Gemeinderatsprotokoll vom 28. Jänner 1919

2. Sitzung. Rats=Protokoll über die ordentliche Sitzung des Gemeinderates der l.=f. Stadt Steyr am 28. Jänner 1919 um 3 Uhr nachmittags. Tagesordnung: I. Sektion. (Sektionssitzung am Freitag, den 24. Jänner um 3 Uhr nachmittags.) 1. (Vertraulich.) Besetzung der Assistenzarztenstelle und Sekundararztenstellen. 2. (Vertraulich.) Besetzung der Stadtbuchhalterstelle. 3. (Vertraulich.) Besetzung von Sicherheitswach¬ mannstellen. 4. (Vertraulich.) Besetzung der Gefangenhaus¬ gehilfenstelle. 5. (Vertraulich.) Personalansuchen. 6. (Vertraulich.) Ansuchen um Aufnahme in den Gemeindeverband. 7. (Vertraulich.) Ansuchen um Bürgerrechtsver¬ leihung. 8. Antrag bezüglich Wahrung der Städteautonomie. 9. Straßenbenennung im neueinverleibten Gebiete. 10. Beschlußfassung wegen Erhaltung des Kreis¬ gerichtes. 11. Bericht über die Ausgestaltung der Fachschule in Steyr. 12. Verwendung der Leopold Werndl=Stiftung. 13. Beschlußfassung über die Dr. Franz Anger¬ mann=Studentenstiftung. 14. Rekurse in Armensachen. 15. Genehmigung eines Versorgungsvertrages. Gegenwärtige: Vorsitzender: Herr Vizebürgermeister Paul Fendt und die Herren Gemeinderäte: Franz Aigner, Heinrich Bachmayr, Prof. W. Brand, Anton Chalupka, Karl Dedic, Prof. Leopold Erb, Karl Fischer, Prof. Gregor Goldbacher, Ferdinand Gründler, Josef Haidenthaller, Dr. Karl Harant, Ing. Jofef Huber, Ludwig Karl, Franz Kattner, Franz Kirchberger, Hermann Kletzmayr, Fritz Krottenau, Ignaz Langoth, Karl Mayr, August Mitter, Ludwig Moser, Franz Müller, Franz Nothaft, Hugo Olbrich, Markus Ruckerbauer, Franz Tribrunner, Adalbert Vogl, Hans Witzany, Karl Wöhrer und Alois Zwicker. II. Sektion. (Sektionssitzung am Samstag, den 25. Jänner um 10 Uhr vormittags.) 16. Kassatagebuchabschluß pro November 1918. 17. Ansuchen der Theaterdirektion um Subventions¬ erhöhung. 18. Krankenhausangelegenheiten. 19. Subventionsansuchen. III. Sektion. (Sektionssitzung am Donnerstag, den 23. Jänner um 4 Uhr nachmittags.) 20. Ansuchen des Turnvereines Steyr um Grund¬ überlassung für den Turnhallebau. 21. Ansuchen um Grundverpachtungen. 22. Anbot des Wach= und Schließinstitutes Steyr. IV. Sektion. (Sektionssitzung am Freitag, den 24. Jänner um 11 Uhr vormittags.) 23. Verleihung der Jahresinteressen aus der Leopold Pacher=Artilleriestiftung. 24. Verleihung der Jahresinteressen aus der Lobzen¬ thaler=Stiftung. 25. Wiederverleihung der Simon Zachhuberschen¬ Seidenstrumpfwirkerpfründen. 26. Verleihung von zwei erledigten Anton Rosenauer¬ pfründen. 27. Beschlußfassung wegen Zahnpflege in den Schulen. Seitens des Stadtamtes: Herr Stadtamtsrat Dr. Habl. Als Schriftführer: städtischer Protokollführer Karl Ridler. Entschuldigt abwesend Herr GR. Viktor Ortler. Der Herr Vorsitzende begrüßt die erschienenen Herren Gemeinderäte, stellt die Beschlußfähigkeit des Gemeinderates fest und erklärt die Sitzung um 3 Uhr 5 Min. für eröffnet. Herr Vorsitzender teilt mit, daß die Herren Bürgermeister Gschaider und Vizebürgermeister Wokral dienstlich verreist und daher am Erscheinen bei der heutigen Sitzung verhindert sind.

2 Zu Beglaubiger dieses Protokolles werden die Herren Gemeinderäte Josef Haidenthaller und Dr. Karl Harant gewählt. herr Vorsitzender: „Es liegt mir ein vom Herrn ürgermeister übergebener Bericht vor, den ich zur Ver¬ lesung bringe: Die Fleischversorgung hat in letzter Zeit eine be¬ dauerliche Verminderung erfahren. Der Bezirk Steyr¬ Land, der uns zur Anlieferung zugewiesen ist, konnte die entsprechende Menge nicht aufbringen, so daß wir genötigt sind, in der laufenden Woche bloß 20 Deka¬ gramm statt 30 Dekagramm auszugeben Es ist ein geringer Trost, daß es anderwärts nochschlechter ist und z. B. Wels, wie aus einem seitens des Bürger¬ meisters Richter im Landtage eingebrachten Antrage hervorgeht, nur 10 Dekagramm ausgibt Kriegswurst konnten wir in der letzten Zeit über¬ aupt nicht erhalten, da solche nur Wirtschaftsvereini¬ gungen zugewiesen wurde. Die Kartoffelversorgung liegt im ganzen Lande sehr m argen; die Zuschübe stocken fast vollständig und nüssen wir uns derzeit mit einer Ausgabe von bloß 2 Kilogramm bescheiden. Auch die Milchversorgung ist trotz aller An¬ strengungen nicht besser geworden Hingegen ist der Zucker endlich eingelangt; es konnte die restliche Dezemberquote ausgegeben werden und wird in den nächsten Tagen die volle Jännerquote zur Ausgabe gelangen Als Zubuße wurde die Mauthausener Sendung ausgegeben; ebenso auch Kriegskaffee und eine bescheidene Menge Haferreis Die Wildanlieferung wird sich hoffentlich jetzt, nach¬ dem im Gebirge starker Schneefall eingetreten ist, durch ergiebige Hochgebirgsjagden erheblich bessern Eine seitens der Städte in Aussicht genommene Vorkehrung ausländische Lebensmittel zu bekommen, ist wie aus einer Zuschrift der Stadt Wien hervorgeht unmöglich geworden, da der Staat selbst diese Bestellungen in die Hand nimmt. Wieviel wir von den vom Staate angekauften ausländischen Lebensmitteln erhalten, ist bisher noch nicht bekannt. Die Holzversorgung hat sich durch Ankäufe von größeren Holzmengen aus aufgelösten Kriegsgefangenen lagern etwas gebessert. Den zusammengefaßten Bericht über die Versorgung im Jahre 1918 werde ich in der nächsten Gemeinderats sitzung zum Vortrage bringen. Trotz aller Vorstellungen und aller Anstrengung Kohle zu bekommen, war es nicht möglich, die Betriebs¬ einstellung des Gaswerkes zu verhindern. Durch diese Einstellung sind die unliebsamsten Folgen entstanden, da owohl die öffentliche Gasbeleuchtung als auch die Ver¬ sorgung der Privaten mit Gas aufhören mußte. Vom Gaswerke eingeholte Berichte ergaben die derzeitige Un¬ möglichkeit, das Gaswerk wieder zu eröffnen; es bestehen war Verhandlungen des Gaswerkes mit Firmen, doch ist Kohle, wenn überhaupt, nur im Schleichhandelswege erhältlich und zwar zu einem Preise, der die Kosten des Gases auf eine unglaubliche Höhe spannen würde Auch die Steyrtalbahn stand vor der Betriebs¬ einstellung, doch wurde es durch energisches Einschreiter beim Staatsamte für Heereswesen möglich, eine Köhlen¬ menge zu erhalten, die die Führung des teilweisen Be¬ triebes bis heute zuließ. Bitte diesen Bericht zur Kenntnis nehmen zu wollen Der Herr Bürgermeister hat mich am 8. Jänner d. J. beauftragt, an einer beim Wirt in Feld statt¬ indenden Interessentenversammlung betreffend den Ausbau der Bahn St. Florian—Steyr teilzunehmen. Die Trasse dieser Bahn wäre gedacht: St. Florian— Asten — Enns — Moos—Thann — Kronstorf — Hagelsberg Stallbach —Dietach—Gleink—Stein. An dieser Ver¬ ammlung nahmen alle Bürgermeister der Gemeinden wischen St. Florian und Steyr teil und außerdem varen ungefähr 200 Interessenten anwesend, die sich ür den Ausbau dieser Bahn einsetzten. Als Vertreter der Stadt Steyr habe ich mich selbstverständlich dahin ausgesprochen, daß wir mit