Ratsprotokoll vom 27. Dezember 1918

4 Voranschlag eingestellten Ziffern will ich nicht stellen, ich wollte nur die Gelegenheit benützen, um das zum Ausdrucke zu bringen was ich für die nächsten Aufgaben der Gemeindeverwaltung für nützlich halte. Herr G.=R. Prof. Erb: „Herr Vizebürgermeister Wokral hat in ganz allgemeinen Umrissen ohne Rücksichtnahme auf pezielle Bedürfnisse über einzelne Dinge des Budgets gesprochen Er sagt, daß eine Voraussicht für die Zukunft unbedingt not¬ wendig sei. Ich stütze und bekräftige diese Worte, muß aber beifügen, daß es auch der frühere Gemeinderat, so lange er am Ruder war, daran gewiß nichts fehlen ließ. Ich glaube es wird aum möglich sein und es war auch Herrn Vizebürgermeister Wokral, vie ich aus den Ausführungen zu entnehmen die Ehre habe nicht möglich, uns nach irgend einer Richtung hin aufzufordern, etwas anzubahnen, was nicht schon der verflossene Gemeinderat nicht nur ins Auge gefaßt, sondern auch begonnen hat, und venn manches nicht erledigt werden konnte, so sind die 5 Kriegs¬ ahre daran Schuld. Während der ersten 3 Kriegsjahre wurden wir nach jeder Richtung geknebelt; so war in der Aera Stürgkh und in den weiteren Kriegsjahren fast nichts zu machen, weil uns nach allen Seiten wiederum Hindernisse bereitet wurden nsbesondere war es der Mangel an Arbeitskräften und an Material, die zu beabsichtigten großen Investitionsbauten nicht zu haben waren. Es wurde von kommunalen Betrieben ge¬ prochen. Die Stadt Steyr entbehrt jeglicher kommunaler Be¬ triebe, wenn man von kleinen Anlagen als der Schotterbrech¬ anlage auf der Rederinsel absieht. Kommunale Betriebe, wie sie andere Städte haben, mangeln uns vollständig. Wir hätten vielleicht hie und da Gelegenheit gehabt, kommunale Betriebe, wie das Elektrizitätswerk und das Gaswerk, in das Eigentum er Stadt zu übernehmen. Herr Vizebürgermeister Wokral hat ganz richtig erklärt, daß die bestehenden äußerst ungünstiger Verträge uns gehindert haben, das Elektrizitäts= bezw. Gaswerk zu übernehmen. Das Elektrizitätswerk ist so unter der Hand dem Einfluße der Bürgerschaft der Stadt Stehr entwunden worden, was wir jetzt fast täglich schmerzlich fühlen müssen. (Rufe: Sehr richtig!) Wir haben keinen Einfluß mehr auf diese unglückseligen Verträge bei deren Errichtung, weil die Plätz und Straßen der Gemeinde seinerzeit in Anspruch genommen und leichten Sinnes vergeben wurden; daher ist nun die Ge¬ meinde gegenüber dem Elektrizitätswerke fast ohnmächtig. Wo wei vertragschließende Teile zusammentreten, ein Teil alle Rechte und der andere Teil — das war die Gemeinde — gar keine Rechte mehr hat, hört sich jedes günstige Vertragschließen auf. Es ist dies ein Gewaltvertrag. Ich will aber deshalb nicht sagen, daß uns das Elektrizitätswerk in verschiedenen Dingen gar nicht entgegenkommt; etwas mehr wäre freilick besser. Was das Gaswerk anbelangt, so leiden wir unter alten Verträgen. Auch Linz hatte ähnliche Verhältnisse, doch muß gesagt werden, daß der Gaswerksbetrieb durch die Stadt Lin selbst keineswegs nachahmens= und empfehlenswert für die Stadt Steyr ist. Die Linzer Gaspreise sind seit langem immer höher als wie in Steyr, ein Unterschied, der freilich in erster Linie darauf zurückzuführen ist, daß der Direktor des Gaswerkes der Stadtgemeinde und der Bewohnerschaft gegenüber stets dankenswertes und großes Entgegenkommen zeigt, was von der Leitung des Elektrizitätswerkes Steyr bisher nicht gesagt werden Kann. (Zustimmung Was die allgemeinen Fragen anbelangt, so haben einzelne Gruppen dem Wohle des Ganzen zurückzutreten. Das ist ein Grundsatz, der umso wahrer wird, je weiter wir uns in die Demokratie künftig hineinleben, wo eine gewisse Ausgleichung der Ziele stattfindet. Ich habe vorhin betont, daß der früherer Stadtvertretung bezüglich Voraussicht in