An den löbl. Gemeinderat der Stadt Steyr! Wie aus Zeitungsnachrichten zu entnehmen ist, beabsichtigt angeblich die Bundesregierung in der allernächsten Zeit — an¬ geblich mit 1. Juli l. J. — die staatliche Abgabe auf Getränke, wie Bier, Wein und Most zu erhöhen, um den Gemeinden aus der erhöhten Einnahme nach einem noch festzustellenden Schlüssel Zuweisungen zu machen. Mit der Erhöhung der staatlichen Ge¬ tränkeabgabe sollen gleichzeitig die kommunalen Getränkeabgaben aufgelassen werden. Es besteht die Gefahr, daß die Gemeinde Steyr allenfalls weniger an Ueberweisungen erhält, als sie auf Grund der letzten Beschlüsse des oberösterreichischen Land¬ tages bei einer kommunalen Getränkeabgabe annehmen würde. Soll den Gemeinden geholfen werden, so muß endlich die Frage der Sanierung der Gemeindefinanzen in ihrer ganzen Größe aufgerollt und gelöst werden. Der Eindruck einer absichtlichen Verzettelung kann nicht verwischt werden. Deshalb würde ich dem Gemeinderate den Vorschlag unter¬ breiten, in einer Entschließung zu der angeblich beabsichtigten Teilsanierung Stellung zu nehmen und ganz entschieden die so¬ fortige finanzielle Auseinandersetzung zwischen Bundesländern und Gemeinden zu verlangen. Die vom Gemeinderate gefaßte Entschließung soll nebst der Bundesregierung an die Nationalversammlung, die oberöster¬ reichische Landesregierung, den Städtebund und den Abgeordneten des Bezirkes übermittelt werden Die Sache scheint mir so wichtig und dringlich, daß ich empfehlen würde, sie in der nächsten Gemeinderatsitzung in einem Dringlichkeitsantrag zu verhandeln Steyr, am 6. Juni 1921. Der Bürgermeister: I. Wokral. Auf Grund dieser Zuschrift hat die erste Sektion eine Ent¬ schließung gefaßt, welche dringlichst weiterzuleiten ist, weil in kurzer Zeit sich der Nationalrat mit dem Gegenstande befassen wird, und die Gefahr besteht, daß wie schon früher die aus der letzten Volkszählung aufscheinende Bevölkerungsziffer angenommen würde. Es wird daher gebeten, dem Antrage die Dringlichkeit zuzuerkennen. Der Gemeinderat stimmt der Dringlichkeit zu. Zum Antrage selbst führt Herr GR. Reisinger aus: Die in der Zuschrift des Herrn Bürgermeisters ausge¬ führten Verhältnisse haben die erste Sektion veranlaßt, nach¬ stehende Entschließung dem Gemeinderate zur Annahme zu empfehlen. Entschließung. Aus Zeitungsnachrichten ist zu entnehmen, daß die Regie¬ rung beabsichtigt, in nächster Zeit bereits die staatlichen Abgaben auf Getränke, wie Bier, Wein und Most wesentlich zu erhöhen, die bestehenden Gemeindeabgaben darauf einzuziehen und statt deren den Gemeinden einen zu ermittelnden Anteil am Erträg¬ nisse zu überweisen. Daraus geht hervor, daß die Regierung beabsichtigt, die Staatseinnahmen zu erhöhen, ohne den Gemeinden eine wesentliche Erhöhung der Gemeindeeinnahmen zu garantieren. Gegen diese Absicht legt der Gemeinderat der Stadt Steyr den entschiedensten Protest ein, denn deren Verwirklichung be¬ deutet eine schwere Schädigung der Gemeinden. Die Finanzlage der Gemeinden konnte niemals eine günstige sein, weil alle Ein¬ nahmemöglichkeiten vom Staate den Gemeinden weggenommen wurden; nun sind die Aufgaben der Gemeinden ins Ungemessene gewachsen, deren Ausgaben sind lawinenartig angewachsen, ohne daß die Einnahmen eine wesentliche Erhöhung erfahren hätten; bisher hat die Regierung die Gemeinden