Gemeinderatsprotokoll vom 13. August 1919

XIV. Sitzung. Rats=Protokoll über die außerordentliche Sitzung des Gemeinderates der Stadt Steyr am 13. August 1919 um 9 Uhr 30 Min. vorm. Anwesende: Vorsitzender: Herr Bürgermeister Josef Wokral. Die Herren Vizebürgermeister: Karl Dedic, Hans Mayrhofer und Franz Nothhaft. Die Herren Gemeinderäte: Franz Kratochwill Franz Aigner Fritz Krottenau Heinrich Bachmayr Alois Lebeda Hans Baumgartner Dr. Peyrer=Angermann Prof. Wenzel Brand Ludwig Reisinger Anton Chalupka Markus Ruckerbauer Josef Eisterlehner Alois Saiber Anton Frühwald Friedrich Schickl Dr. Ulrich Furrer Anna Grömmer Leopold Steinbrecher Karl Klement Franz Tribrunner Adalbert Vogl Hermann Kletzmayr Gangolf Zeilinger. Als Vertreter der Landesregierung: Herr Landes¬ hauptmann=Stellvertreter Dr. Josef Schlegel. Vom Stadtmagistrate: Herr Magistratsdirektor Dr. Franz Habl. Von der Landesregierung als Schriftführer: Herr Friedrich Kazda. Als Schriftführer des Gemeinderates: Amts¬ praktikant Leopold Kühberger. Entschuldigt abwesend die Herren Gemeinderäte: Karl Fischer, Rudolf Hitzelhammer, Berta Kisely, Michael Neuhold, Alfred Rudda, Michael Schörkhuber, Anton Schwandtner, Marie Wimberger und Hans Witzany. Vorsitzender stellt die Beschlußfähigkeit des Gemeinderates fest und erklärt die Sitzung um 9 Uhr 45 Min. für eröffnet. Als Beglaubiger dieses Protokolles werden ge¬ wählt die Herren Gemeinderäte: Anton Chalupka und Josef Eisterlehner. Bürgermeister Wokral begrüßt die Anwesenden, insbesondere Herrn Landeshauptmann=Stellvertreter Dr. Josef Schlegel, schreitet sodann zur Tagesordnung, deren Hauptpunkt die Angelobung des Herrn Bürger¬ meisters und der Herren Vizebürgermeister bildet. Landeshauptmann=Stellvertreter Dr. Schlegel führte in längerer Rede aus, daß er gekommen sei um die Angelobung vorzunehmen und er es begrüße, daß endlich nach der langen Dauer der provisorischen Körperschaften gesetzlich gewählte Vertretungen entstanden sind, die den ersten Grund¬ stein für das weitere Bestehen des Staates bilden. Sodann beleuchtete Redner die schwierigen Verhältnisse unseres Staates, der wohl eine Form, eine Regierung und einen Namen, aber keine Grenzen hat; des Staates, welcher nicht nur von der Gnade oder Un¬ gnade seiner Feinde im Kriege abhängig ist, sondern auch von denen, welche 4½ Jahre mit ihm gekämpft haben und sich nun ebenfalls als Sieger aufspielen. Der Friede, der uns bevorsteht, wird uns aufgezwungen werden; ein Friede, der die größten Folgen für uns, aber auch für die Sieger und Neutralen haben wird. Diese Tatsachen, welche ja nichts neues sind, müssen deshalb erwähnt werden, weil die Bevölkerung die traurige Lage unseres Staates und die trostlosen Ver¬ hältnisse, in denen der neue Gemeinderat, an seiner Spitze der Herr Bürgermeister und die Herren Vize¬ bürgermeister, die Verwaltung der Stadt übernommen hat, nur zu leicht vergißt. Redner hebt hervor, daß von den Gemeinden die Wiedergeburt des Staates aus¬ gehen müsse und es nur durch ein eifriges Zusammen¬ arbeiten mit der Landesregierung und der National¬ versammlung möglich sein wird, die bereits erreichte Selbstverwaltung gegen alle Angriffe mit den äußersten Mitteln zu schützen. Zum Schlusse weist Redner auf die vielen und schweren Aufgaben, die uns noch bevor¬ tehen, hin und fordert die Anwesenden zum vertrauens¬ vollen Mitarbeiten mit der Landesregierung auf, zum Wohle der schönen Stadt Steyr, des Landes Ober¬ österreich und der demokratischen Republik Deutsch¬ österreich. Landeshauptmannstellvertreter Dr. Schlegel ver¬ liest die Gelöbnisformel und nimmt die Angelobung vor. Bürgermeister Wokral betont, daß nunmehr die Verwaltung von einem rechtmäßig gewählten