Gemeinderatsprotokoll vom 28. November 1919

IV. Sektion. 11. Ansuchen um Quartiergeldgewährung für Hilfslehrer an den hierortigen Volks= und Bürgerschulen. Referent Herr G.=R. Lebeda bringt das Ansuchen zur Kenntnis. 3013373 Die Sektion beantragt: Wie aus der Eingabe des Stadtschulrates hervorgeht, hat der Gemeinderat mit Sitzungsbeschluß vom 21. Juni d J. ausgesprochen, daß Hilfslehrer und Hilfslehrerinnen, die nach § 39 des Lehrergehaltsgesetzes vom 15. April 1919 keine Aktivitätszulage erhalten, um Gewährung eines Quartiergeld¬ beitrages ad personam bei der Stadtgemeinde Steyr vorstellig werden können. Auf Grund dieses Beschlusses haben nun mehrere solche Hilfslehrerinnen um Erhöhung eines Quartiergeldbeitrages nach¬ gesucht. Obwohl keine gesetzliche Verpflichtung der Gemeinde zur Zahlung eines Quartiergeldbeitrages besteht, sieht sich die Sektion in Anbetracht des Umstandes, daß einerseits der § 39 des zitierten Gesetzes eine bedeutende Benachteiligung dieser ohnehin äußerst schlecht honorierten Lehrpersonen beinhaltet und andererseits die Stadt Steyr durch die Enthebung von der Zahlung von Quartiergeldbeiträgen für die übrigen Lehrpersonen einer namhaften Ausgaben enthoben ist, folgendes zu beschließen Die Sektion stellt den Antrag: Der Gemeinderat be¬ chließe, allen vorbezeichneten Hilfslehrern und Hilfslehrerinnen der hierortigen Volks= und Bürgerschulen, die um ein Quartier¬ geld bittlich werden, ein solches im Ausmaße von 40 Prozent ihrer Remuneration zu bewilligen, jedoch gleichzeitig beim ober¬ österreichischen Landtag um Abänderung der Bestimmungen des § 39 des Lehrergehaltsgesetzes einzuschreiten, weil es nicht Sache der Gemeinde sondern des Landes ist, die entsprechende Bezahlung dieser Lehrpersonen durch Gewährung einer Aktivitäts¬ zulage oder eines Quartiergeldes aufzunehmen. Der Sek ionsantrag wird einhellig angenommen. Nachdem somit die Tagesordnung erschöpft ist, hält der Herr Vorsitzende Umfrage, ob zu Anträgen oder Anfragen das Wort gewünscht werde Herr Vorsitzender Bürgermeister Wokral macht vorerst auf die in den Zeitungen erscheinenden Sparmaßnahmen mit elektrischem Licht aufmerksam. Weiters hat das Gaswerk folgende Zuschrift anher gerichtet: „Wir beehren uns, dem verehrlichen Stadtmagistrate er¬ gebenst mitzuteilen, daß wir infolge der im Oktober eingetretenen 42·5 prozentigen Verteuerung der oberschlesischen Kohlen und der 50 bezw. 25 prozentigen Erhöhung der Fracht= und Zufuhr¬ spesen uns gezwungen sehen, den bisherigen Gaspreis rückwirkend ab 1. November um 30 Heller auf K1·80 und ab 1. Dezember um 50 Heller auf K 2•— pro ms zu erhöhen. Mit Bezugnahme auf § 8 des Vertrages bitten wir hievon gefl. Kenntnis zu nehmen und fügen wir die betreffenden Be¬ lege zur Einsicht und Prüfung bei.“ Wird zur Kenntnis genommen. Herr G.=R. Tribrunner frägt an, wie es mit der Straßenerrichtung auf der hohen Ennsleiten stehe; es sollte von der Waffenfabrik Schotter erhältlich sein. Herr Vorsitzender Bürgermeister Wokral erklärt, hierauf gleich antworten zu können. Man habe sich diesbezüglich bereits an die Waffenfabrik gewendet, da wir Schottermaterial zum Ausbaue der Häuser auf der Ennsleiten benötigen. Der Herr Oberinspektor Zwicker war leider letzte Zeit verreist, so daß diesbezüglich nichts Bestimmtes erreicht werden konnte. Von Seite der Waffenfabrik scheint ein Mißverständnis zu obwalten, als sie statt Schotter Schlacke zur Verfügung stellen wollte, mit welchem Material wir zum Ausbaue nichts anfangen, sondern dieses höchstens gut zur Weganlage verwenden könnten. Die Schotterbelieferung, welche wir später zurückgeben könnten, wird jedoch in kürzester Zeit erledigt werden können. Herr G.