Gemeinderatsprotokoll vom 13. November 1922

Verzicht die Personalzuschüsse leisten muß, weil es sich nur um ein einfaches Rechtsgeschäft und nicht um Subventionen für die Gemeinde handelt. Mit den Zuschüssen zum Personal¬ aufwand ist daher den Gemeinden nichts geschenkt worden. Der Bund hat den Gemeinden Abgabenertragsanleihe ver¬ sprochen. Ich möchte dieses „Versprechen“ ausdrücklich unter¬ streichen und werde ich später noch darauf zurückkommen. Im vergangenen Jahre wurde im Abgabenteilungsgesetz schon bestimmt, welches perzentuelles Verhältnis die Ge¬ meinden an dem Ergebnis einer Reihe von Steuern beteiligt sind; eine Reihe solcher Steuern sind als sogenannte gemeine Abgaben beschlossen worden und zwar: Einkommensteuer Einkommensteuer nach Bekenntnissen, allgemeine Erwerbs¬ steuer, Hausklassen= und Hauszinssteuer, Immobiliargebühren, Getränke= und Schaumweinabgabe Von der allgemeinen Erwerbsteuer waren im Vorjahre 15 Prozent, von der besonderen Erwerbsteuer 25 Prozent, sowie vom Hausierer= und Wandergewerbe 25 Prozent (im vergangenen Jahre nichts zugewiesen) bestimmt worden. Vom 1. Jänner 1923 an sollen auh die Zuschläge auf die allge¬ meine Erwerbsteuer untersagt und dafür ein 25prozentiger Ertragsanteil zugesichert werden. Die Grund=, Hausklassen¬ und Hauszinssteuer soll ebenfalls gemeinsame Abgabe werden und dem Lande und den Gemeinden überlassen sein. Be¬ züglich Immobiliargebühren und Gebührenäquivalent soll ebenfalls von 1923 an eine Aenderung eintreten; von den Gebührenäquivalenten dürfen keine Zuschläge mehr eingehoben werden, da sie als gemeine Abgaben zwischen Land und Ge¬ meinde zu teilen sind. Besonders aufmerksam zu machen aber ist auf eine Be¬ stimmung des Entwurfes, die unter allen Umständen auch unsere Gemeinde auf das Schwerste zu schädigen vermag, weil der Ertragsanteil aus dem Gebührenäquivalente jenem Lande zufließen soll, in dem die äquivalentpflichtige Korpo¬ ration ihren Sitz hat. Wenn wir diese Bestimmung auf unsere Verhältnisse anwenden, so kommen wir zu einem erdrückenden Ergebnis. Die Oesterreichische Waffenfabrik hat in Steyr ihre Betriebsstätte und den Sitz der Gesellschaft in Wien. Die Lösung würde sein, daß Wien, wo kaum zwei Dutzend An¬ gestellte der Waffenfabrik sind, die 40 Prozent des Gebühren¬ äquivalentes erhalten und die Stadt Steyr, wo der Betrieb der Gesellschaft ist, leer ausgehen würde. Die Straßen werden vom Betriebe der Waffenfabrik in Steyr dafür abgenützt und vom Unternehmen in starke Mitleidenschaft gezogen. Wir hätten von unserem Anspruchsrecht auf die Eil¬ und Frachtgüterabgabe Gebrauch gemacht; man hat aber im Ministerium veryindert, daß dieses Gesetz in Kraft ge¬ treten ist. Die Waffenfabrik würde zu dieser Abgabe einen großen Teil beizutragen haben; durch den Wegfall dieser Abgabe ist die Gemeinde in bedeutenden Nachteil gekommen. Wenn wir uns weiter fragen, wie sich eigentlich diese Abgabenertragsanteile auswirken, so können wir konstatieren, daß die Gemeinde für alle vier Quartale ein Abgabenan¬ teilerträgnis von 72 Millionen herausbekommt und zwar mit samt den Anteilen-aus der sogenannten Bankumsatz¬ steuer. Es zeigt sich also, daß damit der Gemeinde nicht ge¬ holfen werden kann und die Gemeinde womöglich separate Steuern erfinden muß, um halbwegs das Auslangen zu finden. Wenn man erinnert, daß der Voranschlag 1922 einen Abgang von 84 Millionen Kronen ausweisen mußte, daß durch die Steigerung der Preise aller Bedarfsartikel die Löhne und Gehalte während