Gemeinderatsprotokoll vom 16. Juni 1922

Z. 11955/192, gegen uns ins Treffen führen (indem Sie den ersten Absatz allein anführen und die folgende Begründung unserer Haltung einfach weglassen), den Stempel der Unauf¬ richtigkeit, um nicht zu sagen Gehässigkeit, ansich. Wenn wir trotzdem diese Eingabe beantworten, so ver¬ anlaßt uns hiezu die Erwägung, es könnte aus der Nichtbe¬ antwortung auf den Mangel sachlicher Erwiderungsgründe ge¬ schlossen werden. Zur Erklärung unserer Haltung gegenüber der Frage der Erweiterung des Bahnhofes und des Baues eines neuer Aufnahmsgebäudes in Steyr müssen wir auf die Zeit vor dem Kriege zurückgreifen. Es ist wohl leider richtig, daß damals die deutschen Gebiete des Staates gegenüber den von anderen Völ¬ kern bewohnten in Hinsicht der Zuwendungen von Staats¬ mitteln für öffentliche Bauten insbesondere Bahnhofanlagen sehr stiefmütterlich behandelt worden sind Wäre dem nicht so gewesen, dann hätte Steyr jedenfalls einen zeitge¬ mäßen Bahnhof erhalten. Während des Krieges, als die Bedeutung Steyrs durch die Waffenfabrik, die größte der damaligen Gesamtmonarchie, besonders gehoben war, bestand wohl die Absicht, die Erweiterung des dortigen Bahnhofes durchzuführen, weshalb mit den Entwurfsarbeiten bereits be¬ gonnen wurde Wir zweifeln auch nicht, daß diese Absicht bei einem glücklichen Ausgange des Krieges Tatsache geworden wäre. Nun ist das Gegenteil eingetreten und dadurch ein staats¬ Es stünde sonach in dieser Hinsicht der große Aufwand in keinem Verhältnisse zum erzielten Erfolge. Demgemäß werden wir dem Bundesministerium für Ver¬ kehrswesen den Vorschlag unterbreiten, von dem Neubau eines Aufnahmsgebäudes in Steyr vorderhand abzusehen und lediglich die zur möglichen Verbesserung notwendigen baulichen Ausgestaltungen durchzuführen. Wir sind überzeugt, durch diese unsere Stellungnahme den Interessen des Staates und dessen Gesamtbevölkerung pflicht¬ gemäß Rechnung zu tragen und werden uns durch keinerlei Drohung abhalten lassen, in diesem Sinne zu wirken. Der Präsident der Bundesbahn=Direktion. Die Angelegenheit zieht sich schon seit dem Jahre 1916 hin, in welchem Jahre sich der Gemeinderat mit einer Projekts¬ ablehnung zu befassen hatte Die erste Sektion hat sich mit dieser Zuschrift eingehend beschäftigt und stellt folgenden Antrag: „Der Gemeinderat der Stadt Steyr hat die Zuschrift der Z. 326/1 Bundesbahndirektion Linz 20. Mai 1922, mit größter Entrüstung zur Kenntnis genommen und weist zunächst den dem Magistrate Steyr gemachten Vorwurf der Unaufrichtigkeit und Gehässigkeit auf das allerentschiedenste als einer jeden Be¬ gründung entbehrend zurück. Der Gemeinderat verweist auf die Verschleppung, welche finanzieller Zusammenbruch verursacht, welcher kaum die Durch¬ diese Angelegenheit in den letzten sechs Jahren trotz steter schrift¬ führung der für die Aufrechterhaltung des Eisenbahnbetriebes licher Betreibungen durch den Magistrat und trotz wiederholter unumgänglich notwendigen Bauarbeiten zuläßt. Interventionen der Abgeordneten erfahren hat, und erhebt gegen In dieser Hinsicht kommen nebst den zur Hintanhaltung diese Vernachlässigung der Interessen der Stadtgemeinde Steyr von Unfällen und eines vorzeitigen Verfalles der baulichen den entschiedensten Protest; insbesondere aber wird dagegen Anlagen unabweislichen Erhaltungsarbeiten, vornehmlich die protestiert, daß die Staatsbahndirektion Linz entgegen der aus¬ durch die katastrophale, zum Großteile auf die mangelnde