Gemeinderatsprotokoll vom 10. April 1920

Aus diesen Z ffern ergibt sich, daß die Bevölkerung mit Fleisch fast noch schlechter als in dem Vorjahre versorgt werden konnte und es nur dem Umstande, daß das Gemeindewirtschafts¬ amt andere Lebensmittel in erhöhter Menge beschaffen konnte, zuzuschreiben ist, daß sich die Lebenshaltung der Steorer Be¬ völkerung nicht wesentlich verschlechtert hat. Damit ist wohl auch das Märchen widerlegt, daß wir, weil im Lande Oberösterreich ebend, reichlich mit Lebensmittel versorgt sind Es bedarf nach wie vor der größten Anstrengungen des Städtischen Wirtschaftsamtes, um ein weiteres Herabsinken der Lebensmittelversorgung hintanzuhalten Indem ich allen Mitgliedern des Wirtschaftsrates und den Angestellten für die aufopfernde Mühewaltung danke, spreche ich die Hoffnung aus, daß es dem vereinten Wirken von Be völkerung und Magistrat gelingen möge, der hartgeprüften Be¬ dölkerung baldign eine bessere Versorgung zu ermöglichen Steyr, am 22. März 1920. Der Bürgermeister: J. Wokral. Der Berickt wird vom G meinderate ohne Lesung zur Kenntnis genommen. Hierauf trat der Gemeinderat in die Verhandlung der Tagesordnung ein Die Punkte 1 bis 6 werden der vertraulichen Behandlung vorbehalten. I. Sektion. Festsetzung einer Dienstordnung für Jugend¬ 7 Fürsorgeärzte. Referent Herr G.=R. Rudda Es liegt ein Entwurf über diese Dienstordnung vor und es sich empfehlen, denselben zur Verlesung zu bringen dürft Der Referent bringt den Entwurf zur Verlesung herr G.=R. Dr. Furrer bemängelt unter anderem an demselben, daß die Fürsorge für die Hilfsklassen fehle. Zum Entwurfe selbst müsse betont werden, daß der Schularzt lediglick die Aufgabe hat, eine ärztliche Behandlung zu vermitteln und nicht selbst ärztliche Amtshandlungen vornehmen kann. Herr Vizebürgermeister Dedic erwidert, daß unter der die Hilfsschulen zu ver¬ Benennung Schulen, jedenfalls auch tehen sind Herr Vizebürgermeister Mayrhofer bemerkt hiezu, aß die Anregungen des Herrn G.R. Dr. Furrer jedenfalls Beachtung finden werden und es Sache des Magistrates sein wird, die Aufgaben der Jugendfürsorge den modernen Be¬ dürfnissen anzupassen der Gemeinderat stimmt sodann der Dienstordnung für K die Jugendfürsorgeärzte zu. 8. Festsetzung einer Dienstordnung für Fürsorgerinnen und Hortleiterinnen. Dieser Punkt mußte wegen notwendiger Ergänzungen der Dienstordnung zurückgesetzt und vertagt werden. . Aenderung des Armenstatutes. Referent Herr G.=R. Rudda. Die Zeitverhältnisse bringen es mit sich, daß das Armen statut, welches die Fürsorge für unsere Armen beinhaltet, einer entsprechenden Aenderung bedarf, ohne dabei die gesetzlichen Be¬ stimmungen des Armengesetzes vom 10. September 1863 und L.=G. vom 5. September 1880 zu verlassen Auf die Frage des Herrn Referenten, ob das Statut ver¬ lesen werden soll, meldet sich niemand und erklärt sohin der Herr Vorsitzende, wenn auch weiterhin keine Einwendung gegen das Armenstatut erhoben werde, anzunehmen, daß dasselbe ge¬ nehmigt sei. 3 # 10. Aenderung des Statutes für das Städtische Jugendamt. % Referent Herr G.