=R. Prof. Brand frägt an, warum der Bau der elektrischen Bahn St. Florian—Steyr nicht in Angriff ge¬ nommen werde und ersucht auf eine Beschleunigung einzuwirken. Herr Bürgermeister erwidert, daß in der An¬ gelegenheit Herr Dr. Plattner vorgesprochen habe, welcher mit¬ teilte, daß die Sache soweit günstig stehe und nur das Staatsamt für Verkehrswesen eine neue Entschädigung mit einem be¬ deutenden Betrage verlangt, als die Staatsbahn durch die pro¬ jektierte Trasse über Enns eine Konkurrenz der Rudolfsbahn erblickt. Es wird somit wahrscheinlich auf das alte Projekt zu¬ rückgegriffen werden müssen. Herr Vizebürgermeister Mayrhofer bemerkt, daß durch das Begehren des Staatsamtes für Verkehrswesen eine Verzögerung eingetreten ist. Die Stadt Steyr kann in der Trassenführung über Enns eine Schädigung ihrer Interessen erblicken, weil es viel besser ist, wenn durch die neue Bahn nicht wieder größere Orte berührt werden. Enns arbeitet aber mit Hochdruck darauf, daß die Bahn über Enns geführt wird, während es für Steyr wichtig wäre, mit der Bahn durch reiche Bauernortschaften durchzukommen. Außerdem würde die Strecke bei Umgangnahme von Enns bedeutend verkürzt. Herr G.=R. Aigner ersucht um Auskunft bezüglich des Verkaufes der Artilleriewerkstätte, von wo dem Vernehmen nach trotz des Gemeinderatsbeschlusses die Einrichtung nach auswärts kommen soll. Eine Aufklärung wäre im Interesse der einheimischen Gewerbetreibenden sehr erwünscht und wäre der Standpunkt einzunehmen, daß auf die Durchführung des Gemeinderats¬ beschlusses unbedingt zu dringen ist Herr Bürgermeister erwidert, daß hier ein typischer Fall vorzuliegen scheint. Wir hatten unlängst die Verständigung erhalten, daß eine Kommission nach Steyr kommen werde um die militärischen Sachgüter zurückzugeben. Die Kommission ist auch erschienen und hat vor ihren Abgang erklärt, sie werde wieder kommen und dann die Artilleriewerkstätte übergeben. Es scheint nun, daß inzwischen andere Verfügungen getroffen wurden, als wir eine Verständigung erhielten, daß Verkäufe beabsichtigt sind. Diese Absicht steht mit den von uns festgelegten Verlangen, daß die Artilleriewerkstätte den einheimischen Ge¬ werbetreibenden zur Verfügung zu bleiben habe, im Wider¬ pruche. Es sollten die Maschinen für eine Marinesektion (Zwischenruf: „am Damberg“! verkauft werden, andererseits ollten solche nach Linz zur Errichtung einer Reparaturwerk¬ stätte gelangen Wir haben erklärt, daß wir dem nicht zu¬ timmen können, weil uns sicher dann nur das Wertloseste ver¬ bliebe. Unsere Einsprache ist auch an das Staatsamt für Heeres¬ wesen abgegangen, weil wir die Artilleriewerkstätte samt Ein¬ richtung rechtmäßig erworben haben. Eine Erledigung ist bisher noch nicht erfolgt. Herr Abgeordneter G.=R. Witzany hat die Angelegenheit in der Hand und wird nach der Kenntnis des Erfolges Bericht erstattet werden. Herr G.