Gemeinderatsprotokoll vom 29. Dezember 1920

Herr GR. Prof. Brand erklärt, daß er zum Kapite „Unterricht“ als eine der brennendsten Fragen Steyrs sprecher wolle. Zum Unterricht braucht man nicht nur Lehrer, sondern auch Schulgebäude. Machen Sie mit mir einen Rundgang durch ie Stadt und besuchen wir die Schulgebäude. Bei der Bürger¬ schule müssen wir sagen, daß das Gebäude wohl schön, aber unzureichend ist; es wurde auch schon beschlossen, einen Flüge auszubauen, leider ist es bisher nie dazugekommen. Bei der Wehrgrabenschule werden wir sagen, daß auch dieses Gebäude entspricht, hier mangelt es aber an innerer Einrichtung. Bei der Michaelerschule werden wir schon finden, daß die Lokale ungeeignet sind; sie sind finster und schwer zu heizen und jedes anheimelnden Eindruckes entbehrend, welcher hemmend auf die hüler wie auf die Lehrer wirkt. Wir kommen zur Bergschule ind hier müssen wir sagen, um Gotteswillen, wenn einmal ein Blitzschlag vorkäme und eine Panik ausbrechen würde, so würd dies eine Katastrophe bedeuten müssen, denn die Kinder können über die engen und finsteren Stiegen nicht heraus. Ein Um¬ stand, der eine ganz außerordentliche Betrachtung verdient. Die Lokale in der Bergschule sind vollkommen ungeeignet, nieder und finster Wir kommen hinauf zur Ennsleitenschule, die aller¬ dings eine Notschule ist; sie erweist sich auch als eine solche. Die Räume sind nicht entsprechend groß und sind, glaube ich uch schon Verhandlungen im Zuge, daß Parallelklassen errichtet werden. Meine Dam n und Herren! Die Gemeinde ist in ihrer finanziellen Not gewiß nicht in der Lage, neue Schulgebäude heute zu bauen, aber schauen Sie nach Niederösterreich, wo die Firma Krupp in Berndorf für ihre Angestellten eigene Schulen sebaut hat. Krupp hat nicht nur für Volksschulen gesorgt, ondern auch sogar ein Untergymnasium erbaut; ferner ein eigenes Spital errichtet: Krupp hat ferner für Unterhaltung esorgt und baute schließlich für die religiösen Interessen seiner Arbeiter auch eine Kirche. Meine Herren! Was hat die Oester¬ reichische Waffenfabrik getan? (Zwischenrufe: Nichts!) Die Waffenfabrik hat Millionen um Millionen von Steyr wegge tragen, aber zur sozialen Fürsorge hat die Waffenfabrik aus eigenem nichts getan (Zwischenrufe: Sehr richtig!) Die Gemeinde Steyr hatte immer die Lasten, die der Betrieb durch die über¬ aus starke Abnützung der Straßen und Brücken verursachte, allein getragen und die Waffenfabrik hat jederzeit ihren Vorteil in der Steuerleistung zu wahren gewußt. Die Waffenfabrik hat nlichts getan, mit Ausnahme der Widmung für das Spital mit K 200.000•—, dafür sind sie zu Ehrenbürgern der Stadt ernannt worden. Ich halte diesen Betrag für viel zu minimal. Es wäre Pflicht der Waffenfabrik gewesen, daß sie die Lasten des Krankenhausbaues der Gemeinde abgenommen hätte; sie hat nichts getan für das Theater, damit sich ihre Leute auch unter¬ halten können, sie hat nichts getan in der Wohnungsfürsorge aber immer getrachtet, bei den Steuern sehr billig daraus zu kommen. Ich halte ferners dafür, daß wir die Verpflichtun haben, jetzt an die Waffenfabrik heranzutreten und