dem Bahnprojekte vollkommen einverstanden nd und glaube ich, daß niemand im Gemeinderate sein wird, der gegen dieses Projekt auf¬ treten würde Es handelt sich hier um die Erschließung eines Gebietes welches für die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt sehr wichtig ist und werden wir später noch Gelegenhei haben, uns mit diesem Projekte eingehender zu befassen. Ich habe den kurzen Bericht hierüber nur eshalb vorgebracht, damit der Gemeinderat unterrichtet st, die daß Stadtgemeinde an der Interessenten¬ versammlung am 8. Jänner vertreten war und bitte, dies einstweilen zur Kenntnis nehmen zu wollen“ Geschieht Hierauf bringt der Herr Vorsitzende das Schreiben der Post= und Telegraphendirektion Linz vor, welches lautet: Deutschösterreichische Postdirektion in Linz. Zl. 43.999/6. Linz, am 12. Dezember 1918. Gegenstand: Errichtung einer Tele¬ raphenlinien=Sektion in Steyr. An die Stadtgemeindevorstehung in Steyr. Zum Schreiben vom 9. d. M., Zl. 38830, beehrt ich die Direktion mitzuteilen, daß von hieraus bereits in Antrag wegen Errichtung neuer Telegraphenlinien Sektionen ausgearbeitet wurde, welcher jedoch vorläufig bis zur Klärung der Verhältnisse, insbesonders bis zur Entscheidung der Einverleibung von Südböhmen, zu¬ rückgestellt werden muß, umsomehr, als mit der Errich¬ tung neuer Sektionen nicht unbedeutende Mehrauslagen, deren Bedeckung zur Zeit fehlt, verbunden sind. Vorläufig liegen die Schwierigkeiten in der Er¬ richtung von Fernsprechanschlüssen noch immer in der Unmöglichkeit, durch eine einschneidende Erweiterung der Dachgestänge und Kabelanlagen Abhilfe zutreffen, vährend Anschlußleitungen in Orten, deren Dach¬ gestänge noch nicht voll besetzt ist oder in welchen Säulenleitungen Verwendung finden, doch ab und zu ergestellt werden können. ehnliche Verhältnisse wie in Steyr liegen auchin Wels Ried, Braunau, Freistadt, Gmunden, Hallein, Salzburg usw., sowie auch in Linz vor, woselbst in ein zelnen Stadtgebieten schon seit zwei Jahren keine Neu¬ anschlüsse mehr durchgeführt werden können. ur Zeit können ungefähr 2000 Anschlüsse nicht erg tellt werden Abgesehen davon, daß die Materialgewinnung sich nur sehr langsam steigern wird, da die Fabriken unter allen möglichen Schwierigkeiten arbeiten, darf nicht über ehen werden, daß die h.=ö. Direktion allein für die Durchführung aller notwendigen Erweiterungen der Gestänge und Fernvermittlungsämter einen Kredit von 5,000.000 K beanspruchen mußte, dessen Zuweisung aber vorläusig nicht erfolgen kann. Die Stadtgemeindevorstehung kann versichert sein, daß alles geschehen wird, was überhaupt möglich er cheint, um über die schwierigen Verhältnisse bald¬ möglich hinwegzukommen Der Hofrat und Vorstand: van de Castel. Nachdem nunmehr Herr GR. Witzany in der Sitzung erschienen ist, nimmt der Herr Vorsitzende die

Angelobung desselben vor und verliest die Gelöbnis¬ formel „Dem Deutschösterreichischen Staate unbedingt die Treue zu halten, den deutschen Charakter der Stadt Steyr zu wahren, sowie den Bestimmungen des jeweiligen Gemeinde tatutes der Stadt Steyr und der Geschäftsordnung des 77 Gemeinderates stets nachzukommen Herr GR. Witzany: „Ich gelobe“ Dring err Vorsitzender: Es liegt mir folgender ichkeitsantrag vor Dringlichkeitsantrag der Gemeinderäte Franz Tribrunner, Josef Wokral und Parteigenossen Sowohl die prov. Nationalversammlung in Wien als auch die oberösterreichische Landesversammlung haben es als die dringendste Aufgabe bezeichnet, zur allgemeinen Arbeitslosigkeit Notstandsarbeiten ausführen zu lassen. Als Notstandsarbeiten sind nicht nur industrielle und kommunale, sondern auch andere in Aussicht ge nommen. Im besonderen wird darauf verwiesen, daß als Notstandsarbeiten auch Bahnbauten und die Elektrisie rung von Eisenbahnen in Betracht gezogen werden müssen. Mit Rücksicht auf diese Ansichten der Landes= und Staatsregierung stellen die Gefertigten den Antrag: „Der Gemeinderat der Stadt Steyr wolle be¬ schließen, es sei an beide Regierungsstellen heranzutreten, bei der Ausführung der beabsichtigten Notstandsbauten unbedingt auch den Ausbau der elektrischen Bahn St. Florian—Steyr ins Auge zu fassen. Die Landes¬ regierung ist zu ersuchen, den Konzessionären die Ver¬ pflichtung aufzuerlegen, den Bahnbau innerhalb eines befristeten Termines auszuführen und mit den Inter¬ essenten raschestens Fühlung zu nehmen, damit der Ausbau dieser Bahn im Rahmen der auszuführenden Notstands¬ irbeiten ausgeführt werden kann. 33 5 8 /0 Steyr, am 28. Jänner 1919. Karl Fischer. Josef Wokral. Franz Müller. A. Vogl. Ludwig Karl. Karl Dedic. Hans Witzany. Fritz Krottenau. M. Ruckerbauer. Franz Tribrunner. Inton Chalupka. Der Antrag ist mit genügenden Unterschriften gestützt und ersuche ich einen der Herren Antragsteller zur Dringlichkeit das Wort zu nehmen Herr GR. Tribrunner: „Die Dringlichkeit des Antrages begründe ich mit der eingetretenen bekannten Arbeitslosigkeit, die ein rasches Eingreifen zur Ein¬ dämmung derselben verlangt. Ferner begründe ich die Dringlichkeit damit, als der Staatsrat eine Kommission zur Förderung der Friedensproduktion eingesetzt bat, um entsprechende Maßregeln zu ergreifen, diese Kom¬ mission bereits eine Enquete abgehalten hat und die Stellungnahme zum Gegenstande daher dringlich ist Es ist sich so rasch als möglich mit dieser Kommission in Verbindung zu setzen, damit die vorzunehmenden Arbeiten zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit nich vernachlässigt werden Herr GR. Prof. Erb: „Nachdem sich dieser Antrag einem vom Herr Bürgermeister Gschaider in der Landes versammlung gestellten Antrag wegen Erbauung der elektrischen Bahn St. Florian—Steyr anschließt, dieser Bahnbau dringlich erscheint und für die Beschaffung von Arbeit die beste Möglichkeit gibt, werden wir für die Dringlichkeit dieses Antrages stimmen“ Herr Vorsitzender: „Ich schreite, da zur Dring¬ ichkeit weiter das Wort nicht gewünscht wird, zur Ab¬ stimmung Die Dringlichkeit des Antrages wird vom Gemeinde¬ rate einstimmig angenommen. Herr Vorsitzender: „Ich erteile den Herrn Antrag¬ teller zum Antrage selbst das Wort“ Herr GR. Tribrunner: „Zum Antrage selbst brauche ich, da der Ausbau der elektrischen Bahn 3 St. Florian—Steyr für unsere Stadt von so großer wirtschaftlicher Bedeutung ist, nicht viel zu erwähnen. Ich möchte nur darauf verweisen, daß schon vor dem Kriege diesem Projekte ein großes Interesse entgegen¬ gebracht wurde, dann aber, da der Krieg das Projekt in den Hintergrund schob, das Interesse hiefür in den letzten Jahren zurückgegangen ist. Weil aber die Re¬ zierung selbst Mittel und Wege sucht, um Arbeits¬ gelegenheit zu beschaffen, durch die Ausführung des elektrischen Bahnbaues uns selbst auch ein Mittel für ieselbe entsteht, muß heute die günstige Gelegenheit rgriffen werden auf die Sache zurückzukommen und das