Gemeinderatsprotokoll vom 21. Juli 1922

Die Geschäftsleitung des Städtebundes hat nun in der am 4 Juli 1922 stattgehabten Sitzung diese Frage eingehend be¬ raten und beschloß, die Mitgliedsgemeinden auf die neue drohende Gefahr aufmerksam zu machen, damit sie zum Finanz¬ plan der Regierung Stellung nehmen könne. Weiters beabsichtigt im September der Städtebund eine Konferenz sämtlicher Finanz= und Personalreferenten der Mit¬ gliedsgemeinden einzuberufen, in der zum Bundesfinanzver¬ fassungsgesetz Stellung zu nehmen ist Die erste Sektion beantragt daher: Der Gemeinderat wolle die Mitteilung des Städtebundes zur Kenntnis nehmen und folgende Entschließung fassen: 1. Das Bundesfinanzverfassungsgesetz hat den Gemeinder die erhoffte Hilfe nicht gebracht. Schwer lastet die Finanznot nach wie vor auf den Gemeinden. Die finanziellen Kräfte der Stadt Steyr sind erschöpft, die Gemeinde steht vor dem finan¬ ziellen und wirtschaftlichen Ruin. Die Gefahren haben sich durck die Regierungsvorlage über den neuen Finanzplan verstärkt, der in einigen Punkten ein völliges Verkennen der katastrophalen Finanzlage, besonders der größeren Gemeinden darstellt. Die Stadtgemeinde Steyr protestiert nachdrücklichst gegen die im Nationalrate eingebrachte Gesetzvorlage der Bundes¬ regierung betreffend den Abbau der Lebensmittelzuschüsse, da ein solches Gesetz in Kürze zum finanziellen Zusammenbrüche der Gemeinde führen müßte; der beiliegende Protest ist sogleich an das Bundesministerium für Finanzen abzusenden. 2. Die Gemeinde Steyr ist nicht imstande, über die gegen¬ wärtige ungeheure Krise aus eigenen Kräften hinwegzukommen, obwohl sie alle Mittel und Wege betreten hat. Die Bundes¬ regierung wird dringendst ersucht, der Gemeinde Steyr zur Linderung der gegenwärtigen Finanznot ein weiteres, noch vor den Nationalratsferien zu beschließendes Darlehen zu gewähren dieser Beschluß ist sogleich dem Bundesministerium für Finanzen zur Kenntnis zu bringen. 3 Die für September d. J. seitens des Städtebundes in Aussicht genommene Konferenz der Finanz= und Personalreferenten sämtlicher im Städtebund vereinigten Gemeinden ist seitens der Stadtgemeinde Steyr zu beschicken. 4. Die Herren Nationalräte von Steyr werden ersucht, den Bestrebungen des Städtebundes und den unter 1 und 2 zu fassenden Beschlüssen des Gemeinderates die tatkräftigste Unter¬ stützung angedeihen zu lassen Weiters ist eine Abschrift dieses Beschlusses der Geschäftsstelle des österreichischen Städtebundes zu übermitteln. Der Bürgermeister und Sektionsobmann: Wokral m. p Hiezu wird noch beantragt: Der Herr Bürgermeister wird heauftragt, sofort beim Bundesministerium beziehungsweise im Nationalrate den Protest des Gemeinderates einzubringen, da¬ mit die Beschlußfassung noch vor den Ferien des Nationalrates erfolgen könne. Der Antrag der ersten Sektion sowie der Zusatzantrag werden vom Gemeinderate einhellig angenommen Z 17814., Nachdem nunmehr 24 Mitglieder des Gemeinderates an¬ wesend find, tritt der Gemeinderat in die Beratung des Punktes 5: „Erhöhung verschiedener Abgaben und Taxen" ein. s) Erhöhung der Gebühren für die Waggebühren. In der Sitzung des Gemeinderates vom 16. Juni l. J. wurde der Beschluß gefaßt, die Gebühren für die öffentlichen Brückenwagen in Steyr zu erhöhen. Dieser Beschluß wurde der Landesregierung mitgeteilt, welche darauf bemerkte, daß eine solche Erhöhung, weil sie die Gebühren, welche das Lano ein¬ hebt, überschreiten würde, nicht angängig sei, und hat den Akt zur neuerlichen Beschlußfassung anher rückgemittelt. Die Sektion glaubt jedoch keinen Anlaß zu haben, von dem seinerzeit gefaßten Beschluß Umgang zu nehmen und beantragt: „Der Gemeinderat beschließe, mit Rücksicht auf die fort¬ schreitende Geldentwertung auf eine Aenderung des bestehenden Gemeinderatsbeschlusses nicht einzugehen. Der Sektionsantrag wird vom Gemeinderate einhellig an¬ genommen. Z. 20.878. b) Ueber die Mahngebühren liegt ein Amtsbericht vor, welcher vorschlägt, für die erste Mahnung 100 Kronen, für die zweite Mahnung 200 Kronen und für die dritte Mahnung 400 Kronen einzuheben. Die Sektion beantragt: „Der Gemeinderat stimme der Er¬ höhung der Mahngebühren nach dem Amtsbericht zu Angenommen. Z. 18.311., e) Fremdenabgabe. Der Amtsbericht empfiehlt, wie im Jahre 1921, so auch im Jahre 1922 von der Einhebung der im Landesgesetze vom 11. Mai 1922 vorgesehenen Fremdenabgabe Abstand zu nehmen. Schon im Vorjahre hatte sich herausgestellt, daß die Einhebung und Kontrolle bedeutend höhere Kosten verursachen würde, als der Ertrag sein würde. Die Verhältnisse werden sich heuer wahrscheinlich noch