Gemeinderatsprotokoll vom 22. Juli 1920

6 aber, daß wir da die Bauten schon soweit vorgeschritten sind im letzten Moment nicht davon abstehen können. Der Ansturm ach Wohnungen ist ungeheuer. Mit der Einstellung des Baues müßte auch eine große Arbeiterzahl brotlos werden. Es bleibt uns daher nichts anders übrig als den Antrag zu stellen: Zur Fertigstellung der Bauten auf der hohen Ennsleite ein Darlehen von rund 15 Millionen in Anspruch zu nehmen. Obwohl der Betrag ungeheuer hoch ist, können wir nichts nderes tun Im Vollbewußtsein unserer Verantwortlichkeit nüssen wir die schon begonnenen Werke vollenden, damit uns nich noch größere Werte verloren gehen. Ich möchte aber auch an alle Mitwirkenden appellieren, daß sie im Interesse der Allge meinheit alles daran setzen, damit die Möglichkeit wird, von diesem enormen Betrag noch etwas zu ersparen, zumindestens aber, daß keine Ueberschreitungen vorkommen. Ich möchte in dieser Beziehung auch an die Arbeiterschaft appellieren, das sie nicht vergessen mögen, daß die Gemeinde hier ungeheure Opfer bringt und auch sie sich ihres Pflichtbewußtseins erinnern mögen, damit jeder Grund wegfällt, um Vorwürfe zu erhalten. Ich möchte auch hier auf meine Entgegnung mit den Vertretern der Bauarbeiter gegenüber zurückkommen: „sie fordern zwar, aber das Fordern hört sich auf, wenn man nichts mehr zum hergeben hat: wir sind soweit, daß wir nicht wissen, ob wir ihnen morgen die Löhne auszahlen können.“ Die Bauten müssen so rasch als möglich beendet werden, um die Bauzeit abzukürzen. Trotz des hohen Erfordernisses wird für die Gemeinde immer noch ein lktivum bestehen, als die Häuser lastenfrei im Besitze der Ge neinde sein werden; es wird auch vorzusorgen sein, daß der Besitz unbelastet bleibt; auch sonst besteht durch Vergrößerung des Gemeindebesitzes ein Aktivum Der Gemeinderat möge daher dem gestellten Antrage auf Aufnahme eines Darlehens zu dem gedachten Zwecke zustimmen. skönnte auch möglich sein, vom Staatsamte ein Dar¬ lehen aus dem von der Nationalversammlung bewilligten Kredit für öffentliche Zwecke zu erlangen und wolle das Präsidium er¬ nächtigt werden, diesbezügliche Schritte einzuleiten Zu der Beteiligung am Partensteiner Wasserkraftwerk woll¬ ebenfalls die Aufnahme eines Darlehens angenommen werder und würde daher die Gesamtsumme der aufzunehmenden Dar¬ ehen rund 20 Millionen Kronen betragen. Herr Vorsitzender Vizebürgermeister Nothhaft erklärt daß der Umstand, daß er als Mitglied und Vorsitzender der 11. Sektion, als welcher er der Minorität angehöre das Referat nicht übernommen habe, keine Hinterhältigkeit sei und er das Referat aus dem Grunde nicht genommen habe, weil er als Angehöriger der Minorität und Vorsitzender der Finanzsektion nach seinem schon beim Amtsantritte ausgesprochenen Prinzipe als Referent in Finanzangelegenheit bremsend wirken müsse Herr GR. Peyrer sagt, daß er keine Politik oder Demagogie betreiben wolle, aber darauf verweisen müsse, daß eine Partei bei der Beschlußfassung über den Voranschlag 1920 sich der Abstimmung enthalten habe, weil man damals schon Bedenken hatte Man stellt uns heute vor ein fait acomal ind können wir weder sagen, wir bauen die Häuser auf der Ennsleite aus oder wir bauen sie nicht aus. Wir haben kein Sterbenswörtchen erfahren, daß die Baukosten schon um dreiein¬ halb Millionen überschritten sind; wir bekommen Dinge vor gesetzt, über die wir heute beschließen sollen, uns aber darüber agen