Hindernis der Arbeitslosigkeit zu bekämpfen“ herr Vorsitzender: „Ich will nur mitteilen, dast sich die Interessentenversammlung am 8. Jänner ganz in demselben Sinne ausgesprochen und Beschluß gefaßt hat“. Herr GR. Kattner: „Ich komme schon durch 3 bis 4 Jahre alltäglich in dieses Gebiet und habe dadurch die Ueberzeugung gewonnen, daß Steyr aus dieser Bahn die größten wirtschaftlichen Vorteile zieher vird. Der heutige Milchtransport kostet uns an Auto¬ leihgebühr fast täglich 100 K und wäre die Verbilligung der Transportmittel für alle Zufuhren ein großer Faktor. Nur möchte ich bitten, daß die Angelegenheit rasch und energisch in Angriff genommen wird, damit sie sich nicht twa wieder auf 1 oder 2 Jahre verzögert Herr Vorsitzender: „Da zum Antrage das Wort nicht nehr gewünscht wird, schreite ich zur Abstimmung“ Der Dringlichkeitsantrag wird vom Gemeinderate einstimmig angenommen Herr Vorsitzender: „Es liegt mir ein weiterer Dringlichkeitsantrag vor, welcher lautet: Dringlichkeitsantrag der Gemeinderäte Karl Dedic, Hans Witzany und Genossen. Die Stadt Steyr leidet schon seit einer längeren eihe von Jahren immer an einer anhaltenden Wohnungs¬ not, die sich in Zahl, wie auch der Beschaffenheit der Wohnungen zeigt. Ein großer Teil dieser Wohnungen st sogar zu Wohnzwecken total ungeeignet und ungesund. Diese ständige Wohnungsnot ist auch die Hauptursache der weit verbreiteten Tuberkulose, sowie auch aller In ektionskrankheiten, insbesondere auch der enormen Zahl der Typhusfälle in den letzten zwei Jahren Aber auch die Verrohung der Jugend ist zum großen Teil auf die Rechnung der großen Wohnungsnot zu etzen, wie auch das Wohnungselend die Folge der Untergrabung der Sittlichkeit ist. Aus obigen Gründen sehen wir uns genötigt, nachstehenden Dringlichkeitsantrag zu stellen: Der löbliche Gemeinderat der Stadt Steyr wolle beschließen: 1. Die Durchführung einer Wohnungsstatistik über ämtliche Wohnungen, die sich auf alle Teile der Wohnungsfrage zu erstrecken hat, vor allem aber den ygienischen Zustand der Wohnungen zu untersuchen. 2. Ausstellung von Wohnungsinspektoren. 3. Schaffung eines Wohnungsamtes. 4. Ist die Landesregierung zu ersuchen, auf Grund der Vollzugsanweisung Nr. 22 vom 13. November 1915 ine Verordnung zu erlassen und der Gemeinde das Recht zu geben, unbewohnte oder den Wohnzwecken entzogene und überflüssige Wohnungen der einzelnen Hausbesitzer und Mieter anfordern zu können 5. Zur weiteren Ausarbeitung der ersten drei unkte wird die Bau= und Rechtssektion beauftragt, innerhalb eines Monats dem Gemeinderate diesbezüglich Vorschläge zu machen. 38 8 2/16 Steyr, am 28. Jänner 1919. Franz Müller. Karl Dedic. Hans Witzany. Adalbert Vogl. M. Ruckerbauer. Karl Fischer. Karl Ludwig. J. Wokral. Fritz Krottenau. F. Tribrunner. Anton Chalupka.

4 Auch dieser Antrag ist mit genügenden Unter¬ chriften gestützt und erteile ich einem der Herren Antrag teller zur Dringlichkeit des Antrages das Wort Herr GR. Dedic: „Meine Herren! Der Dringlichkeits¬ antrag spricht wohl für sich selbst. Daß wir eine große Wohnungsnot haben, ist allen Herren vom Herrn Bürgermeister bis zum letzten Amtsdiener der Gemeinde bekannt. Ich ersuche, daß alle Herren für die Dring¬ lichkeit des Antrages stimmen wollen“. Herr GR. Dr. Harant: Ich bin im allgemeinen damit einverstanden, wenn der Frage der Wohnungsnot nähergetreten wird und sich der Gemeinderat damit efaßt. Ich glaube aber, daß der Antrag nicht in dem Sinne dringlich ist, daß man nicht genügend Zeit hätte den Antrag im ordnungsmäßigen Wege durch die Vor beratung in der Sektion zu behandeln. In dieser Er¬ wägung spreche ich gegen die Dringlichkeit. In dem Antrage ist von der Schaffung eines Wohnungsamtes die Rede und wollen uns die Herren Antragsteller zunächst sagen, wie dieses Wohnungsamt beschaffen sein soll und welchen Wirkungskreis der zu bestellende Wohnungsinspektor hätte. Ein solcher Dringlichkeitsantrag ist doch so vorzubereiten, daß man damit im Gemeinde¬ rate etwas anfangen kann. Es geht nicht an, einfach einen Dringlichkeitsantrag auf den Tisch zu werfen und zu sagen, diese Forderung muß so rasch als möglich erfüllt werden. Ich bin der Meinung, daß in der Form, wie der Dringlichkeitsantrag vorliegt, derselbe nicht be¬ sprochen werden kann; infolgedessen spreche ich mich gegen die Dringlichkeit aus Herr GR. Dedic: „Zur Einbringung des Dringlich¬ keitsantrages hat uns der Umstand bewogen, daß sich der Gemeinderat schon vor Jahren mit dieser Frage beschäftigt, aber bis heute zur Ausführung noch gar nichts getan hat. Wenn Herr GR. Dr. Harant meint was wir uns eigentlich unter einem Wohnungsamt vorstellen, so glaube ich, wäre dies Sache der Vor¬ beratung in der I. Sektion zur Berichterstattung an den Gemeinderat. Die Dringlichkeit des Antrages ist aber aus der Sache selbst gegeben, und könne man daher weiter darüber sprechen Herr GR. Prof. Erb: „Es hat gar keinen Zweck darüber zu streiten, ob die Sache dringlich ist oder nicht. Dringlich ist es, der Wohnungsnot zu steuern. Das ist eigentlich der Gedanke des Antrages. Die Form des Antrages ist aber im Punkte 5 desselben so ge¬ geben, daß der Antrag nicht als Dringlichkeitsantrag aufzufassen ist, da in diesem Punkte verlangt wird, daß die Bau= und Rechtssektion damit zu betrauen ist, innerhalb eines Monates dem Gemeinderate Vorschläge in der gedachten Richtung zu erstatten. Damit ist dem Antrag vorweg die Dringlichkeit genommen, sondern einfach ein befristeter gewöhnlicher Antrag eingebracht und ihm das Kleid eines Dringlichkeitsantrages gegeben. Ein Dring¬ lichkeitsantrag muß, um als solcher geschäftsordnungs¬ mäßig behandelt werden zu können, fordern, daß der Gemeinderat beschließe, etwa an die Reichsregierung mit der Durchführung des Beschlusses heranzutreten, daß also vom Gemeinderate ein fertiger Beschluß zu assen möglich ist. Der Gemeinderat kann aber mit diesem Antrage gar nichts tun, als ihn der Sektion zu¬ weisen, wodurch dem Antrage der Zweck und Charakter eine dringliche Beschlußfassung im Gegenstande herbei¬ uführen, wie gesagt, benommen ist. Als gewöhnlichen Antrag ist gegen denselben nichts einzuwenden. Im Meritum der Sache sind wir vollständig einig und vürde ich ersuchen, daß der Dringlichkeitsantrag zurück¬ jezogen, der Antrag als ein gewöhnlich zu behandelnder zu betrachten und durch diese formelle Sache die Einigkeit nicht gestört wird. Wir stimmen natürlich für den Untrag und können wir über denselben einen einstim¬ migen Beschluß fassen“ derr GR. Dedic: „Wenn man sich schon an diesem Punkte 5 stößt, so kann man diesen ja streichen“ Herr GR. Prof. Erb: „Dann geht die Behandlung des Antrages als Dringlichkeitsantrag schon gar nicht, weil der Antrag keinen fertigen Beschluß im Gegen¬ tande durch die unbedingt nötige Zuweisung an die Sektion bringen kann Herr GR. Witzany: „Die Form der