Gemeinderatsprotokoll vom 13. November 1922

XI. Sitzung. Rats=Protokoll über die ordentl. Sitzung des Gemeinderates der auton. Stadt Steyr am 13. November 1922 um 6 Uhr abends. Tages=Ordnung: 1. (Vertraulich) Aufnahmen in den Heimatverband. 2. Geschäftsordnung für die Einspruchskommission. 3. Aufnahme eines Bundesdarlehens 4 Einführung eines Verzögerungszuschlages. 5. Einführung eines Interessentenbeitrages. 6. Beschlußfassung betreffend Einführung einer Wohn¬ bausteuer. 7. Stellungnahme der Stadtgemeinde Steyr zum Wieder¬ aufbaugesetz. 8. Subventionsansuchen der Stadttheaterdirektion. Anwesende: Vorsitzender Herr Bürgermeister Wokral Josef. Die Herren Vizebürgermeister Mayrhofer Johann, Nothhaft Franz und Dedic Karl. Die Frauen und Herren Gemeinderäte: Aigner Franz Neuhold Michael Brand W., Prof. Peyrer Angermann, Dr. Baumgartner Johann Radmoser Johann Eisterlehner Jose Reisinger Ludwig Fischer Karl Ruckerbauer Markus Fruhwald Anton Saiber Alois Furrer Ulrich, Dr. Schickl Friedrich Grömmer Anna Schreiner Joses Hitzlhammer Rudolf Schwandtner Anton Heinzl Wolfgang Stallinger Ludwig Klement Karl Steinbrecher Leopold Kietzmeyr Hermann Tribrunner Franz Kisely Berta Vogl Adalbert Lebeda Alois Witzany Hans Molterer Berta Wolfartsberger Hans Vom Magistrate: Magistrats.=Dir. Dr. Häuslmayr Ferdinand. Als Schriftführer: Ridler Karl. Der Herr Vorsitzende Bürgermeister Wokral eröffnet waltung durchzuführen. Der Gemeinderat werde Gelegenheit nach Begrüßung der erschienenen Frauen und Herren Ge¬ meinderäte und nach Feststellung der Beschlußsähigkeit um 6 Uhr 8 Minuten die Sitzung Entschuldigt abwesend ist Herr GR. Buschberger wegen Erkrankung seiner Frau. Zu Protokollprüfern werden die Gemeinderäte Frau Molterer Berta und Herr Neuhold Michael gewählt. Vor Eingehung in die Tagesordnung stellt Herr Bürger¬ meister Wokral Herrn Dr. Ferdinand Häuslmayr vor welcher zufo ge des Gemeinderatsbeichlusses vom 15. September l. J. als Magistrats=Direktor=Stellvertreter nach Steyr be¬ rufen wurde und welchem die Aufgabe obliegt, eine Reihe von ziemlich einschneidenden Reformen in der Stadtver¬ haben schon in der nächsten Sitzung zu den beabsichtigten Durchführungen Stellung nehmen zu können, so daß die Möglichkeit besteht, die Aenderungen mit 1. Jänner 1923 in Wirksamkeit treten zu lassen. Ich hoffe, daß wir in Herrn Dr. Häuslmayr einen Mann gewonnen haben, der nach bestem Wissen und Gewissen die Interessen der Gemeinde wahren wird und seine Tätigkeit ohne Unterschied der Partei¬ richtung stets nur zum Wohle der Gemeinde einrichten wird. Herr Dr. Häuslmayr hat gebeten, einige Worte zum geehrten Gemeinderate sprechen zu dürfen; ich erteile ihm hiezu das Wort. Herr Dr. Häuslmayr: „Sehr verehrte Frauen und Herren Gemeinderäte! Ich möchte den Anlaß, an welchem ich das erste Mal die Ehre habe, im Gemeinderate anwesend zu sein, benützen, um dem Gemeinderate der Stadt Steyr den besten Dank für das Vertrauen, daß er mich an diese Stelle berufen hat, zum Ausdrucke bringen. Es wird an mir sein, daß ich dieses Vertrauen nicht nur von der Gemeindevertretung, sondern auch von der Gesamtbevölkerung Steyrs mir er¬ werbe und es ist selbstverständlich, wie Herr Bürgermeister bereits betont hat, daß ich mich schon entsprechend meinem geleisteten Gelöbnisse auf die Verfassung der Gemeindever¬ tretung stets der vollsten Objektivität befleißen werde. Ich bitte, diese Erklärung zur Kenntnis nehmen zu wollen. (Zu¬ stimmung) Der Gemeinderat tritt sodann in die Beratung der Tages¬ ordnung ein. 1. „Aufnahmen in den Gemeindeverband" wird in der vertraulichen Sitzung behandelt. 2. Geschäftsordnung für die Einspruchskommission. Referent Herr GR. Tribrunner. In dem Gesetze über die Einführung einer Abgabe vom gemeinen Bodenwerte von Grundstücken im Gebiete der Stadt Steyr, welches mit 1. Jänner 1922 in Kraft getreten ist, ist im § 18 und 19 das Einspruchsverfahren geregelt. Der Gemeinderat wird sich erinnern, daß seinerzeit die Mit¬ glieder in diese Einspruchskommission gewählt wurden. Heute handelt es sich darum, daß die Geschäftsordnung der Ein¬ spruchskommission genehmigt und daß für die gewählten Kommissionsmitglieder auch Ersatzmänner bestellt werden.

