Gemeinderatsprotokoll vom 27. Oktober 1922

18. Unterstützungsansuchen. Dieser Punkt entfällt von der Tagesordnung. 19. Vergebung der Lieferung von Montursorten für die Sicherheitswache; nachträgliche Genehmigung. . Referent Herr GR. Wolfartsberger. Es liegen drei Ansuchen der Sicherheitswache vor. In der Sitzung des Gemeinderatspräsidiums vom 7. September 1922 wurde beschlossen, der Firma Nathan Pollak die Liefe¬ rung von 30 Mäntel für die Sicherbeitswache zu übertragen. Die Lieferung ist auch gegen nachträgliche Genehmigung durch den Gemeinderat erfolgt; mit dem Reste der notwen¬ digen 30 Mäntei wird noch mit der Bestellung zugewartet Die zweite Sektion stellt den Antrag: Der Gemeinderat genehmige nachträglich die Anschaffung der 30 Stück Mäntel. Herr GR. Prof. Brand frägt, warum die Vergebung dieser Montursorten nicht ausgeschrieben wurde und warum gerade die Firma Nathan Pollak ausgewählt wurde, es gäbe doch Schneidermeister und dergleichen Leute genug, die solche Mäntel anfertigen und bei Ausschreibung Offerte legen würden. Ich erkläre mich mit dem Vorgange des Magistrats=Präsidiums nicht einverstanden und bin auch nicht für die nahträgliche Genehmigung. Herr Referent GR. Wolfartsberger. Das zweite Ansuchen der Sicherheitswache betrifft die Uebernahme sämtlicher Reparaturen an den Montur'orten. Auf Grund eines gepflogenen Einvernehmens zwischen dem Herrn Personakreferenten GR. Saiber und den Vertrauens¬ männern der Wache wurde in Anbetracht der mißlichen finanziellen Verhältnisse ein Pauschalbetrag von 30.000 Kronen pro Mann zur Auszahlung bestimmt. Das dritte Ansuchen betrifft die Beschaffung von 63 Mon¬ turen, bestehend aus Blusen, Hosen und Westen. Die Dring¬ lichkeit des Bedarfes wird in einem ausführlichen Schreiben der Sicherheitswache dargelegt und wieder kommt hier die Firma Nathan Pollak, deren Stosse Anklang gefunden, deren Qualität und Preis entspricht, in Betracht. Der Preis wäre pro Montur 600.000 Kronen. Im Falle das Offert der Firma Anklang findet, verlangt sie eine Anzahlung von 15 Millionen Kronen; die Lieferzeit wäre 4 Wochen. Die zweite Sektion stellt hiezu den Antrag: Der Ge¬ meinderat wolle beschließen, der Firma Pollak den Lieferungs¬ auftrag zu erteilen, nachdem Qualität und Preis entsprechen. Herr GR. Prof. Brand erklärt sein lebhaftes Bedauern aussprechen zu müssen, daß ein Mitglied der Handers= und Gewerbekammer der Firma Nathan Pollak ohne jede Aus¬ schreibung derartige große Vieferungen überläßt. Herr Vorsitzender macht aufmerksam, daß nur bezüglich der 30 Stück Mäntel eine nachträgliche Genehmigung be¬ schlossen werden müsse, während über die beiden anderen Anträge erst zu beraten und zu beschließen ist Herr Referent GR. Wolfartsberger erklärt, Herrn GR. Prof. Brand antworten zu müssen, daß auch die Firma Pollak dem Kreise der Mitglieder des Handels¬ gremium angehört und keine Ausnahme gemacht werden könne. Herr GR. Vogl glaubt gleichfalls, daß die Konfession keine Rolle sviele und in erster Linie die Preise und die Qualität maßgebend sind. Herr GR. Wolfartsberger sitzt hier nicht als Vorstand des Handelsgremiums, sondern hat das Interesse der Stadtgemeinde zu wahren. Die Annahme der Sektionsanträge ist durchaus zu empfehlen. Herr GR. Frühwald frägt an, ob die Anfertigung der