leistet. Staat und Land hat erklärt, nur dann einen Teil bei¬ zuschießen, wenn die Objekte im Eigentume der Gemeinde ver¬ bleiben. Unter diesen Umständen hatten wir damals ein Inter¬ esse daran, einen Baurechtsvertrag mit der Waffenfabrik abzu¬ schließen. Wenn die Bausumme mit 21 Millionen angenommen wird, so hätte die Waffenfabrik 6½ Millionen Kronen zu leisten, die übrigen 14½ Millionen Kronen würden auf den Staat, das Land und die Gemeinde fallen. Die Waffenfabrik erklärte dann, unter diesen Umständen kein Interesse an den Bauten zu haben. Es wurde nun der Waffenfabrik bedeutet, daß die Waffenfabrik aus den Häusern den meisten Vorteil ziehe, weil diese für die Arbeiter bestimmt werden können. Damit war allerdings eine Zwangslage für die Gemeinde geschaffen, der sie sich aber nicht entwinden konnte, weil die damaligen Verhältnisse infolge des UUmsturzes und der Stellung der Gemeinde zur Waffenfabril viel stärker waren. Es darf aber nicht verhehlt werden, daß das Gedeihen der Stadt auch vielfach von dem Gedeihen der Waffen¬ fabrik abhängt, und müssen wir daher auch auf die Entwicklung dieser Großindustrie Rücksichten nehmen. Die Fabrik braucht eine Reihe neuer Spezialarbeiter für die Autoerzeugung und ist es klar, daß die Waffenfabrik diese nicht bekommt, wenn sie ihnen nicht entsprechende Unterkunft sichert. Wenn hiedurch andere Arbeiter betroffen werden, ist dies gewiß sehr bedauerlich. Wir sind aber bei bestem Willen nicht imstande, dies zu ändern und nützt es uns gar nichts, wenn wir uns gegen bestehende unab¬ änderliche Tatsachen sträuben, das sind Verhältnisse, die uns aus dem Vertrage vom Jahre 1913 anhängen und uns ins Hinter¬ treffen bringen; wäre dieser Vertrag nicht gewesen, hätten wir ganz anders sprechen können, so aber ist es mit dem Revolver an der Brust besser, lieber das kleinere Uebel zu wählen und eine Vereinbarung zustande zu bringen, durch welche wir wenigstens zum überwiegenden Teil aus der Fessel kommen. Es wird keine Abgabe erfunden werden können, bei welcher die Waffenfabrik nicht den größten Teil auf sich zu nehmen haben wird. Schließlich haben auch die Gewerbetreibenden die Konjunktur ebensogut ausgenützt und gar keinen Anlaß zur besonderen Klage und wenn angeführt wird, daß ihnen die Arbeiter weg¬ laufen, so wird sich dies in der Zukunft bessern, weil das Ver¬ hältnis zwischen Prof-ssionisten und Hilfsarbeiter sich anders gestalten wird. Es werden auf zwei Professionisten ungefähr zwei bis drei Hilfsarbeiter kommen. Uebrigens wird ein Ab¬ schließen eines Uebereinkommens, wie es Herr GR. Aigner an¬ geführt hat, der Unterhandlung zwischen Waffenfabrik und Ge¬ werbetreibenden selbst vorzubehalten sein. Es wird auch die Waffenfabrik in Hinkunft ein Interesse daran haben, nur für das Fach qualifizierte urbeiter zu bekommen, so daß sich die Aufnahme von Arbeitern anders gestalten wird Im übrigen muß betont werden, daß die Waffenfabrik selbst es einsieht, daß die Wohnungsverhältnisse in Steyr einer Besserung bedürfen und sie schon in verhältnismäßig kurzer Zeit ein großzügiges Bauprogramm in Angriff nehmen wird, um dadurch der Wohnungsnot abzuhelfen. Es liegt im Wesen aller Verhandlungen, daß nahezu kein Teil befriedigt ist, weil jeder etwas zugibt oder nachgibt Es besteht eben noch kein Gesetz, daß der Waffenfabrik das Häuser¬ hauen diktiert. Unser Standpunkt wird daher gewiß der richtige sein und wird der Gemeinderat für das Jahr 922 in die Lage kommen, die Situation in reiferer Form zu überblicken und seine Beschlüsse darnach zu richten Nicht unerwähnt kann bleiben, daß im Landesrat erklärt wurde, daß allerdings die Möglichkeit vorhanden wäre, daß der Landtag ohne Rücksicht auf den Ver¬ trag mit der Waffenfabrik sich entschließen könnte, die Umlage im verschiedenen Ausmaße festzusetzen, wobei