müssen, daß wir, wenn wir die Finanzlage gekannt hätten von allen Anfange an der Ausbauung der Häuser nicht zuge¬ timmt hätten. Bei dem Eislaufplatz verhält es sich ebenso — jeden Menschen kann einmal ein Fehler passieren — aber vir wollen vom Präsidium heute hören, wie es eigentlich mit uns steht? Eine Information nach dieser Richtung ist in jedem Haushalte notwendig; man informiert uns aber nicht oder nicht genügend. Zwei Tage vor einer Sitzung bekommen wir die Tagesordnung zu Gesicht. Ein beständiger Referent ist nicht be¬ tellt, dafür dauern die Sitzungen ungebührlich lange, man ist ninder vorbereitet und im Gemeinderate selbst schaut bei den Erklärungen auch nicht viel heraus. Es sollen daher für bestimmte Fachgruppen ständige Referenten gewählt werden, bei welchem nan sich die nötigen Informationen holen kann. Ich spreche hier nicht nur von der Minorität, Sie selbst die Mehrheit wissen ebensowenig. Mit diesen Zuständen, an denen der Staat, das Land und die Gemeinde kränkeln, muß Remedur geschaffen werden. Die Beamten mögen ja besser informiert sein; diese sind aber nicht für die Beschlüße verantwortlich. Ich bin über¬ zeugt, daß alles, was der Herr Baurat macht, aus seiner besten leberzeugung herauskommt und er nach besten Wissen und Ge¬ wissen arbeitet, aber es fehlt trotzdem die Uebersicht ob dieser der jener Plan für die Zukunft gut ist. Es fehlt die starke hand, die hier vermittelnd eingreifen soll. Ich muß hier einen Vorwurf erheben, nicht persönlich gegen den Herrn Bürgermeister ondern gegen uns alle, weil es doch an der nötigen Vorsorge mangelt. Wir stehen heute unvermutet vor finanziellen Schwierig keiten und sind so weit, daß wir in vier bis fünf Monaten nicht vissen, ob wir die Beamten noch bezahlen können. Der Kontakt zwischen Präsidium und Gemeinderat solle daher ein viel innigerer werden. Ich bin gewiß kein Freund einer Opposition und bin herzlich froh, wenn ich für etwas ruhig stimmen kann derr GR. Frühwald bemerkt, daß das Bauamt viel uviel mit Arbeiten überhäuft ist und es demselben und seinem Leiter gar nicht möglich ist, allem nachzukommen. err GR. Schickl bespricht die Forderungen der Arbeiter¬ und verweist darauf, daß die Bauherrn diese erhöhten chaft egien zu tragen hätten und nicht alles der Gemeinde hinauf¬ eworfen werden solle. Man sei mit der Bewilligung des Zu¬ schlages zu voreilig gewesen und hätte man mit den Bauherrn erhandeln sollen Herr Vizebürgermeister Mayrhofer erklärt, daß eine Färbereien der Dinge nicht am Platze sind, sondern diese zu nehmen ien, wie sie sind. Wir lassen uns von den bauführenden Firmen ede Lohnliste, jede Faktura vorlegen und nach diesen wird die Zahlung bemessen. Auch das Land zahlt den von Herrn GR. Schickl bekrittelten Zuschuß. Schuld an der Verteuerung ist der lmstand, daß heute kein einziger Unternehmer mit einem fixer reis rechnen könne, so daß eine verläßliche Grundlage für Berechnung unmöglich ist So belastet wie das Bauami derzeit st, war es überhaupt noch nie Herr Baurat Minarsik gibt sodann Aufklärungen über die Ueberprüfung der Originallohnlisten, der Fakturen und alles was überhaupt überprüfbar sei Herr GR. Rudda bemerkt, daß wohl genug gesprochen ei und man sich klar sein müsse, daß man die Häuser nicht unfertig stehen lassen und die Objekte entwerten könne. Die Summe von 20 Millionen ist nicht garso erschreckend hoch und ann sich eine solche Darlehensaufnahme eine Stadt wie Steyr schon leisten, ohne