Dringlichkeit wurde deswegen gewählt, weil beispielsweise in der Sitzung vom 9. Dezember v. J. im Dringlichkeitswege ein Ausschuß gewählt wurde, um die Kasernenangelegenheiten ofort zu beraten und Bericht zu erstatten, von einer Tätigkeit des Ausschusses aber bis heute nichts bekannt vurde und daher zu befürchten steht, daß auch hier bei bloßer Antragstellung wieder nichts geschieht. Dies ist uch der Grund der Befristung des Antrages. Die Dringlichkeit könnte nur dann zurückgezogen werden, venn die Frist zur Berichterstattung auch tatsächlich eingehalten wird“ Herr GR. Dr. Harant: „Wir können unmöglich eine Verpflichtung annehmen die vorschreibt, daß genau in einem Monat Bericht zu erstatten ist, weil wir nicht wvissen, ob überhaupt innerhalb dieser Frist eine Sitzung tattfindet. Ich möchte daher ersuchen, den Antrag dahin abzuändern, daß gesagt wird, die Berichterstattung hat mit tunlichster Raschheit, wenn möglich in einer der nächsten Gemeinderatssitzungen zu erfolgen. Herr GR. Prof. Brand: „Ich erkläre mich mit dem Antrage selbst einverstanden, ebenso mit der Aus¬ ührung des Herrn GR. Dr. Harant, da doch den Vorberatungen, Untersuchungen der einzelnen Wohnungen vorausgehen müssen und diese in vier Wochen überhaupt nicht verläßlich vorzunehmen sind“ Herr GR. Dedic: „Ich habe nichts dagegen, wenn n der erstnächsten Sitzung Bericht erstattet wird. Wegen der Abweisung der Dringlichkeit selbst glaube ich, ist dieser Formfehler bei den Haaren herbeigezogen und werden, wie es scheint, nur die Interessen der Haus¬ esitzer vertreten“ (Zwischenrufe: Keine Spur!) Herr GR. Prof. Erb: „Was wegen der Interessen¬ vertretung der Hausbesitzer gesprochen wurde, muß ich atsächlich berichtigen. Ich habe wenigstens bei meinen Ausführungen nicht daran gedacht nur die Interessen er Hausbesitzer zu vertreten, sondern nur die formelle Seite des Antrages und die erforderliche geschäfts¬ ordnungsmäßige Behandlung richtiggestellt Herr GR. Dedic: „Ich ziehe die Dringlichkeit des Antrages zurück und bringe denselben als gewöhnlichen Antrag ein err Vorsitzender: „Nachdem die Dringlichkeit des Antrages zurückgezogen wurde und derselbe nur mehr als ewöhnlicher Antrag anzusehen ist, weise ich denselben der Bausektion und der Rechtssektion zur Berichterstattung ei der nächsten Gemeinderatssitzung zu Herr GR. Witzany: „Alle Herren wissen, wie oft in früheren Gemeinderatssitzungen gegen die Belegung der Wehrgrabenschule Stellung genommen wurde; erst nach langer Zeit konnte es gelingen, die Schule für den Unterricht wieder frei zu bekommen. Nun ist in jüngster Zeit die Schule neuerlich durch die Gendarmerieschule belegt. Es ist höchste Zeit, daß die Schulen mit nor¬ nalem Unterricht beginnen können, die Bequartierung von Schulen durch Militär zurückgezogen und insbe¬ ondere die Wehrgrabenschule dadurch wieder ihrem Zwecke zuzuführen Herr GR. Prof. Erb: „Ich habe gegen den Dringlichkeitsantrag an sich gar nichts, muß aber fol¬ endes bemerken: Als Obmann des Ausschusses für Kasernangelegenheiten habe ich vom Gemeinderate den Auftrag erhalten, sich mit der Frage der weiteren Ver¬ wendung der nun fast leer stehenden Kasernen zu be¬ chäftigen und kommt mir selbst die Inanspruchnahme der Wehrgrabenschule für Gendarmeriebequartierungs¬ wecke merkwürdig vor. Im Gemeinderate wurde der Antrag gestellt, die Jägerkaserne für Unterbringung iner landwirtschaftlichen Schule zu widmen, ein Beweis daß Platz genug vorhanden wäre, um die Gendarmerie¬ chule in der Jägerkaserne unterzubringen; ebenso steht es mit der Artilleriekaserne, die fast völlig leer, dem Militärärar für solche Zwecke zur Verfügung steht und

wohl am geeignetsten wäre, der Unterkunft einer solchen Schule zu dienen. Es widerspricht also die Unterbringung der Gendarmerieschule in der Wehrgrabengasse ganz dem Zwecke der bestehenden Kasernen. Ich werde mir später noch erlauben, auf den meritorischen Teil der Kasernen¬ angelegenheit näher einzugehen Herr Vorsitzender: „Ich muß selbst sagen, daß die Einbringung dieses Dringlichkeitsantrages, der mir 20 Minuten vor der Sitzung übergeben wurde, mich überrascht hat und mir die Unterbringung der Gen¬ darmerieschule in der Wehrgrabenschule das aller¬ neueste ist err GR. Zwicker: „Man muß doch fragen, auf wessen Veranlassung die Wehrgrabenschule belegt wurde. Wenn dies der Herr Bürgermeister wieder allein gemacht hat, so geht dies nicht. Wir sollen uns plagen und jetzt wird schon wieder allein verfügt“ Herr GR. Prof. Brand: „Ich kann namens des Stadtschulrates erklären, daß derselbe von dieser Ver¬ wvendung der Wehrgrabenschule nichts wußte; wir hätter uns sonst entschieden dagegen gewehrt. Der Grund für den Halbtagsunterricht soll vielmehr in dem Mangel an Brennmaterial liegen. Daß man aber den dadurch bedingten Halbtagsunterricht benützt, um die Wehrgraben¬ chule wieder Zwecken von Militärbequartierungen zuzu¬ führen, davon haben wir nichts gewußt; wir hätten uns entschieden dagegen verwahrt“ Herr GR. Vogl: „Auf die Ausführungen des Herrn GR. Brand muß ich erwidern, daß der Mangel an Heizmaterial für die Einführung des Halbtagunter¬ richtes kein stichhältiger Grund ist. Ich kann mir nicht gut vorstellen, daß man die Gendarmerieschule in den kalten Zimmern lasse und wenn für diese Gendarmerie¬ chule Heizmaterial vorhanden ist, so wird wohl für die Volksschule auch Holz und Kohle vorhanden sein“ herr GR. Kirchberger: „Ich möchte darauf ver¬ weisen, daß der Bedarf an Heizmaterial für Erwachsene nicht so groß ist, wie für Schulkinder“ Zwischenrufe: Zur Sache selbst sprechen!) Herr Vorsitzender: „Ich schreite über die Dring ichkeit des Antrages zur Abstimmung, da zur Dring lichkeit des Antrages nicht mehr gesprochen zu werden scheint“ Die Dringlichkeit des Antrages wird vom Gemeinde¬ ate ungenommen. err Vorsitzender: „Ich erteile dem Antragsteller zum Antrage selbst das Wort“ Herr GR. Witzany: „Ueber den Antrag selbst wveiter viel zu sprechen, dürfte überflüssig sein. Ich möchte aber betonen, daß es für die Kinder auf der Ennsleite von unbedingter Notwendigkeit ist, die ver¬ ügbaren Schulen wieder in normale Tätigkeit treten zu lassen. So geht die Sache doch nicht weiter. Die Kinder können überhaupt das Lehrziel gar nicht oder tur schwer erreichen und bleiben daher in ihrer Schul¬ bildung sehr weit zurück. Dies ist der Beweggrund unseres Dringlichkeitsantrages und ersuche ich für den¬ selben zu stimmen Herr GR. Prof. Erb: „Ich fühle mich verpflichtet, namens des Ausschusses für Kasernangelegenheiten hier einen kurzen Bericht über die bisherige Tätigkeit dieses Ausschusses zu erstatten. Der Ausschuß für Verwendung der Kasernen hat bereits Sitzungen abgehalten. Wir konnten uns aber ohne Unterschied der Partei derzeit für eine bestimmte Verwendung der Kasernen aus dem Grunde nicht aussprechen, weil erstens die Kasernen noch nicht