in ihrer Notlage immer auf die Auseinandersetzungen zwischen Bund und Ländern vertröstet, ohne weiter zu helfen; die Selbsthilfe der meisten Gemeinden bestand darin, daß sie die Verbrauchsabgaben auf Getränke wesentlich erhöhten und nun soll ihnen auch diese Möglichkeit benommen werden. Der Gemeinderat Steyr macht alle maßgebenden Faktoren heute schon darauf aufmerksam, daß eine solche Maßregel eine äußers schwere Schädigung der meisten Gemeinden bedeuten wurde, der Gemeinderat verlangt vielmehr, daß die finanziellen Auseinandersetzungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden endlich einmal beginnen und mit größter Beschleunigung durch¬ geführt werden; erst wenn durch diese Verhandlungsergebnisse die sinanzielle Existenzmöglichkeit der Gemeinden als der Grund¬ lage eines Staates geschaffen ist, kann an Maßnahmen, wie die in Rede stehende, gedacht werden. Die Abgeordneten des Wahlbezirkes Traunkreis werden aufgefordert, im Sinne dieser Entschließung an den maßgeben¬ den Stellen vorstellig zu werden und mit aller Kraft dahin zu wirken, daß die finanzielle Not der Gemeinden nicht durch Teil¬ aktionen verzögert und verschärft, sondern endlich beseitigt werden. Nach einem kurzen Schlußworte des Herrn Referenten GM. Reisinger wird die Entschließung vom Gemeinderate mit Stimmeneinhelligkeit angenommen 2 Beschlußfassung über einen Erbpachtvertrag und Beitrag zum verlorenen Bauauswand durch die Gemeinde zu den sechs Wohnhausern der Arbeiter- und Beamten=Wohnungsfürsorge ebenossenschaft auf der Ennsleiten. Herr Vizebürgermeister Nothhaft übernimmt den Vor¬ sitz und erteilt Herrn Bürgermeister Wokral als Referenten hiezu das Wort: Herr Referent Bürgermeister Wokral führt aus: Im vergangenen Jahre hat sich der Gemeinderat mit einem Beschluß beschäftigt, der neu gegründeten gemeinnützigen Arbeiter=Bau¬ und Wohnungsfürsorge=Genossenschaft beizutreien. Die Absicht der Gründung dieser Genossenschaft war, möglichst rasch Wohn¬ stätten zu schaffen; nun besteht die Möglichkeit, daß diese Ge¬ nossenschaft tatsächlich ihre Tätigkeit beginnen könne. Die Ge¬ nossenschaft hat die auf der Ennsleite bereits begonnenen, aber von der Gemeinde noch nicht fertiggestellten Objekte als Bauziel ausgewählt, um diese Objekte fertigzustellen. Nach dem Vor¬ anschlage dürfte für die Fertigstellung ein Kostenaufwand von 21 Millionen erlaufen. Die Gemeinde hat vom Bundesministerium für soziale Verwaltung (Bundes=Wohn= und Siedlungsamt) nachstehende Zuschrift erhalten: An die Gemeinde Steyr! Die Allgemeine gemeinnützige Arbeiter=Bau= und Wohnungs¬ fürsorge=Genossenschaft hat hierorts um Kredithilfe des Bundes¬ Wohn= und Siedlungsamtes für ihr Bauprojekt von sechs Häusern in Steyr angesucht und das Bundes=Wohn= und Siedlungsamt im Bundesministeriums für soziale Verwaltung ist bereit, diesem Ansuchen zu willfahren. Doch ist nach § 8 des Gesetzes vom 15. April 1921, R.=G.