Gemeinderatsprotokoll vom 13. November 1922

Zu § 5 bemerkt Herr GR. Prof. Brand, daß sich die Abgabe nicht auf bestehende, sondern nur auf neue Rück¬ stände beziehen soll, es solle daher heißen, dieses Gesetz tritt mit dem ersten des nächsten Monates in Wirksamkeit. Herr Vizebürgermeister Dedic findet es unerklärlich, was Herr GR. Prof. Brand mit den Abänderungsanträgen bezwecken will. Es erscheint faßt alles bei den Haaren herbei¬ gezogen. Herr Prof. Brand hat vielleicht Angst, daß die Ge¬ werbetreibenden soviele Zuschläge auf die Rückstände zu be¬ zahlen haben. Das vorliegende Gesetz muß doch erst vom Kandtage beschlossen werden und können unter Umständen 13 Monate vergehen, bis die Zuschläge fühlbar werden Referent Herr GR. Tribrunner hält diese Aender¬ ung für gefährlich. Herr GR. Prof. Brand war schon erstaunt daß die Waffenfabrik soviel schuldig ist, wenn wir durch die Aenderung eine Lücke offen lassen, wird die Waffenfabrik die alten Steuern schuldig bleiben; es sprechen also auch praktische Gründe dagegen. Herr Vorsitzende berichtet, daß er leider in der letzten Landtagssitzung nicht anwesend sein konnte, aber erfahren habe, daß schon in einem Gesetzentwurf die Valorisierung des Verzögerungszuschlages beantragt wurde; dies würde mehr als einen 25prozentigen Zuschlag entsprechen. Sodann leitet der Herr Vorsitzende über den Abänder¬ ungsantrag des Herrn GR. Prof. Brand die Abstimmung ein, welcher Antrag vom Gemeinderate mit Stimmenmehrheit abgelehnt wird. In zweiter Abstimmung wird der Sektions¬ antrag mit Stimmenmehrheit angenommen. 5. Einführung eines Interessentenbeitrages. „„ Referent Herr GR. Tribrunner. Bei dem Interessentenbeitrag handelt es sich um tech¬ nische Anlagen, daher der Name Interessentenbeitrag. Hiezu liegt ein längerer Motivenbericht und der Gesetzentwurf selbst vor. Beide Vorlagen werden vom Herrn Referenten verlesen. Vor der Verlesung des Gesetzentwurfes frägt der Herr Vorsitzende, ob die paragraphenweise Abstimmung gewünscht werde. Herr GR. Prof. Brand erklärt namens seiner Partei für die en blok Annahme zu sein, wenn der Wunsch des Herrn GR. Dr. Peyrer, welchen derselbe in der Sitzung der ersten Sektion vorbrachte, berücksichtigt erscheint. Der Herr Vorsitzende sagt zu, daß der Wunsch berück¬ sichtigt sei, worauf der Sektionsantrag vom Herrn Referenten zur Kenntnis gebracht und um dessen Annahme ersucht wird. Der Sektionsantrag lautet: Der Gemeinderat erteile dem von der ersten Sektion beschlossenen Gesetzentwurf be¬ tressend Einführung des Interessentenbeitrages die Ge¬ nehmigung. Angenommen. 6. Beschlußfassung betreffend Einführung einer Wohn¬ bausieuer. Im Einvernehmen mit den Parteienvertretern wird dieser Punkt für heute von der Tagesordnung abgesetzt Der Gesetzentwurf wird jedem Gemeinderate abschriftlich zugestellt und kommt in der nächsten Gemeinderatssitzung zur Ver¬ handlung und Beschlußfassung. Wird zur Kenntnis genommen. 