Herr Referent GR. Tribrunner bringt den § 1 der Geschäftsordnung zur Verlesung und teilt zum Elaborate selbst den Antrag der Sektion mit: 1. „Der Gemeinderat erteile dem von der ersten Sektion beschlossenen Entwurf einer Geschäftsordnung für die Einspruchskommission die Genehmigung; 2. als Ersatzmänner werden gemäß des § 19 des Gesetzes vom 26. Jänner 1922 L.=G.= und V.=Bl. Nr. 6= die Herren Gemeinderäte: Vogl, Stallinger, Ruckerbauer, Steinbrecher, Reisinger, Heinzl und Eisterlehner gewahlt. Herr GR. Prof. Brand erklärt namens der Minoritat hinsichtlich der § 1 bis 8 keine Abänderungsanträge zu stellen, hingegen würde bei § 9 gewünscht, daß es statt „ein besonderes Protokoll wird nur über Antrag des Vorsitzenden geführt", heißt: „ein besonderes Protokoll wird über Antrag des Vorsitzenden und über Wunsch eines Kommissionsmu¬ gliedes“ geführt. Zu § 14 wird verlangt, daß es heiße: „Beschlüsse werden vom Antragsteller und vom ständigen Referenten gefertigt. Referent Herr GR. Tribrunner erklärt, daß diesen Wünschen Rechnung getragen werden könne und er sich mit den Abänderungsanträgen einverstanden erkläre. Der sohin geänderte Wortlaut der Geschäftsordnung wird sodann mit dem übrigen Teile des Sektionsantrages angenommen. 3. Aufnahme eines Bundesdarlehens. Referent Herr GR. Tribrunner. Wie aus der Presse bekannt ist, wird vom Bunde für Gebietskörperschaften ein Darlehen in Aussicht gestellt. Daran ist auch lebhaft die Stadt Steyr interessiert, weil sie solcher finanzieller Mittel dringend bedarf. Die Sektion stellt daher den Antrag: „Der Gemeinderat beschließe die Anteile der Stadtgemeinde Steyr aus dem 250 Milliarden=Kredit des Bundes in Anspruch zu nehmen und sich mit den Bedingungen einverstanden zu erklären. Herr GR. Prof. Brand frägt, wozu das Bundesdarlehen zu verwenden ist. Referent Herr GR. Tribrunner erwidert, daß das Darlehen für alle Zwecke, für welche die Gemeinde finanzielle Mittel bedarf, verwendet werden muß. Es wäre schwierig zu bestimmen, für welche Zwecke es dienen soll und würde dies eine Beschränkung im Verfügungsrechte des Gemeinderates selbst bedeuten. Jedenfalls wird das Darlehen zur Deckung von laufenden Auslagen und für sonstige Ausgaben, die die Stadtgemeinde zu leisten hat, verwendet werden müssen. Der Sektionsantrag wird hierauf vom Gemeinderate angenommen. 4. Einführung eines Verzögerungszuschlages. Referent Herr GR. Tribrunner. Es ist eine bekannte Tatsache, daß die Stadtgemeinde vielfach auch darunter leidet, daß sie verschiedene Abgaben, welche sie auf Grund des vom Landtage beschlossenen Ge¬ setzes einhebt, vielfach verspätet hereinbringen kann. In der letzten Zeit ist die Gemeinde durch die fort¬ schreitende Geldentwertung zu einem wesentlichen Nachteil gekommen. Um nun diese Avgaben rechtzeitig hereinzubringen, beantragt die erste Sektion: 1. „Der Gemeinderat erteile dem von der ersten Sektion beschlossenen Gesetzentwurf betreffend die Einführung eines Verzögerungszuschlages die Genehmi¬ gung; 2. das Magistrats=Präsidium wird aufgefordert, die eheste Gesetzwerdung zu veranlassen. Herr GR. Prof. Brand stellt namens der Minorität den Antrag, daß es im § 1 heißen soll: „nach Ablauf der vorgeschriebenen Frist von acht Tagen“ und statt „25 Pro¬ zent“ 10 Prozent. 25 Prozent seien entschieden zuviel und bedeuten eine hohe Belastung für diejenigen, welche vielleich nicht aus Läßigkeit, sondern nur deshalb, weil sie das Geld nicht zur Verfügung hatten, mit der Abgabe im Rückstande sind. Herr Vizebürgermeister Dedic erwidert auf die Aus¬ führungen des Herrn GR Prof. Brand, daß sich das Präsi¬ dium gleichfalls mit der Frage bezüglich einer Frist von acht Tagen befaßt hat und zu dem Ergebnis gekommen ist, daß dieses Verlangen nicht gerechtfertigt ist. Es ist allen Steuerträgern aus der Vorschrift über die Lohnabgabe bekannt, daß sie diese bis zum 15. eines jeden Monates zu leisten haben. Wenn sie dies nicht tun, so stecken vielleicht ganz andere Gründe dahinter. In der letzten Zeit, als ein Fallen der Krone bemerkbar war, haben sich die Geschäftsleute zur Gewohnheit gemacht, die Steuern immer nach dem Termine einzuzahlen, weil sie durch die Entwertung der Krone weniger zahlen. Im übrigen handelt es sich um keine neue Einführung, als ein Zuschlag für verspätete Einzahlung bereits besteht. Die Waffenfabrik hat bis heute noch nicht die Fürsorgeab¬ gabe für den Monat September bezahlt; wir wissen manchen Tag nicht, wie wir das Geld aufbringen sollen zur Bezahlung der Löhne und Gehalte, andererseits bleiben uns die Unter¬ nehmungen und die Gewerbetreibenden die Abgaben schuldig. Ein so großes Unternehmen, welches Milliarden auszahlt wird wohl in der Lage sein, diese Bagatelle für die Stadt¬ gemeinde zu bezahlen. Ich habe in diesem Falle gar kein Interesse, die Waffenfabrik in Schutz zu nehmen und Privi¬ legien zu gewähren und zu sagen: „Du hast noch acht Tage Zeit!“ Ich ersuche, dem Sektionsantrage zuzustimmen. Das Präsidium hat sich gründlich mit dieser Frage beschäftigt und die Sektion stellt auf Grund dieser reiflichen Ueberlegung den Antrag im Sinne des Präsidiums. Herr GR. Steinbrecher bemerkt, daß keine Abstusung vorgesehen ist, nach welcher bestimmte versäumte Zeiträume mit stufenweisem Aufschlag belegt werden könnten. Herr Vorsitzender erwidert, daß diese Gebühr keinen Strafbetrag darstelle, sondern die Einhebung dieser Gebühr der Gemeinde die Möglichkeit geben soll, eine Entschädigung fur zu leistende Verzinsung zu erhalten, wenn infolge Ver¬ zögerung der Einzahlungen die Gemeinde zu Darlehensauf¬ nahmen genötigt ist. Herr GR. Schickl sagt, wenn die Waffenfabrik die Rückstände an Abgaben nicht leistet, kann man sich gar nicht vorstellen, wie die Kleingewerbetreibenden die Abgabe zu¬ sammenbringen sollen. Diese werden mit der Großindustrie in einen Topf geworfen. Durch die Rückstände der Waffen¬ fabrik werden auch