Gemeinderatsprotokoll vom 24. März 1919

schulen (Knaben= und Mädchenvolksschule) in Ennsdorf zu er¬ bauen, und wurden auch mit der Waffenfabrik dieserwegen be¬ züglich Grundabtretung Verhandlungen gepflogen. Mittlerweile ist jedoch der Krieg hereingebrochen, wo sich selbstverständlich jede Bautätigkeit aufhörte. Ich kann aber Herrn G=R. Prof. Gold¬ bacher nur recht geben, wenn er sagt, daß es eine Pflicht der Waffenfabrik gewesen wäre, für ihre Kinder eine eigene Schule zu bauen und selbst die Lehrkräfte für dieselben beizustellen. Die Schulfragen sind ja schon unter Bürgermeister Lang erörtert worden und ist auch der Plan, von welchem Herr G.=R. Tribrunner prach, schon unter Bürgermeister Lang angefertigt worden.“ Herr Bürgermeister: „Es wird sich empfehlen, in erster Linie in den bestehenden Plan Einsicht zu nehmen und die Angelegenheit der Bausektion mit der IV. Sektion und dem Stadtschulrate eingehend zu besprechen. Ich lasse über den Sektionsantrag abstimmen. Der Sektionsantrag wird vom Gemeinderate angenommen. Herr Bürger meister: „Somit ist die Tagesordnung des öffentlichen Teiles der Sitzung erledigt und frage ich, ob noch das Wort zu Anfragen gewünscht und Anträge gestellt werden.“ Herr G.=R. Kattner: „Ich kann die erfreuliche Mit¬ teilung machen, daß die Milchanlieferung in der letzten Zeit etwas besser geworden ist. Hinsichtlich der Eieranlieferung steht es jedoch äußerst schlecht, als bisher noch kein Stück Ei angeliefert wurde; es ist höchste Zeit, mit der Anlieferung zu beginnen, da die Legezeit bereits gekommen ist und es später der Ge¬ meinde nicht mehr möglich wäre, sich für den Winterbedarf einzudecken. Ich möchte daher ersuchen, daß beim Landes¬ wirtschaftsamte die Eieranlieferung neuerlich betrieben wird.“ Herr G.=R. Prof. Goldbacher: „Ich verfolge aus der „Tagespost“ stets die Anlieferungen an Linz und konnte finden, daß Linz schon Eieranlieferungen erhalten hat. (Rufe: „Hört!“ Es wollen daher energische Schritte unternommen werden, damit auch Steyr rechtzeitig und in entsprechenden Mengen be¬ liefert wird. Herr Bürgermeister: „Ich habe mich auch bereits lebhaft darüber beschwert und werde die Angelegenheit bei meiner nächsten Anwesenheit in Linz wieder betreiben. Herr G.=R. Vogl: „Ich möchte fragen, wie es sich mit der Auszahlung der Teuerungszulagen an die städt. Pensionisten verhält, da verlautete, daß diese keine Teuerungszulagen er¬ hielten.“ Herr Bürgermeister: „Die städt. Pensionisten be¬ kommen dieselben Beiträge, wie sie für die Staatspensionisten normiert sind. Ich werde mich übrigens noch erkundigen. Herr G.=R Tribrunner: „Ich möchte in Angelegenheit der Zuckervorräte der Waffenfabrik, wegen welcher ja vor kurzem eine Demonstration stattgefunden hat, um Aufklärung ersuchen; es heißt immer, daß in der Waffenfabrik so große Vorräte an Zucker sein sollen, diese aber nicht herausgegeben werden; man kennt sich in der Sache nicht aus.“ Herr Bürgermeister: „Der Sache liegt folgende Tatsache zugrunde: Durch Uebertragung einer ganzen Reihe von Familien aus der Waffenfabriksversorgung in die Versorgung der Stadt ist ein Mißverhältnis dadurch entstanden, daß die Waffenfabrik noch immer nach dem früheren Stande beliefert wird, trotzdem der Verpflegsstand derselben viel kleiner geworden ist. Wir sind an die Waffenfabrik mit dem Verlangen heran¬ getreten, uns für die zugewachsene Bevölkerung den Zucker zu vergüten, wovon die Waffenfabrik lange Zeit nichts wissen wollte und bestehen auch heute noch Reibereien. Wenn wir den uns gebührenden Teil erhalten, könnte die Februarquote voll erfüllt werden und wäre für die nächste Ausgabe gesorgt. Das Gerücht verlautete nun, daß der Zucker aus dem Grunde zurückbehalten wurde, um denselben zu dem erhöhten Preise abgeben zu können und ist auch eine Frauenabordnung im Rathause erschienen, die nicht nur die sofortige Ausgabe des Zuckers, sondern auch die Gleichstellung der Stadtbevölkerung mit jener der in der Waffenfabrik Verpflegten in der Versorgung forderte. Ich erinnere daran, daß gerade ich es war, der sich stets gegen eine Sonderbelieferung der Waffen¬ fabrik aussprach und eine Gleichstellung der ganzen Bevölkerung der Stadt als kriegsindustrielle Bevölkerung verlangte Leider wurde diesem Begehren nicht Rechnung getragen. Die Waffenfabrik ist heute keine Kriegsindustrie mehr und kann ich ganz gut begreifen, wenn die Bevölkerung jetzt die Gleichstellung in der Versorgung fordert. Der dritte Beschwerdepunkt ist die Kostspieligkeit der ausländischen Lebensmittel, die gewiß eine traurige Erscheinung ist, aber die Stadt Steyr kann leider für den schlechten Stand unserer Krone nichts. Die Leute haben stufenweise Preis¬ festsetzungen verlangt. Auch wurde über den Schleichhandel Be¬ chwerde geführt, worin jedoch eine geteilte Ansicht in der Ab¬ ordnung herrschte. Die Demonstranten waren sehr erregt und war es fast nicht möglich, sich Ruhe und Aufklärungen zu ver¬ chaffen; Schuld an der Erregung der Leute dürfte das ver¬ breitete falsche Gerücht sein, daß der Zucker nur aus dem Grunde zurückgehalten wurde, weil der erhöhte Preis abgewartet werden sollte, was aber durchaus unwahr ist. Es finden jetzt um 3 Uhr neuerliche Verhandlungen mit der Waffenfabrik und dem Ver¬ pflegsausschusse der Waffenfabrik statt und steht zu erwarten, daß der Zucker auch für die nächste Woche noch ohne Verteuerung ausgegeben werden wird.“ Die Herren Gemeinderäte Vogl und Ruckerbauer geben gleichfalls in diesem Sinne Erklärungen ab und verweist insbesondere Herr Ruckerbauer darauf, daß der Verpflegs¬ ausschuß der Waffenfabrik stets sehr gut gewirtschaftet habe und Herr G.=R. Vogl bemerkt, daß mit Ausnahme von Fett die Waffenfabriksarbeiter auch mit Zubußen keineswegs besser ver¬ sorgt werden, wie die Stadtbevölkerung. Herr G.=R. Mitter ersucht zur Beruhigung der Be¬ völkerung um Aufklärung, wo die Sachen hinkommen, die von der Volkswehr beschlagnahmt werden. „Wer bekommt diese Sachen?“ Herr Bürgermeister: „Die beschlagnahmten Mengen müssen allwöchentlich der Landesregierung bekanntgegeben werden, welche das Verfügungsrecht hierüber hat.“ Hierauf schließt der Herr Vorsitzende den öffentlichen Teil der Sitzung und erklärt dieselbe für vertraulich. Schluß der Sitzung um 3 Uhr 5 Min.

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