Ge¬ meinderat geführt werde und er durch das heutige Ge¬ löbnis bekräftige, für das allgemeine Wohl der werk¬ tätigen Bevölkerung zu arbeiten. Hierauf fordert der Herr Bürgermeister Wokral alle Mitglieder des Ge¬ meinderates auf, wie bisher auch in Zukunft ihren Willen und ihre Tatkraft für das allgemeine Wohl einzusetzen und keine Mühe zu scheuen, um die traurige Lage erträglicher zu gestalten. Nunmehr erscheint Herr Nationalrat Witzany mit einem Vertreter der Volkswehr und ersucht den Herrn Landeshauptmann=Stellvertreter, die in der soeben abgehaltenen Versammlung beschlossene Resolution an die Landesregierung weiter zu leiten, was Herr Landes¬ hauptmann=Stellvertreter verspricht und erklärt, alle Bestrebungen, welche sich gegen den Bestand der deutsch¬ österreichischen Republik richten, wenn nötig mit Waffen¬ gewalt abzuwehren. Hierauf verläßt Nationalrat Witzany mit dem Vertreter der Volkswehr den Saal und bringt die Worte des Landeshauptmann=Stellvertreters den vor dem Rathause versammelten Volkswehrmännern zur Kenntnis, worauf sich Landeshauptmann=Stellvertreter Doktor Schlegel vom Gemeinderate verabschiedet. Einvernehmlich mit dem Gemeinderate bringt Herr Bürgermeister Wokral außer der Tagesordnung eine Zuschrift des Staatsamtes für Heerwesen, betreffend die Freigabe der Jägerkaserne für Unterrrichtszwecke, zur Verlesung, welche lautet: D.=O. Staatsamt für Heerwesen. Abt. 14/U. Zahl 4893 von 1919. Steyr, Auflassung der städt. Jäger¬ kaserne zur h. ä. Zl. 25.141. Die Stadtgemeinde Steyr hat mit der in Ab¬ schrift zuliegenden Eingabe Zl. 22.803 vom 18. Juli l. J. beim Staatsamt für Heerwesen um folgendes an¬ gesucht und zwar:

a) Um die Rückstellung der städt. Jägerkaserne zum Zwecke der Verwendung als Schule; b) um die Rückstellung der Artilleriewerkstätte in der städt. Artilleriekaserne: e) um Uebergabe von Baugründen im Komplex der Artilleriekaserne. Zu diesem Ansuchen wird vom Staatsamt für Heerwesen folgendes eröffnet: ad a). Die auf Grund des E. G. beigestellte städtische Jägerkaserne in Steyr wurde mit Verordnung Abt. 14/U, Zl. 3843 von 1919, auf Grund des Kommissions=Protokolles ddo. Linz, am 20. und 21. Mai 1919, für die Unterbringung eines halben Inf. Baons der zukünftigen d.=öst. Wehrmacht in Aussicht genommen. Das Staatsamt für Heerwesen kann daher einer Auflassung dieser Kaserne für Einquartierungszwecke nur unter der im § 6 des E. G. festgelegten Be¬ dingung zustimmen. Die von der Stadtgemeinde in ihrer Eingabe Zl. 22.803 vom 18. Juli abgegebene Erklärung, daß sie nur für den Fall, als mit der Artilleriekaserne in Steyr für die zukünftige Wehrmacht absolut kein Auslangen gefunden werden kann, im äußersten Notfalle bereit ist, auf den Gründen der Artillerie¬ kaserne ein Mannschaftsgebäude zu erbauen, entspricht nicht diesen gesetzlichen Bedingungen. Das Staatsamt für Heerwesen kann dermalen mit Rücksicht auf die Belagsverhältnisse in Ober¬ österreich überhaupt auf die Beistellung eines Ersatz¬ objektes mit dem gleichen Belagsraume wie für die aufzulassende städt. Jägerkaserne aber nicht verzichten. Mit der Stadtgemeinde wäre daher in diesem Belange noch zu verhandeln und sie aufzufordern, eine rechts¬ verbindliche Erklärung abzugeben, daß sie bereit ist, im Falle der gänzlichen Auflassung der städt. Jägerkaserne im Sinne der Bestimmungen des § 6 des E. G. ein anderes Gebäude mit dem gleichen Belagsraume auf Grund des E. G. beizustellen. Bei dieser Verhandlung kann der Stadtgemeinde mitgeteilt werden, daß das Staatsamt für Heerwesen auf diese Verpflichtung der Gemeinde nur zurückgreifen wird, wenn es die tat¬ sächlichen Belagsverhältnisse in Oberösterreich nach Aufstellung der d.