keiner Weise ein Vor¬ wurf des Versäumnisses gemacht werden darf. Was bezüglick der Wasserleitung geschehen konnte ist geschehen es fehlt aber dem Projekte das Wichtigste und das ist das Wasser selbst. Wir aben leider sogar in größerer Entfernung kein brauchbares Wasser und wenn ein solches gefunden wurde, so ließ die Menge vieder alles zu wünschen übrig. Was die Kanalisierung betrifft, so ist es äußerst betrüblich, daß eine Stadt wie Steyr, noch keine allgemeine Kanalisierung besitzt. Viel kleinere Orte mit aum 1000 Einwohner besitzen schon eine Kanalisierung. Ohne Wasserleitung ist aber eine Kanalisierung für Steyr undenkbar, o daß mit der derzeitigen Unmöglichkeit der Wasserbeschaffung ür eine entsprechende Wasserleitung auch das Projekt der Kanalisierung noch in der Luft hängt Was das Schlachthaus im Vereine mit einem Lagerhause anbelangt, so haben wir diese gerade vor Beginn des Krieges bauen wollen; wir mußten es während des Krieges besonder in der Approvisionierung bitter empfinden, daß die Stadt diese üir das allgemeine Wohl notwendigen Einrichtungen entbehren mußte. Daß diese Einrichtungen noch nicht bestehen, sind leiden Versäumnisse früherer Zeit, teils dem Umstande und wohl auch dem zuzuschreiben, daß die Stadt in den früheren Jahren keine Mittel zur Verfügung hatte. Wir hatten zwar in den Jahren 1913 und 1914 keineswegs Geld zur Verfügung und wiese unsere Budgets stets ein bedeutendes Defizit auf. Wir haber uns aber doch beim Baue des neuen Krankenhauses darüber hinweggesetzt und das einzige getan, was jede große Stadt in solchen Fällen macht. Wir haben ein Darlehen aufgenommen das im Laufe der Zeit auch von den künftigen Generationen bezahlt wird werden müssen; dafür genießen aber diese die Wohltat dieser Einrichtung. Das ist das 10 Millionen¬ Anlehen. Herr Vizebürgermeister Wokral hat es aber sicherlich icht so gemeint, daß er der früheren Gemeindevertretung einen Vorwurf macht; er hätte sich damit ja selbst diesen Vorwurf zu machen, weil er bei allen den Beratungen und Beschlüssen mit Fleiß und Eifer mit dabei gewesen ist. Herr Vizebürgermeister Wokral hat vielmehr gemeint, daß wir gemeinsam für die Schaffungen dieser Einrichtungen tatkräftig eintreten müssen, veil wir sie notwendig brauchen leber die Straßen will ich lieber nicht sprechen. Diese ind jetzt in einem derartigen Zustand, daß Schweigen besser ist. Ich will nur auf eines verweisen, wie man überall an den Hausfronten Pflastersteine aufschlichtet und durche inandergeworfen erblicken kann, einem dieselben zwischen die Füße kollern und man sich dabei verletzen könnte. Wie bekannt, ist einem Ge¬ meinderate ohnedies beinahe das Unglück eines Beinbruches eschehen. Unverständlich aber ist, daß man diese Arbeiten in der allerschlechtesten Zeit begonnen und nicht vollendet hat. Aufgerissen wird überall und zugemacht nicht. Schuld an dieser zuständen ist mit unsere Bauamtstätigkeit mit ihrem Personal¬ nangel. Vielleicht ließe sich aber doch durch energisches Ein¬ reifen dieser unhaltbare Zustand beheben Was den Pensionsfond anbelangt, so haben wir dieses Schmerzenskind schon öfter erörtert. Herr G.=R. Tribrunner at sich seinerzeit mit denselben in eingehender Weise beschäftigt In Wirklichkeit und in der Praxis bleibt es sich rechnerisch für die Gemeinde gleich, ob sie die Pension aus den laufenden Einnahmen bezahlt, oder ob sie Zinsen eines angelegten Kapitales hiefür verwendet. Es würde, um die entsprechende Zinsenquote zur Deckung der Pensionen herauszubekommen, ein Kapital von 2 Millionen K erforderlich sein, wobei vorausgesetzt werden muß, daß dieses Geld den bleibenden Wert behält. Hier ist aber Vorsicht sehr am Platze. Ich verweise diesbezüglich auf die Ausführungen des Herrn Vizebürgermeisters Wokral, der sich mit einer neuen Besteuerungsfrage