Gemeinderatsprotokoll vom 7. Februar 1919

haben für Most einen Höchstpreis vorgeschrieben. Ganz recht. Andererseits ist es aber für den Stadtwirt furchtbar chwer, denn wenn der Wirt hinausgeht um Most zu kaufen, bekommt er keinen so billigen Most, um ihn im Rahmen des vorgeschriebenen Höchstpreises in der Stadt verkaufen zu können. Er muß den Most teurer bezahlen als um den Preis, um den er den Most ausschenken oll. Das ist eine unhaltbare Sache. Die Sache wird aber noch verschlimmert, wenn der Wirt überhaupt keinen Most bekommt. Die Landwirte wollen überhaupt keinen Most mehr hergeben, weil er im Schleichhandelsweg zu horrenden Preisen verschleppt wird und massenhaft nach Wien und bewiesenermaßen sogar bis Triest geht. Schauen wir in der Milchfrage. Auch Milch geht eine ganze Menge nach Wien, wovon Herr GR. Kattner ein Lied zu singen weiß. Die Firma Wild & Sohn in Neumarkt=Kalham, die uns täglich 1200 bis 1400 Liter liefern soll, hat uns in letzter Zeit an manchen Tagen nur bis 200 Liter geliefert, was einen täglichen kaum zu ertragenden Ausfall von 1000 bis 1200 Liter gleich¬ kommt. Das sind natürlich Kalamitäten, mit denen einfach nicht weitergearbeitet werden kann. Nur durch die Energie des Herrn GR. Kattner, der selbst in die Gemeinden hinausgefahren ist und auch Dank der Mit¬ hilfe anderer Herren, ist es gelungen, die Milchanliefe rungen zu verbessern Die Milchversorgung ist also für Steyr auch ein Punkt, der uns in Oberösterreich durch die fortwährende Ausfuhr sehr schwer trifft, weil es klar ist, daß es für Familien, besonders mit Kindern und für Kranke von rößter gesundheitsschädlicher Wirkung ist, wenn keine Milch vorhanden ist. In Linz besteht in der Milch¬ versorgung genau dieselbe Notdurft wie hier Diesen Uebelständen ist meines Erachtens dadurch abzuhelfen, daß wir uns eine zeitlang zumindestens gegen ede Ausfuhr absperren und ist diese Maßnahme auch in meinem Antrage zur Durchführung festgelegt. In der eutigen Wirtschaftsratssitzung sind auch bereits Vor¬ schläge erstattet worden, die, wie es scheint, greifbare Formen erhalten haben und auf solche Absperrmaßnahmer hinausgehen. Eine Grenzsperre muß unbedingt erfolgen denn wo noch Hoffnung ist, Lebensmittel im Schleich¬ handel hinauszubringen, wird niemals das erreicht werden, was wir wollen. Es muß Oberösterreich einmal auf sich selber sehen, damit die Bedrängnisse endlich einmal aufhören. Sind wir dann mit dem nötigen ver¬ — das Land ist ja nicht gar so arm, das sieht sehen man ja, weil solche Unmengen von Lebensmitteln aus¬ — dann kann immer noch die geführt werden können Landesregierung verfügen, daß das, was wir nicht un¬ bedingt brauchen, nach Wien oder Salzburg verschickt wird. In erster Linie müssen wir uns selbst schützen, damit die Not nicht zu solchen Katastrophen führt, wie es Linz in den letzten Tagen erlebt hat und wissen wir von heute auf morgen nicht, ob es in Wels und Steyn nicht genau so geht. Es ist daher höchst notwendig, daß wir der Landesregierung unseren Standpunkt nach¬ drücklichst zu verstehen geben. Wenn die Landesregierung znergisch eingreift, wird die Gefahr und die Not im Lande überwunden werden können. Aber in der heutigen Landesregierung sitzen noch dieselben Leute darinnen es ist seither nicht besser geworden, es ist immer noch die alte Statthalterei! Diese ist so gewohnt an das mon¬ archistische System, sie wurstelt immer noch fort, als wie wenn noch der Hof in Wien sitzen würde. Dortbir gehen die Ausfuhren und wir darben und haben kein Fleisch, kein Fett und keine Milch und keinen Most Das was noch aus unserem Bezirk mit Mühe heraus¬ gebracht wird, ist kaum der Rede wert, wenn man das Quantum ansieht, was eine Familie in der Woche be¬ kommt. Das kann man mit einer Hand leicht in den Sack stecken. Es ist in meinem Antrag auch etwas enthalten was gewiß zu beherzigen wäre, das wäre die kommende Ernte. Es wäre ganz gut, sich mit der kommenden Ernte einzudecken. Erst wenn Oberösterreich das hat, 3 