Gemeinderatsprotokoll vom 21. Juli 1922

meister gegönnt war, sich während der Zeit der Kur so gut zu erholen und wir hoffen auch, daß es ihm weiter gegönnt sein werde, daß kein Rückfall eintrete und er in unserer Mitte wieder ungestört seinen Amtsobliegenheiten nachkommen kann. Wir be¬ glückwünschen ihn zu seiner Wiedergenesung und wünschen ihm nochmals den besten und dauernden Erfolg“. (Lebhafte Zustim¬ mung des gesamten Gemeinderates.) Der Bürgermeister antwortete kurz: „Ich danke sehr“. 3. Ansuchen um Umlagebefreiung für das Arbeiterwohn¬ haus Blumauergasse 29. Referent Herr GR. Tribrunner. Die Firma Huber & Co. erbaut bekanntlich in der Blumauer¬ gasse ein Arbeiterwohnhaus und strebt für diesen Bau die zehn¬ jährige Umlagebefreiung an. Nachdem es sich tatsächlich um den Bau eines Arbeiterwohnhauses handelt und damit der Wohnungsnot gesteuert wird, hat die Sektion in ihren Bera¬ tungen sich zu folgendem Antrage entschlossen: „Der Gemeinde¬ rat beschließe, dem gestellten Ansuchen zuzustimmen 74: Angenommen. 4. Abänderung des § 73 der allg D.=O. für die Ange¬ stellten betreffend die Zusammensetzung der Personalkommission. Herr Vorsitzender Bürgermeister Wokral teilt mit, daß dieser Punkt von der Tagesordnung entfalle, weil das Ansuchen vom Hauptvertrauensmanne der Gewerkschaft zurückgezogen wurde. Wird zur Kenntnis genommen. 5 Erhöhung verschiedener Abgaben und Taxen. Hiezu teilt der Herr Vorsitzende mit, daß dieser Punkt momentan nicht behandelt werden könne, nacdem erst 22 Ge¬ meinderatsmitglieder anwesend sind, zur Beschlußfassung jedoch 24 Gemeinderatsmitglieder anwesend sein müssen. 52. Stellungnahme zu den Finanzvorlagen der Regierung Referent Herr GR. Tribrunner. Es ist vom Deutschen Städtebund eine Zuschrift eingelangt, welche auch sämtlichen Mitgliedern desselben zugekommen ist Dieselbe lautet: Wien, am 10. Juli 1922. Geehrte Mitgliedsgemeinde! Das Bundesfinanzverfassungsgesetz hat den Gemeinden die erhoffte Hilfe nicht gebracht. Schwer lastet die Finanznot nach wie vor auf den meisten Gemeinden, die auf wichtige Umlagen verzichtet haben, weil sie der Meinung waren, daß eine ent sprechende Entschädigung durch die Ueberweisungen aus dem Ertrag der geteilten Abgaben erfolgen werde. Nun werden diese Ueberweisungen an die Gemeinden infolge der Rückständigkeit des staatlichen Steuereinhebungsapparates meist sehr verspätet vollzogen, so daß der Anteil immer in mehr oder weniger ent werteten Kronen entrichtet wird So hat eigentlich das Finanz verfassungsgesetz die finanzielle Lage vieler Gemeinden eher ver schlechtert denn verbessert! Aber schon drohen den Gemeinden neue Gefahren Die Bundesregierung hat einen neuen Finanzplan ausgearbeitet, der in einigen Punkten ein völliges Verkennen der katastrophalen Finanzlage, besonders der größeren Gemeinden, darstellt Vor allem ist in diesem Zusammenhang auf die geplante Warenumsatzsteuer zu verweisen Der Bund will auf jede Ware ohne Unterschied eine zweiprozentige Steuer legen, die natürlich Fast bei allen Gemeinden sich vervielfacht. Dadurch würde eine so starke Teuerungswelle hervorgerufen werden, daß selbst bei einer für die Gemeinden noch so günstigen Teilung des Ab¬ gabeertrages eine Besserung der trostlosen Gemeindefinanzen kaum zu erwarten