Gemeinderatsprotokoll vom 24. März 1919

8 Partei, der er angehört hat, stellt, so muß die deutschnationale Partei einen ihr etwa diesbezüglich zu machenden Anwurf ab¬ wälzen; wir haben stets ehrlich und redlich gesprochen. Wenn Herr G.=R. Landa zu den Klubsitzuugen unserer Partei gekommen wäre, hätte er unser Parteiabkommen hören können. (Zwischenruf des Herrn G.=R. Landa: „Deshalb muß es mir aber doch reistehen, hier über den Wahlreformentwurf zu sprechen.) Die Partei hat beschlossen, den Wahlreformvorschlag einheitlich an¬ zunehmen. Ich muß betonen, daß bis jetzt ein solcher Fall, wie hn Herr G.=R. Landa gibt, noch in keinem Vertretungskörpen zu Tage getreten ist. Zwischen den drei Parteien wurde ein Kompromiß auf en bloc=Annahme des Entwurfes geschlossen und dieses ist auch einzuhalten. Ich bitte, daß eine einheitliche Debatte abgeführt und die Vereinigung der General= und Spezialdebatte angenommen wird err Bürgermeister: „Herr G.=R. Prof. Erb be¬ antragt eine einheitliche General= und Spezialdebatte. Wird hiezu das Wort gewünscht? Es ist nicht der Fall; ich nehme an, daß der Antrag des Herrn G.=R. Prof. Erb angenommen ist und erteile Herrn G.=R. Landa das Wort.“ Herr G.=R. Landa: „Ich möchte bitten zu § 6 die Abänderung anzunehmen: Nach dem Worte Wahlleiter, soll es heißen „mindestens“ 6 Beisitzer, die zu gleichen Teilen aus den politischen Parteien entnommen werden. Es ist nicht richtig, venn gesagt wird, aus den „drei größten Parteien“, da die Möglichkeit geboten ist, daß auch mehrere Parteien teilnehmen möchten; ferner soll im § 14 ausgedrückt sein, von wann ab die Wählerlisten aufzuliegen haben; ich würde beantragen, daß die Wählerlisten „vier Wochen“ vor der Wahl durch 14 Tage aufgelegt werden. Weiters sind im Entwurfe Namensverwechs¬ lungen mit Ortswahlbehörden und Hauptwahlbehörden zu finden, die richtig zu stellen sind.“ Herr Bürgermeister: „Diese Verwechslungen stammen aus dem Entwurfe für die Landtagswahlordnung und wurden rrtümlich herübergenommen. Die Richtigstellungen werden selbst¬ verständlich erfolgen. Herr Vizebürgermeister Wokral: „Ich bin der Auf assung, daß der Entwurf in einer Reihe von Sitzungen des Wahlreformausschusses durchberaten worden ist und nun als Produkt derselben vorliegt. Der Entwurf wurde in den Sitzungen von allen Parteien des Gemeinderates angenommen und bin ich daher der Meinung, daß die Gesamtheit des Gemeinderates den Entwurf annimmt. Auf die einzelnen Wortfehler kann es nicht ankommen, da dieselben auch den Sinn der Wahlordnung nicht stören können. Herr G.=R. Landa spricht von Individualismus und Sozialismus; es scheint hier eine Verwechslung vor¬ zuliegen, (Herr G.=R. Landa macht mehrere Zwischenrufe und wird vom Vorsitzenden ersucht, diese zu unterlassen) als die extremen Individualismusvertreter eigentlich unsere Anarchisten sind. Ich würde mich schönstens bedanken, daß unser Bestreben, ins vom Ständewesen freizumachen, durch eine solche Gruppe vieder aus der Welt geschafft werden soll, da wir der Auf¬ fassung sind, daß mit den vielen Gruppenwesen endlich einmal aufgeräumt werden soll. Jetzt, wo wir auf dem Wege sind, dieses Ständewesen auszumerzen, sollten wir uns eigentlich zu dem Erreichten gratulieren. Es muß schon das Prinzip in Geltung bleiben, daß sich jeder einzelne seiner Partei fügt sonst können die großen Fragen, die noch der Lösung harren unmöglich durchgeführt werden. Es ist dies auch für die ein¬ heitliche Annahme der Wahlordnung nach dem Beschlusse der Parteien nicht anders tunlich. Herr G.