=Bl. Nr. 252, darauf zu sehen, daß die betreffende Gemeinde zur Deckung des verlorenen Bauaufwandes eine ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit und dem in ihrem Gebiete bestehenden Wohn= und Siedlungs¬ bedürfnisse angemessene finanzielle Hilfe leistet Das Bundes=Wohn= und Siedlungsamt im Bundes¬ ministerium für soziale Verwaltung macht demnach von dem Ansuchen der genannten Vereinigung Mitteilung und ersucht die Gemeinde Steyr grundsätzlich die Zusicherung einer finan¬ ziellen Hilfe in der Höhe der halben Hausgestehungskosten per 13•4 Millionen Kronen oder in Form von Annuitätszuschüssen im Ausmaße von 50 Prozent derselben anzusprechen. Das Bundes=Wohn= und Siedlungsamt erlaubt sich hiebei auch auf die Bestimmung des dritten Absatzes des § 9 des obigen Gesetzes aufmerksam zu machen. Der Leiter des Bundes=Wohn= und Siedlungsamtes: Dr. Sauer m. p. Wie dem Gemeinderate bekannt ist, hat die Gemeinde in Bezug auf das Wohnungswesen das allermöglichste geleistet und im vergangenen Jahre ganz bedeutende Lasten übernommen, an welcher Belastung die Gemeinde schwer zu tragen hat, um die Verzinsung und Amortisierung für den Bauaufwand aufzu¬ bringen. Bei den Objekten, welche die G.meinde selbst gebaut hat, ist die Waffenfabrik in der Weise beteiligt, daß sie uns einen Zuschuß zu jeder Wohnung leistet, während der Staat und das Land mit der Gemeinde zu dem verlorenen Bauaufwand beitragen. Nach Fertigstellung der Objekte wird ein Aufwand von 28-30 Millionen Kronen erstehen, so daß der Gemeinde nahezu an 10 Millionen Kronen zur Verzinsung und Amorti¬ sierung erübrigen. Allerdings enthält diese Summe auch die Kosten für die Wasserleitung und Straßenkanalisation. Ich glaube daher, daß die Gemeinde nicht im Stande sein wird, das Verlangen des Bundesministeriums zu erfüllen und rund sieben Millionen Kronen zur Verzinsung und Amortisierung des verlorenen Bauaufwandes garantieren zu können Es würde eine neue ganz kollosale Belastung bedeuten und würde auch der Gemeinde die Möglichkeit nehmen, der Bau= und Wohnungs¬ fürsorge=Genossenschaft tatkräftigst unter die Arme zu greifen; übrigens heißt es in der Zuschrift des Bundesministeriums auch ausdrücklich „nach Maßgabe der finanziellen Möglichkeit der Gemeinde"; leider ist die Gemeinde außerstande, diesen fünfzig¬ prozentigen Zuschuß zum verlorenen Bauaufwande zu leisten. In der Angelegenheit stellt die Sektion folgenden Antrag: „Der Gemeinderat beschließe zu erklären, daß er mit Rücksicht auf die finanziellen Verhältnisse nicht in der Lage ist, den vom Bundesministerium für soziale Verwaltung und der Bau= und Wohnungsfürsorge-Genossenschaft begehrten Beitrag in der Höhe der Hälfte des Staatsbeitrages zur Erbauung der sechs Wohn häuser auf der hohen Ennsleite durch die Bau- und Wohnungs fürsorge=Genossenschaft zu leisten; hingegen ist der Gemeinderat bereit, die Erbauung der gedachten Wohnhäuser in folgender Weise zu unterstützen: 1. Zufolge Gemeinderatsbeschluß vom 19. Juli 1920 be¬ teiligt sich die Gemeinde an der Genossenschaft mit einem Anteile im Betrage von 700.00) Kronen; 2. der notwendige Baugrund wird der Genossenschaft in einem Erbpachtvertrag gegen Leistung eines Anerkennungszinses überlassen; zur weiteren Unterstützung wird die Gemeinde der Bau¬ und Wohnungsfürsorge-Genossenschaft alle vorhandenen Materia¬ lien, welche heute einen Wert von . . . . . . Kronen repräsen Kronen überlassen tieren, um den Betrag von . . . Wir glauben weiters, daß die Gemeinde durch die Ueber¬ lassung des Grundes im Erbpacht gewiß schon eine bedeutende Förderung der Siedlungstätigkeit vollzieht. Gleichzeitig erlaube ich mir den Vertragsentwurf samt vorangehenden Amtsberichte zur Kenntnis zu bringen:
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