Montursorten in Steyr erfolgt; wer weiß, wo die Firma Pollak arbeiten lasse. In Steyr haben wir durch die vielen Entlassungen so viele erwerbslose Schneider, vielleicht könnten diese berücksichtigt werden. Schließlich können uns die hiesigen Schneidergehilfen den Vorwurf machen, daß wir derartige Arbeiten durch Zwischenhändler in andere Städte verlegen. Wenn ein Angebot von Steyr billiger kommt, wäre ich für die Ausschreibung. Herr GR. Vogl wendet sich dagegen, daß der Referent durch Herrn GR. Prof. Brand unterbrochen wurde. Der Referent habe die Pflicht, den Sektionsantrag zu vertreten, selbst wenn er persönlich mit demselben nicht einverstanden sei Herr Vorsitzender bemerkt, daß niemand dafür verant¬ wortlich zu machen sei, wenn er den Sektionsantrag ver¬ trete, daß aber der Referent einen anderen als den Sektions¬ antrag vertrete, sei nicht gut möglich; es wäre dies keine gedeihliche Arbeit. Als Herr Vizebürgermeister Notbhaft heute seine Erklärungen abgab, war ich etwas verwundert, weil ich mir offen und ehrlich sagen kann, daß Herr Vize¬ bürgermeister Nothhaft immer korrekt vorgegangen ist und wenn er gefunden hat, daß irgend etwas mit seiner persön¬ lichen Anschauung nicht zusammenstimmt, es auch immer ehrlich gesagt hat; er hat nie etwas übernommen, was er nicht vertreten könnte. Es wurde seinerzeit von ihm die Er¬ klärung abgegeben, inwieweit und nach welcher Richtung er es auffaßt, daß er die Funktion des Obmannes der zweiten Sektion übernehmen könne. Diese Erklärungen wurden da¬ mals ohne Widerrede zur Kenntnis genommen; es nahm mich daher Wunder, wenn Herr Vizebürgermeister Nothhaft zu seiner damaligen Erklärung heute noch eine Erklätung abgab. Herr GR. Schickl bezweife't, daß bei Gewerbetreiben¬ den vor der Lieferungsvergebung der 30 Mäntel angefragt worden war; es wären sicherlich viele Schneider gewesen, welche innerhalb derselben Zeit geliefert hätten. Man muß aber auch fragen, woher diese gelieferten 30 Mäntel sind. Sie sind sicher irgendwo drei Jahre im Keller gelegen und durch zehn Hände gegangen. Herr GR. Prof. Brand sagt, der Meinung gewesen zu sein, daß eine zweite Sektionssitzung stattgefunden hat, in welcher Herr Kollega GR. Wolfartsberger das Referat übernommen hat. Nun habe er gebört, daß dies nicht der Fall war, sondern Herr GR. Wolsartsberger erst fünf Minuten vor der Gemeinderatssitzung zu diesem Referate gekommen sei, ohne es ausführlich zu kennen. Das kommt von der Art und Weise her, wie die Sektionssitzungen ab¬ gehalten werden. Die vierte und wohl auch die zweite Sektion haben kurz vor der Gemeinderatssitzung Beratungen abgehalten. Durch diesen Vorgang baben wir im Klub zu Vorbereitungen gar keine Gelegenheit; ich bedauere, daß ich Herrn GR. Wolfartsberger Unrecht getan habe, weil meine Voraussetzung eine andere war. Ich stehe auf dem Standpunkt, daß ein Referent nichts übernehmen kann, was er nicht mit seinem Gewissen und seinen Parteigrundsätzen verein¬ baren kann. Ein Gemeinderat kann doch nicht gezwungen werden, im Gemeinderate ein Referat zu führen, was gegen seine Parteigrundsätze und gegen seine Ueberzeugung geht. Es muß sohin ein Recht auf Ablehnung der Uebernahme eines Referates bestehen. In diesem Sinne wird es auch zu einem gedeihlichen Wirken kommen. Herr Vorsitzender