=R. Prof. Erb: „Ich bedauere außerordentlich daß über die Vorlage, die den bestehenden Ansichten der breitester Bevölkerungskreise entspricht, sich eine Debatte abwickelt. Ich muß aber dagegen Stellung nehmen, daß sich Herr G.=R. Landa gegen jenen Paragraphen des Entwurfes wendet, welcher von den Vertretungen aus den drei größten Parteien des Gemeinde¬ rates spricht, weil dieser Paragraph in voller Uebereinstimmung aller hier vertretenen Parteien ausgenommen wurde. Ich be¬ grüße es, daß diese Bestimmungen zufolge des Uebereinkommens mit den drei größten Parteien zustande gekommen sind; ich stehe auf den Standpunkt, daß diese drei Parteien für unser kleines Reich mit seinen wenigen Millionen Einwohnern wahrlich genug ind. Unser deutsches Volk leidet heute schwer darunter, daß sich eine Reihe von Leute als Parteiführer sehen wollen und sich in jeder Stadt irgend eine Partei gründet, was durchaus nicht an¬ jeht und die ganze Kraft des deutschen Volkes schädigt und zer¬ splittert. Es wird auch im sozialdemokratischen Lager manche verschiedene Anschauungen wie in allen Parteien geben, aber die Prinzipien müssen hochgehalten und die Disziplin über die Ge ühlssache eines einzelnen stehen. Eine vierte Partei wäre daher für alles von Uebel und von diesem Standpunkte aus, den ja auch die Vertreter unserer zwei anderen Parteien teilen, ist der Beschluß, den Entwurf en bloe anzunehmen, auch entstanden.“ Herr G.=R. Prof Goldbacher: „Ich beantrage Schluf er Debatte. err Bürgermeister: „Ich lasse über den Antrag auf Schluß der Debatte abstimmen. der Antrag wird vom Gemeinderate mit Mehrheit an¬ genommen. Herr G.=R. Landa: „Von Wichtigkeit ist es für mich die Ausschaltung des Satzes „aus den drei größten Parteien des Gemeinderates A aß man aber fortwährend in seinen Ausführungen durch Klopfen auf den Tisch unterbrochen wird ist kein Vorgang, weil ich hier das Recht habe, unbeschränkt zu brechen Herr Bürgermeister: „Soviel ich weiß, wurden Sie in den Ausführungen nicht gestört und konnten alles vorbringen; ich lasse über den Abänderungsantrag des Herrn G.=R. Landa abstimmen.“ Der Abänderungsantrag des Herrn G=R. Landa wird vom Gemeinderate abgelehnt. „Wünschen die Herren, das Herr Bürgermeister: den Entwurf paragraphenweise abgestimmt wird, oder über iber en ganzen Entwurf gemeinsam? err G.-R. Landa: „Ich wünsche die paragraphenweise bstimmung Herr Bürgermeister: „Nachdem eine Stimme die aragraphenweise Abstimmung verlangt, hat diese nach der Ge¬ schäftsordnung zu erfolgen.“ Herr G.=R. Landa bemerkt, daß er zu § 11 noch eine Bemerkung zu machen hätte, die er in seinen Ausführungen vergessen habe, zu erwähnen, worauf Herr Bürgermeister er¬ vidert, daß nach Schluß der Debatte eine neuerliche Antrag¬ tellung untunlich sei und nicht mehr zugelassen werden könne. Herr Vorsitzender leitet sodann die Abstimmung über eden einzelnen Paragraphen 1 bis 40 ein und werden sämtliche wie im Entwurfe vorgelegt, einschließlich des angefügten (§ 40) über die Mandatsdauer vom Gemeinderate, angenommen err Bürgermeister: „Herrn G.=R. Landa steht es rei, gegebenenfalls in der Freitagsitzung Anträge zur Wahl¬ ordnung einzubringen.“ 6. Antrag betreffend Wohnungsfürsorge Herr Referent G.