vollständig geräumt, dieselben vom Staatsamte für Heereswesen noch in Verwendung stehen und die Gemeinde daher noch kein ausschließliches Verfügungs recht über dieselben besitzt. Um dieses unhaltbare Ver¬ hältnis zwischen Stadtgemeinde und Staatssekretär für Heerwesen irgendwie zu bereinigen, habe ich vom Aus¬ schuß den Auftrag erhalten, mich an die Landesregierung in Linz (Landeshauptmannstellvertreter Langoth), sowie an den Staatssekretär für Heereswesen zu wenden. Dies ist geschehen und ist auch die Antwort eingelangt, 5 daß die Regierung in dieser Angelegenheit so rasch als möglich Stellung nehmen wird um die Lösung dieser Frage zu ermöglichen. Ob die Lösung wirklich so rasch wie erhofft erfolgen wird, kann nicht gesagt werden; ebensowenig, wie der Entschluß der Regierung ausfallen vird. Der Ausschuß kann aber insolange weiter nichts vorkehren, bevor nicht die Entschließung der Staats¬ egierung bekannt ist. Diese Entscheidung ist für uns owohl vom juridischen als auch vom finanziellen Stand¬ punkte aus außerordentlich weittragend, weil wir nicht vergessen dürfen, daß uns der Pacht der Artillerie¬ und Jägerkaserne jährlich eine Einnahme von über 130.000 K abwirft. Die rechtliche Frage ist natürlich benso schwer zu lösen und spitzt sich diese Frage für die Stadtgemeinde außerordentlich zu. Ich meine aber aß, wenn diese Fragen auch noch nicht gelöst werden konnten, doch die Verwendung der Kasernen für Zwecke der Gendarmerieschule oder für andere militärische Zwecke nahe liege und diese Unterbringung der gedachten Schule doch in irgend eine Form zwischen Gemeinde und Staatssekretariat gebracht werden und geleitet werden könnte. Dies ist jetzt Aufgabe der Gemeinde¬ orstehung, sich darüber klar zu werden, sowie auch darüber, was beim Staatssekretariate für Heereswesen, bzw. der Linzer Landesregierung anzubahnen ist. Aus diesem Berichte wollen sie ersehen, daß sich der Ausschuß tatsächlich bereits so weit als möglich mit der ihm auf¬ erlegten Aufgabe beschäftigt hat und daß den Ausschuß eine Schuld trifft, wenn eine durchgreifende Erledigung noch nicht erfolgen konnte“ err GR. Prof. Brand: „Der Stadtschulrat hat sich alle Mühe gegeben, den ganztägigen Unterrichts¬ betrieb aufrecht zu erhalten, aber das Bauamt hat wie immer auch hier versagt und hat uns erklärt, daß ihm weder Holz noch Kohle für einen ganztägigen Unterrichts¬ betrieb zur Verfügung steht. Herr Bezirksschulinspektor Reinelt hat sich mit mir persönlich bemüht, um dieses Hindernis zu beseitigen und haben wir gemeinsam in den letzten Tagen Herrn Ing. Treml gebeten, er möge alles tun, damit die Kinder wieder den vollen Unter¬ richtsbetrieb genießen können. Aber leider konnte uns auch Herr Ing. Treml nicht helfen. Dies ist sehr be¬ dauerlich, aber es geht anderen Orten auch nicht besser Z. B. in meiner Heimat Leitmeritz, welches unmittelbar an der Grenze des Kohlengebietes liegt, gibt es tagelang einen Schulunterricht und ist dies aus dem Umstande zu erklären, daß Kohle aus den tschechischen Gebieten nicht ausgeführt werden darf. Seitens des Stadtschul¬ rates ist sicher alles geschehen, um den Unterricht nach Tunlichkeit aufrecht zu erhalten und wird der Stadt¬ chulrat auch zukünftig nichts unversucht lassen, um den ganztägigen Unterricht zu ermöglichen“ Herr GR. Dr. Harant: „Ich glaube, wir sind alle einig, daß wir gegen die Verwendung der Wehr¬ grabenschule als Unterkunft für die Gendarmerieschule sind. Auch ich bin in Uebereinstimmung mit den übrigen Herren, daß es höchste Zeit ist, daß mit den Schul¬ esuchsunterbrechungen sobald als möglich aufgeräumt wird. Andererseits muß ich doch aus gewissen formellen Bedenken gegen die Fassung des Dringlichkeitsantrages prechen. Die Dringlichkeitsannahme selbst kann ich nicht blehnen. Es heißt aber in dem Antrage, es sei für Interkunft der Gendarmerieschule in den Baracken oder m gräfl. Lambergschen Schloß vorzusorgen und wenn dort keine Unterkunft geschaffen werden könne, soll die Verlegung der Gendarmerieschule von Steyr nach Linz urchgeführt werden. Gegen diese Form des Antrages muß ich mich aussprechen; ich glaube, es ist nur zweck¬ näßig und zu begrüßen, wenn wir die Gendarmerie¬ chule in Steyr haben und möchte mich sehr dagegen iussprechen, daß die Gendarmerieschule wieder von Steyr weggebracht werden soll. Es wird auch nicht gehen, einfach zu dekretieren, die Gendarmerieschule ist entweder in den Baracken oder im gräfl. Lambergschen Schloß unterzubringen oder von Steyr zu entfernen und glaube ich, daß der Antrag dahin abzuändern sei,

6 daß der Herr Bürgermeister beauftragt wird, schleunigst für die Räumung der Wehrgrabenschule, für die Wieder¬ einführung des Schulunterrichtes daselbst vorzusorgen, andererseits aber für anderweitige Unterkunft der Gen¬ darmerieschule zu trachten. Wie man hörte, war auch die Unterbringung der Gendarmerieschule in den Baracken auf der Ennsleite vorerst vorgesehen und sollen nur die aulichen Zustände in den Baracken die Ursache geweser ein, daß die Unterbringung nicht bleibend erfolgen konnte; jedenfalls stellt aber die Unterbringung in der Wehrgrabenschule nur ein Provisorium dar. Daß die Gemeinde über die Kasernen noch nicht rechtlich verfügen kann, dürfte mit ein Grund gewesen sein, die Gendarmerie chule dort unterzubringen. Man wird sich mit dem Staatssekretariate für Heereswesen ins Einvernehmen zu ssetzen haben, um Räume für die Gendarmerie zu gewinnen und auch mir scheint es aus naheliegenden Gründen untunlich, daß die Kasernen unbenützt bleiben sollten“ Herr GR Ing. Zwicker: „Bezüglich der Ausfüh¬ rungen des Herrn GR. Dr. Harant kann ich mich den selben nicht anschließen und zwar aus folgenden Gründen: Die Jägerkaserne ist gegenwärtig als Reservespital teil¬ weise belegt, die Artilleriekaserne ist vollkommen leer Ich sehe gar nicht ein, warum man bis zur Entscheidung der Regierung zuwarten soll; es ist doch ganz einfach die Jägerkaserne wird vollständig geräumt, die Artillerie¬ kaserne besetzt, dann wird man sofort für die Gendarmerie¬ schule einen Platz frei bekommen. Herr GR. Prof Brand hat darauf hingewiesen, daß er sich mit dem Bauamte in Verbindung setzte und erfahren mußte, daß in der Holzversorgung für die Schulen nichts zu machen istl und wenn Herr GR. Vogl erklärt, daß der Mange an Heizmaterial für die Schulsperre nicht stichhältig sei weil auch die Gendarmerieschule Holz benötige, so muß ich ihm beistimmen. Wenn es anderen Leuten gelingt, jetzt nach der Demobilisierung um Tausende von Kronen Holz kaufen zu können, so müßte es auch der Gemeinde gelingen, soviel Holz für den Unterrichtsbetrieb aufzu¬ bringen. In die Waffenfabrik kommen jeden Tag Anbote auf Abfallholz, den Festmeter zu 40 K. Es ist daher eine leere Ausrede, daß man den ganztägigen Unterricht wegen Mangel an Heizmaterialien nicht aufrecht erhalten kann“ Herr