Gemeinderatsprotokoll vom 21. Juni 1919

2 Herr G.=R. Steinbrecher: „Die Beschaffung und¬ Sicherstellung von Kohlen für die kommende Heizperiode ist für die Bevölkerung außerordentlich wichtig und dringend. Nachdem nach den Aeußerungen der Kohlenhändler die Beschaffung und Lieferung der Kohle durch dieselben mit so hohen Kosten ver¬ bunden wäre, ist die Gemeinde gezwungen, die Sicherstellung des Kohlenbedarfes selbst in die Hand zu nehmen. Nachdem die Beschaffung von Lagerplätzen für die Gemeinde eine entsprechende Zeit erfordert, erscheint es dringlich, die Maßnahmen zur Kohlenversorgung schon heute in Angriff zu nehmen. Der Gemeinderat stimmt der Dringlichkeit des Antrages mit Mehrheit zu. Zum Antrage selbst führt Herr G.=R. Steinbrecher aus Es gehe nicht an, daß einzelne Personen die allgemeine Lage so auffassen, daß sie daraus persönliche Vorteile ziehen.“ Herr G.=R. Frühwald: „Die Erklärung der Kohlen¬ verschleißer zwingt die Gemeinde, die Kommunalisierung dieser Betriebe selbst in die Hand zu nehmen und die Kohlen künftig in eigener Regie zu verkaufen. Es kann nicht zugegeben werden, daß die Kohlenhändler einfach erkären, sie müßten 40 % Ge¬ vinn haben. Nur ein einziger hat erklärt, sich mit 20 % zu¬ frieden zu geben; es wird aber nicht lange anstehen, würde auch dieser einzige Einsichtsvolle veranlaßt werden, denselben Gewinn zu beanspruchen. Dieser Gruppe von Leuten muß eine Schrank gesetzt werden, damit die Bevölkerung nicht neuerlich durch diese hohen Kohlenpreise von 16 K per mö in Beunruhigung versetzt wird. Die Gemeindevertretung würde bei der Bevölkerung in Mißkredit kommen, wenn sie dieselbe einzelnen Leuten aus¬ liefern würde, die erklären, unter 40 % Gewinn nicht arbeiten zu können. Die Zeit ist gekommen, wo solche Betriebe durch die Gemeinde übernommen werden müssen und bietet sich durch das Vorgehen der Kohlenhändler hiezu die erste Gelegenheit.“ Herr G.=R. Aigner stellt die Anfrage, ob die Antrag¬ steller auch mit ziffermäßigen Daten dienen können, daß die Gemeinde in der Lage sein werde, billiger Kohlen zu liefern und auch darüber, ob es der Gemeinde bei den horrenden Preisen der Materialien und Zufuhr= und Lagerungseinrichtungen möglich sein wird, überhaupt Kohlen zu liefern. Es muß zu¬ egeben werden, daß die Kohlenhändler für die Zustellung soviel verlangen müssen und brauche man als Maßstab hiefür nur die Kosten einer Speditionsfracht zu nehmen err G.=R. Steinbrecher erklärt, die verlangten Daten sofort liefern zu können und verweist darauf, daß diese außer den Regiekosten verlangt werden. Hiezu als Nach¬ 40 ¼ veis folgende Aufstellung: 505•— Grubenpreis (pro 10.000 kg) K Fracht „ 99•— 58 Regiebeitrag für die Landeskohlenstelle Linz 1 ½% 5•— Regiebeitrag für die Stadtgemeinde 17•— Großhändlerzuschlag „ 1•— Maut 4•— Ausladen 80•— Zufuhr 7 28•— Abladen „ 70•— Ausgeben und Verwiegen „ 1•20 Frachtbriefstempel 40 Stempel und Porto 331·27 40% Verdient 60 40 10 Verstaubung 7 K 1219•85 4•15 eventuelle Waggonmiete — K 1224•— Es verlangen also die Kohlenhändler tatsächlich außer den Spesen 40 % reinen Verdienst, was gewiß zu viel sei. Aus diesen Gründen wird der Dringlichkeitsantrag zur Annahme mpfohlen, weil die Kohlen auf jeden Fall billiger abgegeber werden können, wenn die Stadtgemeinde die Kohlenausgabe selbst in die Hand nimmt. Eine Bereicherung Einzelner können wir vor der Oeffentlichkeit nicht verantworten. Ich empfehle daher den Antrag zur Annahme, um der Bevölkerung zu be¬ veisen, daß wir das Volkswohl so auffassen, daß wir unbe¬ kümmert um Einzelninteressen unsere Wege für die Allgemeinheit verfolgen Herr Bürgermeister bemerkt hiezu, daß mit der Annahme oder Ablehnung des Antrages eigentlich noch nichts geschehen sei. Die Durchführung des Antrages bedarf einer Reihe von Vorarbeiten; heute könne nur eine grundsätzliche Annahme des Antrages erfolgen, während es Aufgabe der Sektion sein wird, die im Antrage genannten Maßnahmen zu treffen. Es wäre daher der Antrag zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung der III. Sektion zuzuweisen, welche raschestens an den Gemeinderat Bericht zu erstatten haben wird Herr G.