ihr endlich den Standpunkt energisch klar zu machen, was sie zu leisten hat, und stelle daher folgenden Antrag: „Das Magistrats¬ Präsidium wird beauftragt, wegen des Baues einer Mädchen¬ und Knaben=Volksschule und Bürgerschule auf der Ennsleite so leich mit der Oesterreichischen Waffenfabriks=Gesellschaft in Ver¬ handlung zu treten. Sollte sich diese weigern, die Kosten der Erbauung und inneren Ausgestaltung zu tragen, sind die Landtagsabgeordneten der Stadt Steyr dringend zu ersuchen dahin zu wirken, daß die Oesterreichische Waffenfabrik durch ein Landesgesetz gezwungen werde, ihre Pflicht zu erfüllen“. Herr Vizebürgermeister Dedic kommt auf die Post „Kultus“ zurück und ist der Anschauung, daß man, so lang die Rechtslage nicht gelöst ist, immerhin die von Herrn Vize¬ bürgermeister Noihhaft gewünschten Beträge per K 6000•— und K 350.— in den Voranschlag aufgenommen werden können dadurch sei noch nicht gesagt, daß diese Beträge auch ausgegeben Erfordernis Antrag ür das Jahr VIII. Kultus, Unterricht, Kunst 1921 und Wissenschaft. ) Kultus. 6.000 K Kirchen= und Pfarrhofgebäudeerhaltung 1 Schulgottesdienst, kirchliche Feierlichkeiten usw. 350 2. Summe 6 350 K b) Unterricht. 330.116 K Personalauslagen 1. 200.000 „ Gebäudeerhaltung 2. 220.000 3. Gebäudebeheizung 30.000 4. Ge äudebeleuchtung 0.000 „ ebäudereinigung 40.000 „ Gebäudeeinrichtung 6. 60.000, Lehr= und Lernmitte 25.000 8. Kanzleiauslagen 100.000 Subventionen, Stipendien 9. 22.000 Mietzinse 10. 2 000 Haushaltungsunterricht und Schulküche 11. 380.000 12 Städtische Handelsschule Jugendamt, Jugendfürsorge und Kinderhilfs 3. 502.546 aktion 981.662 K Summe 2. verden müssen. Ich stelle daher den Vermittlungsantrag, die Posten 1 und 2 zu Rubrik VIII sind in den Voranschlag 1921 wieder einzusetzen, die Auszahlung ist jedoch erst dann durchzu¬ ühren, bis der fragliche Vertrag vorgefunden ist. err GR. Prof. Brand empfiehlt hinsichtlich der Post 3 Abschnitt e „Kunst und Wissenschaft“ vor der Genehmigung des eranschlagten Betrages sich die Ueberzeugung zu verschaffen velche Fortschritte Herr Blümmelhuber macht; wenn solche nicht zu verzeichnen sind beantragt derselbe die Post zu streichen Herr GR. Witzany wendet sich gegen den Uebelstand aß der Schulbücherverlag auch für das Schuljahr 1920/21 nich ie erforderlichen Lernmittel aufbringen konnte und ersucht im Stadtschulrate auf den Bezirksschul=Inspektor einzuwirken, daß iesem Uebelstande abgeholfen werde Es wolle auf die Erlassung eines diesbezüglichen Landesgesetzes hingewirkt werden. Herr Vorsitzender Bürgermeister Wokral erwidert, daß er Stadtschulrat gewiß bemüht war, diese Kalamität mit dem Mangel an Schulbüchern zu beheben. err Vorsitzender erwidert weiters, daß hinsichtlich der Steuerleistung Vorwürfe der Waffenfabrik nicht gerechtfertigt erscheinen; die Waffenfabrik sei keine Steuer schuldig, wenn Rückstände wären, so liegt die Schuld hieran an der Steuer¬ behörde, welche die Vorschreibungen noch nicht herausgegeben hat. Bei unserer letzten Anwesenheit in Wien haben die Herren der Waffenfabrik erklärt, daß auch sie die Häuser auf der Enns¬ eite endlich fertig