die Kleingewerbetreibenden geschädigt, weil sie keine Verlängerung der Termine für ihre schwer aufbringbare Abgabe erreichen; es sollte daher gegenüber der Waffenfabrik den Gewerbetreibenden eine viel längere Frist gewährt werden. Herr GR. Prof. Brand erklärt, daß er nicht wußte, daß die Waffenfabrik ein so säumiger Zahler ist und über¬ rascht sei, daß sie ihre Abgaben nicht zu dem gesetzlichen Termine leistet. Er habe bei seinem Antrag lediglich die kleinen Gewerbetreibenden im Auge gehabt, denn diese haben sich beschwert, daß die Gemeinde gegenüber den Gewerbe¬ treibenden kein pünktlicher Zahler ist. (Zwischenruf: Vize¬ bürgermeister Dedic und Bürgermeister Wokral: „Jetzt nicht mehr, das war einmal.") Herr Referent GR. Tribrunner verweist darauf, daß das Gesetz nicht neu sei und ein gleiches Gesetz mit 25 Pro¬ zent Zuschlag in Salzburg von der bürgerlichen Mehr¬ yeit beschlossen wurde. Der geforderten Frist von fünf Tagen ist ohnehin schon eine Zahlungsfrist vorausgegangen. Dieser Zuschlag hat den Zweck, die säumigen Zahler an ihre termin¬ gemäße Zahlungspflicht zu erinnern. Auch in Linz wird derselbe Beschluß gefaßt werden; so gefährlich, wie die Sache aussehe, sei sie nicht Herr GR. Prof. Brand ersucht, die Abstimmung para¬ graphenweise vorzunehmen, und stellt zum § 1 den Abänder¬ ungsantrag, statt „fünf Tage“ sieben Tage zu setzen und statt 25 Prozent nur 15 Prozent festzusetzen. Die Abstimmung über den Abänderungsantrag ergibt die Ablehnung desselben. In zweiter Abstimmung wird der Sektionsantrag vom Gemeinderate mit Stimmenmehrheit angenommen. Nach Verlesung des § 2 wird derselbe unverändert an¬ genommen. Zu § 3 stellt Herr GR. Prof. Brand den Zusatzantrag Gegen die Beschlüsse steht dem Abgewiesenen die Berufung an den Gemeinderat offen. Referent Herr GR. Tribrunner glaubt, daß sich dies nicht machen lasse, weil dies der Durchfübrung des Gesetzes Schwierigkeiten bereiten würde; hier ein Rekursverfahren ein¬ zuschalten, sei nicht recht gegeben. Herr GR. Prof. Brand erwidert, daß es sich nicht um das „Bekommen der Abgabe“, sondern für ihn um die kleinen Leute handle. Herr Vizebürgermeister Mayrhofer bemerkt, daß klar auf der Hand liege, daß es jedem ein leichtes sei, inner¬ halb der Frist ein begründetes Begehren für einen Rekurs zu finden. Wir müssen doch alle das Interesse der Gemeinde wahren; mit dem Fälligkeitstermine ist es ein Geld der Gemeinde; auch die Gemeinde kann die liefernden Gewerbe¬ treibenden nur dann befriedigen, wenn die Abgaben pünktlich geleistet werden. Redner glaubt daher, daß dieser Zusatzan¬ trag unbedingt abzulehnen sei. Nachdem der Herr Referent bemerkte, daß Gnadenakte sicherlich in der Erwägung des Präsidiums liegen können, um im vereinzelnten Falle von der Bestimmung des § 3 Gebrauch zu machen, läßt der Herr Vorsitzende über den Sektionsantrag abstimmen. Der Sektionsantrag wird mit Stimmenmehrheit vom Gemeinderate angenommen. In zweiter Abstimmung über den Zusatzantrag des Herrn GR. Prof. Brand erfolgt mit Stimmenmehrheit die Ablehnung. Zu § 4 stellt Herr GR. Prof. Brand den Antrag, die Worte „und noch zu fassenden" wegzulassen, weil man für die Zukunst nichts bestimmen könne. Der Gemeinderat lehnt mit Stimmenmehrheit die be¬ antragte Streichung ab.

Zu § 5 bemerkt Herr GR. Prof. Brand, daß sich die Abgabe nicht auf bestehende, sondern nur auf neue Rück¬ stände beziehen soll, es solle daher heißen, dieses Gesetz tritt mit dem ersten des nächsten Monates in Wirksamkeit. Herr Vizebürgermeister Dedic findet es unerklärlich, was Herr GR. Prof. Brand mit den Abänderungsanträgen bezwecken will. Es erscheint faßt alles bei den Haaren herbei¬ gezogen. Herr Prof. Brand hat vielleicht Angst, daß die Ge¬ werbetreibenden soviele Zuschläge auf die Rückstände zu be¬ zahlen haben. Das vorliegende Gesetz muß doch erst vom Kandtage beschlossen werden und können unter Umständen 13 Monate vergehen, bis die Zuschläge fühlbar werden Referent Herr GR. Tribrunner hält diese Aender¬ ung für gefährlich. Herr GR. Prof. Brand war schon erstaunt daß die Waffenfabrik soviel schuldig ist, wenn wir durch die Aenderung eine Lücke offen lassen, wird die Waffenfabrik die alten Steuern schuldig bleiben; es sprechen also auch praktische Gründe dagegen. Herr Vorsitzende berichtet, daß er leider in der letzten Landtagssitzung nicht anwesend sein konnte, aber erfahren habe, daß schon in einem Gesetzentwurf die Valorisierung des Verzögerungszuschlages beantragt wurde; dies würde mehr als einen 25prozentigen Zuschlag entsprechen. Sodann leitet der Herr Vorsitzende über den Abänder¬ ungsantrag des Herrn GR. Prof. Brand die Abstimmung ein, welcher Antrag vom Gemeinderate mit Stimmenmehrheit abgelehnt wird. In zweiter Abstimmung wird der Sektions¬ antrag mit Stimmenmehrheit angenommen. 5. Einführung eines Interessentenbeitrages. „„ Referent Herr GR. Tribrunner. Bei dem Interessentenbeitrag handelt es sich um tech¬ nische Anlagen, daher der Name Interessentenbeitrag. Hiezu liegt ein längerer Motivenbericht und der Gesetzentwurf selbst vor. Beide Vorlagen werden vom Herrn Referenten verlesen. Vor der Verlesung des Gesetzentwurfes frägt der Herr Vorsitzende, ob die paragraphenweise Abstimmung gewünscht werde. Herr GR. Prof. Brand erklärt namens seiner Partei für die en blok Annahme zu sein, wenn der Wunsch des Herrn GR. Dr. Peyrer, welchen derselbe in der Sitzung der ersten Sektion vorbrachte, berücksichtigt erscheint. Der Herr Vorsitzende sagt zu, daß der Wunsch berück¬ sichtigt sei, worauf der Sektionsantrag vom Herrn Referenten zur Kenntnis gebracht und um dessen Annahme ersucht wird. Der Sektionsantrag lautet: Der Gemeinderat erteile dem von der ersten Sektion beschlossenen Gesetzentwurf be¬ tressend Einführung des Interessentenbeitrages die Ge¬ nehmigung. Angenommen. 