bemerkt hiezu, daß er speziell ersucht habe, die Sektionssitzungen rechtzeitig einzuberufen; es ist mir erklärt worden, die Geschichten gehen ganz glatt. Es war also in der späten Einberufung der Sektionssitzungen keine Absicht. Herr Vizebürgermeister Dedic sagt zur Erklärung des Herrn Vizebürgermeisters Nothhaft, daß in der Mehrheit des Gemeinderates die Auffassung war, daß Herr GR. Professor Brand dem Herrn GR. Wolfartsberger deshalb Vorwürfe machte, weil Pollak ein Jude ist. Es fällt mir nicht ein, mich für einen Juden einzusetzen. Wenn Herr GR Professor Brand auch das Wort „Jude“ nicht gebraucht hat, aber das Wort „Nathan“ haben Sie Herr Prof. Brand besonders be¬ tont; ich bitte dies berücksichtigen zu wollen Bezüglich der Vergebung selbst muß ich aufmerksam machen, daß wir im Frühjahre 70 Mäntel an Geschäftsleute vergeben haben und zwar an Schneider in Steyr. Diese Herren hatten sich ver¬ pflichtet, diese Mäntel zu einem bestimmten Preise zu machen und innerhalb vier Wochen zu liefern. Die Folge von dieser Art Vergebung war, daß erst diese Woche die Rechnungen eingelangt sind und der zehnfache Betrag von dem, welcher zuerst vereinbart war, bezahlt werden mußte. Trotz der übernommenen Verpflichtungen haben die Herren Privat¬ arbeit übernommen, unsere Bestellung liegen lassen und sich gedacht, die Gemeinde kann schon zahlen. Da ist es nicht zu verwundern, wenn man wo anders hingeht; dies geht wohl aus dieser Feststellung hervor. Herr Vizebürgermeister Nothhaft bemerkt, daß er in seiner heute abgegebenen Erklärung keine Inkonsequenz finden könne, er habe gelegentlich der Aenderung in der Berichterstattung über die Tagebuchabschlüsse seine erste Er¬ klärung wiederholt. Herrn Bürgermeister danke er für die Anerkennung. Herr GR. Steinbrecher beantragt Schluß der Debatte. Im übrigen stelle er den Antrag, daß arbeitslose Schneidergehilfen beschäftigt werden. Der Antrag auf Schluß der Debatte wird vom Gemeinde¬ raie angenommen. Herr Vizebürgermeister Mayrhofer erklärt noch, daß diese Mäntel, welche von Pollak bezogen waren, dringend benötigt wurden, nachdem die neu eintretenden Wachleute überhaupt keine Mäntel zur Verfügung hatten. Es wurde nicht allein bei Pollak angefragt, aber überall war die Lieferung doppelt soteuer. Die Mäntel, welche zur An¬ sicht im Amte waren, waren gut und mußte man staunen, daß sie so billig geliefert werden konnten. Das Präsidium mußte sich zu einem raschen Ankauf entschließen. Herr Referent GR. Wolfartsberger ersucht im Schlußworte um die Annahme seiner drei Anträge. Antrag 1, auf nachträgliche Genehmigung des Ankaufes der 30 Stück Mäntel bei der Firma Nathan Pollak wird sodann mit Stimmenmehrheit angenommen. Antrag 2, es sei ein Reparaturpauschale von 30.000 Kr. pro Mann zu bewilligen, wird angenommen. Gegen den Antrag 3, die Bestellung von 60 Stück Mon¬ turen bei der Firma Pollak gemäß des Offertes liegt der Antrag des Herrn GR. Prof. Brand auf Ausschreibung der Lieferung vor Die vom Vorsitzenden über diesen Gegenantrag einge¬ leitete Abstimmung ergibt die Ablehnung desselben. In zweiter Abstimmung wird der Sektionsantrag mit Stimmenmehrheit angenommen. 20. Unterstützungsansuchen. Dieser Punkt entfällt von der Tagesordnung,

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