aber nicht ver¬ mieden würde, daß die Vertragsteile Schadenersatzansprüche stellen könnten; mit einem solchen Beschluß des Landtages wäre uns nicht geholfen, weil ein Prozeß entstünde und wir allen¬ falls das Mehr zurückzahlen müßten. Wenn wir uns sagen, daß der frühere Vertrag vom Jahre 1913 fast auf eine Null gesunken und wir ferners die Fürsorgeabgabe erhalten, kann die Gemeinde gegenwärtig immerhin mit dem Erfolg zufrieden sein Ich möchte dabei aus dem Voranschlage des Jahres 1921 auf den unbedeckten Abgang von 11 Millionen verweisen, welcher heute schon weit überholt ist, weil wahrscheinlich schon nächstens eine Regelung der Gehalte eintreten wird, die ihre Rückwirkung auf den 1. Jänner 1921 hat. Es ist daher unerläßlich, daß neue Einnahmen geschaffen werden, die uns über die heutigen finanziellen Schwierigkeiten hinweghelfen. In den Verhältnissen, in welchen wir dermalen stecken, konnten wir keine anderen Anträge stellen und bitte ich um Annahme derselben Im Gemeinderate werden Stimmen laut, welche die Fort¬ setzung der Debatte wünschen. Der Vorsitzende leitet geschäftsordnungsmäßig über den Wunsch mehrerer Herren Gemeinderäte auf Fortsetzung der Dehatte die Abstimmung ein. Der Gemeinderat willigt mit Stimmenmehrheit in die Fortsetzung der Debatte. Herr GR. Witzany beantragt: Einführung einer ein¬ prozentigen Fersorgeabgabe auf die Dauer eines Jahres, ohne Rücksicht auf die vereinbarten Bedingungen oder Vertrags¬ bindung gegenüber der Waffenfabrik und daß auch mit anderen Unternehmungen kein Vertrag in dieser Sache abgeschlossen wird Im weiteren soll es in dem Antrage des Referenten noch heißen „von allen Lohnbezügen samt allen Zulagen" Zu Punkt 3: Der Gemeinderat stimmt unter der Bedingung zu, wenn in dem Vertrage die Klausel aufgenommen wird, daß die Wohnungen der in Betracht kommenden Häufer, gleich allen anderen dem Mieterschutzgesetze unterworfen sind. Weiters verpflichtet sich die Oesterreichische Waffenfabriks¬ gesellschaft die jeweiligen Mietzinseinnahmen aus den gegen¬ ständlichen Häusern nach Abzug der Steuern und der von der Oesterreichischen Waffenfabriksgesellschaft auszuweisenden Er¬ haltungskosten der Stadtgemeinde zu überlassen. Nachdem die Waffenfabrik zu einem Viertel Besitzerin der Häuser ist, dürfte die Anwendung des Mieterschutzgesetzes für alle Parteien strittig sein. Herr GR. Frühwald glaubt, daß in Bälde mindestens zehn Parteien gekündigt werden wird und diese Gefahr muß die Gemeinde vermeiden. Herr Bürgermeister Wokral bemerkt, daß es selbstver¬ ständlich ist, daß auf alle Wohnungen der Ennsleite das Mieterschutzgesetz Anwendung zu finden habe. Es liegt dies¬ bezüglich ein Präsedenzfall beim Hause der Waffenfabrik in der Bahnhofstraße vor, in welchem ebenfalls das Mieterschutzgesetz Anwendung fand. Es ist daher nicht einzusehen, daß diese Be¬ stimmung in den Vertrag aufgenommen werde, welche ohnehin gesetzlicher Natur ist. Es könnten dadurch bei den Leuten Hoffnungen erweckt werden, die nicht erfüllbar sind, weil trotz dieser vertraglichen Vereinbarung die Möglichkeit durch die Ver¬ schiedenartigkeit der gerichtlichen Auslegungen des Gesetzes nicht aus der Welt zu schaffen ist, daß eine Kündigung erfolgen kann. Ich würde deshalb bitten, diesen Antrag zurückzuziehen, weil ich mir von demselben gar keinen Effekt verspreche. Meiner Ueberzeugung nach ist die Waffenfabrik sicher nicht berechtigt, sich über das Mieterschutzgesetz hinwegzusetzen. Schließlich hatten wir das Empfinden, daß unsere in dem Vertrage aufgestellten Bedingungen unseren moralischen Verpflichtungen gegenüber der Waffenfabrik entspricht Hinsichtlich der Fürsorgeabgabe besteht —und dies sei betont — mit der Waffenfabrik keinerlei Vertrag, sondern wir haben, erklärt, wir beabsichtigen eine Fürsorgeabgabe von ein Prozent und wenn