ungünstiger gestalten. Die Sektion hat sich mit diesem Gegenstande eingehend beschäftigt und glaubt jedoch, daß die Auffassung des Amtes in dem Punkte nicht ganz richtig sei, sie ist der Meinung, daß man das Recht auf die Fremdenabgabe aufrecht erhalten solle, jedoch zur Auswirkung derselben die Fremdenzimmerabgabe auf 40 Prozent erhöhen solle. Der Herr Vorsitzende bemerkt, daß die Zuschrift der Landes¬ regierung von Personen handelt, die sich zur Erholung oder zum Vergnügen länger als 24 Stunden in Steyr aufhalten. Der Amtsbericht schlägt nun vor, statt auf diese Abgabe ein¬ zugehen, welche der Gemeinde wegen der Kosten der Einhebung Schwierigkeiten macht, die Fremdenzimmerabgabe von 30 Prozent auf 40 Prozent zu erhöhen. Der Sektionsantrag lautet: „Der Gemeinderat beschließe die Fremdenzimmerabgabe auf 40 Prozent zu erhöhen“. Wird vom Gemeinderate sodann einhellig angenommen. Z. 17.099., d) Erhöhung der Eil= und Frachtgüterabgabe. Hiezu liegt ebenfalls ein Amtsbericht vor, mit welchem sich die Sektion beschäftigt hat und den Antrag stellt: „Der Gemeinderat beschließe, einer zehnfachen Erhöhung unter gleichzeitiger Ermächtigung des Gemeinderates, die Abgabe bis zum zwanzigfachen erweitern zu können, zuzustimmen. Herr Vorsitzender bemerkt, daß aus dem Verhältnisse dieser Abgabe sich ergibt, wie eigentlich der Bund mit den Gemeinden verfährt. Als diese Frage der Eil= und Frachtgüterabgabe im vergangenen Jahre beraten wurde, war eine mündliche Zu¬ sicherung der Regierung zur Mitwirkung bei der Einhebung vorhanden. Das Gesetz wurde hierauf beschlossen und wir haben uns mit der Bahnverwaltung ins Einvernehmen gesetzt; heute vormittags haben wir jedoch die Verständigung erhalten, daß der Bahnvorstand gestern in der Direktion in Linz vorgesprochen hat, um sich die entsorechenden Richtlinien zu holen. Es wurde ihm dort ein Erloß des Bundesministerium für Verkehrswesen vorgelegt, mit welchem das Bundesministerium erklärt, daß es der Stationsvorstehung untersagt wird, bei der Einhebung dieser Abgabe mitzuwirken, daß wir daher einen eigenen Apparat brauchen würden, welcher die Berechnung und Einhebung der Taxen übernimmt. Wir haben uns telegraphisch an das Bundes¬ ministerium gewendet und hoffen in kurzer Zeit die Zustimmung zur Mi wirkung bei der Einhebung dieser Abgabe zu erhalten. Es ist bezeichnend, daß wir zwar das Gesetz erhalten haben, dasselbe aber durch das Verhalten des Bundesministeriums nicht anwenden können Der Sektionsantrag wird hierauf vom Gemeinderate ange¬ nommen. Z 17.188., 6. Bestellung der Einspruchskommission im Sinne des Landes=Gesetzes vom 26 Jänner 1922 betreffend die Einführung einer Abgabe vom gemeinen Werte von Grundstücken im Ge¬ meindegebiete der Stadtgemeinde Steyr Referent Herr GR. Reisinger. Nach § 19 des Gesetzes über die Bodenwertabgabe hat die Einspruchskommission aus dem Bürgermeister als Vorsitzenden oder dessen Stellvertreter und aus sieben vom Gemeinderate zu wählenden Mitgliedern und einem rechtskundigen Magistrats¬ beamten zu bestehen Der Gemeinderat wird ersucht, die Wahl in die Einspruchskommission vorzunehmen und die Sektion stellt folgenden Antrag Der Gemeinderat beschließe, die Herren Saiber, Schreiner, Fischer, Radmoser, Schwandtner, Dr. Furrer und Schickl in die Einspruchskommission zu entsenden Die Frist zur Vorlage der Selbsteinschätzung wird mit einem Monat nach Verlaut¬ barung der Durchführungsbestimmung festgesetzt" Der Sektionsantrag wird ohne Wechselrede vom Gemeinde¬ rate angenommen Z. 17.098, 7. Note des oberösterreichischen Landesrates betreffend Ein¬ hebung eines 200-prozentigen Zuschlages auf den Mietzins für den Wohnungsfond. Der Herr Vorsitzende bemerkt, daß der Titel richtig heißen soll „auf den Mietzinsheller". Referent Herr GR. Tribrunner. Bei der letzten Präliminarberatung am 30. Jänner 19 2 wurde ein 200 prozentiger Zuschlag auf den Mietzinsheller be¬ schlossen; es dürfte in dem Bericht an den Landesrat ein Ver¬ sehen enthalten sein, weil unmittelbar darauf Aufklärung ver¬ langt wurde; es muß nämlich richtig heißen, Zuschlag zu den Mietzinshellern. Die Sektion hat sich mit der Sache eingehendst beschäftigt und beantragt: „Der Gemeinderat beschließe, beiliegende Ge¬ setzesvorlage, welche die Einhebung eines 200-prozentigen Zu¬ schlages zu den in der Präliminarsitzung vom 30 Jänner 1922 genehmigten Mietzinshellern festlegt, und beauftrigt das Prä¬ sidium, beim oberösterreichischen Landtag um die Annahme des¬ selben einzuschreiten. Der Sektionsantrag wird vom Gemeinderate ohne Wechsel¬ rede angenommen. Z. 3435.

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