befaßt hat. Was in der Zukunft der Staat an Steuern verschlingen wird, das aus¬ umalen übersteigt die weitgehendste Phantasie. Die neuen Staatsschulden haben eine Höhe erreicht, die schon zu unerme߬ lichen Steuern führen werden, so daß es rätselhaft wird, wie der kleine neue Staat Deutsch=Oesterreich die alten und die neuen Erfordernisse decken wird können. Welcher Geist die not¬ wendigen neuen Steuern erfinden wird, ist noch unbekannt das idealste für eine staatliche Steuer wäre eine allgemeine Einkommensteuer. Ob zu den Durchführungen in der Steuer rage, wie sie Herr Vizebürgermeister Wokral anregt, gerade etzt die richtige Zeit ist, muß dahin gestellt bleiben. Wir dürfen ins nicht auf den zufällig heute günstigen Stand der finanziellen Verhältnisse der Stadt Steyr stellen, sondern es muß auf ein bestimmt eintretendes Sinken der Steuereinnahmen gerechnet werden, was die Finanzlage der Stadt in kurzer Zeit sehr zu hren Ungunsten verändern kann. Wenn wir die Steuereinnahmen und Defizite der Stadt in den Jahren von 1869 bis 1919 leichsam durch ein Graphicon verzeichnen würden und zwar auch bezüglich der Einnahmen aus der Umlage der Erwerbsteuer der Vaffenfabrik, würden wir eine äußerst wechselnde Zickzacklinic nden. Hier wäre der Vergleich mit den 7 mageren und 7 fetten Jahren anwendbar. Manchmal waren aber nur 3 fette und 11 magere Jahre, ja manchmal hat sich dieses Schwanken in den Einnahmen und Defiziten der Stadt sehr bösartig bemerkbar gemacht. Wir eben nun wieder in einer Zeit des Wohlstandes der Gemeinde und wollen wünschen, daß dieser Wohlstand länger anhalten vürde. Wir wissen aber nicht, wie es in dieser Hinsicht in den nächsten 4 oder 5 Jahren in Steyr aussehen wird. Mit dem Abflauen des Geschäftsganges in der Waffenfabrik geht ja auch as Erwerbsleben in der Stadt zurück und damit auch die Ein¬ nahme aus den Gemeindeumlagen herunter. Es ist daher eine Vorsicht in der Beratung der präliminarmäßigen Ansätze sehr am Platze. Wenn wir nun 2 Millionen K in den Pensionsfond jeben, wird ein großer Teil der Reserve sofort verschwinden Wir reden heute von Millionen, wie wir früher von Hundert ausenden gesprochen haben. Eine Million ist für den ge¬ vöhnlichen Sterblichen eine Summe des allerschwersten Reich¬ tumes. Was ist heute für eine Gemeinde eine Million. Ich will Sie daher nicht begeistern, sondern sagen, daß sie dem Beldwerte nach kaum auf 200.000 K kommt. Praktisch gedacht, sind daher unsere 5 Millionen eigentlich nur 1 Million egenüber früheren Zeiten. Es ist daher Sparsamkeit mit Rück¬ icht auf die vorhabenden Bauten, die uns alle schon drängen, ewiß sehr am Platze. Niemals aber darf die Zeit wiederkommen, wo die Stadtgemeinde zum letzten Auskunftsmittel des Häuser und Grundverkaufes greifen muß, damit das Defizit nicht zu groß erscheint, daher das Vorhandene nur zusammenhalten, weil vir es in der Zukunft notwendig brauchen Was die Ausführung wegen der Arbeitsüberlastung des Bürgermeisters anbelangt, sind dieselben vollständig zu unter chreiben und hat Herr Vizebürgermeister Wokral recht, wenn er agt, daß es so nicht weiter gehen kann. Beim Herrn Bürger¬ meister geht es zu wie in einem Ameisenhaufen, die größten und kleinsten Angelegenheiten werden da durchberaten und die ninderwichtigste Begebenheit wird benützt, um beim Herrn Bürgermeister vorstellig zu werden. Alle Herren Gemeinderäte wissen es, daß nicht eine Sektionssitzung ungestört verlaufen kann und ist daher die Stellung des Bürgermeisters so aus estaltet, daß sie sich nur mit großen Dingen zu beschäftigen at. Es sollen den Herren Vizebürgermeistern bestimmte Agenden im selbständigen Wirkungskreise übertragen werden. Der Bürger¬ neister muß den Vizebürgermeistern nach bestimmten Richtungen

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