=R. Krottenau frägt an, was aus seiner Anregung, geschlechtswissenschaftliche Vorträge abzuhalten, geworden sei. Herr Vizebürgermeister Dedic berichtet, daß die Anregung bisher aus dem Grunde noch nicht durchgeführt werden konnte, weil noch die entsprechende ärztliche Kraft mangle. Die Angelegenheit wird mit der Anstellung eines geeigneten Schularztes gelöst werden. Herr G.=R. Tribrunner ersucht, sich in Hinkunft mit der Besserung der Armenpflege zu befassen; mit dem heutigen Armengeldern z. B. von 20 K monatlich können die Armen ja nicht einmal den Zins mehr decken; es sollten denselben zumindestens entsprechende Teuerungszulagen gewährt werden. Herr Bürgermeister erwidert, daß z. B. für das Armenverpflegshaus schon Besserstellungen beschlossen wurden; es sei aber eigentliche Sache der Armen selbst, daß sie um Er¬ höhung ihrer Unterstützungen bittlich werden, weil die Gemeinde nicht in Lage kommt, die Unterstützungsbedürftigkeit jedes ein¬ elnen Armen zu wissen. Vorgebrachten Bitten wurde bisher stets Gehör geschenkt. Herr G.-R. Eisterlehner ersucht, um einem all¬ gemeinen Wunsch der Bevölkerung nachzukommen, an die Er¬ richtung von Notdurftstellen zu schreiten; ebenso seien die Her¬ tellung von Waschgelegenheiten notwendig Herr Bürgermeister erwidert, daß der Wunsch dem Bauamte vermittelt werden werden wird, welches zur Aus¬ arbeitung von Vorschlägen beauftragt wird. Herr G.=R. Krottenau frägt, wie es mit seinem An¬ trage betreffend Schaffung einer Volksbibliothek stehe. Einer Rücksprache mit dem Vorstandstellvertreter des Deutschen Volks¬ bundes zufolge, stehe der Angelegenheit nichts im Wege und wurde auch seinerseits eine Kommission gewählt, welche sich mit Herrn Prof. Erb zwecks Ueberlassung der Bibliothek des Deutschen Volksbundes ins Einvernehmen zu setzen hätte. Herr Bürgermeister erwidert, daß von Herrn Prof. Erb eine Zuschrift eingelangt sei, worin derselbe mitteilt, daß er nicht allein über die Bibliothek verfügen könne, sondern auch die Bundesleitung in Linz befragt werden müsse. Es scheint aber, daß sich die betreffenden Herren absolut keine Mühe geben, einen günstigen Beschluß herbeizuführen. Die Bücher liegen in dem Kasten und verstauben dort, während sie doch einen gewissen Schatz bilden, der der Allgemeinheit ent¬ zogen wird und lieber verstaubt und vermodert. Es wird ja nicht verlangt, daß die Uebergabe kostenlos erfolgen soll, da wir sicherlich bereit wären, die Bibliothek auch käuflich zu er¬ werben, es macht aber einen eigentümlichen Eindruck, wenn von diesen Herren so oft erklärt wurde, daß die Volksaufklärung so notwendig ist, der Bund eine Möglichkeit besitzt, diesen Bücherschatz der Allgemeinheit zuzuführen, dem gegenüber aber die Bücher im Kasten verstauben und vermodern läßt, bevor man sich zu einem Beschluß bequemt. Dem Wunsche des Herrn Antragstellers wird Rechnung getragen werden, weil durch Sammlungen sicher so viel zu erreichen sein wird, daß uns in unserem Bestreben beigesprungen wird. Hiezu muß alles mit¬ virken und können wir überzeugt sein, daß alles ohne Partei¬ unterschied für die Volksaufklärung wirken wird. Bedauerlich ist und bleibt aber, daß der vorhandene Bücherschatz verstauben und vermodern soll, obwohl es von Faktoren abhängt, denen eine Enscheidung hierüber durch den Besitz der Bibliothek ganz leicht sein könnte. (Zwischenruf: „Volksmänner!“) Hierauf wird der öffentliche Teil der Sitzung um 4 Uhr 55 Min. geschlossen.

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