Gemeinderatsprotokoll vom 19. Juni 1920

reichischen Staates. Die Städte sind ausgeschieden und dadurch der Städtebund auf 58 Mitgliedstädte und 2•7 Millionen Ein¬ wohner zusammengeschmolzen Dadurch ist auch die Bundeskasse arg in Mitleidenschaft gezogen und eine Beitragsregelung unabweislich geworden Eine weitere Notwendigkeit für die Einberufung einer Hauptversammlung und eines Städtetages bildete auch die nanzielle Notlage der Städte und Industriegemeinden. ln den Ausschußberatungen habe ich auch als Vertreter der Stadt Steyr teilgenommen. Nach dem Bericht des Kassenverwalters ergab sich die Notwendigkeit, den Mitgliedsbeitrag mit 40 K für je 1000 Ein¬ wohner und Jahr festzusetzen Ich gestatte mir, hier nur einen kurzen auszugsweisen Bericht zu bringen und darauf zu verweisen, das die offizielle Verhandlungsschrift vom Präsidium des Städtetages und Bundes tages den teilnehmenden Gemeinden zugemittelt wird Der Bundesvorstand wurde mit 28 Mitglieder festgelegt davon entfallen auf Wien 9, Graz und Linz je 2, auf Bregenz Innsbruck, Klagenfurt, Salzburg, Wiener=Neustadt und 10 andere Mitgliedsgemeinden, darunter auch Steyr, je 1 Mandat auf drei Jahre zur leichteren Erledigung der Geschäfte wurde eine Ge chäftsleitung aus 5 Personen bestimmt, in welcher für Ober österreich Bürgermeister Dametz von Linz als Schriftführer be¬ stellt wurde Die Satzungen wurden entsprechend den Vorschlägen des Vorstandes angenommen Inbezug auf die Finanzlage der Städte wurde nach den Referaten des Stadtrates Breitner, Wien, und GR. Dr. Fischer, St. Pölten, eine Resolution beschlossen, in welchet die dring¬ ichsten Wege zur Abhilfe aufgezeigt wurden. Desgleichen wurd im Antrag Wokral beschlossen, den Städten das Armenwesen bzunehmen und die Spitäler durch den Staat zu übernehmen und ein Antrag Krems, bezüglich sofortiger Flüssigmachung der Forderungen der Gemeinden an die liquidierenden Heeres¬ verwaltung ach einem Referate des Stadtrat Resch aus Linz wurde ugestimmt, das Dienstordnungen und Besoldungsnormen möglichst auf einheitlichen Grundsätzen zu beschließen seien. Ich bitte den Gemeinderat, diesen kurzen Bericht zur Kenntnis zu nehmen. Der Bürgermeister: Wokral. Steyr, 14 Juni 1920 Angenommen. err Vorsitzender teilt mit, daß von der I. Sekt ion ein Dringlichkeitsantrag eingebracht wurde, welcher lautet: „Der Gemeinderat beschließe mit Rücksicht auf die rapid steigenden Auslagen in sämtlichen Belangen des Krankenhaus¬ betriebes und des dadurch allmonatlich ebenso rapid ansteigenden Anstaltsdefizites, die Verpflegsgebühren der 3. Klassé im Allge¬ meinen öffentlichen Krankenhause zu Steyr analog den Städten Linz und Wels pro Kopf und Tag ab 1 Juni 1920 mit 20 K festzusetzen.“ Herr Vizebürgermeister Nothhaft begründet die Dring¬ ichkeit des Antrages, welchem vom Gemeinderate einhellig zu¬ gestimmt wird Zum Antrage selbst führt Herr Referent Vizebürgerme ister Nothhaft aus: Wie schon der Antrag ausführt, sind die Auslagen für die Krankenhausbetriebsführung in sämtlichen Belangen rapid gestiegen, so daß mit dem bisherigen Verpflegskostenansatze per 10 bezw. 15 K bei weitem das Auslangen nicht nur nicht gefunden verden kann, sondern sich für die Gemeinde ein Defizit von 535.000 K ergeben würde. Wurden im Präliminare die An¬ sätze für Beleuchtung mit 50,00) K angesetzt so überschreitet dieses Erfordernis