Vor¬ drücklichen Zustimmung des Bundesministeriums es wagt, die sorge mancher Gemeinden zu buchende Wohnungsnot veranlaßten fernere Vernachlässigung der Verkehrsinteressen von Steyr in Wohnhausbauten, dann die Fortsetzung von bereits vor dem Antrag zu bringen, es wird verlangt, daß sofort eine Kom¬ Kriege in Angriff genommenen Bauten in Betracht. Hieran mission seitens des Bundesministeriums für Verkehrswesen nach werden sich voraussichtlich die Ausgestaltungen einzelner Linien Steyr entsendet wird, welche an Ort und Stelle sich von der zur Bewältigung eines gesteigerten Verkehres schließen, eine Unhaltbarkeit der Verhältnisse und von den skandalösen Zu¬ Folge der durch die Aenderung der Staatsgrenzen verursachten ständen am Bahnhofe zu überzeugen hat. Die Abgeordneten der geänderten Verkehrsverhältnisse. Stadt Steyr im Landtage und im Nationalrate werden aufge¬ Von solchen Gesichtspunkten geht gegenwärtig auch die fordert, beim Bundesministerium für Verkehrswesen wegen dieser Reichseisenbahnverwaltung im zweifellos kulturell hochstehenden feindlichen Stellung der Bundesbahndirektion in Linz die leb¬ Deutschen Reiche aus, wo Bahnhofneubauten gegenwärtig aus hafteste Beschwerde zu führen und darauf zu dringen, daß die staatsfinanziellen Gründen nicht in Angriff genommen Interessen der Stadtgemeinde voll und ganz gewahrt werden werden. Wir verweisen zum Beispiel auf das längst nicht mehr und mit dem Bahnhofumbau in Steyr in allernächster Zeit und den Bedürfnissen genügende Aufnahmsgebäude des Bahnhofes in einer den modernen Bedürfnissen voll Rechnung tragende in Heidelberg, einer Stadt, deren Bedeutung nicht erst hervor¬ Art begonnen wird.“ gehoben werden braucht. Herr Vizebürgermeister Mayrhofer berichtet, daß er Wenn wir uns demnach auf den durch den staatsfinanziellen auftragsgemäß nach Einlangen dieser Zuschrift bei der Bundes¬ Zusammenbruch nun einmal gegebenen Standpunkt stellen, so können wir für eine Erweiterung des Bahnhofes bahndirektion vorgesprochen habe und habe sich der dortige in Steyr mit bestem Willen nicht die Begrün¬ Hofrat sehr entrüstet über die Zuschrift der Gemeinde geäußert dung unabweislicher Notwendigkeit ins und hierin eine Beleidigung der ganzen Bundesbahndirektion Treffen führen. erblickt. Er sagte, es sei derzeit nicht daran zu denken, den Steyrer Bahnhof umzubauen, weil sie in anderen Denn die bestehende Anlage hat die durch den Krieg her¬ Sprengeln viel wichtigere Arbeiten zu vollführen hätten. Ich vorgerufene außerordentliche Verkehrssteigerung, wie sie nach habe darauf hingewiesen, daß es sich um eine alte Forderung Lage der Dinge in absehbarer Zeit nicht mehr zu gewärtigen der Steyrer Bevölkerung handelt, welche von den kompetenten ist, ohneweiters ermöglicht. Wohl entspricht das Aufnahmsge¬ Wiener Stellen anerkannt wurde Wenn ein guter Wille vor¬ bäude nicht den modernen Ansprüchen, von „gesundheitsschäd¬ handen wäre, könnte mit Rücksicht auf die herrschende lichen Verhältnissen“, kann jedoch ganz und gar nicht die Rede Arbeitslosigkeit vom Bundesministerium für Verkehrswesen die sein. Nur der desolate Zustand der am Bahnhofvorplatze be¬ Sache längst erledigt sein. Es wird nichts anderes übrig bleiben, findlichen öffentlichen städtischen Abortanlage widerspricht als daß eine Deputation beim Bundesminister vorspricht, an den Forderungen der Hygiene. Unseres Wissens wurden Sie der sich alle Vertreter der hiesigen großen Unternehmungen an¬ auch bereits vor einiger