Gemeinderatsprotokoll vom 19. Juni 1920

können — obwohl wir die Ausgestaltung der Fachschule als twas wichtiges anerkennen, sofern nicht Bewilligungen von Subventionen durch alle öffentlichen Faktoren sichergestellt sind, diesen Ausgabeposten nicht zustimmen; wir bedauern dies lebhaft, aber wir können nicht anders. Der gegenwärtige Heri Direktor der Fachschule nimmt sich gewiß sehr warm um die Fachschule an und empfiehlt ebenso die Ausgestaltung der Fach chule und hat gewiß mit seinen Ausführungen recht; aber schließlich die Gemeinde allein zahlen zu lassen, können wir nicht verantworten und muß ich nochmals die Erklärung ab geben, sofern diese Subvemionen nicht ausgiebig gesichert sind müssen wir dagegen stimmen. Herr Vizebürgermeister Nothhaft verweist darauf, daß die ganze Vorlage heute in vollständig geänderter Form er cheint und sehe er sich auch genötigt, seine Bedenken aus diesem Brunde vorzubringen. Unserer Fraktion oder der II. Sektion kann gewiß nicht der Vorwurf gemacht werden, daß wir nicht schulfreundlich gesinnt seien. Nun stellt sich aber nach den Aus¬ führungen des Herrn Referenten die Sache so dar daß de heutige Stand der Dinge mit dem damaligen Beschlusse vom 7. Februar nicht mehr übereinstimmt. Dazumal haben sich die Kosten der Ausgestaltung auf 1,052 000 K gestellt und heute stellen sich diese auf über zwei Millionen Kronen. Nimmt man iezu noch die Nebenarbeiten, so wird sich diese Kostensumm sogleich wieder um 100 Prozent erhöhen, so daß mit fast fünf Millionen zu rechnen sein wird. Ob es nun überhaupt möglich ist, unter diesen geänderten Verhältnissen jetzt an eine Aus¬ führung zu denken, wäre wohl zu überlegen. Die finanziellen Kräfte der Gemeinde sind bereits in einer solchen Weise über¬ sponnt, daß wir solche Ausgaben nicht verantworten können und die Sache einstweilen noch zurückzustellen wäre. Man muß ja ohnehin noch warten, bis sich die öffentlichen Faktoren zu den Subventionsbewilligungen entschlossen haben und ist damals auch nur die provisorische Zustimmung erteilt worden, denn die G.meinde muß wissen, ob sie zu den Kosten etwas herein¬ bekommt. Schließlich ist diese Angelegenheit nicht so dringend daß nicht noch abgewartet werden könnte. Der Ausbau wir doch wieder zum größten Teile dem Großkapital zugute kommen für welches die Fachschule eigentlich ins Leben gerufen wurde, denn früher blühte hier nur die Messerindustrie und das Klein¬ gewerbe. Die Großindustrie zieht die besten Kräfte an sich. Leider haben wir aber den Beweis, daß gerade diese Faktoren von einer Unterstützung noch nichts hören ließen. Der Beschluß des Gemeinderates vom 7. Februar stammt aus früheren Ver¬ ältnissen und muß ich daher mindestens den Antrag stellen daß wir nicht sofort mit der Ausschreibung der Arbeiten be¬ ginnen, sondern abwarten, bis die Staatsbehörde, das Land nd die anderen öffentlichen Faktoren sich über die von ihnen zu bewilligenden Subventionen ausgesprochen haben. In unserem Präliminare erscheint für diese Ausgaben keine Post eingestellt und könnten es wir nicht verantworten, auf der heute ge änderten Grundlage dem Antrage der Sektion zuzustimmen. Herr GR. Prof. Brand macht aufmerksam, daß auch noch andere Fragen zu erledigen sind und zwar die dei Kommunal=Handelsschule und des Mädchenlyzeums. Wenn der Sektionsantrag abgelehnt wird, wird der Zustand, in dem sich ie Kommunal=Handelsschule befindet, ein unhaltbarer werden Ich stelle daher den Antrag: Es sei heute ein Komitee ein¬ zusetzen, welches sich mit der Frage der Unterbringung dieser Anstalten nochmals eingehendst zu beschäftigen und dem Ge¬ meinderate in der nächsten Sitzung Bericht zu erstatten hat. Herr Vizebürgermeister Dedie übernimmt