7. Stellungnahme der Stadtgemeinde Steyr zum Wieder¬ aufbaugesetz. Herr Vizebürgermeister Mayrhofer übernimmt den Vorsitz und erteilt Herrn Bürgermeister Wokral als Referenten das Wort: Herr Bürgermeister Wokral: Werter Gemeinderat! Durch den Krieg sind die Gemeinden in große Schwierig¬ teiten geraten; wenngleich der Umfang des Gebietes der Gemeinden in den meisten Fällen ziemlich gleich geblieben ist, so sind die Aufgaben dennoch ganz bedeutend gewachsen. Vor allem sind es zwei Dinge, die von der Gemeinde zu entfaltende Fürsorgetätigkeit und jene für das Wohnungswesen, welche einen erhöhten Wirkungekreis verursächen. Die Ein¬ nahmen sind aber weit hinter dem Aufwand zurückgeblieben; dieser Einnahmenrückgang ist eine Folge der Entwertung unseres Geldes und besonders in den letzten zwei Jahren ist diese geradezu rasend erfolgt. Dieser Geldentwertung und dieser schwierigen Situation, in die die Gemeinden durch die Geldentwertung geraten sind, sollte durch die Schaffung des Finanzverfassungs= und Steuerverteilungsgesetzes Rechnung getragen werden. Beide Gesetze wurden im vorigen Jahre vom Nationalrate beschlossen, vom Bundesrate bestätigt und sollen die Aufgabe haben, eine Sanierung der Gemeinde¬ Einanzen herbeizuführen. Bisher wurden jedoch die Er¬ wartungen keineswegs erfüllt; vielleicht hätte eine Auswirkung eintreten können, wenn die Gemeinden die nötige Zeit dazu zur Verfügung gehabt hätten, denn die Fürsorgeaufgaben nahmen sie unausgesetzt in Anspruch. Im November vorigen Jahres ist ein Teil dieses Finanzverfassungsgesetzes in Kraft getreten. In den Monaten August und September des heu¬ rigen Jahres trat wieder eine gewaltige Teuerung ein, welche zum Teile das, was mit dem Abgabenteilungsgesetz beab¬ sichtigt wurde, wirkungslos machte. Die Regierung hat einen Ersparungskommissär einge¬ setzt; dieser hat auch den Gemeinden ein Zirkulare zukommen lassen, in welchem die größtmöglichste Sparsamkeit aufge¬ tragen wird. Dieser erblickt im Personalabbau die beste Er¬ sparungsmöglichkeit. Der Ersparungskommissär scheint sich aber über die Trag¬ weite seiner-Forderungen nicht voll und ganz klar zu sein. Ein Abbau ist bei den Gemeinden nicht in dem Maße möglich, wie dies beim Bunde der Fall ist. Beim Bunde sind 80 bis 90 Prozent Personalausgaben, während sich bei der Stadtgemeinde Steyr ein Verhältnis für den Monat Oktober von 1: 2 ergibt Die Personalausgaben betragen also nochmal soviel als die Sachausgaben. Es ist auck nicht so leicht mit dem Abbau vorzugehen; die einzelnen Angestellten sind auf Grund besonderer Verträge im Besitze von Rechten und wird der Abbau umso schwieriger, als der Bund, wie in Erfahrung gebracht werden konnte, zu den Abfertigungen abgebauter Angestellter keine Zuschüsse zu leisten beabsichtigt, so daß die Gemeinde die Abfertigungssummen aus eigenem zu leisten hätte. Diese Belastung könnte die Gemeinde unmöglich ertragen, Die Situation für die Gemeinden ist aber noch verschlimmert worden, als auch der Staat für sich trachten muß, eine Sa¬ nierung durchzuführen. Die Regierung hat auf Grund des Genfer Abkommens dem Nationalrate eine Reform des Sa¬ nierungsprogrammes unterbreitet, welches als Wiederauf¬ baugesetz bezeichnet wird und ganz bedeutende Rückwirkungen auf die Gemeinden ausübt, und zwar deshalb, weil zum Beispiel darin verlangt wird, daß die Gemeinden mit dem Per¬ sonalabbau in gleicher Weise vorgehen sollen, wie beim Bund. Wenn wir uns die Wirkung des Wiederaufbaugesetzes auf die Gemeinden denken, so müssen wir uns fragen, wie steht es mit den sogenannten Sachausgaben und da muß gesagt werden, daß die Gemeinden — eine wie die andere - schon während des Krieges äußerst schwer imstande gewesen sind, die