu entziehen. Die geplante Einhebung einer Gas= und Stromsteuer als Bundesabgabe muß als eine ganz einseitige Belastung der städtischen Bevölkerung bezeichnet werden. Es wird deshalb verlangt, diese Abgaben den Gemeinden und Ländern nach wie vor zu überlassen. Mit allem Nachdruck muß daran erinnert werden, daß die Zuschüsse des Bundes und die Steueranteile keineswegs, wie es im Gutachten des Finanzkomitees heißt, Subventionen sind. Dies ist eine ganz irrige Auffassung. Die Gemeinden wären vielfach gar nicht in diese Not gekommen, wenn sie diese sehr ergiebigen Steuerquellen rechtzeitig hätten aus¬ nützen können, was der Bund zu tun unterlassen hat. Die Gemeinden verlangen, daß die im § 8, Absatz 4, des Sanierungsprogrammes der Regierung vorgesehene Ein¬ richtung dazu benützt wird, die Gemeindeautonomie irgend¬ wie zu beeinträchtigen. Eine Berücksichtigung des in dieser Entschließung dar¬ gelegten Standpunktes ist um so dringender geboten, als zweifellos die Durchführung des Sanierungsprogrammes die eigenen Einnahmen der Gemeinden sehr beeinträchtigen wird. Die wachsende Arbeitslosigkeit macht sich bereits ebenso auf dem Gebiet der Einnahmen wie durch die steigenden Ansprüche an die öffentliche Fürsorge sehr empfindlich fühl¬ bar. In dieser Zeit ist eine so brüske Kürzung der bisherigen Einnahmen der Gemeinden ohne folgenschwere Erschütter¬ ungen unmöglich. Insbesondere muß aber, wie dies der Bund in Form der Auslandskredite für sich selbst als not¬ wendig erachtet, auch für die Gemeinden durch länger¬ fristige Vorschüsse ein Uebergang, jene Atempause geschaffen werden, bis die neuen Steueranteile wirklich regelmäßig und verläßlich fließen und die überhaupt möglichen Erspar¬ nisse, denen sich die Gemeinden gewiß nicht entziehen wollen, wirksam werden können. Die angestrebte Sanierung der Bundesfinanzen muß ganz vergeblich bleiben, wenn sie mit dem finanziellen Zusammenbruch der Gemeindewirtschaft erkauft wird. Daß, meine Frauen und Herren, ist die Entschließung, die der Städtebund gefaßt hat; wenn im Schlußsatz ver¬ langt wird, daß während der Uebergangszeit entsprechende Vorschüsse gegeben werden, so wird darauf verwiesen, daß die Einführung, z. B. der Warenumsatzsteuer zur Einlebung einige Jahre dauern wird, bis sie voll erfaßt werden kann. Während dieser Zeit muß die Gemeinde leben können und muß der Bund Vorsorge treffen, daß die Gemeinden auch ihre Aufgaben erledigen können. Wir stehen vor einer äußerst ernsten Situation und haben sicherlich alle Veranlassung, ohne Rücksicht auf den Parteienstandpunkt gegen dieses Projekt Stellung zu nehmen, weil es für die Gemeinde eine ungeheure Belastung und die Bringung ungeheurer Opfer und besonders auch eine Einschränkung in ihrer Autonomie bedeutet. Ich gestatte mir demnach folgenden Sektionsantrag zu unterbreiten: 1. Der Gemeinderat der Stadt Steyr stimmt der Ent¬ schließung des Großen Ausschusses des Deutschösterreichischen Städtebundes vom 31. Oktober 1922 vollinhaltlich zu und beauftragt das Magistrats=Präsidium, diese Stellungnahme dem Städtebund und dem parlamentarischen Sonderausschuß zur Beratung des Genfer Vertrages zur Kenntnis zu bringen. 2. Die Stadtgemeinde Steyr ist mit Rücksicht auf die vollständig ungeklärte Situation vorläufig nicht in der Lage, den gesetzlich vorgeschriebenen Voranschlag (§ 34 des Ge¬ meindestatutes) zu erstellen; es wird daher zu Ende dieses Jahres bloß eine Art Rohbilanz über die Ausgaben aufge¬ stellt werden. (Bravorufe.) Herr Vorsitzender Vizebürgermeister Mayrhofer frägt an, ob das Wort zu den Ausführungen des Referenten gewünscht werde. Dies ist nicht der Fall. Der Herr Vorsitzende drückt seine Befriedigung darüber aus, daß durch eine debattenlose Abstimmung ein erhöhter Eindruck erzielt werde und leitet über den Sektionsantrag die Abstimmung ein. Der Sektionsantrag wird vom Gemeinderate einstimmig angenommen. (Bravorufe.) Herr Bürgermeister Wokral übernimmt wieder den Vorsitz.
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