den Vorsitz. Herr GR. Klement. Wir verkennen nicht die Schwierigkeiten, die uns gegenüberstehen, müssen aber auf dem Standpunkt stehen, daß wir nicht Jahre warten können bis irgend eine Verbilligung in den Adaptierungskosten ein¬ tritt. Daß der derzeitige Zustand der Fachschule unhaltbar st, muß jeder zugeben. Redner führt aus, mit einem Kursbesucher gesprochen zu haben, der ihm mitteilte, daß sich die Direktion bei den Kursen die größte Mühe gebe und trotzdem die Schüler nicht eingehenden Unterricht, wie er erforderlich wäre, erhalten können, weil die Lehrbehelfe und Lernmittel mangeln. Die Lehrmittel der Fachschule sind sehn primitiv. Auch für die Lehrlinge wird es notwendig sein daß die Fachschule ausgestaltet wird. Für die Kosten wird eine Deckung dadurch zu finden sein, als die Schüler Ent¬ chädigungen werden leisten müssen. Daß die Sache momentan Kosten verursacht, ist selbstverständlich. Es muß immer das alte Klagelied gesungen werden, daß früher nichts gemacht wurde. Wir sind nun die Opfer und müssen Vorsorge treffen, wie Steyr zu heben ist. Man dürfe nicht zurückschrecken, ondern endlich anfangen; es wird auch durch das Zuwarten das Gebäude selbst nicht besser werden und wenn es noch lange leer steht, besteht die Möglichkeit, daß es für andere Zwecke angefordert wird. Die Schule wird nicht allein den Großkapital, sondern auch dem Kleingewerbe, welche eben alls Kräfte aus der Schule ziehen wird, nützen. Und wenn die Waffenfabrik allein Nutzen zieht, so mangelt es eben an Interesse seitens des Kleingewerbes, daß auch dieses seinen Vorteil wahrnehme. Der Sektionsantrag solle daher, so wie er ist, angenommen werden. Herr GR. Eisterlehner stellt den Vertagungsantrag. Herr Bürgermeister Wokral führt aus: Ich bin etwas überrascht über die erfolgte Stellungnahme. Ich möchte in erster Linie bestreiten, daß es richtig ist, daß im Gemeinderate seinerzeit erklärt wurde, daß der Gemeinderat nur unter der Bedingung zustimme, wenn zum Baue der Schule von Staat und Land Beiträge geleistet werden ondern es handelte sich damals darum, die Schule überhaupt fortführen zu können. Dabei ist auch die Verpflichtung vor¬ elegen, daß die Gemeinde das Gebäude herzustellen hat So lautete der beschlossene Antrag; dabei wurde nichts ge¬ prochen, daß zu diesem Bau des Gebäudes der Staat oder as Land etwas beizutragen hat. Es hat sich lediglich um Ergänzungsräume und der Einrichtung der Schule in Ver¬ bindung mit elektrischer Kraft handeln können. Das muß ausdrücklich festgestellt werden. Ich begreife aber, daß Sie vor den Ziffern erschrecken und muß folgendes konstatieren: In dem vorgelesenen Voranschlage ist alles mitinbegriffen, was der Werkstättenausbau, die Türen, Klosetts und die Einrichtung der Schule selbst betrifft, seien sie Neuherstellungen oder Ausbesserungen. Die inzwischen erfolgte Steigerung dem Löhne und Materialpreise bringen es mit sich, daß die Summe des Voranschlages um 100 Prozent zu erhöhen ist. Sonst hat sich im Voranschlage selbst nichts geändert. Das war doch gar nicht anders zu erwarten. Die Kosten des Schulbetriebes und die Beistellung der Lehrkräfte sind von Staate wie bisher zu tragen. Auf Grund einer Zuschrift der Landesregierung hat auch am 26. Mai l. J. im Beisein eines Vertreters des Staatsamtes eine Sitzung des Fachschul¬ ausschusses und der II. und III. Sektion des Gemeinderates tattgefunden, in welcher ausdrücklich erklärt wurde, daß die Gemeinde außer Stande ist, außer der ihr obliegenden Ge¬ bäudeherstellung noch andere Lasten für die Schule auf sich zu nehmen. Ich begreife durchaus nicht, diese Sache zu einer kritik aufzunehmen, weil diese ohne irgend einen Dreh in en 10 Millionenkredit nach den