ist; überdies würde durch diese neue Bundes¬ abgabe der Stadt Graz der Ertrag ihrer Verbrauchssteuer und den Städten Salzburg und Wien die Einnahmen aus der Luxuswarenabgabe entzogen werden. Da die Einhebung der Warenumsatzsteuer ohne Mitwirkung der Gemeinden überhaupt nicht möglich ist, müßte schon jetzt eine überwiegende Beteili¬ gung der Gemeinden an den Ertrag dieser Abgabe verlangt werden. Die Gemeinden wurden bereits gelegentlich der Banken¬ umsatzsteuer außerordentlich verkürzt, und liegt ein Versprechen der großen politischen Parteien vor, daß gelegentlich der Warenumsatzsteuer die Gutmachung erfolgen werde. Daran müssen die Vertreter der Städte im Nationalrat jetzt mit Entschiedenheit erinnert werden. Gegen die vom Bund geplante Holzproduktionsabgabe liegen vom Standpunkte der Gemeinden schwere Bedenken vor, Der Bund will für den Festmeter Nutzholz 3000 Kronen und für den Raummeter Brennholz 1500 Kronen einheben. Ein Raummeter Holz wiegt ungefähr 300 Kilogramm; es würde daher eine Holzsteuer von fünf Kronen für das Kilogramm Brennholz zu entrichten sein Diese hohe Abgabe bewirkt daher eine starke Verteuerung des Nutz- und Brennholzes, die fast ausschließlich von den Städtern getragen werden muß. Die in Aussicht genommene Weinproduktionsabgabe kann von den Gemeinden nur als eine geteilte Abgabe akzeptiert werden. Diese Abgabe soll 500 Kronen für einen Liter Wein betragen, wobei die bestehende Weinsteuer von 40 auf 300 Kronen für den Liter erhöht werden soll. Es wird also der Liter Wein mit einer Abgabe von 800 Kronen belegt sein. Ganz energisch und mit dem stärksten Nachdruck müssen aber die Gemeinden gegen den bereits im Nationalrat einge¬ brachten Regierungsentwurf über den Abbau der Lebensmittel¬ zuschüsse Stellung nehmen Der Bund will den Gemeinden ohne jede Entschädigung die bisher von ihm geleisteten Zuschüsse an alle Bedürftigen auferlegen, was für viele Städte den finan¬ ziellen Zusammenbruch bedeuten würde. Nach ziemlich genauen Berechnungen würde die Ausgabe, die durch die Ueberwälzung dieser Zuschüsse den Gemeinden erwächst, größer sein als alle Gemeinden zusammen auf Grund des Bundesfinanzgesetzes an Steuerertragsanteilen erhalten Dagegen müssen sich wohl die Gemeinden zur Wehr setzen. Die Verwirklichung dieses Planes wäre mit der sofortigen Finanzkatastrophe gleichbedeutend sein Die Geschöftsleitung des Städtebundes hat nun in der am 4. Juli 1922 stattgehabten Sitzung diese Fragen eingehend be¬ raten und folgende Beschlüsse gefaßt: 1. Die Mitgliedsgemeinden sollen in der nächsten Sitzung der Gemeindevertretung die von der Bundesregierung geplante Ueberwälzung der Lebensmittelzuschüsse zur Sprache bringen und einen energischen Protest gegen die bezügliche Gesetzvorlage be¬ schließen, der an das Bundesministerium für Finanzen zu leiten ist. 2. Um den Gemeinden über die gegenwärtige Finanznot hinwegzuhelfen, ist an die Bundesregierung mit dem Ersuchen heranzutreten, ein weiteres Darlehen den Gemeinden zu ge¬ währen. Dieses Darlehen müßte, da der Zehnmilliardenkredit nicht genügt, noch vor Beginn der Nationalferien beschlossen werden. Die im Städtebund vereinigten Gemeinden sollen in öffentlicher Gemeinderatssitzung einen entsprechenden Antrag be¬ schließen und diesen Beschluß unverzüglich dem Bundesministerium für Finanzen mitteilen. 