allein den präliminierten Betrag um mehr ls 20.000 K und so ist es bei allen übrigen Betriebskosten; insbesondere tritt diese Steigerung auch bei den Arzneikosten zu Tage, die bisher auf 114.000 K gestiegen sind Die Gemeinde muß vorsorgen, daß für die Gemeinde nicht Ueberraschungen folgen und muß analog wie in Linz und Wels, welche von der gleichen Kalamität wie Steyr getroffen scheinen, die Erhöhung der Verpflegsgebühren für die III. Klasse auf 20 K begehren. Trotz dieser Erhöhung wird für die Gemeinde noch immer ein lamhaftes Defizit verbleiben. Es kann daher die Annahme des Dringlichkeitsantrages nur bestens unter dem Zwange der Ver¬ hältnisse empfohlen werden. err GR. Ruckerbauer erklärt, daß es auffallend sei daß nur von einer Erhöhung für die Verpflegskosten der III. Klafs gesprochen werde; es sollte für die II. und 1. Klasse eine gleich¬ näßige Steigerung vorgenommen werden. Herr Referent Vizebürgermeister Nothhaft erwidert daß die erhöhten Gebühren für die II. und I. Klasse bereits seit zwei Monaten eingehoben werden, weil für diese Gebühren ein Beschluß des Landesrates nicht notwendig erscheint derr GR. Tribrunner zweifelt durchaus nicht, daß die Notwendigkeit für die beantragte Erhöhung der Verpflegskosten ür die III. Klasse tatsächlich gegeben ist, muß aber darauf hin weisen, daß diese Erhöhung eine gewaltige Schädigung der Arbeiter¬ krankenkassen bedeutet und diese wiederum auf die Arbeiterschaft sich überwälzen wird, weil diese eben alle krankenversicherungs¬ pflichtig sind und ihnen nun die Ueberschüsse aus dem Kranken¬ gelde entgehen werden. Es sei tatsächlich Zeit, Wege zu suchen nd zu finden, daß die Staatsverwaltung endlich einmal ein¬ greift und die Krankenhäuser in staatliche Verwaltung über¬ nimmt. So könne die Geschichte nicht fortgehen Herr GR. Dr. Furrer berichtet über die horrenden Koster on Arzneien und Verbandstoffen. Herr Vorsitzender Vizebürgermeister Mayrhofer be¬ nerkt, daß er die Einwendungen des Herrn GR. Tribrunner für durchaus berechtigt halte, es müsse aber betont werden, welch ungeheure Summe die Gemeinde noch für andere öffentliche Zwecke aufwenden muß, denen sie sich pflichtgemäß nicht ent¬ ziehen kann. Die Verpflegskostenaufzahlungen zu leisten falle nicht in die Pflicht einer Gemeinde und wäre es lebhaftest zu wünschen, wenn die Krankenhäuser verländert oder verstaatlich ürden. Die Gemeinde oder das Krankenhaus wird auf ein taatliche Beitragsleistung nicht mehr verzichten können. Die kompetenten Faktoren wollen darauf dringen, daß alle Humanitäts¬ anstalten vom Lande oder vom Staate verwaltet werden. Für etzt könne die Gemeinde nur trachten, so rasch als möglich die Erhöhung der Verpflegsgebühren mit 20 K pro Kopf und Tag ür die III. Verpflegsklasse mit Wirksamkeit ab 1. Juni l. J. zu rreichen. Der Vorsitzende leitet sodann über den Dringlichkeits¬ antrag die Abstimmung ein und wird derselbe mit allen gegen eine Stimme angenommen. Der Herr Vorsitzende bringt sodann den Dringlichkeits¬ antrag der IV. Sektion zur Kenntnis, welcher lautet: Mit Rücksicht auf die sich immer mehr und mehr aus reitende Tuberkulose, wodurch insbesondere die Jugend infolge der Kriegsfolge und der schlechten einzig dastehenden Wohnungs¬ erhältnisse in der Stadt Steyr sehr stark gefährdet ist, ist es ehr dringend notwendig, sich unserer Jugend anzunehmen und er