6. Beschlußfassung betreffend Einführung einer Wohn¬ bausieuer. Im Einvernehmen mit den Parteienvertretern wird dieser Punkt für heute von der Tagesordnung abgesetzt Der Gesetzentwurf wird jedem Gemeinderate abschriftlich zugestellt und kommt in der nächsten Gemeinderatssitzung zur Ver¬ handlung und Beschlußfassung. Wird zur Kenntnis genommen. 7. Stellungnahme der Stadtgemeinde Steyr zum Wieder¬ aufbaugesetz. Herr Vizebürgermeister Mayrhofer übernimmt den Vorsitz und erteilt Herrn Bürgermeister Wokral als Referenten das Wort: Herr Bürgermeister Wokral: Werter Gemeinderat! Durch den Krieg sind die Gemeinden in große Schwierig¬ teiten geraten; wenngleich der Umfang des Gebietes der Gemeinden in den meisten Fällen ziemlich gleich geblieben ist, so sind die Aufgaben dennoch ganz bedeutend gewachsen. Vor allem sind es zwei Dinge, die von der Gemeinde zu entfaltende Fürsorgetätigkeit und jene für das Wohnungswesen, welche einen erhöhten Wirkungekreis verursächen. Die Ein¬ nahmen sind aber weit hinter dem Aufwand zurückgeblieben; dieser Einnahmenrückgang ist eine Folge der Entwertung unseres Geldes und besonders in den letzten zwei Jahren ist diese geradezu rasend erfolgt. Dieser Geldentwertung und dieser schwierigen Situation, in die die Gemeinden durch die Geldentwertung geraten sind, sollte durch die Schaffung des Finanzverfassungs= und Steuerverteilungsgesetzes Rechnung getragen werden. Beide Gesetze wurden im vorigen Jahre vom Nationalrate beschlossen, vom Bundesrate bestätigt und sollen die Aufgabe haben, eine Sanierung der Gemeinde¬ Einanzen herbeizuführen. Bisher wurden jedoch die Er¬ wartungen keineswegs erfüllt; vielleicht hätte eine Auswirkung eintreten können, wenn die Gemeinden die nötige Zeit dazu zur Verfügung gehabt hätten, denn die Fürsorgeaufgaben nahmen sie unausgesetzt in Anspruch. Im November vorigen Jahres ist ein Teil dieses Finanzverfassungsgesetzes in Kraft getreten. In den Monaten August und September des heu¬ rigen Jahres trat wieder eine gewaltige Teuerung ein, welche zum Teile das, was mit dem Abgabenteilungsgesetz beab¬ sichtigt wurde, wirkungslos machte. Die Regierung hat einen Ersparungskommissär einge¬ setzt; dieser hat auch den Gemeinden ein Zirkulare zukommen lassen, in welchem die größtmöglichste Sparsamkeit aufge¬ tragen wird. Dieser erblickt im Personalabbau die beste Er¬ sparungsmöglichkeit. Der Ersparungskommissär scheint sich aber über die Trag¬ weite seiner-Forderungen nicht voll und ganz klar zu sein. Ein Abbau ist bei den Gemeinden nicht in dem Maße möglich, wie dies beim Bunde der Fall ist. Beim Bunde sind 80 bis 90 Prozent Personalausgaben, während sich bei der Stadtgemeinde Steyr ein Verhältnis für den Monat Oktober von 1: 2 ergibt Die Personalausgaben betragen also nochmal soviel als die Sachausgaben. Es ist auck nicht so leicht mit dem Abbau vorzugehen; die einzelnen Angestellten sind auf Grund besonderer Verträge im Besitze von Rechten und wird der Abbau umso schwieriger, als der Bund, wie in Erfahrung gebracht werden konnte, zu den Abfertigungen abgebauter Angestellter keine Zuschüsse zu leisten beabsichtigt, so daß die Gemeinde die Abfertigungssummen aus eigenem zu leisten hätte. Diese Belastung könnte die Gemeinde unmöglich ertragen, Die Situation für die Gemeinden ist aber noch verschlimmert worden, als auch der Staat für sich trachten muß, eine Sa¬ nierung durchzuführen. Die Regierung hat auf Grund des Genfer Abkommens dem Nationalrate eine Reform des Sa¬ nierungsprogrammes unterbreitet, welches als Wiederauf¬ baugesetz bezeichnet wird und ganz bedeutende Rückwirkungen auf die Gemeinden ausübt, und zwar deshalb, weil zum Beispiel darin verlangt wird, daß die Gemeinden mit dem Per¬ sonalabbau in gleicher Weise vorgehen sollen, wie beim Bund. Wenn wir uns die Wirkung des Wiederaufbaugesetzes auf die Gemeinden denken, so müssen wir uns fragen, wie steht es mit den sogenannten Sachausgaben und da muß gesagt werden, daß die Gemeinden — eine wie die andere - schon während des Krieges äußerst schwer imstande gewesen sind, die Aufgaben und Lasten, welche der Sachaufwand erfordert, zu decken; während des Krieges ist auch Leute¬ mangel eingetreten und nach dem Kriege trat die Geldent¬ wertung ein, welche die Einnahmen der Gemeinden so ver¬ ringerte, daß eine ganze Reihe von notwendigen sachlichen Durchführungen zurückbleiben mußte. Wir können in ganz Oesterreich sehen, daß die Straßenpflege zurückgeblieben ist es ist dies auch begreiflich, wenn man bedenkt, daß ein Pflasterstein bereits 2500 Kronen ab Mauthausen kostet. Es konnte nur das Allernotwendigste gemacht werden und was darüber hinausging, mußte zurückgestellt werden. Inwieweit dies in Zukunft möglich sein wird, ist schwer zu sagen. Die Regierung verlangt von den Gemeinden aber, daß sie sowohl im Personalaufwand, wie im Sackaufwand Er¬ sparungen vornehmen. Die Schwierigkeiten betreffend den Personalabbau habe ich bereits kurz gestreift. Beim Sach¬ aufwande, bei welchem man sich eifrigst bemüht hatte, nur das Notwendigste zu machen, kann nicht noch mehr gespart werden. Dazu kommt noch, daß im Entwurfe angedeutet ist, daß der Bund zu den Humanitätsanstalten jeden Beitrag einstellen will; es soll eine Reform des Krankenanstalten¬ gesetzes geschaffen werden, die dahin geht daß einzelne Körper¬ schaften aus eigenen Mitteln die Abgänge des Spitales zu decken haben. Da müssen wir offen gestehen, daß es eine Katastrophe wäre, wenn die Gemeinde diese Last auf sich nehmen müßte. Ich kann kurz darauf verweisen, daß der Abgang des Städtischen Krankenhauses vom 1. Jänner bis 30. September einen Betrag von rund 125 Millionen ausmacht. Dazu kommt noch, daß die Stadtkassa das Betriebskapital siets vorschießen muß und betragen diese Vorschüsse bereits über 370 Millionen Kronen. Es bedeutet schon eine ungeheure Belastung, diese Beträge überhaupt aufzubringen, damit der Betrieb aufrecht erhalten werden kann. Des weiteren verlangt der Entwurf