3. Im September hat der Städtebund eine Konferenz sämtlicher Finanz= und Personalreferenten der Mitgliedsgemeinden einzuberufen, in der zum Bundesfinanzverfassungsgesetze Stellung zu nehmen ist Wir ersuchen, diese Mitteilungen zur Kenntnis zu nehmen und legen auch darauf Wert, daß Sie die von Ihrer Gemeinde gewählten Nationalräte um Unterstützung dieser hier formu¬ lierten Wünsche ersuchen. Ueber ihre Vorkehrungen wollen Sie uns unverzüglich unterrichten. Für die Geschäftsleitung des Deutschösterreichischen Städtebundes: Georg Emmerling, Obmann. Sekretariat: Wien, Neues Rathaus. Drahtanschrift: Städtebund Wien, Telephon Nr. 164 (00. Zu diesem Schreiben des Städtebundes liegt ein Amts¬ bericht und ein Antrag der ersten Sektion vor: Bericht und Antrag der ersten Sektion. Die Geschäftsleitung des Deutschösterreichischen Städte¬ bundes, dem auch die Stadtgemeinde Steyr als Mitglied ange¬ hört, teilt in einer Zuschrift an den Magistrat mit, daß sie sich in ihrer am 4. d. M abgehaltenen Sitzung eingehendst mit der Finanzlage der Städte befaßt hat. Bei dieser Sitzung mußte vor allem festgestellt werden, daß das Bundesfinanzverfassungs¬ gesetz den Gemeinden die erhoffte Hilfe nicht gebracht, die Finanzlage der Gemeinde Steyr hat sich besonders durch den Entgang der Umlage auf die besondere Erwerbsteuer, welche vier Fünftel ihrer Einnahme ausmachte, eher verschlechtert als verbessert und die Ueberweisungen an die Gemeinde infolge der Rückständigkeit des staatlichen Steuereinhebungsapparates meist sehr verspätet vollzogen werden, so daß der auf die Gemeinde entfallende Anteil in mehr oder weniger entwerteten Kronen entrichtet wird. Nach dieser Zuschrift des Städtebundes drohen der Gemeinde bereits neue Gefahren. Die Bundesregierung hat einen neuen Finanzplan ausgearbeitet, der in manchen Punkten den Anschein erweckt, als ob die katastrophale Finanzlage namentlich der größeren Gemeinden völlig verkannt würde. Namentlich gegen die vom Bunde geplante Warenumsatzsteuer obwalten vom Standpunkte der Gemeinde schwere Bedenken, weil durch diese Abgaben — insbesondere in der vom Bunde geplanten Höhe - eine derartige, hauptsächlich von den Städten zu tragende Ver¬ steuerung aller Waren notwendigerweise hervorrufen würde, daß selbst bei einer für die Gemeinde noch so günstigen Teilung des Abgabeertrages eine Besserung der Gemeindefinanzen kaum zu erwarten ist. Ganz energisch und mit dem stärksten Nachdruck müssen aber die Gemeinden gegen den bereits im Nationalrat einge¬ brachten Regierungsentwurf über den Abbau der Lebensmittel¬ zuschüsse Stellung nehmen Der Bund will den Gemeinden ohne jede Entschädigung die bisher von ihm geleisteten Zuschüsse an alle Bedürftigen auferlegen, was für viele Städte den finanziellen Zusammenbruch bedeuten würde. Nach ziemlich genauen Be¬ rechnungen würde die Ausgabe, die durch die Ueberwälzung dieser Zuschüsse den Gemeinden erwächst, größer sein, als alle Gemeinden zusammen auf Grund des Bundesfinanzgesetzes an Steuerertragsanteilen erhalten Dagegen müssen sich wohl die Gemeinden zur Wehr setzen Die Verwirklichung dieses Planes wäre mit der sofortigen Finanzkatastrophe gleichbedeutend.

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