dabei Gefahr zu laufen. Das Bauamt ist tatsächlich überlastet und solle man nicht mehr verlangen, als üglich verlangt werden kann Schließlich empfiehlt Herr GR. Rudda nochmals die Auf¬ nahme von Darlehen in der Höhe von 20 Millionen zu bewilligen nd sich zu beruhigen Herr Bürgermeister Wokral nimmt sodann das Schlu߬ wort und bemerkt, daß eine Kritik, wenn sie sachlich ist, wohl angebracht sei. Wenn einzelne Herren Kollegen über die heute jestellten Anträge nicht so informiert waren, so muß betont werden, daß schon in der letzten Sitzung auf diese Darlehens¬ ufnahmen verwiesen wurde und es sicherlich nicht in der Absich tand, Informationen der Gemeinderatsmitglieder etwa zu ver¬ meiden. Als Dringlichkeitsantrag, wie ein solcher zum Gegenstand in der letzten Sitzung schon geplant war, ging es nicht an, die Sache zu behandeln und konnten sich die Herren doch immerhin einige Tage bis zur heutigen Sitzung mit dem Gegenstande be¬ schäftigen. Es muß auch bedacht werden, welche Fülle von Arbeit der Gemeinderat seit seiner Neukonstituierung geleistet hat. Die ahl der Sitzungen hat sich gegen früher verdoppelt. Es kann ohne Uebertreibung gesagt werden, daß der jetzige Gemeinderat viel fleißiger gearbeitet hat und mehr geleistet hat, als der frühere Gemeinderat in einer Reihe von Jahren Die Anträge entstammen einem überzeugten Bedürfnisse und dem Bewußtsein, daß sie aus dem uns aufgezwungenen Verhältnissen entsprungen sind und es unsere Pflicht ist, recht¬ eitig zu erkennen, was notwendig ist und unbedingt durchgeführt verden muß. Es ist so beim Ausbau des Harrergutes, beim Ausbau der Häuser auf der Ennsleite und bei der Beteiligung an dem Werke in Partenstein der Vorsitzende erklärt hierauf die Debatte für geschlossen und stellt fest, daß die nach § 20 der Geschäftsordnung erforder¬ liche Anzahl von Gemeinderäten nicht mehr in der Sitzung an¬ vesend sind. Der Gemeinderat beschließt hierauf die Abstimmung über die vorliegenden Anträge auf Freitag, den 23. Juli 1920, 7 Uhr abends zu vertagen. Sämtliche heute fehlenden Gemeinderäte sind von der Fortsetzung der Sitzung am genannten Termine zu verständigen. Hierauf wird die Sitzung vom Vorsitzenden um halb 12 Uhr für geschlossen erklärt. Fortsetzung der Gemeinderats¬ sitzung am 25. Juli 1020. err Vorsitzender Bürgermeister Wokral eröffnet die fortgesetzte Sitzung des Gemeinderates vom 22. Juli l. J., kon¬ atiert die Beschlußfähigkeit des Gemeinderates und erteilt Herrn GR. Dr. Furrer zum I. Punkte der Tagesordung Tariferhöhung der Elektrizitätswerke das Wort Herr GR. Dr. Furrer erinnert an die bereits gestern abgeführten Verhandlungen und berichtet, daß sich die Sektion vorerst ablehnend der Tariferhöhung g'genüber verhalten habe. Kurz vor der Gemeinderatssitzung war jedoch eine neuerlich Sitzung der Sektion, in welcher nunmehr folgender Antrag dem Gemeinderate zur Annahme empfohlen wird Sektionsantrag. Der Gemeinderat genehmige die Tariferhöhung ab 1. August 920, wobei er jedoch der bestimmten Erwartung Ausdruck gibt daß damit für eine längere Zeit die Bevölkerung vor Strom reiserhöhungen verschont bleibt und die bereits seit längeren Zeit ergangene Uebertragung der permanenten Stadtplatzbeleuch¬ ang, bzw. die endgiltige vollständige Herstellung der Leitungen von Stein nach den festgesetzten Vereinbarungen vollführt werden Der Sektionsantrag wird vom Gemeinderate einhellig an¬ genommen

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