was es unbedingt zu seiner ordentlichen Erhaltung braucht, solle das überflüssige ausgegeben werden. Wir wollen gewiß nicht hartherzig sein, aber ich glaube, daß es in erster Linie am Platze ist, daß sich Oberösterreich inmal versorgt. Ich bin auch überzeugt, daß der Schleichhandel nicht mehr so blühen und gedeihen wird. Freilich würden die großen Städte außerhalb Oberöster¬ eich hiedurch getroffen werden, vielleicht auch Salzburg, was zwar bedauerlich ist; ich meine aber in der Gro߬ adt trifft es dann am meisten diejenigen, die uns nicht zu erbarmen brauchen, das sind die Schleichhändler und Preistreiber, die bis jetzt Hunderttausende aus den Aus¬ fuhren aus Oberösterreich verdient haben. Die Agrarier werden sich an niedrige Preise gewöhnen müssen, denn auch diese dürfen sich nicht vorstellen, daß es ewige Zeiten so fort geht und wird ganz bestimmt ein Abbau der Preise kommen müssen. Es muß anders werden es kann doch nicht immer die Butter 60 K per Kilo gramm und mehr kosten. Mit dem Abbau dieser vahnsinnigen Preise muß jetzt ein Anfang gemach werden. Ich glaube Ihnen nun den Zweck des Antrages genügend geschildert zu haben und bitte den Antrag bestens zu unterstützen Herr GR. Prof. Erb: „So oft in der Ernährungs¬ frage hier gesprochen wurde, ist es für Steyr nicht besser geworden und so oft — es muß wiederholt werden — der Stadt Steyr in großen Wirtschaftsrats¬ itzungen, in großen öffentlichen Versammlungen, seien ie in diesem Saale, in einem anderen öffentlichen Saale, oder im Statthaltereisaale Versprechungen ge¬ nacht wurden, wurden diese nicht eingehalten. Deshalb haben wir in Steyr allen Grund erbittert zu ein. Wir haben auch Grund über unsere jetzige Ver¬ orgungslage erbittert zu sein. Man hat aufgeatmet, als im November v. J. ein scheinbarer Anlauf genommen vurde, um mit dem alten System zu brechen und damit gründlich aufzuräumen. Es wird aber heute nicht einer ier sitzen, der sagen kann, es ist aufgeräumt worden; im Gegenteil, es ist schlechter geworden in der Ver¬ orgung als dies früher der Fall war. Schlechter aus bestimmten Gründen. Schlechter weil die Leute, die in der Landesregierung heute das Referat über die Ver¬ sorgung führen, dieselben geblieben sind und noch immer als Referenten in der Landesregierung sitzen. Es herrscht viel Unverstand, manche Parteilichkeit und viel Gleich¬ jültigkeit. Das altösterreichische echt bürokratische System errscht heute noch in der Landesregierung. Die Herren scheinen für die wirklichen Bedürfnisse des Volkes nicht viel Verständnis zu haben, sonst wäre es unmöglich, daß Zustände vorhanden sind, auf die ich noch zu prechen kommen werde, insbesondere in der Vieh¬ verwertung und gegenüber unserer Stadt Steyr Nan hat den Kopf der Landesregierung abgesägt, alles andere ist geblieben. Der ehemalige Statthalter Baron Handel ist weg, der gutmütige, jedenfalls die Sache in das Beste hinüberlenken wollende, aber leider von seinen Untergebenen nicht besonders unterstützte Vizepräsident Graf Thun, kann die Lage trotz bestem Villen nicht meistern, denn die ihm Untergebenen sind infach nicht besser und nicht schlechter geworden als sie varen, als sie ihr Amt angetreten haben. Die Referenten der Landesregierung sind ganz merkwürdig gegenüber Steyr vorgegangen und brauche ich nur an die Kälbergeschichte zu erinnern, wo man Linz in einem Monat fast 600 und „uns nur 30 Kälber jegeben hat, also fast 20 mal soviel. Wir haben oft genug darüber geklagt, daß wir gegen Linz ganz bedeutend zurückgesetzt sind und trotzdem hat es nichts geholfen. Ja selbst in Linz hat man durch ordentliche Versorgungs¬ verhältnisse nicht die Ruhe und Ordnung aufrecht er halten können; das Unheil ist mit seinen beklagens¬ verten Erscheinungen losgebrochen; die Erbitterung der Bevölkerung, die die Wirtschaft dieser Landesregierung insbesondere der Viehverwertung in Urfahr mit ansehen nußte, ist zum Teile begreiflich und zu verstehen.

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