des Präliminarjahres sehr bedeutend siegen, so kann man wohl erkennen, daß mit einem Zuschuß von 72 Millionen durch den Bund von einer Sanierung nicht gesprochen werden kann und nun wird noch weiter be¬ absichtigt, daß die Gemeinde auf weitere Ertragsanteile ver¬ zichten solle. Es bleibt also nur die Selbsthilfe übrig. Wir können auf eine ganze Reihe von Gesetzen hinweisen, die der Gemeinderat aus dem Gedanken der Selbsthilfe beschlossen hatte, so eines Zuschlages zur allgemeinen Erwerbsteuer; dieser fällt jedoch vom nächsten Jahre an weg; die Umlagen auf den richtiggestellten Mietzins; diese soll für die Zukunft eine Steuer des Landes sein, welche mit der Gemeinde zu teilen ist, woraus selbstverständlich eine wesentliche Beein¬ trächtigung der Einnahme hieraus für die Gemeinde entsteht. Die Wertzuwachssteuer ist in eine Landesabgabe umgeändert worden; sie ist aber vom Landtag wieder sistiert worden, so daß die Gemeinde gar nichts aus dieser geplanten Abgabe erhalten kann. Die Lohnabgabe muß mit dem Lande geteilt werden und ist heute unsere einzige Einnahme, die wirklich eine Bedeutung hat. Aber gerade in der letzten Zeit haben wir durch die Einschränkung der Industriebetriebe eine be¬ deutende Einbuße erlitten. Die Bodenwertabgabe bietet noch keine Uebersicht, welchen Ertrag sie haben wird; es konnte erst durch die Verzögerung der Gesetzwerdung im Oktober und November eine Einhebung dieser Abgabe erfolgen. Hätte die Gemeinde diese Abgabe schon im Februar einheben können, wäre sie noch von Bedeutung gewesen; heute kann sie kaum einen nennenswerten Ertrag infolge der Geldentwertung liefern. Durch den Beschluß des Landes ist auch die zehn¬ prozentige Erhöhung der Abgabe auf elektrischen Strom für Kraft und Beleuchtung für die Gemeinde unmöglich geworden. Aber auch der Bund geht daran, eine Steuer auf elektrischen Strom bis zu 30 Prozent des Bezugspreises für sich in An¬ spruch zu nehmen, ohne daß dabei ausgesprochen würde, welche Anteile die Gemeinde davon erhält. Bieher konnte doch eine wesentliche Einnahme aus der Abgabe für elektrischen Strom erzielt werden, durch den Gesetzentwurf des Bundes läuft die Gemeinde jedoch Gefahr, auch diese Einnahme ein¬ zubüßen. Weiters wurden Abgaben beschlossen für Kraft¬ und Kutschwagen, Pferdebesitz, Ankündigungen, die nicht be¬ sonders ergiebig sind. Weiters soll künftig entfallen der Zuschlag auf das staatliche Gebührenäquivalent, nur der Zuschlag zur Immobiliargebühr kann bleiben. Die Feuer¬ wehrumlage konnte noch nicht durchgeführt werden. Die Lust¬ barkeitssteuer wird in Zukunft etwas mehr tragen, weil sie eine reine Abgabe für die Gemeinde wird. Bezüglich der Kanzleitaxe mußte eine Beschränlung eintreten, als der Bund plötzlich erklärte, daß für Arbeiten des übertragenen Wirkungs¬ kreises keine Kanzleitaxe eingehoben werden dürfe. Die Ab¬ gabe auf den Besuch öffentlicher Häuser wartet gleichfalls au den Beschluß des Landtages und die Abgabe auf Eil= und Frachtgüter ist, wie berichtet, nicht in Kraft getreten. Das alles wären Abgaben, mit denen sich die Gemeinde selbst helfen könnte; aus meinen Ausführungen hat man aber ge¬ sehen, wie man mit der Gemeinde umspringt und wie man jeden Versuch der Gemeinden, sich aus eigener Kraft aufzu¬ helfen, niederhält und die Gefahr besteht, daß im nächsten Jahre eine weitere Schädigung der Interessen der Gemeinde eintritt. Interessant ist auch, wie lange es dauert, bis ein Be¬ schluß des Gemeinderates auf Einführung einer Abgabe oder Steuer