=R. Dr. Harant: „In der Sitzung des Gemeinderates vom 28. Jänner lag der Dringlichkeitsantrag etreffend der Wohnungsnot vor und wurde damals beschlossen, diesen der 1. Sektion zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung zuzuweisen, da die Dringlichkeit des Antrages zurückgezogen wurde. Die I. Sektion hat den Antrag einer Beratung unter¬ zogen und stellt folgenden Antrag: Der löbliche Gemeinderat geruhe den eingebrachten Antrag in Würdigung der geltend gemachten Gründe anzunehmen und nit der Durchführung eine einzusetzende Wohnungskommission zu betrauen, in welche jede der drei im Gemeinderate vertretenen Parteien zwei dem Gemeinderate angehörige Vertreterzu ent¬ enden hätten. Herr G.=R. Dedic: „Ich möchte zu dem Sektionsantrage olgenden Zusatz beantragen: Der löbliche Gemeinderat wolle eschließen, den Herrn Bürgermeister zu beauftragen, auf Grund der Verordnung vom 14. September zugleich eine Kundmachung zu erlassen, auf Grund welcher die Hausbesitzer verhalten werden, Doppel= und überflüssige und leerstehende Wohnungen anzu¬ nelden und die auf diese Weise ermittelten Wohnungen an Wohnungssuchende abzutreten. Herr Bürgermeister: „Ich bin mit dem Antrage des Herrn G.=R. Dedic umsomehr einverstanden, als ich selbst die Erlassung einer solchen Kundmachung vorhatte und bei den maßgebenden Faktoren auch schon dieserhalb vorstellig wurde bis heute konnte ich jedoch noch keine Nachricht über eine Ent¬ scheidung erhalten. Ich lasse über den Sektionsantrag und den Zusatzantrag des Herrn G.=R. Dedic abstimmen.“ Die beiden Anträge werden vom Gemeinderate einhellig ingenommen Herr Bürgermeister: „Ich bitte nunmehr, nach dem Sektionsantrage die Wahl der Vertreter in den paritätischen Ausschuß vorzunehmen und unterbreche die Sitzung zur Aus prache zwischen den Parteien über die Wahl auf drei Minuten.“ derr Vizebürgermeister Wokral übernimmt den Vorsitz. Nach Wiederaufnahme der Sitzung verkündet Herr Vize ürgermeister Wokral das Ergebnis der Wahl der Vertreter n die Wohnungskommission. Es erscheinen gewählt die Herrei emeinderäte: Prof. W. Brand, Hermann Kletzmayr, Franz Kirchberger, Josef Haidenthaller, Karl Dedic und Vizebürger¬ Z. 6944/19 neister Wokral 8. Festsetzung der Armenfondgebühren für das Jahr 1919. Herr Referent G.=R. Dr. Harant: Die Sektion stellt nach Vorberatung den Antrag auf Festsetzung der Armenfonds¬ gebühren im bisherigen Umfange angenommen. Der Sektionsantrag wird vom Gemeinderate Zl. 12845 der Gemeindeumlage bei Neu=, Zu¬ . Befreiung von Auf= und Umbauten. Herr Referent G.=R. Dr. Harant: „Mit 31. Mai 1919 erlischt die mit dem Gemeinderatsbeschlusse vom 6. März 1914 festgesetzte Umlagenbestimmung und sind dieselben daher wiederum neu zu bestimmen. Die Sektion beantragt die Bei¬ behaltung der bisherigen Bestimmungen für die Zeit vom 1. Juni 1919 bis 31. Mai 1924. Der Sektionsantrag wird vom Gemeinderate angenommen Zl. 4003. 10. Ansuchen um Erhöhung der Verpflegsgebühren für Polizeihäftlinge Herr Referent G.=R. Dr Harant: „Der städtische Polizeiinspektor Hinterreitner hat an die Stadtgemeinde=Vor¬ tehung eine Eingabe gerichtet, worin er um Erhöhung der Verpflegsgebühren für Polizeihäftlinge und des Arrestreinigungs¬ pauschales bittlich wurde. Die Sektion ist in neuerlicher Be¬ ratung des Ansuchens und Prüfung der Ansprüche zu dem Ent¬

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