sich die Verhältnisse ändern, werden wir unter Um¬ ständen diese Fürsorgeabgabe erhöhen. Der Landtag muß natür¬ lich diese Abgabe erst genehmigen. Es ist aber nicht angezeigt, vom Landtage nur die Genehmigung für ein Jahr zu verlangen. Das leidige Verhältnis zwischen der Waffenfabrik muß endlich einmal aus de Welt geschafft werden das Verhältnis muß auf eine Basis gebracht werden, um in der Zukunft das Auslangen mitsammen zu finden und wir ohne Groll uns gegenseitig be¬ gegnen können; ich möchte daher Herrn GR Witzany ersuchen, von seinem Antrag Umgang zu nehmen Herr Vorsitzende glaubt Herrn GR. Witzann recht zu ver¬ stehen, wenn er fürchtet, daß die Festsetzung der Fürsorgeabgabe auf drei Jahre das Recht nehme, innerhalb dieser drei Jahre die Fürsorgeabgabe zu erhöhen. Diese Befürchtung wäre aber nicht zutreffend, da der Gemeinde von der Waffenfabrik nie das Recht abgesprochen werden kann, die Abgabepflicht zu erhöhen. Herr Bürgermeister Wokral betont, daß es in der Regel Gepflogenheit sei solche Abgaben auf mehrere Jahre zu be¬ stimmen, damit ist noch nicht gesagt, daß wir für die anderen Jahre nicht zwei Prozent einheben und den Landtag ersuchen, die Erhöhung zu bewilligen. Warum wir auf die Zeitdauer von drei Jahren gekommen sind, hat seinen Grund darin, weil man nicht weiß, wie sich die Verhältnisse gestalten werden. Wenn im vergangenen Jahre die Waffenfabrik auf das Autogeschäft darauf gezahlt hat, so wird sie deshalb nicht gleich mit einer Unter¬ bilanz abschließen, weil 1•, Geschäftsjahre beisammen sind und weil in diese Zeit der Abverkauf der Restbestände gefallen ist. Wenn man sich anderseits vor Augen hält, daß die Erzeugung von Autos äußerst schlimm war, können wir auch nicht wissen, wie sich diese im allgemeinen noch stellen wird; Tatsache ist, daß Verhandlungen mit verschiedenen Staaten über Autoliefe¬ rung wirkungslos geworden sind, weil diese Staaten Einfuhr¬ zölle beschlossen haben, z. B. Frankreich 45 Prozent, und ist es wirklich schwer zu sagen, ob entsprechende Partien abgesetzt werden können. Der Markt ist infolgedessen nicht klar zu über¬ sehen und muß gewartet werden, bis sich der Markt konsolidiert hat, weßhalb für diese Zeit nur ein Prozent der Fürsorgeabgabe zur Einhebung gelangen soll Meiner Ueberzeugung nach besteht kein Hindernis, das nächste Jahr andere Beschlüsse zu fassen Die Waffenfabrik hat nur eine loyale Erklärung gewünscht, dahin gehend, daß nicht in Zukunft eine Abgabe eingehoben wird, welche nur die Waffenfabrik trifft. Herr GR. Schickl beantragt, nachdem die Gewerbetreiben¬ den bei der Fürsorgeabgabe mitzahlen müssen, daß seitens der Waffenfabrik die Gewerbetreibenden bei den Arbeiten berück¬ sichtigt werden, und daß ihnen in keiner Beziehung ein Schaden bei Neuaufnahme von Arbeitern zugefügt werde Herr GR. Steinbrecher hofft, daß mit der Bereinigung dieser Fragen ein freundschaftsiches Verhältnis zwischen Stadt¬ gemeinde und Waffenfabrik hergestellt werde; Redner sagt, dafür zu sein, daß die Waffenfabrik nicht zusehr belastet werde, um die Existenz ihrer Arbeiter nicht zu gefährden. Die Finanzlage der Waffenfabrik ist noch nicht geklärt, sondern sehr belastet: in funf Jahren, wenn die Waffenfabrik auf sicherem Boden steht, wird sie uns stets wieder mit der Sperrung des Betriebes drohen; ich will nur wünschen, daß dieses freundschaftliche Ver¬ hältnis tatsächlich eintritt. Herr GR Tribrunner erklärt die Angelegenheit für so wichtig, daß es nicht überflüssig erscheint, so lange Debatten darüber zu führen. Die Herren, welche damals im Jahre 1913 im Gemeinderate saßen, haben auch erkannt, daß man ohneweiters dem Vertrage zustimmen kann, nach einigen Jahren kommt nun der Vorwurf, daß die damalige Zustimmung unvorsichtig war. Wenn
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