=R. Rudda n der Sitzung des Verwaltungsrates des Jugendamtes 18. März wurden die vorliegenden Statuten einhellig ge¬ vom nehmigt, so daß es nur mehr der formellen Genehmigung des Gemeinderates bedarf, um die Statuten in Rechtswirksamkeit zu setzen Auch in Linz wurde dieses Statut angenommen und dürfte es daher keinem Anstande unterliegen, auch für Steyr dieses Statut anzunehmen Herr G.=R. Prof. Brand will zum Armenstatut sprechen, wozu der Herr Vorsitzende bemerkt, daß die An¬ ahme des Armenstatutes bereits erfolgt sei Herr G.=R. Prof. Brand erklärt, dies überhört zu haben und feststellen zu wollen, daß das Armenstatut im Armenrate nicht ehandelt wurde und man bei Umgehung des Armenrates Gefahr laufe, daß dieser seine Mandate zurücklege Herr Vorsitzender erklärt, da die Annahme des Armenstatutes bereits erfolgt sei, keine Debatte hierüber mehr zulassen zu können err G.=R. Prof. Brand bemängelt am Statut des Jugendamtes, daß es im § 22 heiße: die Arbeit des Jugend¬ amtes ist im Sinne des Gemeinderatswillen zu regeln. Wenn dies angenommen werde, stemple man das Jugendamt zu einer olitischen Einrichtung, was im Interesse einer objektiven Amts¬ ührung untunlich erscheint. Diese Stelle wäre daher zu streichen. s gehe nicht an, daß die Amtsführung des Jugendamtes lediglich nach dem Willen der Gemeinderatsmajorität geregel verde, sondern es ist dies eine vollständig unpolitische Sache iedner beantragt, den Wortlaut in folgendem Satz zu ändern lufgabe des Jugendfürsorgeausschusses ist es, die Anträge des Jugendamtes zu beraten und dem Gemeinderate zur Beschluß assung vorzulegen und andererseits die seitens des Gemeinde¬ ates gerichteten Anregungen, Vorschläge und Anträge, soweit ie die Jugendfürsorge betreffen, im Einvernehmen des Jugend¬ amtes für die Behandlung des Gemeinderates vorzubereiten zum § 4 beantragt Redner dir Ergänzung des Titels nack reichsdeutschem Muster in „Jugendschutz und Jugendpflege“. Was in diesen Paragraphen über die Aufsicht der Kindergärten und Bewahranstalten in Bezug auf Unterricht gesagt ist, is lediglich Sache der Unterrichtsbehörde, des Bezirks= des Sadt¬ oder des Landesschulrates; andererseits obliegt die Aufsicht über die sanitären Verhältnisse dem Bezirksarzt. Es könnten somit in diesen Beziehungen Kompetenzstreitigkeiten enstehen. Auch die Mittel zur Bildungsförderung, Lehrmittel usw. ist Sache der staatlichen Schulbehörden, wozu vom Staate ein staatliches Bildungsamt errichtet wird; es entfällt daher die Bildungs¬ örderung durch das Jugendamt, bezw. seitens der Jugend fürsorge. Weiters bemängelt Redner, daß der Erziehungsrat auch Armenrat der Jugend sein solle; wenn dies jedoch ander¬ weitig auch so geübt werde, so ist endlich und schließlich nichts dagegen einzuwenden. Herr G.=R. Witzany erwidert, daß sich der § 4 mit den Satzungen der übrigen Städte decke und nicht einzusehen sei, hier eine Aenderung eintreten zu lassen. Wenn Herr G=R. Prof. Brand meint, daß die Bildungsförderung Sache des Staates sei, so hat der Gemeinderat gar keine Ursache zu warten, bis der Staat wirklich eingreift. Der Staat wird höchstens Mittel zur Verfügung stellen. Unsere Jugend hat eine Bildungs¬ örderung sehr notwendig, wovon man sich jeden Tag überzeuger könne. Man wisse übrigens, wie durch die Machinationen ver¬ schiedene Gesetze