Aufgaben und Lasten, welche der Sachaufwand erfordert, zu decken; während des Krieges ist auch Leute¬ mangel eingetreten und nach dem Kriege trat die Geldent¬ wertung ein, welche die Einnahmen der Gemeinden so ver¬ ringerte, daß eine ganze Reihe von notwendigen sachlichen Durchführungen zurückbleiben mußte. Wir können in ganz Oesterreich sehen, daß die Straßenpflege zurückgeblieben ist es ist dies auch begreiflich, wenn man bedenkt, daß ein Pflasterstein bereits 2500 Kronen ab Mauthausen kostet. Es konnte nur das Allernotwendigste gemacht werden und was darüber hinausging, mußte zurückgestellt werden. Inwieweit dies in Zukunft möglich sein wird, ist schwer zu sagen. Die Regierung verlangt von den Gemeinden aber, daß sie sowohl im Personalaufwand, wie im Sackaufwand Er¬ sparungen vornehmen. Die Schwierigkeiten betreffend den Personalabbau habe ich bereits kurz gestreift. Beim Sach¬ aufwande, bei welchem man sich eifrigst bemüht hatte, nur das Notwendigste zu machen, kann nicht noch mehr gespart werden. Dazu kommt noch, daß im Entwurfe angedeutet ist, daß der Bund zu den Humanitätsanstalten jeden Beitrag einstellen will; es soll eine Reform des Krankenanstalten¬ gesetzes geschaffen werden, die dahin geht daß einzelne Körper¬ schaften aus eigenen Mitteln die Abgänge des Spitales zu decken haben. Da müssen wir offen gestehen, daß es eine Katastrophe wäre, wenn die Gemeinde diese Last auf sich nehmen müßte. Ich kann kurz darauf verweisen, daß der Abgang des Städtischen Krankenhauses vom 1. Jänner bis 30. September einen Betrag von rund 125 Millionen ausmacht. Dazu kommt noch, daß die Stadtkassa das Betriebskapital siets vorschießen muß und betragen diese Vorschüsse bereits über 370 Millionen Kronen. Es bedeutet schon eine ungeheure Belastung, diese Beträge überhaupt aufzubringen, damit der Betrieb aufrecht erhalten werden kann. Des weiteren verlangt der Entwurf den Verzicht der Gemeinden auf Steuer=uschläge, worauf ich noch zurückkomme. Weiter ist im Wiederaufbaugesetze enthalten, daß die Zuschüsse des Bundes zu den Personalauslagen vom 1. Jänner 1°23 an um ein Drittel verkürzt werden und innerhalb der nächsten zwei Jahre, das ist vom 1. Jänner 192 jeder Zu¬ schuß des Bundes überhaupt aufhören soll. D'es wird neuer¬ dings ganz gewaltige Aufwendungen seitens der Gemeinde erfordern; auch soll den Gemeinden für die Zukunft keiner¬ lei Bundeskredit mehr eingeräumt werden. Jeder Zuschuß für Wohlfahrtsaktionen soll gestrichen und die Subventionen eingestellt werden. Was man unter Subventionen hier ver¬ steht, ist nicht klar; wir können hierunter nur die Zuschüsse zu den Personallasten verstehen und dem gegenüber muß man rücksichtslos erklären, daß von einer Subventionierung bezüglich von Personallasten der Gemeinden nicht gesprochen werden kann, denn die Gemeinde muß dafür auch auf die Steuerzuschläge verzichten. Die Herren, welche durch längere Jahre im Gemeinde¬ rate sitzen, werden wissen, daß durch viele Jahre hindurch der Ertrag aus dem Zuschlage für die besondere Erwerb¬ steuer vier Fünstel der Gesamteinnahmen der Gemeinde ausgemacht haben und diese wichtige Einnahmspost soll nun der Gemeinde durch den Verzicht zu Gunsten des Bundes verloren gehen. Daraus ergibt sich, daß der Bund für diesen

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