=R. Prof. Brand mahnt hinsichtlich der Kommunalisierung dieses Betriebes und glaubt, daß sich durch die Sektion doch noch ein Uebereinkommen mit den Kohlen¬ händlern treffen lassen wird, um den Preis der Kohlen zu ver¬ billigen. Wenn der Gemeinde die Kohlenbeschaffung fehl schlagt bestünde für sie die Gefahr, im Winter durch die Ausschaltung der Kohlenhändler gänzlich ohne Kohle zu sein. Herr Vizebürgermeister Mayrhofer erklärt, daß der Gemeinderat durch die Annahme der Dringlichkeit des Antrages bewiesen habe, daß die Beratung raschestens zu erfolgen habe, was am zweckmäßigsten durch die geschäftsordnungsmäßige Be¬ andlung geschieht. Vorderhand wolle beschlossen werden, daß den Kohlenhändlern mitzuteilen sei, daß sie sich bis zur end¬ jültigen Regelung mit 20 % Gewinn zufrieden geben sollen. Der Gemeinderat möge sich vor Augen halten, daß sich die Be¬ völkerung durch einzelne Personen nicht schröpfen lassen will Die Uebernahme der Kohlenbeschaffung und Einlagerung werde keine unüberwindlichen Schwierigkeiten bieten und wird es der Stadtgemeinde als solche gewiß gelingen, die Kohlen zu be¬ chaffen und auch an geeigneten Plätzen einzulagern Herr G.=R. Bachmayr verweist darauf, daß sich die Gemeinde schon oftmals mit der Sicherstellung von Holz und kohlen befassen und jedesmal erkennen mußte, wie schwer diese ei. Herr Bürgermeister habe ganz recht, wenn er erklärt, daß ich die Uebernahme durch die Gemeinde momentan schwer durchführen lasse; die Folgen der Undurchführbarkeit durch die Gemeinde würde schwer auf diese fallen; es sei daher vor über¬ ilten Schritten zu warnen err G.=R. Frühwald kommt mit Herrn G.=R. Bach¬ mayr in eine Wechselrede und erklärt, daß die Kohlenbeschaffung und die angesetzten Preise der Kohlenhändler auseinanderzuhalten ind; im übrigen sollen nach dem Antrage nur Maßnahmen getroffen werden, welche durch die Zuweisung des Antrages zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung gegeben werden. Ein anderer Beschluß könne heute nicht gefaßt werden Herr Vorsitzender erklärt sodann, den Antrag der 1 und III. Sektion zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung mi em Auftrage zuzuweisen, dem Gemeinderate über zu treffende Maßnahmen ehestens Bericht zu erstatten Angenommen. Weiters bringt der Herr Vorsitzende noch zwei Ein¬ ladungen und zwar die des Landesverbandes der Kriegs¬ beschädigten, Ortsgruppe Steyr, zum Besuche des Festes am 22. Juni und die Einladung des Deutschen Schulvereines zum Besuche des Vortragsabendes am 23. Juni zur Kenntnis Wird zur Kenntnis genommen Schließlich bringt der Herr Vorsitzende die Anregung mehrerer Herren Gemeinderäte, daß im Sitzungssaale mit Rück¬ icht auf die längere Dauer der Sitzungen das Rauchen ein¬ geführt werde, dieser Anregung könne nur dann stattgegeben werden, wenn sich dagegen kein bedingter Einspruch erhebt Herr G.=R. Steinbrecher unterstützt die Anregung, esonders für jene Jahreszeit und der Witterungsverhältnisse, wenn die Fenster geöffnet bleiben können, während Herr G.=R. Prof. Brand den Vermittlungsantrag stellt, für die erste Zeit der Sitzung das Rauchen nicht einzuführen Diesem Antrage wird zugestimmt. die Beratung der Der Gemeinderat tritt sodann in Tagesordnung ein. I. Sektion. 3. Neueinteilung des Stadtgebietes Steyr in Bezirke. Referent Herr G.=R. Reisinger: „Es liegt uns ein Antrag der I. Sektion samt einem Gutachten des Bauamtes or, nach welchem die Stadt künftig in Bezirke eingeteilt werden oll, da die Abgrenzung der Stadtteile durch die bisherige Bezeichnung von Ortsteilen unpraktisch erscheint. Die Sektion chlägt dem Gemeinderate die Annahme folgenden Gesetz¬ ntwurfes vor: Arkikel I in Bezirke eingeteilt Das Gebiet der Stadt Steyr wird und zwar: Bezirk 1: Stadt: Bezirk II: Steyrdorf; Bezirk III: Stein Bezirk IV: Ort; Bezirk V: Ennsdorf. Artikel II. Der I. Bezirk umfaßt das bisherige Gebiet der Stadt sowie der Vororte Voglsang, Reichenschwall und Schönau Steyr Der II. Bezirk umfaßt die bisherigen Vororte Steyrdorf, bei der Steyr, Aichet und Wieserfeld bis zum Dachsbergweg Der III. Bezirk umfaßt den Teil des bisherigen Vorortes Aichet, nördlich vom Dachsberg bis zur westlichen Ennserstraße und das aus der Gemeinde einverleibte Gebiet. Der IV. Bezirk umfaßt den bisherigen Vorort Ort und den restlichen Teil von Wieserfeld östlich der Ennserstraße Der V. Bezirk umfaßt den bisherigen Vorort Ennsdorf. Artikel III. Die bisherigen Bezeichnungen der einzelnen Stadtteile hiemit außer Wirksamkeit. treten Artikel IV. Dieses Gesetz tritt mit dem Tage seiner Kundmachung in Kraft. Artikel V Die Landesregierung wird mit dem Vollzuge dieses Ge¬ betraut etzes Herr Vizebürgermeister Mayrhofer übernimmt den Vorsitz und Herr Bürgermeister führt zum Antrage aus: In dem alten Statute der Stadtgemeinde finden wir eine Menge Bezeichnungen von sogenannten Vororten, die im all¬ gemeinen der Oeffentlichkeit wenig oder fast gar nicht bekannt

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