GR. Witzany: „Bezüglich der Unterbringung der Gendarmerieschule eventuell im Lambergschen Schloß oder in Baracken, muß ich darauf verweisen, daß sich die Ausführungen des Herrn GR. Zwicker insoferne auch mit unserem Antrage decken, als der Grundgedanke desselben ist, die Wehrgrabenschule von solchen Belagen freizuhalten. Andererseits wären im Schlosse Lamberg eute gewiß genug unbenützte Räume und ist es nicht einzusehen, warum diese nicht Verwendung finden sollten. Was den Hinweis auf die Unbenützbarkeit der Baracken anbelangt, so ist es unrichtig, wenn gesagt wird, dies ließen sich nicht entsprechend instandsetzen. Wir sind auch draußen im Felde oft genug auf ganz verlauste Baracken angewiesen gewesen und konnten dieselben ganz gut gereinigt werden. Es wären also gewiß auch diese Baracken ganz gut zurecht zu bringen. Bezüglich der Unterbringung der Gendarmerieschule in Steyr sollte nan nicht so drängen, da man wieder einen größeren Körper mit Lebensmitteln zu versorgen bekommt. Wenn in Steyr schon keine passende Unterkunft gefunden werden soll, so könnte man die Gendarmerieschule auch nach Mauthausen verlegen und stehen wir durchaus nicht auf dem Justamentstandpunkte, daß die Gendarmerie schule in Steyr verbleiben muß“ Herr GM. Tribrunner: „Bezüglich des bestandenen Planes der Unterbringung der Gendarmerieschule im Lambergschen Schloß kann ich nähere Informationen geben. Vor drei Wochen hat zu diesen Bequartierungs¬ zwecken eine kommissionelle Besichtigung der Schlo߬ räume stattgefunden. Die Wohnräume, welche lange Zeit im Schlosse freigestanden sind, sind heute tatsächlich nit Familien besetzt. Die herrschaftlichen Räume sind allerdings der ganzen Front nach frei. Bei Besichtigung dieser Räume sind wir aber auf den Umstand gestoßen, daß nur das Schlafzimmer des Grafen mit Licht ver¬ sehen ist, während die anderen Räume nur große histo¬ ische Oefen haben, die nicht geheizt werden können. Auch besteht ein Abortmangel, so daß auch in dieser Hinsicht für so viele Personen nicht vorgesorgt wäre Andererseits hat die Direktion darauf verwiesen, daß ür die großen historischen Wert besitzenden Einrichtungen Gemälde 2c. durch den Belag der Räume eine Gefahr estehe und man diese Werte nicht gut von ihren Plätzen wegbringen kann. Die Gendarmerieschue wäre doch sehr leicht im ersten Stock der Jägerkaserne unter ubringen und ist die Forderung, daß die Schule gerade m Zentrum der Stadt einquartiert sein muß, nicht einzusehen. Die Schule wollte auch in die Wehrgraben¬ chule nicht und die Knabenbürgerschule beanspruchen vogegen man sich aber energisch gewehrt hat. Wie dann doch die Schule in die Wehrgrabenschule gekommen ist, ann ich keine Mitteilung machen“ err Vizebürgermeister: „Will Herr GR. Dr. Ha¬ ant seine Ausführungen in einen Gegenantrag formu¬ lieren oder nur als Anregung Herr GR. Dr. Harant: „Ich würde wünschen, daß der Antrag an sich aufrecht erhalten wird, im letzten Absatze aber eine Aenderung erfährt, die dahin geht: Es isei die Stadtgemeindevorstehung zu beauftragen, ür die schleunigste Räumung der Wehrgrabenschule zum Zwecke der Wiedereinführung des ganztägigen Schul¬ unterrichtes zu sorgen und andererseits für die Schaffung on geeigneten Unterkunftsräumen der Gendarmerie¬ chule in Steyr Vorsorge zu treffen“ Herr GR. Witzany: „Ich glaube ganz im Sinne meiner Parteigenossen zu sprechen, wenn wir die Auf¬ rechterhaltung des Antrages so wie er ist, verlangen veil wir absolut kein Interesse daran haben, daß die Bendarmerieschule hier in Steyr verbleiben soll“. Herr GR. Prof. Erb: „In der bisherigen Er¬ örterung wurde nicht erwähnt, daß die Gendarmerie dem Ministerium des Innern untersteht, daß also noch weitere Verhandlungen außerhalb des Staatssekretariates notwendig sind, um über den Verbleib oder Nichtver¬ bleib der Schule in Steyr zu entscheiden. Aber ich muß chon Herrn GR. Ing. Zwicker recht geben, wenn er igt, warum nicht die Jägerkaserne für die Schule ver¬ vendet werden solle. Ich glaube, die Jägerkaserne ist eute nur mehr von 25 Personen belegt und könnten n der Jägerkaserne, wenn es sein müßte, sogar zwei Gendarmerieschulen untergebracht werden. Das Begehren der zentralen Lage für die Schule kann uns ziemlich gleichgültig sein. Wenn nur seitens des Militärärars ein guter Wille vorhanden ist, könnte es die Jäger¬ kaserne als völlig geeignet befinden. Wie man aber hört, oll die Jägerkaserne für die Heimkehrer aus der Kriegs¬ gefangenschaft reserviert bleiben und werfe ich die Frage auf, ob denn für die Heimkehrer nicht ebensogut, wenn licht besser für die große Zahl im seinerzeitigen Maut¬ ausener Lager Platz vorhanden ist. Aber gerade dessen¬ ungeachtet muß es wieder Steyr sein, das man mit diesen Heimkehrern besetzen will, um uns mit fremden Leuten zu überschwemmen. Es wird daher notwendig ein, hiezu Stellung zu nehmen. Wenn die Jägerkaserne nit der Gendarmerieschule belegt wird, haben wir für indere keinen Platz und könnten von der größeren Last er Heimkehrer befreit werden. Ich würde daher empfehlen, die Bausektion zu beauftragen, so rasch als nöglich in dieser Frage die entsprechende Lösung zu uchen und sich mit den maßgebenden Faktoren ins Einvernehmen zu setzen, damit die Jägerkaserne für die Zwecke der Gendarmerieschule verwendet wird. Ich sehe ar nicht ein, daß diese Sache zu einer Debatte führen muß. (Rufe: Sehr richtig!) Wir wissen es nur zu gut wie die Wehrgrabenschule nach dem militärischen Belag ausgesehen hat; ich glaube, die Wiederinstandsetzung hat tausende Kronen gekostet. Wenn wir die Jägerkaserne den Heimkehrern geben müßten, würden der Gemeinde

wohl wieder sehr bedeutende Herstellungskosten er¬ wachsen“. in Herr GR. Prof. Goldbacher: „Man kann hier Zeispiel von der neuen Schule in Urfahr anziehen; der Stadtgemeinde Urfahr hat die Wiederherstellung der Schule glaublich hunderttausend Kronen gekostet. Ich nöchte anfragen, ob die Stadtgemeinde für die seiner eitige Benützung der Wehrgrabenschule vom Militär iberhaupt eine Entschädigung erhalten hat“ Herr Vorsitzender: „Wir sind diesbezüglich mit dem Ministerium in Unterhandlung“ err GR. Dr. Harant: „Ich würde dem Antrage olgenden Zusatzantrag anfügen: Für den Fall, als die Unterbringung der Gendarmerieschule weder in den Ba¬ noch im gräfl. Lambergschen Schloß (möglich racken wird die Gemeindevorstehung beauftragt, für die wäre Schaffung von anderweitigen Unterkunftsgelegenheiten ür die Gendarmerieschule so rasch als möglich zu orgen“ derr Vorsitzender: „Ich schreite über den Antrag Abstimmung“ zur Der Dringlichkeitsantrag wird vom Gemeinderate angenommen err Vorsitzender: „In weiterer Linie kommt der Zusatzantrag des Herrn Dr. Harant zur Abstimmung“. Der Zusatzantrag wird mit Mehrheit angenommen Herr Vorsitzender: „Wir haben nunmehr die vor¬ liegenden Dringlichkeitsanträge erledigt und gehen zur Tagesordnung