hinausgeschoben werden. Wenn die Gemeinde hier selbst eingreift, wird sie die Mittel finden, eine erhöhte Bildungsförderung zu erhalten. Die Verrohung unserer heutigen Jugend durch die Kriegsverhältnisse lassen es wohl gerechtfertigt erscheinen, dagegen mit allen Mitteln einzugreifen. Bezüglich des § 22 muß gesagt werden, daß der Zustand, wie er bis jetzt gehalten wurde, daß die frühere Leiterin des Jugendamtes nur nach ihrem Willen handelte und den Willen des Gemeinderates nicht respektierte, unhaltbar sei und man sich dies nicht gefallen lasse. Das sei sicherlich kein Politikum. Aus dieser Erwägung heraus kann der Gemeinderat ganz ruhig für die Fassung stimmen, weil es zum Wohle und zum Nutzen unserer Jugend eschieht. Herr Vizebürgermeister Dedic bemerkt, daß man sich nicht in Rechte einmischen werde, die dem Jugendamt nicht ge¬ ühren und daher Herr G.=R. Prof. Brand beruhigt sein könne. Es müssen doch die gesetzlichen Bestimmungen beobachtet verden Bezüglich des bemängelten § 22 muß gesagt werden, aß es nicht heißt, die Arbeit ist im Sinne der Gemeinderats¬ najorität zu regeln, sondern mit dem Gemeinderatswillen ist bensogut die Gemeinderatsminorität gemeint. Es sollte doch onstatiert werden, daß die Beschlüsse des Gemeinderates zumeist och auch im Willen der Minorität liegen, weshalb man von Parteibeschlüssen nicht sprechen kann. Im übrigen wurde das Statut in der l. Sektion durchberaten. Nachdem in derselben die anwesenden Vertreter der christlichsozialen und der deutsch¬ ürgerlichen Parteien keine Einwendung erhoben haben, wird ewiß keine Ursache sein, das Statut vor dem Plenum zu ändern. Der Gegenantrag des Herrn G.=R. Prof Brand wolle aher abgel hut werden. Herr G.=R. Prof. Brand erwidert, daß er in der Sektionsberatung nicht anwesend sein konnte und seine Bedenken in der Sektion genau so vorgebracht hätte, wie er sie im Ge¬ meinderate vorbringt. Es sei ihm unbekannt, ob in der Sektion die Paragraphen des Statutes durchberaten wurden. Seine Bemängelungen sind Dinge, die ihm eben aufgefallen sind unt ür die er es als seine Pflicht halte, bei Gelegenheit der heutigen Sitzung vorzubringen. Im übrigen handle es sich bei § 4 nur im die Vermeidung von Kompetenzstreitigkeiten, was gewif erörtert werden soll und zum § 22 könne er die Bedenken, daß dadurch eine politische Einrichtung geschaffen werde, nicht los¬ bringen. Herr G=R. Witzany frägt, ob Herr G.=R. Prof. Brand iese Bedenken aus eigenen Wahrnehmungen konstruiere, worau derr G.=R. Prof. Brand erwidert, daß man ihn das Suchen nach politischen Vorteilen in solchen Dingen nicht nachweisen könne und er diese Bestimmungen für die Jugendfürsorge für alle Zukunft sichergestellt wissen wolle. Er habe gewiß ruhig und sachlich und nichts von Machinationen gesprochen Frau G.=R. Zachhuber berichtet, daß in der Sitzung des gesamten Jugendamtsausschusses trotz erfolgter Einladung kein einziger christlichsozialer Gemeinderat teilgenommen habe In dieser Sitzung wurden die Statuten paragraphenweise durch beraten und genehmigt. daß er gewiß ent¬ Herr G.=R. Prof. Brand erwidert schuldigt abwesend gewesen sei; er lasse sich im Verhinderungs¬ 3

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