den Verzicht der Gemeinden auf Steuer=uschläge, worauf ich noch zurückkomme. Weiter ist im Wiederaufbaugesetze enthalten, daß die Zuschüsse des Bundes zu den Personalauslagen vom 1. Jänner 1°23 an um ein Drittel verkürzt werden und innerhalb der nächsten zwei Jahre, das ist vom 1. Jänner 192 jeder Zu¬ schuß des Bundes überhaupt aufhören soll. D'es wird neuer¬ dings ganz gewaltige Aufwendungen seitens der Gemeinde erfordern; auch soll den Gemeinden für die Zukunft keiner¬ lei Bundeskredit mehr eingeräumt werden. Jeder Zuschuß für Wohlfahrtsaktionen soll gestrichen und die Subventionen eingestellt werden. Was man unter Subventionen hier ver¬ steht, ist nicht klar; wir können hierunter nur die Zuschüsse zu den Personallasten verstehen und dem gegenüber muß man rücksichtslos erklären, daß von einer Subventionierung bezüglich von Personallasten der Gemeinden nicht gesprochen werden kann, denn die Gemeinde muß dafür auch auf die Steuerzuschläge verzichten. Die Herren, welche durch längere Jahre im Gemeinde¬ rate sitzen, werden wissen, daß durch viele Jahre hindurch der Ertrag aus dem Zuschlage für die besondere Erwerb¬ steuer vier Fünstel der Gesamteinnahmen der Gemeinde ausgemacht haben und diese wichtige Einnahmspost soll nun der Gemeinde durch den Verzicht zu Gunsten des Bundes verloren gehen. Daraus ergibt sich, daß der Bund für diesen

Verzicht die Personalzuschüsse leisten muß, weil es sich nur um ein einfaches Rechtsgeschäft und nicht um Subventionen für die Gemeinde handelt. Mit den Zuschüssen zum Personal¬ aufwand ist daher den Gemeinden nichts geschenkt worden. Der Bund hat den Gemeinden Abgabenertragsanleihe ver¬ sprochen. Ich möchte dieses „Versprechen“ ausdrücklich unter¬ streichen und werde ich später noch darauf zurückkommen. Im vergangenen Jahre wurde im Abgabenteilungsgesetz schon bestimmt, welches perzentuelles Verhältnis die Ge¬ meinden an dem Ergebnis einer Reihe von Steuern beteiligt sind; eine Reihe solcher Steuern sind als sogenannte gemeine Abgaben beschlossen worden und zwar: Einkommensteuer Einkommensteuer nach Bekenntnissen, allgemeine Erwerbs¬ steuer, Hausklassen= und Hauszinssteuer, Immobiliargebühren, Getränke= und Schaumweinabgabe Von der allgemeinen Erwerbsteuer waren im Vorjahre 15 Prozent, von der besonderen Erwerbsteuer 25 Prozent, sowie vom Hausierer= und Wandergewerbe 25 Prozent (im vergangenen Jahre nichts zugewiesen) bestimmt worden. Vom 1. Jänner 1923 an sollen auh die Zuschläge auf die allge¬ meine Erwerbsteuer untersagt und dafür ein 25prozentiger Ertragsanteil zugesichert werden. Die Grund=, Hausklassen¬ und Hauszinssteuer soll ebenfalls gemeinsame Abgabe werden und dem Lande und den Gemeinden überlassen sein. Be¬ züglich Immobiliargebühren und Gebührenäquivalent soll ebenfalls von 1923 an eine Aenderung eintreten; von den Gebührenäquivalenten dürfen keine Zuschläge mehr eingehoben werden, da sie als gemeine Abgaben zwischen Land und Ge¬ meinde zu teilen sind. Besonders aufmerksam zu machen aber ist auf eine Be¬ stimmung des Entwurfes, die unter allen Umständen auch unsere Gemeinde auf das Schwerste zu schädigen vermag, weil der Ertragsanteil aus dem Gebührenäquivalente jenem Lande zufließen soll, in dem die äquivalentpflichtige Korpo¬ ration ihren Sitz hat. Wenn wir diese Bestimmung auf unsere Verhältnisse anwenden, so kommen wir zu einem erdrückenden Ergebnis. Die Oesterreichische Waffenfabrik hat in Steyr ihre Betriebsstätte und den Sitz der Gesellschaft in Wien. Die Lösung würde sein, daß Wien, wo kaum zwei Dutzend An¬ gestellte der Waffenfabrik sind, die 40 Prozent des Gebühren¬ äquivalentes erhalten und die Stadt Steyr, wo der Betrieb der Gesellschaft ist, leer ausgehen würde. Die Straßen werden vom Betriebe der Waffenfabrik in Steyr dafür abgenützt und vom Unternehmen in starke Mitleidenschaft gezogen. Wir hätten von unserem Anspruchsrecht auf die Eil¬ und Frachtgüterabgabe Gebrauch gemacht; man hat aber im Ministerium veryindert, daß dieses Gesetz in Kraft ge¬ treten ist. Die Waffenfabrik würde zu dieser Abgabe einen großen Teil beizutragen haben; durch den Wegfall dieser Abgabe ist die Gemeinde in bedeutenden Nachteil gekommen. Wenn wir uns weiter fragen, wie sich eigentlich diese Abgabenertragsanteile auswirken, so können wir konstatieren, daß die Gemeinde für alle vier Quartale ein Abgabenan¬ teilerträgnis von 72 Millionen herausbekommt und zwar mit samt den Anteilen-aus der sogenannten Bankumsatz¬ steuer. Es zeigt sich also, daß damit der Gemeinde nicht ge¬ holfen werden kann und die Gemeinde womöglich separate Steuern erfinden muß, um halbwegs das Auslangen zu finden. Wenn man erinnert, daß der Voranschlag 1922 einen Abgang von 84 Millionen Kronen ausweisen mußte, daß durch die Steigerung der Preise aller Bedarfsartikel die Löhne und Gehalte während des Präliminarjahres sehr bedeutend siegen, so kann man wohl erkennen, daß mit einem Zuschuß von 72 Millionen durch den Bund von einer Sanierung nicht gesprochen werden kann und nun wird noch weiter be¬ absichtigt, daß die Gemeinde auf weitere Ertragsanteile ver¬ zichten solle. Es bleibt also nur die Selbsthilfe übrig. Wir können auf eine ganze Reihe von Gesetzen hinweisen, die der Gemeinderat aus dem Gedanken der Selbsthilfe beschlossen hatte, so eines Zuschlages zur allgemeinen Erwerbsteuer; dieser fällt jedoch vom nächsten Jahre an weg; die Umlagen auf den richtiggestellten Mietzins; diese soll für die Zukunft eine Steuer des Landes sein, welche mit der Gemeinde zu teilen ist, woraus selbstverständlich eine wesentliche Beein¬ trächtigung der Einnahme hieraus für die Gemeinde entsteht. Die Wertzuwachssteuer ist in eine Landesabgabe umgeändert worden; sie ist aber vom Landtag wieder sistiert worden, so daß die Gemeinde gar nichts aus dieser geplanten Abgabe erhalten kann. Die Lohnabgabe muß mit dem Lande geteilt werden und ist heute unsere