Gemeinderatsprotokoll vom 28. Jänner 1919

8 die I. Sektion sich eingehend befaßt und hiezu folgenden Bericht und Antrag erstattet: „Es kann gar keinem Zweifel unterliegen, daß die Verlegung des Kreisgerichtes aus Steyr nach einem anderen Orte, bzw. die Zuweisung von Steyr zu einem anderen bereits bestehenden Kreisgerichte einer schweren Schädigung der Stadt in ihren Interessen gleichkommen würde. Steyr ist mit Rücksicht auf die Anzahl der Bewohnerschaft und im Hinblicke auf seine wirtschaft¬ liche Bedeutung gewiß berechtigt, den Sitz eines Kreis¬ gerichtes zu verlangen. Die Abziehung des Kreis¬ gerichtes müßte als ein schreiendes Unrecht empfunden verden Bedenken hinsichtlich der entsprechenden Beschäf¬ tigung des Gerichtes sind leicht zu zerstreuen, wenn die chon wiederholt als äußerst dringend bezeichnete Ein beziehung der Gerichtsbezirke Haag und St. Peter in Niederösterreich bewirkt wird“ Die Sektion beantragt: „Der Gemeinderat be¬ chließe, es sei die Belassung des Kreisgerichtes in Steyr mit aller Entschiedenheit zu fordern und sei die Arron¬ dierung des Kreisgerichtssprengels durch Einbeziehung der niederösterreichischen Gerichtsbezirke Haag und St. Peter nach Möglichkeit anzustreben. — Der Herr Bürgermeister und Herr Nationalrat Prof. Erb werden ersucht, sich für die Verwirklichung dieser Entschließung bei den maßgebenden Faktoren nach Kräften einzu¬ setzen“ herr GR. Prof. Erb: „Die Frage der Verlegung des Kreisgerichtes taucht jetzt schon fünf bis sechsmal auf. Ich bin während meiner zwanzigjährigen Tätigkeit als Reichsratsabgeordneter zu jedem Justizminister ge¬ angen — das will bei der großen Zahl derselben während dieser Zeit etwas gesagt sein— habe in der Sache interpelliert und jedesmal hat sich die Un¬ richtigkeit dieses Gerüchtes herausgestellt. Ich muß mich dagegen wehren, daß man dem Gemeinderat einfack Schriftstücke auf den Tisch wirft, ohne zu sagen, woher diese Gerüchte stammen. Ich bitte mit derartigen Dingen n Zukunft etwas vorsichtiger zu sein. Bei dieser Ge¬ legenheit möchte ich zu bedenken geben, daß anlehnend an diese Frage ein Beschluß der Spitalskommission vorliegt, der bezweckt, daß für den Herrn Primarius des Krankenhauses Dr. Oser endlich einmal eine Wohnung geschaffen werde und handelt es sich darum, die durch den Wegzug des 1 Herrn Kreisgerichtspräsidenten Dr. v. Pittner im Spitalskyheim freiwerdende Wohnung dem Herrn Primarius zu reservieren. Es soll nun die Befürchtung bestehen, daß, wenn für den künftigen Präsi¬ denten des Kreisgerichtes in Steyr keine Wohnung väre, das Kreisgericht verlegt werden könnte. Die Ernennung eines neuen Präsidenten ist aber noch gar nicht erfolgt und könnte faktisch mit der Veröffentlichung solcher Dinge und den vielen Reden vom Wegkommen des Kreisgerichtes dasselbe einmal zur Wahrheit werden Ich werde mich im Justizministerium um die Ange¬ legenheit erkundigen, erwarte aber die sichere Antwort: Wir wissen nichts davon. Wir werden für den Antrag der Spitalskommission gewiß stimmen, weil wir dem Herrn Primarius schon seit langem versprochen haben, für ihn die erste passende Wohnung freizuhalten. Die Spitalskommission hat sich mit dieser Wohnungsfrage im Spitalskyheim eingehend beschäftigt und muß auch die dem Herrn Primarius gegebene Zusage eingehalten werden. Ich bitte, die Wohnungsbeschaffung für den Herrn Primarius, aber nicht mit der Frage der Ver¬ legung des Kreisgerichtes zu verquicken. Herr Primarius muß auch über die Zusicherung der Wohnung im Spitalskyheim eine schriftliche Zusage erhalten“ derr GR. Dr. Harant: „Die Sektion konnte füglich nichts anderes tun, als die Sache als Gegenstand der Tagesordnung zu behandeln. Was Herr GR. Prof Erb vorbrachte, mag ja richtig sein. Der Herr Bürger¬ meister hat auf eine Anfrage erklärt, daß die Nachricht der Wegverlegung des Kreisgerichtes von einer ma߬ gebenden Persönlichkeit stamme; allerdings hat er es unterlassen