Gefahr zu steuern. Aus diesen Erwägungen stellt die IV. Sektion nach¬ stehenden Dringlichkeitsantrag: Der Gemeinderat wolle beschließen, die seinerzeit von der Stadtgemeinde Steyr errichtete und geführte, später von der merikanischen Kinderhilfsaktion geführte, nunmehr aufgelassene Tagesheimstätte für tuberkulos gefährdete Kinder im Werndl¬ Parke ist wieder und sogleich zu eröffnen und in Eigenregie bis Ende Oktober von der Gemeinde, bezw durch das Städtische Jugendamt weiterzuführen. Die Anerkennungsverpflegskosten sind pro Kind und Tag 2 K; für befonders bedürftige Kinder können Freiplätze be¬ willigt werden. Das zum Betriebe notwendige Geschirr ist anzuschaffen und Frl. Groß aufzufordern, das von ihr weggeführte Geschirr urückzustellen. Herr GR. Steinbrecher begründet die Dringlichkeit des Antrages und verweist auf die Gefahren, welche der Jugend durch eine Verzögerung dieser Aktion entstehen könnten. Der Gemeinderat stimmt sodann der Dringlichkeit des ntrages zu. Herr GR. Prof Brand nimmt auf den letzten Absatz des Antrages, betreffend Rückgabe des Geschirres, Bezug, und erklärt, daß es keineswegs klar sei, ob das Geschirr dem Jugend¬ amte, der Stadtgemeinde oder der amerikanischen Hilfsaktion gehöre. Ich wurde seinerzeit zum Obmanne des Fürsorge¬ ausschusses der amerikanischen Hilfsaktion gewählt und hatte ich die Aufgabe, die Sache auszugleichen, war jedoch nicht in kenntnis der Verhältnisse dieser drei Faktoren zu einander. Wie nir bekannt ist, soll allerdings ein Teil des Geschirres frei sein und der Stadtgemeinde zurückgestellt werden; einige Töpfe und Beschirre braucht aber die amerikanische Hilfsaktion selbst sehr iotwendig, weil nun auch die stillenden Mütter, die Fachschüler und die Realschüler dazu kommen. Es ist klar, daß auch Ge schirr durch den Gebrauch schadhaft wird und wieder ersetzt verden muß. Es wird in den nächsten Tagen bei der amerikanischen Hilfsaktion eine Feierlichkeit stattfinden und hiebei auch diese Angelegenheit in Ordnung gebracht werden müssen. Es wurde auch gesagt, ich hätte in dieser Angelegenheit die Interessen der Steyrer nicht gewahrt; dagegen muß ich mich ganz ntschieden verwahren; ich weiß jederzeit, daß ich die Pflich habe, die Interessen der Stadt zu wahren. Ich dachte mir aber, die Sache zwischen der amerikanischen Hilfsaktion und der Stadtgemeinde in Güte zu ordnen. Wir dürfen es nicht darauf inkommen lassen, daß vielleicht 1400 Steyrer Kinder dieser Aktion verlustig werden, sondern es muß der Ausgleich in Güte zustande kommen. Es wäre sehr zu wünschen, daß wir in frieden miteinander arbeiten um das Interesse der Jugend damit zu förd ern err GR. Steinbrecher glaubt, daß das Geschirr von der Stadt angeschafft wurde und Frl. Groß das Ge¬ chirr, ob eigenmächtig oder nicht, wegräumte; ersteres müßt verurteilt werden. Es besteht doch für die amerikanische Hilfs¬ iktion ein Reservefonds der Gemeinde und wenn dieser erschöpft ist, muß die Gemeinde wiederum zahlen Frl. Groß hat übrigens auch versucht, das von der Waffenfabrik entlehnte Geschirr weg¬ zuführen. Ein anderer Leiter des Jugendamtes, wie Frl. Groß, — das kann ich ruhig sagen, welcher gewisse Tugenden zum Leiterposten fehlen — hätte das nicht gemacht und wäre es esser, wenn eine andere Person die Leitung über hätte und nicht

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2