sehen wollen und man werde sehen, daß sick ie Waffenfabrik nicht schmutzig zeigen werde; es mögen aber endlich die Angriffe eingestellt werden, in welchem Falle sie rklären, zum weitgehendsten Entgegenkommen bereit zu sein, nur wünschen sie, daß die Waffenfabrik nicht als Uebel für Steyr bezeichnet werde. Herr Vizebürgermeister Mayrhofer sagt, daß er mit einer gewissen Freude feststellen könne, daß doch ein neuer Geist n die Steyrer Ratstube eingezogen sei und sich dieser Geist auch in der Minorität offenbare, weil auch von dieser einge¬ ehen wird, daß vieles im Rückstande ist; so müsse wohl gesagt verden, daß die Tätigkeit des Herrn Blümelhuber nicht im Bücherschreiben und Dichten liegen solle; die Anstalt verfolgt den Zweck, Leute zu dieser Stahlschneidekunst heranzuziehen; egenwärtig ist jedoch nicht ein Schüler vorhanden. darüber, Herr GR. Steinbrecher beklag sich daß in der Bevölkerung auch selbst zu wenig Interesse ür die Schulen aufgebracht wird, dies habe die Sammlung ge¬ zeigk. Nur die Bevölkerung der besitzlosen Klasse erweise sich schulfreundlich und zu Opfern bereit. Die Interessenlosigkeit und er Mangel an Opferfreudigkeit seitens der besitzenden Klasse erdient öffentlich gebrandmarkt zu werden; dies widerspiegelt ich auch hinsichtlich der Waffenfabrik gegenüber der Gemeinde Durch eine entsprechende Auseinandersetzung könnte schon viel erreicht werden. Was Krupp getan hat, so ist Krupp eben ein veißer Rabe unter den Besitzenden. In Oesterreich dürfte er der einzige sein. Ich kenne die Versprechungen, die von der Waffenfabrik gemacht wurden, habe aber kein Vertrauen dazu erhoffe mir Abhilfe nur durch ein Landesgesetz und err GR. Neuhold verweist darauf, daß die Waffen¬ fabrik sogar keine Lehrlinge mehr aufnehmen und den Lehrlingen den Besuch der Fortbildungsschule unmöglich mach herr Vorsitzender erwidert, daß hier ein Irrtum besteht als für die Aufnahme von Lehrlingen von der Waffenfabrik eine Verpflichtung besteht und selbe strenge auf den Schulbesuch ihrer Lehrlinge fieht da Redner nicht mehr vorgemerkt sind, schreitet der Herr Voksitzende über den Gegenantrag des Herrn Vizebürgermeister¬ Oedic, zu Rubrik VIIIa „Kultus“ Post 1 und 2, die vor ährigen Beträge von 6000 K und 350 K wieder einzusetzen die Abstimmung ein, welcher Antrag mit 15 Stimmen ange¬ nommen wird Der Antrag des Herrn GR. Krottenau auf Erhöhung es Erfordernisses für die Städtische Volksbücherei wird abgelehnt. Bedeckung. Antrag VIII. Kulin für Unterricht, Kunst und das Jahr 192 Wissenschaft. a) Kultus Kirchen= und Pfarrhofgebäudeerhaltungsrück¬ ersätze Schulgottesdienst, kirchliche Feierlichkeiten usw. — Summe ) Unterricht. 7.000 K Einschulungsbeiträge 2. Erträgnis des Realschulfonds 5.500 3. Lehrmittelkostenrückersätze und Beitrag aus der Almhofer= und Schiefermayr=Schulstiftung 2.000 k. Sonstige Einnahmen 1.000 „ * Durchlaufende Zinsungen für Freiwohnungen 5. 400 der Schulleiter 6 Beitrag vom Religionsfonds für die Bergschule 378 „ Schulgelder und sonstige Einnahmen der städti¬ 7. 25.000 schen Handelsschult 41.278 K Summe

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