über. V. VI und VII Die Punkte I, II, III, IV werden zur Beschlußfassung der vertraulichen Sitzung vorbehalten I. Sektion. Referent: Sektionsobmann Herr GR. Dr. Harant. Punkt VIII. Antrag bezüglich Wahrung der Städteautonomie. Herr Referent führt aus: Am 24. Dezember 1918 hat eine Sitzung der Rechtssektion stattgefunden, welche den Zweck hatte, zum neu zu schaffenden Gemeindestatut bzw. Reichsgemeindeordnung Stellung zu nehmen. Dieser Sitzung haben angewohnt die Herren Bürgermeister Gschaider als Vorsitzender, Vizebürgermeister Wokral und die Herren Gemeinde räte Dedic, Prof. Erb, Fischer, Prof. Goldbacher, Gründler, Dr. Harant, Nothaft und Mitter. In dieser Sitzung wurde vor allem anderen die Frage auf¬ geworfen, ob denn nicht durch den Ausbau des neuen Gemeindegesetzes möglicherweise die Autonomie der Städte getroffen würde. Die Mitglieder der Rechts ektion haben sich einmütig zu dem Entschlusse bestimmt gesehen, daß es äußerst wichtig ist, für alle Fälle zu vetonen, es möge die Autonomie der Städte aufrecht erhalten werden, weil die Autonomie für die daran beteiligten Städte ganz bedeutende und ausschlaggebende Rechte beinhaltet. Von diesem Gesichtspunkte aus wurde in der Sektionssitzung beantragt, dem Gemeinde¬ rate folgenden Vorschlag zur Annahme zu erstatten „Im Hinblicke auf die von allen Teilnehmern der am 24. Dezember 1918 stattgefundenen Sitzung der I. Sektion des Gemeinderates zum Ausdrucke gebrachten Anschauungen, empfiehlt die Sektion dem löblichen Ge¬ meinderate nachstehenden Beschluß zur einhelligen An¬ nahme: Durch die bekannten Umwälzungen in unserem Staatswesen ergibt sich auch die Notwendigkeit der Neuschaffung einer Reichsgemeindeordnung. Die Stadt¬ zemeinde Steyr verlangt, daß bei der Schaffung dieser Reichsgemeindeordnung darauf Rücksicht genommen werden muß, daß das Recht der Selbstverwaltung der bis¬ herigen autonomen Städte unter keinen Umständen beschränkt wird, sondern zumindest in seinem bisherigen oll. Die Stadt¬ Umfange aufrecht erhalten bleiben sich unverzüglich gemeindevorstehung wird beauftragt, mit den übrigen autonomen Städten ins Einvernehmen zu setzen mit dem Ersuchen, sich diesem gefaßten Be chlusse anzuschließen“ „Ich empfeble diesen Antrag zur Annahme“ Herr GR. Prof. Erb: „Wie aus Nachrichten her¬ vorgeht, werden die Städte die Autonomie wahrscheinlich beibehalten und werden noch eine Reihe Städte mit 20.000 Einwohnern in die Autonomie einbezogen werden Eine andere Frage ist aber die Verkoppelung des Wahl¬ anges für die Landesversammlung und für die Ge¬ meinderatswahlen. Der diesbezüglich gemachte Vorschlag st einfach seinem Wesen nach nicht zu begreifen. Ge¬ heiter wäre es gewesen, die Wahlen in die National¬ versammlung mit der in die Landesversammlung zu verkoppeln. Die Wahlen in den Gemeinderat einer Stadt werden von ganz anderen Gesichtspunkten er¬ olgen als die Wahlen in die Landesversammlung; ich habe darüber auch mit Herrn Vizebürgermeister Wokral gesprochen. Vielleicht könnte man schon heute die Gemeindevorstehung beauftragen, im Einvernehmen mit den Parteileitungen gegen die Verkoppelung der Landes¬ ersammlungs= und Gemeinderatswahlen energisch Ein¬ prache zu erheben. Die einzige Begründung, die man ür die Verkoppelung der Landtags= und Gemeinderats wahlen vorbringen konnte, war, daß man den Wählern einen zweiten Weg ersparen und auf die Papierpreise Rücksicht nehmen will. Der Nachteil aber, der durch iese Verkoppelung entstehen würde, ist wohl mit diesen Begründungen nicht in Einklang zu bringen. Gerade ür Steyr ist diese Angelegenheit von allergrößter Wichtigkeit Herr Vorsitzender: „Wird zum Punkte Städte¬ autonomie noch das Wort gewünscht? Wenn nicht, chreite ich zur Abstimmung“ Der Sektionsantrag wird vom Gemeinderate ein¬ stimmig angenommen. Z. 1150 Herr GR. Nothaft: „Ich bin jedenfalls damit einverstanden, daß für die Landtags= und Gemeinde atswahl zwei Wahlgänge gemacht werden, glaube aber, daß eine falsche Auffassung des damit verbundenen Planes vorliegt, als sicherlich nicht aus den für den Landtag zusammengestellten Kandidatenlisten die Gemeinde¬ ratsmandate herauszuziehen kommen“ Herr GR. Witzany: „Die Staatsregierung wollte nit der Koppelung nur eine Verbilligung der Wahl auslagen herbeiführen. Außerdem wird sich das Ver¬ ältnis durch eine solche Koppelung nicht so arg ver¬ chieben, da die Gemeinde doch für sich selbst wählt. Anders stehen jedoch die Reichs= und Landesinteressen zu einander Herr GR. Prof. Erb: „Darauf muß ich erwidern, aß Reichs= und Landeswahl viel besser zusammenpassen als Landtags= und Gemeindewahl. Die Interessen einen Gemeinde sind ganz spezieller Natur; anders wäre die Sache, wenn die Stadt Steyr für sich allein in den Landtag wählen könnte; es wird aber die Stadt Steyr eim Landtag mit der Landbevölkerung zusammen¬ zekoppelt. Die geringen Mehrkosten für Druckschriften können gegenüber dem speziellen Interesse der Stadt an den Wahlen in den Landtag und in den Gemeinderat nicht in Betracht kommen. Ich bitte die Angelegenheit der Rechtssektion zuzuweisen Der Gemeinderat beschließt sodann die Angelegenheit dem Wahlreformausschusse zuzuweisen. unkt IX. Straßenbenennung im neueinverleibten Gebiete Herr Referent GR. Dr. Harant: „Seitens des Herrn Bürgermeisters wurde der I. Sektion ein be¬ üglicher Bericht überwiesen, wozu die Sektion folgenden Antrag stellt: Der Gemeinderat beschließe, die fraglichen Straßen nit den Namen „Ennserstraße“, „Steinerstraße“, „Feld¬ traße" und „Hochstraße“ zu belegen. Die Bezeichnung er „Ennserstraße“ für die in der Richtung nach Enns ührenden Straße wolle schon vom Schnallentor an¬ gefangen Geltung erlangen“ Der Sektionsantrag wird vom Gemeinderate ein¬ stimmig angenommen. Z. 2444. Punkt X. Beschlußfassung wegen Erhaltung des Kreisgerichtes derr Referent GR. Dr. Harant: Es liegt uns der Bericht des Herrn Bürgermeisters vor, über welchen 7