Gesetzeskraft erlangt und bis sie wirksam werden. So dauerte es bei der Kraft= und Kutschwagensteuer vom 27. Juli 1921 bis 27. März 1922, also ungefähr drei viertel Jahre; der Beschluß wegen Immobiliargebühr erfolgte am 27. Juli 1921, am 2. August 1922 trat sie in Kraft u. s. w. Es dauert jede Gesetzwerdung ein Jahr und darüber. Unter solchen Umständen ist es eigentlich zu verwundern, daß die Gemeinden nicht längst schon zusammengebrochen sind. Der Gemeinderat hat sich mit einer ganzen Reihe von Abänderungen beschäftigt, welche der Landesrat bezw. der Landtag zu erledigen hätte; diese Erledigung dauert aber so lange, bis die Abgabe durch die Geldentwertung ihre ganze Wirkung verloren hat. An diesen trostlosen Zuständen ändert das Wiederaufbaugesetz nichts. Statt es den Gemein¬ den zu ermöglichen, rascher zu Einnahmen zu kommen, bleibt die alte bürokratische Einrichtung der Erledigungs¬ sorm bestehen. Die Gemeinde hat auf alle Zuschläge zu den direkten Staatssteuern zu verzichten, dafür soll sie Ertragsanteile erhalten, aber in dem Entwurfe des Wiederaufbaugesetzes ist keine Silbe zu finden, in welchem Ausmaße diese über¬ wiesen werden und keinerlei Anhaltspunkt enthalten, welche Beträge diese Anteile ergeben werden. Nun finden wir noch andere Sachen, die gleichfalls auf eine Schädigung der Ge¬ meinden hinausgehen. Es wurde vom Bunde eine sogenannte Bankumsatzsteuer geschaffen, welche als gemeine Abgabe gelten soll; es wurde versprochen, daß durch diese Abgabe die Gemeinden saniert werden können und wenn man den Umsatz der Banken betrachtet, müßte man glauben, daß ungeheuere Einnahmen daraus fließen werden. Es stellt sich jedoch heraus, daß in den früher erwähnten 72 Millionen=Anteilen diese Bank¬ umsatzsteuer schon enthalten sei. Nachdem die Regierung ein¬ gesehen hatte, daß die Gemeinden zu wenig Anteile haben, hat sie versprochen, daß den Gemeinden die Warenumsatz¬ steuer verbleiben soll. Im Wiederaufbaugesetz aber beißt es, daß von dieser Warenumsatzsteuer 30 Prozent auf Land und Gemeinden zusammen entfallen soll; wir finden also hier eine neuer¬ liche Benachteiligung. Wenn wir das Erfordernis an Personal= und Sachauf¬ wand und den Zinsendienst für 1923 berechnen, jo ergibt sich ein solches von rund acht Milliarden Kronen, welchem gegenüber mit einer Einnahme von 50•1 Millionen Kronen Anteile zu rechnen wäre, weil der Bund vom 1. Jänner 1923 an die Zuschüsse für die Pensionisten einstellt. Ich möchte hier einige Ziffern des Krankenhauses an¬ führen, welches mit dem nötigen Betriebskapital die Stadt¬ gemeinde besonders belastet. Der Vorschuß der Stadtkasse an Betriebskapital war am 9. November l. J. bereits auf 345 Millionen Kronen gestiegen. Von dem erhaltenen Bundes¬ darlehen von 705 Millionen Kronen steckt also fast die Hälfte in dem Betriebsvorschuß. Wenn also der Bund in Hinkunft jeden Zuschuß für Spitäler einstellt, so kann man sich die schwierige Situation vorstellen, in welche die Gemeinden geraten. Vor dem Kriege hatte der städtische Gebarungsfond 100.000 Kronen betragen, würde dies auf die heutigen Ver¬ hältnisse umgerechnet werden, so wären dies 15 Milliarden Kronen. Daraus erklärt sich wohl, daß die Auszahlungen Verzögerungen erleiden können, wenn die Gemeinde nickt in die Lage kommt, die Einnahmen ebenso im selben Ver¬ hältnisse sicher zu haben. Die Einnahmen werden durch andere Faktore verzögert und wir können nicht zu einem Ergebnis gelangen.

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