Zeit durch unsere Streckenleitung in schließen. Ich möchte noch erinnern an einen Ausspruch des Steyr aufgefordert, das Erforderliche zu veranlassen. Daß früheren Finanzministers Gürtler bei einer Stadttagung, welcher übrigens auch sonst die Forderungen der öffentlichen Gesund¬ sagte, die Wohnungsnot wäre für Linz leicht zu beheben, wenn heitspflege unter dem Zwange wirtschaftlicher Not nicht die das Bahndirektionsgebäude in Linz für Wohnungen verwendet wünschenswerte Berücksichtigung finden, zeigen die Verhältnisse würde. Diese macht auch so nichts. Von Seite dieser Direktion in den Städten, Steyr nicht ausgenommen, wo den dringendsten haben wir nichts zu erwarten und haben wir auch das Zutrauen hygienischen Bedürfnissen wie: Schaffung einer Kanalisierung hiezu verloren und Trinkwasserleitung, Bau eines Schlachthofes, Straßen¬ erhaltung, Verminderung der Staubplage usw. nicht entsprochen Herr GR. Witzany erklärt, die ganze Schreibweise der werden kann. Bundesbahndirektion Linz als eine Anmassung. Ich halte das Wenn auch die Planung eines neuen Aufnahmsgebäudes ganze für eine deutschnationale Büberei, denn tatsächlich sitzen für eine Stadt mit solch eigenartiger Bauart, wie es Steyr dort fast lauter Deutschnationale und weil die Gemeinderats¬ ist, unser Interesse ganz besonders erregen würde, können mehrheit in Steyr sozialdemokratisch ist, erlauben sie sich solche wir es mit unseren Pflichten unmöglich ver¬ Frechheiten. Natürlich sieht man auch daraus, daß von der einbar finden, beim Bundesministerium für Bundesbahndirektion Pläne nicht ausgearbeitet wurden, weil Verkehrswesen die Errichtung eines Neubaues ihnen Steyr nicht sympatisch ist. Unglücklicherweise und aus zu beantragen. Wir verweisen nebst dem von den Ver¬ einer Ungeschicklichkeit der früheren Gemeindevertretung besteht hältnissen im deutschen Reiche gesagten auf die in Durchführung die Tatsache, daß Steyr heute an einer Nebenlinie liegt; es könnte aber an der Hauptlinie liegen und der Valentinerverkehr begriffene verhältnismäßig geringfügige Ausgestaltung des Aufnahmsgebäudes am Wiener Westbahnhofe, dessen Neubau hier sein. Doch darüber läßt sich nicht mehr reden. Eine solche Behandlung, wie sie sich die Bahndirektion leistet, spottet jeder bereits vor dem Kriege geplant war, dann die nur in sehr be¬ Beschreibung. Diese schädigt auch die ganze Industrie und ist scheidenem Maße erfolgte Ausgestaltung des Innsbrucker Haupt bahnhofes usw es unerfindlich, daß sich ein paar Beamte über die Interessen Was weiter die erhoffte Linderung der Arbeitslosigkeit einer Stadt so bagatellmäßig hinwegsetzen können. Die Unter¬ anlangt, so lehrt die Erfahrung, daß bei Hochbauten fast aus¬ nehmungen müssen sich dem Proteste anschließen schließlich arbeitslose Bauarbeiter Verwendung finden können. Herr GR. Dr Peyrer erklärt, daß er gegen die Aus¬ Die Mehrzahl der Arbeitslosen in Steyr besteht aber aus lassungen des Herrn GR. Witzany ganz entschiedenen Protest Metallarbeitern, die als Handlanger wohl nicht gut in Betracht einlegen müsse, er hat die Angelegenheit als eine Art kommen, während etwa in ihr Fach schlagende Professionisten¬ deutschnationalen Bubenstückes gekennzeichnet; ich verwahre mich arbetten jedenfalls an Firmen außerhalb Steyrs, wahrscheinlich dagegen, daß eine Politik in die Sache gebracht wird, wohin sie sogar außerhalb Oberösterreichs zur Vergebung gelangen dürften. nicht gehört.

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