einzige Einnahme, die wirklich eine Bedeutung hat. Aber gerade in der letzten Zeit haben wir durch die Einschränkung der Industriebetriebe eine be¬ deutende Einbuße erlitten. Die Bodenwertabgabe bietet noch keine Uebersicht, welchen Ertrag sie haben wird; es konnte erst durch die Verzögerung der Gesetzwerdung im Oktober und November eine Einhebung dieser Abgabe erfolgen. Hätte die Gemeinde diese Abgabe schon im Februar einheben können, wäre sie noch von Bedeutung gewesen; heute kann sie kaum einen nennenswerten Ertrag infolge der Geldentwertung liefern. Durch den Beschluß des Landes ist auch die zehn¬ prozentige Erhöhung der Abgabe auf elektrischen Strom für Kraft und Beleuchtung für die Gemeinde unmöglich geworden. Aber auch der Bund geht daran, eine Steuer auf elektrischen Strom bis zu 30 Prozent des Bezugspreises für sich in An¬ spruch zu nehmen, ohne daß dabei ausgesprochen würde, welche Anteile die Gemeinde davon erhält. Bieher konnte doch eine wesentliche Einnahme aus der Abgabe für elektrischen Strom erzielt werden, durch den Gesetzentwurf des Bundes läuft die Gemeinde jedoch Gefahr, auch diese Einnahme ein¬ zubüßen. Weiters wurden Abgaben beschlossen für Kraft¬ und Kutschwagen, Pferdebesitz, Ankündigungen, die nicht be¬ sonders ergiebig sind. Weiters soll künftig entfallen der Zuschlag auf das staatliche Gebührenäquivalent, nur der Zuschlag zur Immobiliargebühr kann bleiben. Die Feuer¬ wehrumlage konnte noch nicht durchgeführt werden. Die Lust¬ barkeitssteuer wird in Zukunft etwas mehr tragen, weil sie eine reine Abgabe für die Gemeinde wird. Bezüglich der Kanzleitaxe mußte eine Beschränlung eintreten, als der Bund plötzlich erklärte, daß für Arbeiten des übertragenen Wirkungs¬ kreises keine Kanzleitaxe eingehoben werden dürfe. Die Ab¬ gabe auf den Besuch öffentlicher Häuser wartet gleichfalls au den Beschluß des Landtages und die Abgabe auf Eil= und Frachtgüter ist, wie berichtet, nicht in Kraft getreten. Das alles wären Abgaben, mit denen sich die Gemeinde selbst helfen könnte; aus meinen Ausführungen hat man aber ge¬ sehen, wie man mit der Gemeinde umspringt und wie man jeden Versuch der Gemeinden, sich aus eigener Kraft aufzu¬ helfen, niederhält und die Gefahr besteht, daß im nächsten Jahre eine weitere Schädigung der Interessen der Gemeinde eintritt. Interessant ist auch, wie lange es dauert, bis ein Be¬ schluß des Gemeinderates auf Einführung einer Abgabe oder Steuer Gesetzeskraft erlangt und bis sie wirksam werden. So dauerte es bei der Kraft= und Kutschwagensteuer vom 27. Juli 1921 bis 27. März 1922, also ungefähr drei viertel Jahre; der Beschluß wegen Immobiliargebühr erfolgte am 27. Juli 1921, am 2. August 1922 trat sie in Kraft u. s. w. Es dauert jede Gesetzwerdung ein Jahr und darüber. Unter solchen Umständen ist es eigentlich zu verwundern, daß die Gemeinden nicht längst schon zusammengebrochen sind. Der Gemeinderat hat sich mit einer ganzen Reihe von Abänderungen beschäftigt, welche der Landesrat bezw. der Landtag zu erledigen hätte; diese Erledigung dauert aber so lange, bis die Abgabe durch die Geldentwertung ihre ganze Wirkung verloren hat. An diesen trostlosen Zuständen ändert das Wiederaufbaugesetz nichts. Statt es den Gemein¬ den zu ermöglichen, rascher zu Einnahmen zu kommen, bleibt die alte bürokratische Einrichtung der Erledigungs¬ sorm bestehen. Die Gemeinde hat auf alle Zuschläge zu den direkten Staatssteuern zu verzichten, dafür soll sie Ertragsanteile erhalten, aber in dem Entwurfe des Wiederaufbaugesetzes ist keine Silbe zu finden, in welchem Ausmaße diese über¬ wiesen werden und keinerlei Anhaltspunkt enthalten, welche Beträge diese Anteile ergeben werden. Nun finden wir noch andere Sachen, die gleichfalls auf eine Schädigung der Ge¬ meinden hinausgehen. Es wurde vom Bunde eine sogenannte Bankumsatzsteuer geschaffen, welche als gemeine Abgabe gelten soll; es wurde versprochen, daß durch diese Abgabe die Gemeinden saniert werden können und wenn man den Umsatz der Banken betrachtet, müßte man glauben, daß ungeheuere Einnahmen daraus fließen werden. Es stellt sich jedoch heraus, daß in den früher erwähnten 72 Millionen=Anteilen diese Bank¬ umsatzsteuer schon enthalten sei. Nachdem die Regierung ein¬ gesehen hatte, daß die Gemeinden zu wenig Anteile haben, hat sie versprochen, daß den Gemeinden die Warenumsatz¬ steuer verbleiben soll. Im Wiederaufbaugesetz aber beißt es, daß von dieser Warenumsatzsteuer 30 Prozent auf Land und Gemeinden zusammen entfallen soll; wir finden also hier eine neuer¬ liche Benachteiligung. Wenn wir das Erfordernis an Personal= und Sachauf¬ wand und den Zinsendienst für 1923 berechnen, jo ergibt sich ein solches von rund acht Milliarden Kronen, welchem gegenüber mit einer Einnahme von 50•1 Millionen Kronen Anteile zu rechnen wäre, weil der Bund vom 1. Jänner 1923 an die Zuschüsse für die Pensionisten einstellt. Ich möchte hier einige Ziffern des Krankenhauses an¬ führen, welches mit dem nötigen Betriebskapital die Stadt¬ gemeinde besonders belastet. Der Vorschuß der Stadtkasse an Betriebskapital war am 9. November l. J. bereits auf 345 Millionen Kronen gestiegen. Von dem erhaltenen Bundes¬ darlehen von 705 Millionen Kronen steckt also fast die Hälfte in dem Betriebsvorschuß. Wenn also der Bund in Hinkunft jeden Zuschuß für Spitäler einstellt, so kann man sich die schwierige Situation vorstellen, in welche die Gemeinden geraten. Vor dem Kriege hatte der städtische Gebarungsfond 100.000 Kronen betragen, würde dies auf die heutigen Ver¬ hältnisse umgerechnet werden, so wären dies 15 Milliarden Kronen. Daraus erklärt sich wohl, daß die Auszahlungen Verzögerungen erleiden können, wenn die Gemeinde nickt in die Lage kommt, die Einnahmen ebenso im selben Ver¬ hältnisse sicher zu haben. Die Einnahmen werden durch andere Faktore verzögert und wir können nicht zu einem Ergebnis gelangen.