zu sagen, wer diese maßgebende Persön¬ lichkeit ist. Es liegt mir eine erst kurz vor der Sitzung übergebene Zuschrift des Herrn Dr. Spängler vor und laube ich nicht, daß Herr Bürgermeister Herrn Dr. Spängler als diese Person bezeichnen wollte; es cheint mir die Sache doch einen anderen Hintergrund zu haben und will hoffen, daß die Wegverlegung des Kreisgerichtes nur ein Gerücht war. Im übrigen ginge s nicht an, heute für den zukünftigen Präsidenten des Kreisgerichtes die Wohnung zu reservieren, weil man eute nicht einmal weiß, ob der kommende Präsident ver¬ heiratet ist und daher im gegenteiligen Falle vielleicht licht einmal auf die Wohnung des bisherigen Herrn Prä¬ identen reflektiert. Andererseits besteht immerhin die Mög¬ lichkeit, daß ein hiesiger Funktionär des Kreisgerichtes zum Präsidenten ernannt wird, derselbe dann in seiner bis¬ erigen Wohnung bleibt und sohin wiederum die Frei¬ altung dieser Wohnung gegenstandslos würde Herr GR. Kirchberger: „Die Angelegenheit der rimariuswohnung kommt ohnehin in der II. Sektion neuerlich zur Sprache“ Herr Vorsitzender „Ich schreite über den Sektions¬ antrag zur Abstimmung“ Der Sektionsantrag wird vom Gemeinderate ein¬ stimmig angenommen Punkt XI. Bericht über die Ausgestaltung der Fachschule in Steyr. Herr Referent: „Es liegt uns eine Zuschrift des Herrn Prof. Haßlinger vor, der ein Memorandum über die Ausgestaltung dieser Schule beiliegt und welches besagt, in welcher Weise die Fachschule neu ausgestaltet und organisiert werden könnte. Ich glaube, aß es gewiß im Interesse der Stadt Steyr liegt, venn der Frage ernstlich näher getreten wird und die Fachschule eine zeitgemäße Ausgestaltung und Erwei¬ terung erfährt. Andererseits sind wir aber nicht in der Lage, in einer einzigen Sitzung wie in der heutigen, die mit iner großen Zahl von Gegenständen angefüllt ist, die Sache genau durchzuberaten und müssen auch in weiterer Linie für eine vollständige Beschlußfassung vorerst Fach¬ eute gehört werden. Der Sektionsantrag geht daher dahin, dem Gemeinderate folgenden Vorschlag zu machen: Die erstatteten Vorschläge seien dem Kuratorium der Fachschule mit der Einladung zu übermitteln, er wolle hiezu Stellung nehmen und dem Gemeinderate ehestens Bericht erstatten Herr GR. Prof. Brand: „Ich glaube, daß diese Fachschulausgestaltung eine sehr dringende ist. Die Sache dem Kuratorium zuzuweisen, bedeutet eine Verschiebung der Angelegenheit; aber die Sache ist sehr wichtig und dringlich. Sie wissen, meine Herren, daß die Schule en Zweck hatte, durch theoretischen Vormittags= und raktischen Nachmittagsunterricht, tüchtige Werkzeug¬ chlosser, Messerschmiede, Metallarbeiter, Dampfmaschinen¬ und Kesselarbeiter heranzubilden. Nun haben sich aber die Zeiten geändert. Die Messerschmiedearbeiten lassen ich nicht mehr so durchführen wie früher; dieses Ge¬ werbe ist fast völlig zugrunde gegangen. Es handelt ich nun darum, die Schule nach dem vorgelegten Memorandum neu auszugestalten. Wenn dies aber ge¬ schehen soll, ist es unbedingt notwendig, ein neues Ge¬ bäude zu errichten, da sich das gegenwärtige Gebäude iefür in keiner Weise mehr eignet. Das gegenwärtige Ge¬ bäude ist für 30 Schüler berechnet, während die Frequenz der Schule auf 70 gestiegen ist! Wir haben uns schon früher redliche Mühe gegeben, die Anstalt zu erweitern und eine der Neuzeit angepaßte technische Unstalt zu errichten. Wenn der Gemeinderat will, daß die Schule wirklich den modernen Bedürfnissen aus¬ estaltet wird, muß er sich ernstlich und rasch damit efassen. Die Linzer sind viel eifriger als wir. Als die Schiffsjungenschule in Pola aufgelassen wurde, haben die Linzer sofort getrachtet, diese nach Linz zu bekommen und oll auch schon mit 16. Februar d. J. eine neue Staats¬ gewerbeschule in Linz errichtet werden. Um nun nicht von anderen Orten durch Verzögerung der Angelegenheit

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