8 die I. Sektion sich eingehend befaßt und hiezu folgenden Bericht und Antrag erstattet: „Es kann gar keinem Zweifel unterliegen, daß die Verlegung des Kreisgerichtes aus Steyr nach einem anderen Orte, bzw. die Zuweisung von Steyr zu einem anderen bereits bestehenden Kreisgerichte einer schweren Schädigung der Stadt in ihren Interessen gleichkommen würde. Steyr ist mit Rücksicht auf die Anzahl der Bewohnerschaft und im Hinblicke auf seine wirtschaft¬ liche Bedeutung gewiß berechtigt, den Sitz eines Kreis¬ gerichtes zu verlangen. Die Abziehung des Kreis¬ gerichtes müßte als ein schreiendes Unrecht empfunden verden Bedenken hinsichtlich der entsprechenden Beschäf¬ tigung des Gerichtes sind leicht zu zerstreuen, wenn die chon wiederholt als äußerst dringend bezeichnete Ein beziehung der Gerichtsbezirke Haag und St. Peter in Niederösterreich bewirkt wird“ Die Sektion beantragt: „Der Gemeinderat be¬ chließe, es sei die Belassung des Kreisgerichtes in Steyr mit aller Entschiedenheit zu fordern und sei die Arron¬ dierung des Kreisgerichtssprengels durch Einbeziehung der niederösterreichischen Gerichtsbezirke Haag und St. Peter nach Möglichkeit anzustreben. — Der Herr Bürgermeister und Herr Nationalrat Prof. Erb werden ersucht, sich für die Verwirklichung dieser Entschließung bei den maßgebenden Faktoren nach Kräften einzu¬ setzen“ herr GR. Prof. Erb: „Die Frage der Verlegung des Kreisgerichtes taucht jetzt schon fünf bis sechsmal auf. Ich bin während meiner zwanzigjährigen Tätigkeit als Reichsratsabgeordneter zu jedem Justizminister ge¬ angen — das will bei der großen Zahl derselben während dieser Zeit etwas gesagt sein— habe in der Sache interpelliert und jedesmal hat sich die Un¬ richtigkeit dieses Gerüchtes herausgestellt. Ich muß mich dagegen wehren, daß man dem Gemeinderat einfack Schriftstücke auf den Tisch wirft, ohne zu sagen, woher diese Gerüchte stammen. Ich bitte mit derartigen Dingen n Zukunft etwas vorsichtiger zu sein. Bei dieser Ge¬ legenheit möchte ich zu bedenken geben, daß anlehnend an diese Frage ein Beschluß der Spitalskommission vorliegt, der bezweckt, daß für den Herrn Primarius des Krankenhauses Dr. Oser endlich einmal eine Wohnung geschaffen werde und handelt es sich darum, die durch den Wegzug des 1 Herrn Kreisgerichtspräsidenten Dr. v. Pittner im Spitalskyheim freiwerdende Wohnung dem Herrn Primarius zu reservieren. Es soll nun die Befürchtung bestehen, daß, wenn für den künftigen Präsi¬ denten des Kreisgerichtes in Steyr keine Wohnung väre, das Kreisgericht verlegt werden könnte. Die Ernennung eines neuen Präsidenten ist aber noch gar nicht erfolgt und könnte faktisch mit der Veröffentlichung solcher Dinge und den vielen Reden vom Wegkommen des Kreisgerichtes dasselbe einmal zur Wahrheit werden Ich werde mich im Justizministerium um die Ange¬ legenheit erkundigen, erwarte aber die sichere Antwort: Wir wissen nichts davon. Wir werden für den Antrag der Spitalskommission gewiß stimmen, weil wir dem Herrn Primarius schon seit langem versprochen haben, für ihn die erste passende Wohnung freizuhalten. Die Spitalskommission hat sich mit dieser Wohnungsfrage im Spitalskyheim eingehend beschäftigt und muß auch die dem Herrn Primarius gegebene Zusage eingehalten werden. Ich bitte, die Wohnungsbeschaffung für den Herrn Primarius, aber nicht mit der Frage der Ver¬ legung des Kreisgerichtes zu verquicken. Herr Primarius muß auch über die Zusicherung der Wohnung im Spitalskyheim eine schriftliche Zusage erhalten“ derr GR. Dr. Harant: „Die Sektion konnte füglich nichts anderes tun, als die Sache als Gegenstand der Tagesordnung zu behandeln. Was Herr GR. Prof Erb vorbrachte, mag ja richtig sein. Der Herr Bürger¬ meister hat auf eine Anfrage erklärt, daß die Nachricht der Wegverlegung des Kreisgerichtes von einer ma߬ gebenden Persönlichkeit stamme; allerdings hat er es unterlassen zu sagen, wer diese maßgebende Persön¬ lichkeit ist. Es liegt mir eine erst kurz vor der Sitzung übergebene Zuschrift des Herrn Dr. Spängler vor und laube ich nicht, daß Herr Bürgermeister Herrn Dr. Spängler als diese Person bezeichnen wollte; es cheint mir die Sache doch einen anderen Hintergrund zu haben und will hoffen, daß die Wegverlegung des Kreisgerichtes nur ein Gerücht war. Im übrigen ginge s nicht an, heute für den zukünftigen Präsidenten des Kreisgerichtes die Wohnung zu reservieren, weil man eute nicht einmal weiß, ob der kommende Präsident ver¬ heiratet ist und daher im gegenteiligen Falle vielleicht licht einmal auf die Wohnung des bisherigen Herrn Prä¬ identen reflektiert. Andererseits besteht immerhin die Mög¬ lichkeit, daß ein hiesiger Funktionär des Kreisgerichtes zum Präsidenten ernannt wird, derselbe dann in seiner bis¬ erigen Wohnung bleibt und sohin wiederum die Frei¬ altung dieser Wohnung gegenstandslos würde Herr GR. Kirchberger: „Die Angelegenheit der rimariuswohnung kommt ohnehin in der II. Sektion neuerlich zur Sprache“ Herr Vorsitzender „Ich schreite über den Sektions¬ antrag zur Abstimmung“ Der Sektionsantrag wird vom Gemeinderate ein¬ stimmig angenommen Punkt XI. Bericht über die Ausgestaltung der Fachschule in Steyr. Herr Referent: „Es liegt uns eine Zuschrift des Herrn Prof. Haßlinger vor, der ein Memorandum über die Ausgestaltung dieser Schule beiliegt und welches besagt, in welcher Weise die Fachschule neu ausgestaltet und organisiert werden könnte. Ich glaube, aß es gewiß im Interesse der Stadt Steyr liegt, venn der Frage ernstlich näher getreten wird und die Fachschule eine zeitgemäße Ausgestaltung und Erwei¬ terung erfährt. Andererseits sind wir aber nicht in der Lage, in einer einzigen Sitzung wie in der heutigen, die mit iner großen Zahl von Gegenständen angefüllt ist, die Sache genau durchzuberaten und müssen auch in weiterer Linie für eine vollständige Beschlußfassung vorerst Fach¬ eute gehört werden. Der Sektionsantrag geht daher dahin, dem Gemeinderate folgenden Vorschlag zu machen: Die erstatteten Vorschläge seien dem Kuratorium der Fachschule mit der Einladung zu übermitteln, er wolle hiezu Stellung nehmen und dem Gemeinderate ehestens Bericht erstatten Herr GR. Prof. Brand: „Ich glaube, daß diese Fachschulausgestaltung eine sehr dringende ist. Die Sache dem Kuratorium zuzuweisen, bedeutet eine Verschiebung der Angelegenheit; aber die Sache ist sehr wichtig und dringlich. Sie wissen, meine Herren, daß die Schule en Zweck hatte, durch theoretischen Vormittags= und raktischen Nachmittagsunterricht, tüchtige Werkzeug¬ chlosser, Messerschmiede, Metallarbeiter, Dampfmaschinen¬ und Kesselarbeiter heranzubilden. Nun haben sich aber die Zeiten geändert. Die Messerschmiedearbeiten lassen ich nicht mehr so durchführen wie früher; dieses Ge¬ werbe ist fast völlig zugrunde gegangen. Es handelt ich nun darum, die Schule nach dem vorgelegten Memorandum neu auszugestalten. Wenn dies aber ge¬ schehen soll, ist es unbedingt notwendig, ein neues Ge¬ bäude zu errichten, da sich das gegenwärtige Gebäude iefür in keiner Weise mehr eignet. Das gegenwärtige Ge¬ bäude ist für 30 Schüler berechnet, während die Frequenz der Schule auf 70 gestiegen ist! Wir haben uns schon früher redliche Mühe gegeben, die Anstalt zu erweitern und eine der Neuzeit angepaßte technische Unstalt zu errichten. Wenn der Gemeinderat will, daß die Schule wirklich den modernen Bedürfnissen aus¬ estaltet wird, muß er sich ernstlich und rasch damit efassen. Die Linzer sind viel eifriger als wir. Als die Schiffsjungenschule in Pola aufgelassen wurde, haben die Linzer sofort getrachtet, diese nach Linz zu bekommen und oll auch schon mit 16. Februar d. J. eine neue Staats¬ gewerbeschule in Linz errichtet werden. Um nun nicht von anderen Orten durch Verzögerung der Angelegenheit

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