=öst. Wehrmacht unbedingt erforderlich machen. Nach Abgabe dieser Erklärung würde das Staatsamt für Heerwesen der gänzlichen Auflassung der Jägerkaserne in Steyr im Sinne des E. G. zu¬ stimmen. In Anbetracht des wichtigen sozialen Zweckes, für den die Stadtgemeinde die städt. Jägerkaserne dringend benötigt, erklärt sich das Staatsamt für Heerwesen aber einverstanden, daß diese Kaserne, insoweit sie jetzt für militärische Zwecke entbehrlich ist — der Stadt¬ gemeinde zur vorübergehenden Benützung gegen Ein¬ stellung der Vergütung überlassen wird und auch gleich übergeben wird. Die Wirtschaftsabteilung des Landesbefehlhabers hat im Sinne der Durchführungsbestimmungen zu § 35 des E. G. die Uebergabe der städtischen Jägerkaserne in Steyr unter Beachtung der vorstehenden Bedingungen ungesäumt, eventuell noch im Einvernehmen mit dem liquid. Militärkommando in Innsbruck zu ver¬ anlassen. ad b). Das Staatsamt für Heerwesen ist mit der Auflassung des Werkstättengebäudes in der städtischen Artilleriekaserne einverstanden. Dieses Gebäude ist gelegentlich der gemischten Kommission ad a) der Stadtgemeinde Steyr nach den Durchführungsbestimmungen zu § 35 des E. G. rück¬ zustellen. Bei dieser Rückstellung ist die Vergütungs¬ nachweisung für die städt. Artilleriekaserne neu zu ver¬ fassen und zur Genehmigung vorzulegen. ad c). Ueber dieses Ansuchen der Stadtgemeinde hat der Landesbefehlshaber ehestens antragstellend zu berichten. An die Stadtgemeinde in Steyr. Wien, 4. August 1919. Auf die dortige Eingabe, Zl. 22.803 vom 18. Juli 1919, zur Kenntnisnahme und weiteren Verhandlung mit der Wirtschaftsabteilung des Landesbefehlshabers in Linz. Der Staatssekretär: Dr. Julius Deutsch m. p. Dieser Zuschrift liegt folgender Amtsbericht zu Grunde: Amtsbericht. Bekanntlich werden schon seit längerer Zeit mit dem Staatsamte für Heerwesen Verhandlungen wegen Freigabe der Jägerkaserne gepflogen, um dortselbst die Fachschule unterbringen zu können. Nun hat das genannte Staatsamt mit Zuschrift vom 4. August 1919,Zl. 4893, bekannt gegeben, wenn die Stadtgemeinde Steyr eine rechtsverbindliche Er¬ klärung dahin abgibt, daß sie bereit ist, im Falle der gänzlichen Auflassung der Jägerkaserne im Sinne der Bestimmungen des § 6 des Einquartierungsgesetzes ein anderes Gebäude mit gleichem Belagsraum auf Grund des Einquartierungsgesetzes beizustellen. Doch versichert das Staatsamt, daß es auf diese Verpflichtung der Gemeinde nur dann zurückgreifen wird, wenn es die tatsächlichen Belagsverhältnisse in Oberösterreich nach Aufstellung der d.=öst. Wehrmacht unbedingt erforderlich machen. Da nun nach dem Friedensvertrag der deutsch¬ österr. Staat bekanntlich nur eine sehr kleine Wehr¬ macht halten darf, so ist es wohl mehr als wahr¬ cheinlich, daß auf absehbare Zeit hinaus ein Ersatz für die Jägerkaserne nicht mehr benötigt werden wird und kann daher die Gemeinde die verlangte Erklärung wohl ohne weiters ausstellen. Da die Sache jedoch schon sehr drängt, um die Jägerkaserne für die Unterbringung der Fachschule reizubekommen, wird folgender Dringlichkeits¬ antrag gestellt: Der Gemeinderat beschließt, daß sich die Stadt¬ gemeinde für den Fall der Auflassung der Jägerkaserne zwecks anderweitiger Benützung verpflichtet, im Falle des Bedarfes der d.=öst. Heeresverwaltung ein anderes Gebäude als Kaserne mit dem gleichen Belagraum zur Verfügung zu stellen. Steyr, am 12. August 1919. — 2#777 Bürgermeister Wokral stellt infolge der Dring¬ lichkeit der Frage den im Amtsberichte angeführten Antrag und beschließt der Gemeinderat einstimmig, die verlangte Erklärung dem Staatsamte für Heerwesen abzugeben. Schluß der Sitzung 10 Uhr 45 Min.

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