Wir müssen uns sagen, daß die Art, wie sich die Regie¬ rung die Sanierung der Gemeinden vorstellt, auf einem voll¬ ständig verfehlten Systeme beruht. Es läßt sich gar nicht sagen, was der Ertrag im Jahr¬ 1923 sein soll, wodurch die Aufstellung eines Präliminares für 1923 unmöglich wird. Man kann allerdings annehmen, was die Gemeinde an notwendigsten Ausgaben hat. Was nutzt es einer Stadt, wenn sie Stadt mit eigenem Statut ist, sie sich aber für ihre Autonomie keine Geltung ver¬ schaffen kann. Dies ist ein Zustand, welcher zur Stellungnahme gegen den Entwurf des Wiederaufbaugesetzes zwingt. Es ist nämlich noch eine Bestimmung im Entwurfe ent¬ halten, welche die größte Gefahr für die Autonomie bedeutet. Die Regierung mutete den Gemeinden zu, daß sie auf eine Reihe von Steuern, die sie bisher besessen hatten, in ganz bestimmter Weise verzichten, und verspricht dafür, daß die Gemeinden hievon Anteile erhalten können; im § 8, Absatz über heißt es, wenn der Bund mit dem ausgewiesenen E gebnis nicht zufrieden ist, so können auch diejenigen Anteile die den Gemeinden als Aequivalent für den Verzicht zuge sprochen wurden, entzogen werden. Dies bedeutet nichts anderes, als daß ein Steuerfaustrecht ausgeübt würde, und schon es darauf ankommt, wer hier der Stärkere ist. Wir sehen beim Land, daß es das Stärkere ist und der Bund macht es mit den Ländern und Gemeinden ebenfalls so. Es wird ein förmliches Faustrecht im Steuerwesen eingeführt. Darüber muß sich die Gemeinde klar sein und gegen den Entwurf energisch Stellung nehmen, Der Oesterreichische Städtebund, dem auch die Stadt Steyr angehört, hat in seiner Tagung am 31. Oktober l. J. eine Entschließung angenommen, welche ich mir Ihnen zur Stellungnahme zu verlesen erlaube: Entschließung. Die am 31. Oktober im Wiener Rathause tagende Sitzung des Großen Ausschusses des Deutschösterreichischer Städtebundes erklärt, daß sie bei ihrer Stellungnahme zum Reform= und Sanierungsprogramm der Bundesregierung alle Fragen politischer Natur ausschaltet und ausschließlich vom Standpunkt der Kommunalverwaltung die Vorschläge der Regierung geprüft hat. Von diesem Gesichtspunkt aus¬ gehend wird festgestellt: 1. Die Gemeinden setzen an die Spitze ihrer Aus¬ führungen, daß sie die Notwendigkeit der äußersten Spar¬ samkeit bei allen Personal= und Sachausgaben unbedingt erkennen und fest gewillt sind, die größte Sparsamkeit energisch zu üben. Es besteht indes bei den Gemeinden kaum die Möglichkeit eines so weitgehenden Personalabbaues, wie er beim Bund durchführbar sein mag. Im Gegensatz zum Bund ist ja bei den Gemeinden keine Verkleinerung des Gebietes oder des Wirkungskreises eingetreten. Die Not der Nachkriegszeit hat ihnen vielmehr eine Reihe neuer Auf¬ gaben, besonders auf dem Gebiete des Humanitätswesens gebracht. 2. Die Personalausgaben der Gemeinden können selbst beim besten Willen keine sehr rasche Herabsetzung erfahren Die alten, definitiv angestellten Personen rechtlich verbürgten Pensionsansprüche lassen erhebliche Ersparungen nicht zu Da der Bund den Standpunkt einnimmt, zu den Abferti¬ gungen der Gemeindeangestellten nicht beizusteuern, so er¬ wachsen den Gemeinden dadurch erhebliche Ausgaben, die sie allein nicht tragen können. 3. Die Sachausgaben wurden von den Gemeinden dereits derart gedrosselt, daß eine weitere Kürzung nicht mehr möglich ist. Die Gemeinden haben seit 1914 viele un¬ bedingt notwendige Herstellungen unterlassen, da dazi wahrend des Krieges die Materialien und Arbeiter, später die notwendigen Gelder fehlten. Diese Sparsamkeit über¬ schreitet schon längst die Grenzen der Wirtschaftlichkeit und ist in Wahrheit nur Verschwendung, weil Häuser, Kanale, Brücken und Straßen gänzlich zugrunde gehen. Jede weitere Einschränkung der Sachausgaben wäre nur geeignet, den Zusammenbruch zu beschleunigen. Dazu kommt noch, daß den Gemeinden durch das Krankenanstaltengesetz große Lasten aufgebürdet wurden, die eigentlich der Bund zu tragen hätte 4. Der Bund verspricht den Gemeinden als Ersatz für die Zuschüsse zu den Beamtenbezügen und für die Bundes¬ darlehen höhere Steuerertragdanteile. Es muß jedoch fest¬ gestellt werden, daß den Gemeinden gar keine Sicherheit dafür geboten wird, ob diese Anteile jene Höhe erreichen, die angenommen wird. Während also die Zuschüsse zum Personalaufwand schon vom 1. Jänner 1923 an eine ein¬ schneidende Kürzung erfahren, ist gar keine Vorsorge ge¬ troffen, daß die Gemeinden schon in demselben Augenblidh durch erhöhte Steuererträge entschädigt werden. Bezüglich Einkommen= und Erwerbssteuer kann vielmehr mit Gewi߬ heit angenommen werden, daß dies nach der Natur dieser Abgaben nicht der Fall sein wird. Bezüglich der Waren¬ umsatzsteuer, von der die größten Einnahmen erwartet werden, verlangen die Gemeinden, daß ihnen die Bundes¬ gesetzgebung unzweideutig einen bestimmten Ertragsanteil zuspricht. Es sei daran erinnert, daß die Bundesregierung beim Zustandekommen der Bankumsatzsteuer den Gemeinden als Ersatz für die geringe Quote 50 Prozent einer künftigen Warenumsatzsteuer in Aussicht gestellt hat. Unter allen Um¬ ständen muß vorgesorgt werden, daß die Ueberweisung der Steueranteile an die Gemeinden mit unbedingter Zuver¬ läßlichkeit und wirklich pünktlich erfolgt, was bisher oft nicht der Fall war. Grundsätzlich müssen die Gemeinden es als ihre Rechtsüberzeugung aussprechen und festlegen, daß es unzulässig ist, den Gemeinden Steuern, die sie bereits ein¬ geführt und in entsprechender Weise ausgebaut haben, ohne volle Entschädigung zu entziehen. Die geplante Einhebung einer Gas= und Stromsteuer als Bundesabgabe muß als eine ganz einseitige Belastung der