Verwendungsbestimmungen desselben Aufnahme finden kann und somit auch eine Be¬ deckung hiefür gegeben ist. In welcher Situation sind wir nun eigentlich! Wir haben leider eine sehr traurige Erbschaft angetreten Was haben die früheren Herren gemacht? Sie haben durch 5 Jahre immerwährend versprochen, daß die Fachschule aus¬ estaltet wird und wenn es dazu kommen sollte, immer ge¬ bangt und nichts gemacht. Dieser tote Punkt muß doch endlich überwunden werden. Wir würden uns einer großen Unter¬ assungssünde schuldig machen, wenn wir dasselbe machen würden, daß wir versprechen, die Fachschule wird ausgebaut und dann, wenn es zur Tat kommt, zurückschrecken um das zu machen, was zur Jugenderziehung und der Ertüchtigung der Jugend, der Hebung der gewerblichen Fortbildung und es Fleißes so notwendig ist. Mit dem besten Gewissen können wir vor die Wählerschaft hinaustreten und sagen daß wir nicht von dem Standpunkt abgehen, den wir be¬ chritten haben; denn es ist nicht unsere Aufgabe, Wahl¬ politik zu treiben, sondern das zu machen, was notwendig ist. (Zustimmung bei der Majorität.) Es mag allerdings eute geben, die unseren Standpunkt und unser Arbeits¬ rogramm nicht verstehen; wir können uns aber von solchen Ansichten nicht leiten lassen, sondern von unserer Ueber¬ zeugung, das zu machen, was notwendig ist. Mit der Fach¬ schulfrage hängt aber noch weiteres zusammen. Der frühere emeinderat hat, ohne zu untersuchen, ob die Vorbedingungen iefür gegeben sind, die Handelsschule ins Leben gerufen vofür sie als Hauptvorbedingung nicht einmal für die ötigen Räume der Schule vorsorgte. Nun besteht die Handels¬ schule und wir müssen erst für eine entsprechende Unterkunft orgen. Aus diesem für die Handelsschule gefährlichen Not¬ tande wuchs der Plan heraus, wenn für die Fachschule eine Ausgestaltung derselben gemacht werden muß, geben wir diese in die ehemalige Jägerkaserne und die Handelsschul n das bisherige Fachschulgebäude. Damit wäre die Unter¬ unftsfrage für beide Schulen gelöst. Wenn heute der Antrag die Fachschule durch Adaptierung in der, Jägerkaserne unter¬ zubringen, fällt, ist auch der Handelsschule der Garaus ge nacht, weil diese obdachlos wird. Nun sagen heute die Herren, sie wollen die Sache nicht direkt ablehnen, sondern die Angelegenheit soll hinaus eschoben werden; das geht nicht. Wenn wir jetzt nicht an¬ ungen, kommen wir überhaupt nicht mehr dazu. Es müßten ann beide Schulen verkümmern oder eine aufgerieben verden. Dabei kommt noch in Betracht, daß das Oeffentlich keitsrecht für die Handelsschule erst dann dauernd erworben werden kann, wenn sie dauernd untergebracht ist und ge¬ ordnete Räume und Lehrpläne beschaffen kann. Weiters be¬ teht die Gefahr, daß durch ein Hinausschieben das Gebäude der Jägerkaserne überhaupt für die geplanten Zwecke verloren geht, weil von Seite der Heeresverwaltung neuerlich auf die Inanspruchnahme der Kaserne für die neue Wehrmacht ge¬ drängt wird, dem auf die Dauer vielleicht nicht Stand ge¬ halten werden könnte. Wir haben gar kein Interesse, daß Steyr zur Militärstadt werden soll und begnügen uns damit, wenn die Artilleriekaserne mit Militär belegt wird Aber auch ein anderer Gegner ersteht uns, wenn die Jäger aserne unbenützt stehen bleibt. Wir wissen, welche Wohnungsnot in Steyr herrscht und wie viele Familien in sanitätswidrigen Wohnungen untergebracht sind. Die Leute würden einfack von der Kaserne Besitz ergreifen, womit auch die Handels¬ chule erledigt wäre. Ist die Jägerkaserne einmal bewohnt, nd die Leute nicht mehr herauszubringen Das Land selbst erkennt nach einem Ausspruche des Herrn Landeshauptmann Hauser die Notiwendigkeit der Aus¬

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