städtischen Bevölkerung bezeichnet werden. Es wird deshalb verlangt, diese Abgaben den Gemeinden und Ländern nach wie vor zu überlassen. Mit allem Nachdruck muß daran erinnert werden, daß die Zuschüsse des Bundes und die Steueranteile keineswegs, wie es im Gutachten des Finanzkomitees heißt, Subventionen sind. Dies ist eine ganz irrige Auffassung. Die Gemeinden wären vielfach gar nicht in diese Not gekommen, wenn sie diese sehr ergiebigen Steuerquellen rechtzeitig hätten aus¬ nützen können, was der Bund zu tun unterlassen hat. Die Gemeinden verlangen, daß die im § 8, Absatz 4, des Sanierungsprogrammes der Regierung vorgesehene Ein¬ richtung dazu benützt wird, die Gemeindeautonomie irgend¬ wie zu beeinträchtigen. Eine Berücksichtigung des in dieser Entschließung dar¬ gelegten Standpunktes ist um so dringender geboten, als zweifellos die Durchführung des Sanierungsprogrammes die eigenen Einnahmen der Gemeinden sehr beeinträchtigen wird. Die wachsende Arbeitslosigkeit macht sich bereits ebenso auf dem Gebiet der Einnahmen wie durch die steigenden Ansprüche an die öffentliche Fürsorge sehr empfindlich fühl¬ bar. In dieser Zeit ist eine so brüske Kürzung der bisherigen Einnahmen der Gemeinden ohne folgenschwere Erschütter¬ ungen unmöglich. Insbesondere muß aber, wie dies der Bund in Form der Auslandskredite für sich selbst als not¬ wendig erachtet, auch für die Gemeinden durch länger¬ fristige Vorschüsse ein Uebergang, jene Atempause geschaffen werden, bis die neuen Steueranteile wirklich regelmäßig und verläßlich fließen und die überhaupt möglichen Erspar¬ nisse, denen sich die Gemeinden gewiß nicht entziehen wollen, wirksam werden können. Die angestrebte Sanierung der Bundesfinanzen muß ganz vergeblich bleiben, wenn sie mit dem finanziellen Zusammenbruch der Gemeindewirtschaft erkauft wird. Daß, meine Frauen und Herren, ist die Entschließung, die der Städtebund gefaßt hat; wenn im Schlußsatz ver¬ langt wird, daß während der Uebergangszeit entsprechende Vorschüsse gegeben werden, so wird darauf verwiesen, daß die Einführung, z. B. der Warenumsatzsteuer zur Einlebung einige Jahre dauern wird, bis sie voll erfaßt werden kann. Während dieser Zeit muß die Gemeinde leben können und muß der Bund Vorsorge treffen, daß die Gemeinden auch ihre Aufgaben erledigen können. Wir stehen vor einer äußerst ernsten Situation und haben sicherlich alle Veranlassung, ohne Rücksicht auf den Parteienstandpunkt gegen dieses Projekt Stellung zu nehmen, weil es für die Gemeinde eine ungeheure Belastung und die Bringung ungeheurer Opfer und besonders auch eine Einschränkung in ihrer Autonomie bedeutet. Ich gestatte mir demnach folgenden Sektionsantrag zu unterbreiten: 1. Der Gemeinderat der Stadt Steyr stimmt der Ent¬ schließung des Großen Ausschusses des Deutschösterreichischen Städtebundes vom 31. Oktober 1922 vollinhaltlich zu und beauftragt das Magistrats=Präsidium, diese Stellungnahme dem Städtebund und dem parlamentarischen Sonderausschuß zur Beratung des Genfer Vertrages zur Kenntnis zu bringen. 2. Die Stadtgemeinde Steyr ist mit Rücksicht auf die vollständig ungeklärte Situation vorläufig nicht in der Lage, den gesetzlich vorgeschriebenen Voranschlag (§ 34 des Ge¬ meindestatutes) zu erstellen; es wird daher zu Ende dieses Jahres bloß eine Art Rohbilanz über die Ausgaben aufge¬ stellt werden. (Bravorufe.) Herr Vorsitzender Vizebürgermeister Mayrhofer frägt an, ob das Wort zu den Ausführungen des Referenten gewünscht werde. Dies ist nicht der Fall. Der Herr Vorsitzende drückt seine Befriedigung darüber aus, daß durch eine debattenlose Abstimmung ein erhöhter Eindruck erzielt werde und leitet über den Sektionsantrag die Abstimmung ein. Der Sektionsantrag wird vom Gemeinderate einstimmig angenommen. (Bravorufe.) Herr Bürgermeister Wokral übernimmt wieder den Vorsitz.

8. Subventionierung des Stadttheaters. Referent Herr GR. Tribrunner. Derselbe bringt die Eingabe zur Verlesung. Nach längerer Begründung stellt der Herr Referent folgenden Sektions¬ antrag: Der Gemeinderat beschließe, der Direktion des Stadttheaters in Steyr auf die Dauer der Spielsaison 1922/23 im folgenden Ausmaße zu gewähren: 1. Rückerstattung der auf das Theater entfallenden Lust¬ barkeitsabgabe; 2. Rückerstattung der 5 Prozent Gemeindeabgabe auf den Verbrauch von elektrischem Strom. Der Gemeinderat wird weiter bei der Elektrizitäts¬ Gesellschaft wegen Lieferung billigen Stromes für das Theater intervenieren Diese Subventionsbewilligung bedingt selbstverständlich die Aufrechthaltung des Betriebes im derzeitigen Umfange. Der Sektionsantrag wird vom Gemeinderate einstimmig angenommen. Schluß des öffentlichen Teiles 8 Uhr 25 Minuten abends. Die Vorsitzenden: Josef Wokral Hans Mayrhofer Der Schriftführer: Die Beglaubiger: C. Ridler Berta Molterer Michael Neuhold

Vertrauliches Protokoll. über die Sitzung des Gemeinderates am 13. November 1922, 8 Uhr 25 abends Pkt. 1. Aufnahmen in den Gemeindeverband. Referent Herr G.R. Tribrunner. Auf Grund der Ersitzung des Heimatsrechtes (5. Dez. 1896 R.G.Bl. N. 222) werden in den Gemeindeverband von Steyr aufgenommen: Giersig Maria Wipplinger Ignaz Heindler Carl Langensteiner Josef Jungreithmayr Joh. Orthofer Leopold Riegler Josef Ruckerbauer August Freiwillig werden aufgenommen: Casapicola Cyrill gegen Taxe ven K 45.000. Zeller Franz K 20.000. Die Zusicherung der Aufnahme in den Gemeindeverband wurde erteilt: Meditz Hans gegen Taxe von K 20.000.- Hierauf wurde um 8 Uhr 30 die Sitzung vom Herrn Vorsitzenden für geschlossen erklärt. Der Vorsitzende: Die Protokollprüfer. Der Schriftführer:

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